Rustichello da Pisa

„Il Milione“ des Marco Polo

Rustichello da Pisa (auch: Rusticiano, Rustaiciano, Rustico, Rustiniano, Rusticien oder Rusticello da Pisa; * 13. Jahrhundert in Pisa; † 13. oder frühes 14. Jahrhundert) war ein italienischer Literat, Verfasser von Ritterromanen und Koautor der Reiseberichte des Marco Polo.

Leben

Über das Leben Rustichello da Pisas ist wenig bekannt. Geburtsjahr und Sterbedatum sind unbekannt. Der Zeitraum seines Wirkens wird auf etwa 1272 bis 1299 eingegrenzt.

Es wird angenommen, dass Rustichello um 1270 England und Frankreich bereiste, dort die französische Sprache erlernte[1] und in den Jahren 1270 bis 1272 den englischen Kronprinzen, den späteren König Eduard I., auf dessen Kreuzzug in das heilige Land begleitete.[2] Er verfasste mehrere Ritterromane in französischer Sprache, darunter um 1275 den vermutlich frühesten von einem Italiener geschriebenen Artusroman. Es wird vermutet, dass er dazu lediglich andere literarische Quellen zusammentrug und kompilierte.[3]

Der Nachwelt wurde Rustichello besonders als Koautor von Marco Polos autobiografischem Reisebericht „Il Milione“ bekannt.

Es ist möglich, dass er während eines Konflikts zwischen den Seerepubliken Pisa und Genua, im Verlauf der Seeschlacht bei Meloria (1284), in Gefangenschaft der Genueser geriet.[1] Als der Venezianer Marco Polo nach der Schlacht bei Curzola (8. September 1298)[4] zwischen den Flotten Venedigs und Genuas zu seinem Mitgefangenen wurde, schrieb Rustichello zwischen September 1298 und Juli 1299 die Reiseberichte des Marco Polo in dem als Gefängnis genutzten Palazzo San Giorgio nieder.[5]

Es ist ungeklärt, welchen Anteil Rustichello an der gemeinsamen Arbeit trug. Ob Rustichello lediglich ein mündliches Diktat erhielt, den Reisebericht aus losen Erzählungen selbstständig verfasste oder zumindest teilweise auf schriftliche Aufzeichnungen Polos zurückgreifen konnte, ist umstritten.[6] Von Marco Polo sind keine eigenhändigen Reiseaufzeichnungen erhalten, obwohl berichtet wird, dass er aus der Haft heraus seinen Vater Niccolò Polo bat, ihm Aufzeichnungen und Papiere nach Genua zu schicken.[2] Es wird angezweifelt, dass Marco Polo die altfranzösische Sprache, in der das Buch verfasst wurde, überhaupt verstand.[6]

Sicher ist, dass Rustichello, als erfahrener Schriftsteller, zumindest an der stilistischen Gestaltung der Reiseberichte des Kaufmanns Marco Polo, einen entscheidenden Anteil hatte. Auf Rustichellos Urschrift basieren etwa 150 weitere Manuskripte.[7]

Werke

Literatur

  • Marina Münkler: Marco Polo: Leben und Legende. C. H. Beck, München 1998, ISBN 3-406-43297-2.
  • Fabrizio Cigni: RUSTICHELLO da Pisa. In: Raffaele Romanelli (Hrsg.): Dizionario Biografico degli Italiani (DBI). Band 89: Rovereto–Salvemini. Istituto della Enciclopedia Italiana, Rom 2017.
  • Matthias Däumer, Cora Dietl, Friedrich Wolfzettel (Hrsg.): Artushof und Artusliteratur. Walter de Gruyter, Berlin/New York 2010, ISBN 978-3-11-022135-0.
  • Frances Wood: Marco Polo kam nicht bis China. Secker & Warburg, London 1995, ISBN 3-492-03886-7
  • Marina Münkler: Erfahrung des Fremden: Die Beschreibung Ostasiens in den Augenzeugenberichten des 13. und 14. Jahrhunderts. Akademie Verlag, Berlin 2000, ISBN 3-05-003529-3.
  • Dietmar Rieger: Marco Polo und Rustichello da Pisa. Der Reisende und sein Erzähler. In: Reisen und Reiseliteratur im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit. Rodopi, Amsterdam 1992, ISBN 90-5183-325-3, S. 289–312.
  • Die Wunder der Welt – Il Milione. Übersetzung aus altfranzösischen Quellen und Nachwort von Elise Guignard, Insel-Verlag (Insel-Taschenbuch 2981), Frankfurt am Main – Leipzig 2009, ISBN 978-3-458-34681-4.
  • Yves Martin Görsch: Zu Marco Polo: Il Milione – Die Wunder der Welt: Eine Suche nach dem Original. GRIN Verlag, Norderstedt 2009, ISBN 978-3-640-53398-5.
  • Jürgen Buchmann: Grammatik der Sprachen von Babel. Aufgezeichnet nach den Gesprächen des Messer Marco Polo, Edelmanns aus Venedig, von der Hand der Maestro Rustichello da Pisa, der auch Rusticiano genannt wird, im Gefängnis zu Genua. Leipzig, 2010

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Rieger, S. 293
  2. a b Münkler: Erfahrung des Fremden, S. 105.
  3. a b c Däumer, Dietl, Wolfzettel, S. 311
  4. Rieger, S. 290
  5. Internationale Kolumbus-Ausstellung in Genua 1951. In: Universitas. Band 6, Nr. 2, 1951, S. 825–827.
  6. a b Görsch, S. 15
  7. Rieger, S. 289
  8. Görsch, S. 14.

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