Sächsischer Landtag (Weimarer Republik)

Hauptportal des Sächsischen Ständehauses in Dresden, Sitz des Sächsischen Landtages in der Weimarer Republik

Der Landtag des Freistaats Sachsen war das Landesparlament Sachsens zur Zeit der Weimarer Republik. Er konstituierte sich auf der Grundlage der am 26. Oktober 1920 verabschiedeten neuen Verfassung am 7. Dezember 1920 und wurde nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten 1933 zum 30. Januar 1934 offiziell aufgelöst. Vorgänger waren die nach der Novemberrevolution am 2. Februar 1919 gewählte Sächsische Volkskammer[1] und zuvor der Sächsische Landtag des Königreichs Sachsen.

Staatsrechtliche Grundlagen

Der Landtag hatte laut Artikel 4 der Verfassung 96 Mitglieder. Er wurde in gleicher und geheimer Verhältniswahl von den in Sachsen wohnhaften Bürgerinnen und Bürgern des Deutschen Reiches, die das zwanzigste Lebensjahr vollendet hatten, gewählt.[2] Der Landtag hatte das Recht, sich selbst aufzulösen. Zudem konnte er auch durch Volksbegehren, oder auf Antrag der Regierung durch Volksentscheid aufgelöst werden. Der Ministerpräsident und auch die einzelnen Minister waren dem Landtag verantwortlich.[3] Da Sachsen wie alle Länder des Deutschen Reiches der Weimarer Reichsverfassung unterstand, hatte der Landtag zahlreiche Kompetenzen an den Reichstag bzw. die Reichsregierung abgeben müssen. Zu den wichtigsten Aufgabenfeldern gehörten weiterhin die Finanz- und Haushaltspolitik, die Innenpolitik und Polizeifragen, die Schul- und Bildungspolitik, Teile der Verkehrs- und Infrastrukturpolitik sowie Beamten- und Personalpolitik.

Landtagsvorstand

Präsidenten des Sächsischen Landtages 1920–1934
NameParteiAmtszeit
Julius FräßdorfSPD1920–1922
Max WinklerSPD1922–1926
Albert SchwarzSPD1926–1929
Kurt WeckelSPD1929–1932
August EckardtDNVP1932–1933
Walter DönickeNSDAP1933–1934

Der Landtagsvorstand bestand aus dem Präsidenten, seinen beiden Stellvertretern sowie den Schriftführern. In der Regel stellte die größte Fraktion den Landtagspräsidenten. Dem Landtagspräsidenten oblagen die Fortführung der Geschäfte des Landtags zwischen den Sitzungen, die Aufsicht über die Verwaltung des Landtages und die Durchsetzung des Hausrechts. Chef der Verwaltung war der Landtagsdirektor.

Tagungsort

Der Sächsische Landtag tagte wie die Volkskammer und die Erste und Zweite Kammer des Landtags im Königreich Sachsen im Ständehaus in Dresden. Hier befanden sich auch die Verwaltung des Landtages, die Fraktions- und Geschäftsräume, die Bibliothek, das Archiv, Speiseräume und weitere Funktionsräume. Das Plenum tagte im Saal der ehemaligen Zweiten Kammer. Dazu wurden zwei weitere Sitzbänke eingebaut, um auch die erhöhte Zahl der Abgeordneten zu fassen. Eine Mikrofonanlage gab es nicht. Die Debatten wurden stenographisch aufgezeichnet und anschließend gedruckt. Das Plenum des Landtages tagte öffentlich. Besucher und Presse konnten die Arbeit des Landtages von den Besuchertribünen aus beobachten, sofern sie Einlasskarten von einer der Fraktionen erhalten hatten.[4] Meinungsäußerungen von den Tribünen waren untersagt, waren aber die Regel und führten gelegentlich zu Tumulten und der Räumung der Tribünen.

Geschichte

Erste Wahlperiode 1920–1922

Landtagswahl 1920
(in %)
 %
50
40
30
20
10
0
28,3
(−13,3)
21,0
(+6,7)
18,6
(+14,7)
16,8
(+0,5)
7,7
(−15,2)
5,7
(n. k.)
1,9
(−1,8)


Vorlage:Wahldiagramm/Wartung/Anmerkungen
Anmerkungen:
d Davon USPD (rechts) 13,9 % und USPD (links) 2,9 %
z Gewinne/Verluste im Vergleich zur Volkskammerwahl 1919
Vorlage:Wahldiagramm/Wartung/Altes Ergebnis nicht 100%

Nachdem am 26. Oktober 1920 die Volkskammer die neue Verfassung einstimmig angenommen und sich zwei Tage später aufgelöst hatte, fanden am 14. November 1920 die Wahlen zum ersten Sächsischen Landtag statt. Dabei konnten weder die bürgerlichen Parteien DDP, DVP und DNVP noch die damals in MSPD und USPD gespaltenen Sozialdemokraten eine eigene Mehrheit erringen. Daher bildete Wilhelm Buck (MSPD) eine Minderheitsregierung aus MSPD und USPD. Erster Präsident des Landtages wurde Julius Fräßdorf, der auch schon Präsident der Volkskammer gewesen war.

Inhaltlich standen die prekäre Versorgungslage in Sachsen, aber auch eine Bildungsreform sowie Verkehrs- und Infrastrukturprojekte im Zentrum der parlamentarischen Arbeit. Eine der folgenreichsten Entscheidungen des ersten Landtages war die Erhebung des Tages der Arbeit am 1. Mai und der Tag der Novemberrevolution 1918 am 9. November zu gesetzlichen Feiertagen in Sachsen. Nach heftigen Auseinandersetzungen löste sich der Landtag im Streit um die Feiertagsfrage am 14. September 1922 auf.[5]

Zweite Wahlperiode 1922–1926

Landtagswahl 1922
(in %)
 %
50
40
30
20
10
0
41,8
(−0,4)
19,0
(−2,0)
18,7
(+0,1)
10,5
(+1,9)
8,4
(+0,7)
1,6
(−0,3)


Vorlage:Wahldiagramm/Wartung/Anmerkungen
Anmerkungen:
a Vergleichswert: SPD und USPD (rechts)
d Vergleichswert: KPD und USPD (links)

Die zweiten Landtagswahlen am 5. November 1922 ergaben erneut kein klares Ergebnis für eines der beiden Lager. Da sich Buck weigerte, mit der KPD eine Koalition einzugehen, regierte er eine nur durch die wiedervereinigte SPD-Fraktion getragene Minderheitsregierung. Nach einem Misstrauensantrag gegen Innenminister Richard Lipinski trat Buck am 30. Januar 1923 zurück. Neuer Ministerpräsident wurde Erich Zeigner. Das Jahr 1923 war geprägt von Wirtschaftskrise, Hyperinflation und politischem Extremismus von Rechts und von Links. So wurde Zeigner im Landtag insbesondere vorgeworfen, den Aufbau der Proletarischen Hundertschaften zu fördern.

Nachdem Zeigner am 10. Oktober Mitglieder der KPD in die Regierung aufnahm, reagierte die Reichsregierung in Berlin unter Reichskanzler Gustav Stresemann mit der Reichsexekution gegen Sachsen. Zeigner wurde gestürzt. In der Folge konnte auch der SPD-Politiker Alfred Fellisch keine stabile Regierung bilden. Nach seinem Rücktritt kam es zu einer Großen Koalition die getragen wurde von den Fraktionen der DDP, der DVP sowie der Mehrheit der SPD-Fraktion, die darüber im Sachsenstreit zerbrach. Der Sozialdemokrat Max Heldt wurde zum Ministerpräsidenten gewählt. Die parlamentarische Arbeit wurde weiterhin durch teilweise gewalttätige Auseinandersetzungen, auch im Landtagsgebäude selbst, überschattet.

Dritte Wahlperiode 1926–1929

Landtagswahl 1926
(in %)
 %
50
40
30
20
10
0
32,1
(−9,7)
14,5
(−4,5)
14,5
(+4,0)
12,7
(−6,0)
10,1
(n. k.)
4,7
(−3,7)
4,2
(n. k.)
4,1
(n. k.)
1,6
(n. k.)
1,5
(−0,1)


Vorlage:Wahldiagramm/Wartung/Fehler in der Farbeingabe - Hell

Nach der Landtagswahl 1926 konnte die von Max Heldt geführte Regierungskoalition weiter regieren, da sich die Alte Sozialdemokratische Partei Sachsens zur Zusammenarbeit bereit erklärte. Die folgenden Jahre waren zunächst von relativer Stabilität geprägt, auch wenn eine Flutkatastrophe 1927 Landtag und Regierung vor gewaltige Probleme stellte. Die 1926er Wahl wurde jedoch am 22. März 1929 annulliert, da das neue Wahlgesetz vom Staatsgerichtshof des Reichs für verfassungswidrig erklärt worden war.

Vierte Wahlperiode 1929–1930

Landtagswahl 1929
(in %)
 %
40
30
20
10
0
34,2
(+2,1)
13,4
(+1,0)
12,8
(−1,7)
11,3
(+1,2)
8,1
(−6,4)
5,2
(n. k.)
5,0
(+3,4)
4,3
(−0,4)
2,6
(−1,5)
1,5
(−2,7)
1,6
(+0,1)


Vorlage:Wahldiagramm/Wartung/Altes Ergebnis nicht 100%
Vorlage:Wahldiagramm/Wartung/Fehler in der Farbeingabe - Hell

Die Wahl zum vierten Landtag brachte keine Mehrheit für eine von demokratischen Parteien getragene Regierung. Die NSDAP zog erstmals mit fünf Abgeordneten in den Landtag ein und konnte eine Regierungsbildung verhindern. Der Landtag wählte den Juristen Wilhelm Bünger (DVP) zum Ministerpräsidenten. Bereits im Februar 1930 jedoch musste Bünger ein Misstrauensvotum des Landtages hinnehmen. Neuer Ministerpräsident wurde der Präsident des Landesrechnungshofes Walther Schieck (DVP). Möglich war die Wahl nur dadurch, dass die Mitglieder der NSDAP-Fraktion weiße Zettel abgaben und sich so der Stimme enthielten. Schon im Mai 1930 musste sich auch Schieck einem Misstrauensvotum beugen, blieb aber bis März 1933 geschäftsführend im Amt. Die Wirtschaftskrise, die Sachsen von allen Ländern des Reiches am härtesten traf, belastete die Arbeit des Landtages bis 1933 schwer.

Fünfte Wahlperiode 1930–1933

Landtagswahl 1930
(in %)
 %
40
30
20
10
0
33,4
(−0,8)
14,4
(+9,4)
13,6
(+0,8)
10,6
(−0,7)
8,7
(−4,7)
4,8
(−3,3)
4,6
(−0,6)
3,2
(−1,1)
1,7
(−0,9)
4,2
(+1,1)


Vorlage:Wahldiagramm/Wartung/Neues Ergebnis nicht 100%

Die fünfte Wahlperiode war geprägt von der zunehmenden Auseinandersetzung der extremen Kräfte von rechts (NSDAP) und links (KPD). Eine rechtmäßige Regierung kam nicht mehr zu Stande. Ein Volksentscheid zur Auflösung des Landtages am 17. April 1932 scheiterte mit 38 Prozent Wahlbeteiligung am geforderten Quorum von 50 Prozent. Von den abgegebenen gültigen Stimmen lauteten 96,1 Prozent auf „Ja“ und 3,9 Prozent auf „Nein“.[6] Die letzte reguläre Sitzung des Landtages fand am 21. Februar 1933 statt.

Die Machtergreifung in Sachsen

Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 wurden auch in Sachsen die Abgeordneten zunächst der KPD, anschließend auch der SPD, verfolgt und teilweise körperlich misshandelt. Am 9. März überfielen Truppen der SA und der SS das Landtagsgebäude.[7] Am 10. März 1933 trat die Landesregierung zurück und der Reichskommissar Manfred von Killinger übernahm die Amtsgeschäfte.[8] Mit dem Gleichschaltungsgesetz vom 31. März 1933 wurde der Landtag wie alle anderen Länderparlamente aufgelöst.

Der neue Landtag wurde nach den Ergebnissen der letzten Reichstagswahl zusammengesetzt, wobei die KPD ausgeschlossen wurde. Per Verordnung vom 4. April 1933 wurde der NSDAP die absolute Mehrheit der Mandate zugewiesen. Die Abgeordneten der SPD blieben der Eröffnungssitzung des sechsten Landtages geschlossen fern, nachdem einige von ihnen zuvor verhaftet worden waren.[9] Am 23. Mai 1933 stimmten die letzten sechs sozialdemokratischen Abgeordneten im sächsischen Landtag gegen das Ermächtigungsgesetz. Die letzte Sitzung des Landtages fand am 22. August 1933 statt, zum 30. Januar 1934 wurde die Institution aufgelöst.

Bekannte Mitglieder des Sächsischen Landtages

Dem Sächsischen Landtag gehörten insgesamt 18 Frauen an, darunter Julie Salinger und Lene Glatzer.

Weitere Mitglieder waren zum Beispiel die Kommunisten Rudolf Renner, Walter Ulbricht und Herbert Wehner oder die beiden DVP-Oberbürgermeister der Städte Dresden Bernhard Blüher und Chemnitz Johannes Hübschmann.

Siehe auch

  • Liste der Mitglieder des Sächsischen Landtags in der Weimarer Republik (4. Wahlperiode)
  • Liste der Mitglieder des Sächsischen Landtags in der Weimarer Republik (2. Wahlperiode)
  • Liste der Mitglieder des Sächsischen Landtags in der Weimarer Republik (6. Wahlperiode)
  • Liste der Mitglieder des Sächsischen Landtags in der Weimarer Republik (1. Wahlperiode)
  • Liste der Mitglieder des Sächsischen Landtags in der Weimarer Republik (3. Wahlperiode)
  • Liste der Mitglieder des Sächsischen Landtags in der Weimarer Republik (5. Wahlperiode)

Quellen

Literatur

  • Mike Schmeitzner, Andreas Wagner: Von Macht und Ohnmacht. Sächsische Ministerpräsidenten im Zeitalter der Extreme 1912–1952. Sax-Verlag, Beucha 2006, ISBN 3-934544-75-4.
  • Michael Rudloff: Die Strukturpolitik in den Debatten des sächsischen Landtags zur Zeit der Weltwirtschaftskrise. In: Werner Bramke / Ulrich Heß (Hrsg.): Sachsen und Mitteldeutschland. Politische, wirtschaftliche und soziale Wandlungen im 20. Jahrhundert, Böhlau Verlag Weimar / Köln / Wien 1995, S. 241 – 260, ISBN 3-412-00294-1
  • Josef Matzerath, Andreas Denk: Die Drei Dresdner Parlamente. Die sächsischen Landtage und ihre Bauten: Indikatoren für die Entwicklung von der ständischen zur pluralisierten Gesellschaft. München 2000. ISBN 978-3-932353-44-4.
  • Janosch Pastewka: Koalitionen statt Klassenkampf. Der sächsische Landtag in der Weimarer Republik (1918–1933). Thorbecke, Ostfildern 2018, ISBN 978-3-799-58462-3.
  • Josef Matzerath: Aspekte sächsischer Landtagsgeschichte. Varianten der Moderne (1868–1952). Sächsischer Landtag, 2011.
  • Andreas Wagner: „Machtergreifung“ in Sachsen. NSDAP und staatliche Verwaltung 1930–1935. Köln 2004. ISBN 978-3-412-14404-3.
  • Uwe Israel, Josef Matzerath: Geschichte der sächsischen Landtage. Thorbecke, Ostfildern 2019, ISBN 978-3-799-58465-4

Einzelnachweise

  1. Sächsische Landeszentrale für politische Bildung: Sächsischer Landtag
  2. Verfassung des Freistaates Sachsen vom 1. November 1920, Artikel 3.
  3. Verfassung des Freistaates Sachsen vom 1. November 1920, Artikel 27.
  4. Geschäftsordnung des Landtages, § 14
  5. Landtagswahlen 1918-1933 - Sachsen. Abgerufen am 16. März 2021.
  6. Otmar Jung: Direkte Demokratie – Erfahrungen und Perspektiven. 2008 (PDF-Datei; 152 kB) S. 1.
  7. Janosch Pastewka: „Ein erschütternder Anblick“. Der Überfall auf den sächsischen Landtag am 9. März 1933. In: Landtagskurier, Ausgabe 5/2015, S. 22–23. (Online).
  8. Andreas Wagner: „Machtergreifung“ in Sachsen. NSDAP und staatliche Verwaltung 1930–1935. Böhlau, Köln 2004. ISBN 978-3-412-14404-3, S. 145.
  9. Reiner Groß: Frühjahr 1933 – die letzten Wochen des Sächsischen Landtags. Eine Dokumentation. In: Sächsischer Landtag (Hrsg.): Jahresspiegel 1993, Dresden 1994, S. 22–31, hier S. 29.

Auf dieser Seite verwendete Medien

Dresden-Langericht-Tuer.jpg
Autor/Urheber: User:Kolossos, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Eingangstür Sächsisches Ständehaus
Wappen Deutsches Reich (Weimarer Republik).svg
Autor/Urheber: David Liuzzo, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Wappen des Deutschen Reiches in der Frühzeit der Weimarer Republik. Eingeführt mit der

Bekanntmachung betreffend das Reichswappen und den Reichsadler vom 11. November 1919.

»Auf Grund eines Beschlusses der Reichsregierung gebe ich hiermit bekannt, daß das Reichswappen auf goldgelben Grunde den einköpfigen schwarzen Adler zeigt, den Kopf nach rechts gewendet, die Flügel offen, aber mit geschlossenem Gefieder, Schnabel, Zunge und Fänge von roter Farbe.

Wird der Reichsadler ohne Umrahmung dargestellt, so sind das gleiche Bild und die gleichen Farben, wie beim Adler im Reichswappen, zu verwenden, doch sind die Spitzen des Gefieders nach außen gerichtet.

Die im Reichsministerium des Innern verwahrten Muster sind für die heraldische Gestaltung des Reichswappens maßgebend. Die künstlerische Ausgestaltung bleibt für jeden besonderen Zweck vorbehalten.


Berlin, den 11. November 1919.

Der Reichspräsident
Ebert

Der Reichsminister des Innern
Koch«

Quelle: http://www.documentarchiv.de/wr/rwappen.html


1928 wurde dieses Wappen durch das neue Reichswappen von Tobias Schwab abgelöst, das Theodor Heuss im Februar 1950 auch als Bundeswappen verkündete: Reichs- bzw. Bundeswappen