Runenmeister
Als Runenmeister wird in der Runologie eine Person bezeichnet, die in der Zeit von dem Aufkommen der Runenschrift in der älteren germanischen Eisenzeit über die Vendelzeit bis zur ausgehenden Wikingerzeit des 11./ 12. Jahrhunderts Inschriften auf unterschiedlichen Medien (zum Beispiel Runensteine) konzipierte und signierte. Eine bekannte Signatur aus dem 6. Jahrhundert war erilaR (urnordisch erilaz, aus runisch irilaR); sie bezeichnete keine individuelle Person, sondern als Standesbezeichnung den Runenmeister (vgl. auch Jarl).[1]
Beschreibung
Der moderne Begriff Runenmeister (englisch rune-master, norwegisch runemester, dänisch runemester, schwedisch runmästare, französisch maître-des-runes) ist aus der altisländischen Vorlage rúnameistari entliehen. Die Bezeichnung rúnameistari ist zuerst im Codex Wormianus der Snorra-Edda (Prolog der Grammatischen Traktate) als Beiname des Þóroddr Gamlason belegt.[2] Dieser soll zu Beginn des 12. Jahrhunderts mit Ari Thorgilsson eine Reform der Runenschrift (jüngeres 16-typiges Futhark) durchgeführt haben. Das moderne Kompositum Runenmeister wird von Runologen oft für jede Person angewendet, die eine Runeninschrift ausgeführt hat, und synonym mit dem inschriftlich entlehnten „Runenritzer“ benutzt.[3]
Die Runenmeister sind nach heutigem Verständnis eher Künstler, die beispielsweise Schreibrichtung oder Layout recht frei künstlerisch ausgestalteten.[4] Runenmeister verewigten häufig ihren Namen auf ihren Werken. Es war gängige Praxis bei den germanischen Runenmeistern, Texte unleserlich zu machen oder zu verschlüsseln, beispielsweise durch Integration in Bilder oder dadurch, dass Runen an senkrechten Strichen positioniert wurden, um den tatsächlichen Text zu chiffrieren.[5]
Fast alle bekannten Runenmeister waren Männer, es gibt jedoch Ausnahmen wie Gunnborga.
Bekannte Runenmeister
- Åsmund Kåresson ritzte zwischen 1020 und 1050 37 Steine.
- Balle ritzte 31 Steine.
- Beagnoþ: Sax von Beagnoth
- Fot ritzte 46 Steine.
- Gunnborga (auch „Gunnborga die Gute“): Runenstein von Jättendal
- Livsten war ein uppländischer Runenmeister, der zwischen 1030 und 1050 etwa 18 Runensteine im Stil Pr 4 „beschrieb“, von denen er vier signierte, darunter den Runenstein U 1164 bei Heby. Seine Arbeiten waren gekennzeichnet durch große Vierbeiner und verschlungene Ornamente.
- Tidkume machte u. a. Sö 205 in Södermanland, zusammen mit Äsbjörn, der als sein Schüler gilt; Stile: Pr 3 und Pr 4.
- Torgöt signierte die Steine U 257, U 308, U 746 und U 958 und kommt auch für die Steine U 58, U 77, U 306 und U 694 infrage; vgl. Hovgårdsstenen.
- Tuve: Runenstein von Læborg
- Ulf von Borresta
- Ulv: Ein Stein von Orkesta (U 336), von Lundby (U328) und zwei Steine von Risbyle (U 160 und U 161) werden ihm zugeschrieben; einer der Risbyle-Steine trägt seine Signatur; vgl. Runenstein von Yttergärde.
- Varin: Runenstein von Rök
- Visäte: U 337, Upplands längste Runeninschrift in Granby und weitere 24 Steine, sieben Steine tragen Visets Zeichen.
- Øpir: Runenstein von Ärentuna; ritzte 66 Steine.
Literatur
- Erik Brate: Svenska runristare. Akademiens förlag, Stockholm 1925, OCLC 877995908 (online, schwedisch, Auflistung schwedischer Runenschreiber)
- Elmer H. Antonsen: Runes and Germanic Linguistics (= Trends in Linguistics. StudiesMcKinnell, John; Simek, Rudolf; Düwel, Klaus: Runes, Magic and Religion. A Sourcebook, Fassbaender, Wien 2004, ISBN 3-900538-81-6. (Studia Medievalia Septentrionalia; 10) and Monographs. Band 140). Mouton de Gruyter, Berlin u. a. 2002, ISBN 3-11-017462-6, S. 185–194, 261–262 (kostenpflichtig).
- François-Xavier Dillmann: Runenmeister. In: Heinrich Beck, Dieter Geuenich, Heiko Steuer (Hrsg.): Reallexikon der Germanischen Altertumskunde. Band 25. de Gruyter, Berlin u. a. 2003, ISBN 3-11-017733-1, S. 537–544 (kostenpflichtig Germanische Altertumskunde Online bei de Gruyter).
- Klaus Düwel: Runenkunde. (= Sammlung Metzler Band 72.) Dritte, vollständig neu bearbeitete Auflage. Metzler, Stuttgart/ Weimar 2001, ISBN 3-476-13072-X.
- Klaus Düwel: Zu den theriophoren Runenmeisternamen, insbesondere in Brakteateninschriften. In: Frühmittelalterliche Studien. 18 (1984), ISSN 0071-9706, S. 321–333.
- Klaus Düwel: Runen als Phänomen der oberen Schichten. In: Albrecht Greule (Hrsg. et al.): Studien zu Literatur, Sprache und Geschichte in Europa. Wolfgang Haubrichs zum 65. Geburtstag gewidmet. Röhrig Universitätsverlag, St. Ingbert 2008, ISBN 978-3-86110-436-0, S. 63–76.
- John McKinnell, Rudolf Simek, Klaus Düwel: Runes, Magic and Religion. A Sourcebook. (= Studia Medievalia Septentrionalia 10) Fassbaender, Wien 2004, ISBN 3-900538-81-6.
Weblinks
- Deutung der Inschrift mit dem Wort „Erilaz“ oder „ErilaR“ auf dem Stein von Järsberg auf runenprojekt.uni-kiel.de
- Roberta Nedoma: Runenschrift und Runeninschriften – eine kurze Einführung – 1. Runen und Runenmeister(innen) auf univie.ac.at
- Beschreibung schwed.
Anmerkungen
- ↑ Klaus Düwel: Runenkunde. Metzler, Stuttgart/ Weimar 2001, S. 12.
- ↑ Wilhelm Heizmann: Runica manuscripta: Die isländische Überlieferung. In: Klaus Düwel (Hrsg.): Runeninschriften als Quellen interdisziplinärer Forschung (= Reallexikon der Germanischen Altertumskunde - Ergänzungsbände). Band 15. De Gruyter, Berlin u. a. 1998, ISBN 978-3-11-015455-9, S. 513–531; hier 515 (online Germanische Altertumskunde Online bei de Gruyter – kostenpflichtiger Zugang).
- ↑ François-Xavier Dillmann: Runenmeister. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde. 25, de Gruyter, Berlin u. a. 2003, S. 537. (online)
- ↑ Gesa Gottschalk: Zeichen und Rätsel. In: Geo Epoche – Die Germanen. 34, Gruner und Jahr, Hamburg 2008, ISSN 1861-6097 S. 97–101, Zitat S. 99.
- ↑ Rudolf Simek: Mittelerde. Tolkien und die germanische Mythologie. C.H. Beck, München 2005, ISBN 3-406-52837-6, S. 153.