Säulingssee

Säulingssee bei Kleinensee

IUCN-Kategorie IV – Habitat/Species Management Area

Wasserbüffel als „Landschaftspfleger“ im Schutzgebiet

LageAm westlichen Ortsrand des Heringer Stadtteils Kleinensee im Landkreis Hersfeld-Rotenburg in Hessen, unmittelbar an der Landesgrenze zu Thüringen.
Fläche21,41 Hektar
Kennung1632008
WDPA-ID165337 / 555520376http://infobox-schutzgebiet.wdpa-id.test/165337%20%2F%20555520376
Natura-2000-ID5025-302
Geographische Lage50° 56′ N, 9° 58′ O
Säulingssee (Hessen)
(c) Karte/Map: NordNordWest/Lencer, Lizenz/Licence: Creative Commons by-sa-3.0 de
Meereshöheum 230 m
Einrichtungsdatum1984
BesonderheitenBesonderer Schutz als Naturschutzgebiet und Natura-2000-Gebiet.

Der Säulingssee (nach anderer Schreibweise auch Seulingsee)[1] ist ein ehemaliger See in einer Subrosionssenke im nordosthessischen Landkreis Hersfeld-Rotenburg. Das an der Landesgrenze zu Thüringen liegende Gebiet wird durch Feuchtbiotope geprägt: Kleinflächig wechseln sich feuchte Wiesen, brachgefallenes Grünland, Baumgruppen, Gehölze, Hochstaudenfluren und Teiche ab. Die im Gebiet vorhandenen Gewässer besitzen bemerkenswerte Vorkommen stark gefährdeter, regional verschollener oder vom Aussterben bedrohter Wasserpflanzen.

Umgeben wird der Bereich vollständig von landwirtschaftlich ungenutztem Land und einem umlaufenden Graben. Der für seltene und bestandsgefährdete Pflanzengesellschaften, Amphibien und Vogelarten zum Lebensraum gewordene Bereich wurde im März 1984 zum Naturschutzgebiet erklärt und später, mit gleichen Gebietsgrenzen und Erhaltungszielen, als Flora-Fauna-Habitat-Gebiet Teil des europäisch vernetzten Schutzgebietssystems „Natura 2000“.[2]

Lage

Das Naturschutzgebiet „Säulingssee“ liegt in der Gemarkung des Ortsteils Kleinensee der Stadt Heringen (Werra) im Landkreis Hersfeld-Rotenburg. Nördlich und westlich grenzt es an Großensee im thüringischen Wartburgkreis. Das Schutzgebiet befindet sich in einer der osthessischen Subrosionssenken, die durch Auslaugung von Zechsteinsalzen mit einer anschließenden Absenkung der darüber liegenden Gesteinsschichten entstand. Mit einer Höhenlage um 230 m liegt es außerhalb des Überschwemmungsbereiches der Werra.

Naturräumlich wird das Gebiet der Teileinheit „Salzunger Werrabergland“ in der Haupteinheitengruppe „Osthessisches Bergland“ zugeordnet. Nach Süden und Westen geht der Bereich in die Teileinheit „Seulingswald“ des „Fulda-Werra-Berglandes“ über.[3]

Klima

Bedingt durch die Beckenlage und die hohe Bodenfeuchtigkeit gilt die Senke als ein Kältesee und wird durch ein kühles bis kaltfeuchtes Kleinklima bestimmt. Dieses bewirkt eine Verlängerung von Frostperioden, mit einem höheren Anteil von Früh- und Spätfrösten und eine Verkürzung der Vegetationszeit auf rund 250 Tage. Der durchschnittliche Jahresniederschlag liegt zwischen 600 und 650 mm und die Jahresdurchschnittstemperatur beträgt 8º C.[2]

Entstehung des Gebietes

Der Säulingssee liegt in einer in der Tertiärzeit entstandenen Senke im Unteren und Mittleren Buntsandstein. In dem wannenartigen Becken befand sich ursprünglich ein großer flacher See, der im Jahr 1934 endgültig trockengelegt wurde. Die Böden des ehemaligen Sees bestehen aus lehmigen bis sandigen Sedimenten. Im tiefer liegenden Südwestteil treten schlammige Seeablagerungen auf und in dem Bereich von Sickerwasseraustritten im nordwestlichen Teil befinden sich torfige Anmoorböden.

Einst soll der See, nach alten Überlieferungen, so reich an Karpfen und Hechten gewesen sein, dass Einwohner in dieser Zeit auch von der Fischerei leben konnten.[4]

Im 19. Jahrhundert wurde der See trockengelegt, um die Fläche landwirtschaftlich nutzen zu können. Der Suhlbach am Nordrand, der ursprünglich den See speiste, wurde verlegt, um sein Wasser an der Senke vorbeizuführen. Intensiviert wurde die Entwässerung in den 1930er Jahren durch die Anlage eines großen Entwässerungsgrabens sowie eines Drainagenetzes. Danach war eine Bewirtschaftung, auch mit Ackerbau, im gesamten Gebiet möglich. Nach dem Rückzug der Landwirtschaft, um 1960 bis 1970, wurden die Drainagen nicht mehr gepflegt und das Gebiet vernässte wieder stärker, was schließlich zur Flächenaufgabe führte. Nur die eher trockeneren östlichen Bereiche werden nach Vorgabe der Naturschutzbehörde als Heuwiese oder Extensivweide noch genutzt.

In der ersten Hälfte der 1980er Jahre begann die Wiederherstellung des Feuchtgebietes durch die Anlage mehrerer Stillgewässerteiche. Einige haben eine Tiefe von über einem Meter und flache Ufer. Die Wasserstände schwanken hier im Laufe des Jahres stark, manche Wasserflächen trocknen auch während des Sommers aus. Im Rahmen eines umfangreichen Pflegeeinsatzes wurden im Winter 2004 / 2005 weitere neue Flachgewässer angelegt und alte Gewässer wurden teilweise vergrößert. Bäume und Sträucher, die die Teiche beschattet hatten, wurden gerodet.[5][2]

Natur

Stillgewässer mit Röhrichtsaum im südlichen Teil.
Durch ihr Verhalten sorgen die Wasserbüffel im beweideten Feuchtgrünland für eine Vielfalt an Kleinbiotopen und unterschiedlichen Vegetationstypen.

Nach dem „Standard-Datenbogen für besondere Schutzgebiete“, der im April 1998 erstellt und im Februar 2015 aktualisiert wurde, sind die eutrophen Flachgewässer als Habitat für hochgradig gefährdete Wasserpflanzenarten von bundesweiter Bedeutung.[6] Als Besonderheiten wachsen hier in einem verlandenden Teich neben anderen die stark gefährdeten Arten Pillenfarn und Wasserfeder. Weitere charakteristische Arten dieses Standortes sind Wassermoose und Schild-Hahnenfuß. In einigen Flachgewässern haben sich ausgedehnte Laichkrautgürtel entwickelt.

Die Gesamtergebnisse der zoologischen Untersuchungen zeigten, dass das Schutzgebiet auch eine hohe regionale und überregionale Bedeutung für den faunistischen Artenschutz besitzt. Die verschiedenen Stillgewässer gelten als ideale Lebensräume für Amphibien. In den Tümpeln laichen und verbringen ihre an das Wasser gebundene Entwicklungsphase Erdkröten, Laub- Grün- und Grasfrösche sowie Kamm-, Berg- und Teichmolche.

In einem relativ klaren, besonnten und wasserpflanzenreichen Gewässer wurde eine große Population der gefährdeten Moderlieschen nachgewiesen. Diese Kleinfischart bildet die Nahrungsgrundlage für die Rote-Liste-Arten Zwergtaucher und Eisvogel, der das Gebiet zur Jagd aufsucht. Die Übergangszonen mit Röhricht, Bäumen und Gehölzen bieten weiteren Vogelarten Brutstätten und Nahrungsbiotope. Mitglieder des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) in Heringen haben die Beobachtungsdaten aus den Jahren 2008 bis 2013 ausgewertet und danach kamen in dem Gebiet des Säulingssees folgende in ihrem Bestand gefährdete Vogelarten vor: Bei den Brutvögeln Bekassine, Blaukehlchen, Braunkehlchen, Feldschwirl, Krick- und Reiherente, Neuntöter, Rohrammer, Rohrschwirl, Teichrohrsänger und Wasserralle. Von den Zug- und Rastvögeln waren Bruchwasserläufer, Graugans, Knäkente, Rot- und Schwarzmilan, Silberreiher, Tafelente, Waldwasserläufer und Weißstorch vertreten.[7]

Seit 2006 grasen Wasserbüffel auf der nordöstlichen Gebietsfläche. Durch die extensive Abweidung der Hochstaudenfluren und den Verbiss der Gehölze sollen die Verschattungs- und die Verlandungsprozesse der Gewässer aufgehalten werden. Der naturnahe Weidebetrieb hat das Ziel, die offene Landschaft mit den vielfältigen Kleinstrukturen in den Feuchtbiotopen zu erhalten.[2][5]

Unterschutzstellung

  • Naturschutzgebiet

Mit Verordnung vom 1. März 1984 der Bezirksdirektion für Forsten und Naturschutz beim Regierungspräsidium in Kassel[8] wurde das Gebiet des ehemaligen Säulingssees zum Naturschutzgebiet erklärt. Mit der Unterschutzstellung wollte man die Hochstaudenfluren, Feuchtwiesen und Gräben als Lebensraum zahlreicher Amphibien- und Vogelarten erhalten und sichern. Auch sollte der Bereich als ein Standort von gefährdeten, im Rückzug begriffenen Pflanzengesellschaften geschützt werden. Über die Musterverordnung hinaus war die landwirtschaftliche Bodennutzung im bisherigen Umfang und in der bisherigen Art gestattet und auch das Aufsuchen der Beobachtungsbohrung durch die Kali und Salz AG war von den Verboten ausgenommen.[9] Das Naturschutzgebiet besitzt eine Größe von rund 21,5 Hektar, hat die nationale Kennung 1632008 und den WDPA-Code 165337.[10]

  • Flora-Fauna-Habitat-Gebiet

Im Rahmen der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie wurde der „Säulingssee“ im Jahr 2002 vom Land Hessen der EU-Kommission für das europaweite Netz besonderer Schutzgebiete Natura 2000 gemeldet. Natura 2000 hat die Förderung der biologischen Vielfalt zum Ziel und will einen günstigen Zustand der natürlichen Biotope bewahren oder wiederherzustellen. Ausschlaggebend für die Ausweisung zum FFH-Gebiet war der Lebensraumtyp 3150 „Natürliche und naturnahe nährstoffreiche Stillgewässer mit Laichkraut- oder Froschbiss-Gesellschaften“[11] sowie das Vorkommen von Gelbbauchunke und Kammmolch. Die rechtliche Sicherung erfolgte im Januar 2008 mit der „Verordnung über Natura 2000-Gebiete in Hessen“.[12] Das FFH-Gebiet, das die gleiche Größe und die gleichen Grenzen wie das Naturschutzgebiet besitzt, hat die Gebietsnummer 5025-302 und den WDPA-Code 555520376.[13]

  • Benachbarte Schutzgebiete

Im Norden und Westen grenzt an den Säulingssee das thüringische EU-Vogelschutzgebiet 5127-401 „Werra-Aue zwischen Breitungen und Creuzburg“, das zahlreichen gefährdeten Vogelarten auentypische Lebensräume bietet.[14]

Mit den nahe gelegenen hessischen Naturschutz- und FFH-Gebieten „Rhäden bei Obersuhl und Bosserode“, „Obersuhler Aue“ und „Rohrlache von Heringen“ sowie dem thüringischen FFH-Gebiet „Werra zwischen Phillippsthal und Herleshausen“ bildet der Säulingssee einen wichtigen Trittstein in dem Natura 2000-Schutzgebietsnetz. Zu dem System von naturnahen Auenbiotopen im Mittleren Werratal gehören auch die Naturschutzgebiete „Alte Werra“, „Werraaue bei Berka und Untersuhl“ und „Rohrlache zwischen Dippach und Dankmarshausen“ in Thüringen, die ebenfalls durch Wasserflächen und Feuchtbiotope geprägt werden. Sie gelten als bedeutender Teil eines Biotopverbundes entlang des „Grünen Bandes“ an der ehemaligen innerdeutschen Grenze. Das mit der Entscheidung des Thüringer Landtages vom 9. November 2018 zum Nationalen Naturmonument erklärte Naturschutzgroßprojekt verbindet zahlreiche seltene Lebensräume und soll zur Erhaltung der biologischen Vielfalt in Deutschland und in der Region beitragen.[15]

Touristische Erschließung

Hinweistafel am Rundweg im Schutzgebiet

Das Schutzgebiet ist von Kleinensee aus mit einem grasbewachsenen Rundweg erschlossen. Er beginnt und endet in der Nähe des Sportplatzes am westlichen Ortsrand. Hier informiert auch eine Hinweistafel über den Bereich.

Literatur

  • Lothar und Sieglinde Nitsche, Marcus Schmidt: Naturschutzgebiete in Hessen, schützen-erleben-pflegen. Band 3, Werra-Meißner-Kreis und Kreis Hersfeld-Rotenburg. cognitio Verlag, Niedenstein 2005, ISBN 3-932583-13-2, S. 185 f.
  • Claus Neckermann, Alexander Wenzel: Grunddatenerfassung zum FFH-Gebiet „Säulingssee bei Kleinensee“. Regierungspräsidium Kassel, Abteilung Naturschutz, Cölbe 2003.

Weblinks

Commons: Naturschutzgebiet Säulingssee bei Kleinensee – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Der „Seulingsee bei Kleinensee“ auf der Webseite der Stadt Heringen (Werra); abgerufen am 28. Dezember 2019.
  2. a b c d Claus Neckermann und Alexander Wenzel: Grunddatenerfassung zum FFH-Gebiet „Säulingssee bei Kleinensee“.
  3. Naturräumliche Gliederung nach Otto Klausing im Umweltatlas Hessen auf atlas.umwelt.hessen.de; abgerufen am 28. Dezember 2019.
  4. Chronik auf der Webseite des Heimat- und Verkehrsvereins Kleinensee; abgerufen am 28. Dezember 2019.
  5. a b Sieglinde und Lothar Nitsche: Naturschutzgebiete im Werra-Meißner-Kreis und Kreis Hersfeld-Rotenburg in Naturschutzgebiete in Hessen, schützen-erleben-pflegen. Band 3. S. 185 f.
  6. Standard-Datenbogen für besondere Schutzgebiete, erstellt im Auftrag des Regierungspräsidiums Kassel.
  7. Bestandsgefährdete Vogelarten im Maßnahmenplan für das FFH-Gebiet 5025-302 „Säulingssee bei Kleinensee“. Erstellt im Auftrag der Oberen Naturschutzbehörde beim Regierungspräsidium Kassel. Juli 2014, überarbeitet im Dezember 2016.
  8. Die Verordnung ist am Tage nach der Veröffentlichung im Staatsanzeiger für das Land Hessen vom 26. März 1984 in Kraft getreten.
  9. Verordnung über das Naturschutzgebiet „Säulingssee bei Kleinensee“ vom 1. März 1984 im Staatsanzeiger für das Land Hessen, Ausgabe 13/1984 vom 26. März 1984, S. 658 f.
  10. Naturschutzgebiet „Säulingssee bei Kleinensee“ in der Weltdatenbank zu Schutzgebieten; abgerufen am 14. November 2019.
  11. Der LRT wird auf der Webseite des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) beschrieben und seine Verbreitung, Gefährdung und Schutz dargestellt; abgerufen am 28. Dezember 2019.
  12. Verordnung über die Natura 2000-Gebiete in Hessen vom 16. Januar 2008 im Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen, Teil I, Nr. 4, vom 7. März 2008.
  13. Steckbrief des FFH-Gebiets 5025-302 „Säulingssee bei Kleinensee“ auf der Website des Bundesamtes für Naturschutz (BfN); abgerufen am 28. Dezember 2019.
  14. Steckbrief des EU-Vogelschutzgebiets 5127-401 „Werra-Aue zwischen Breitungen und Creuzburg“ auf der Website des Bundesamtes für Naturschutz (BfN); abgerufen am 28. Dezember 2019.
  15. „Das Grüne Band Thüringen - Nationales Naturmonument“ auf der Webseite des Thüringer Ministeriums für Umwelt, Energie und Naturschutz; abgerufen am 28. Dezember 2019.

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