Rudolf Zilkens

Zilkens Unterschrift im Jahr 1934

Rudolf Zilkens (* 18. Oktober 1899 in Köln-Ehrenfeld; † 1948, Sowjetunion) war ein deutscher nationalsozialistischer Politiker und Schriftsteller. Er war Mitglied des Preußischen Landtags (NSDAP, 1932–33) und Mitglied des Reichstages.[1] Zilkens war vor allem als ein „Reichsredner der NSDAP“ bekannt.

Leben und Wirken

Jugend und Ausbildung

Zilkens war das zwölfte Kind des bekannten rheinischen Politikers Franz Joseph Zilkens (1847–1915). Dieser war Stadtverordneter in Köln für die Deutsche Zentrumspartei und galt wegen seiner gesellschaftlichen Stellung als Ziegeleiinhaber und Großgrundbesitzer als „der ungekrönte König von Ehrenfeld“.[2] Besonders um die Erschließung Ehrenfelds zu einem Wohngebiet für gehobene Ansprüche hatte sich Franz Zilkens verdient gemacht (Ehrenfeldgürtel, Eichendorffstraße).

Rudolf Zilkens meldete sich 1917 freiwillig an die Front des Ersten Weltkriegs und wurde sofort einem Regimentstrupp zugeteilt. Bei Kämpfen bei Reims wurde er schwer verwundet, so dass er bis 1919 in einem Lazarett bleiben musste.

Ab 1919 studierte Zilkens Medizin, Kunst und Staatswissenschaft, bevor er nacheinander als Erdarbeiter, kaufmännischer Lehrling, Direktor und Journalist arbeitete.

Politische Tätigkeit

(c) Bundesarchiv, Bild 119-0779 / CC-BY-SA 3.0
Essener SA auf der Fahrt zum Reichsparteitag in Weimar, Juli 1926. Darunter Josef Terboven (vorn, Mitte, in Zivil) und möglicherweise auch Zilkens (unidentifiziert)

Politisch begann Zilkens sich nach dem Ersten Weltkrieg in Kreisen der extremen politischen Rechten zu betätigen: Nachdem er zeitweilig dem Stahlhelm-Kampfbund angehört hatte, schloss er sich der NSDAP an, für die er eine umfangreiche Tätigkeit als politischer Werberedner entfaltete. Er siedelte nach Essen um und sprach als „Reichsredner“[3] der NSDAP in fünf Jahren 1500 Mal in Versammlungen[4] und widmete sich Eigenaussagen zufolge dem propagandistischen „Kampf um die Arbeiterseele“.[5] In seiner westfälischen Heimat brachte ihm dies in nationalsozialistischen Kreisen den Titel „Trommler des Ruhrgebiets“ ein, mit dem er auch seine Werke versah. Im März 1929 erstattete der Duisburger Polizeipräsident Heinrich Meyer (SPD) Strafanzeige nach dem Republikschutzgesetz gegen Zilkens, weil dieser angeblich den preußischen Innenminister Albert Grzesinski beschimpft hatte.[6]

Zilkens wurde neben NSDAP-Gauleiter Josef Terboven zu einem der wichtigsten nationalsozialistischen Redner und Politiker des Rheinlandes[7] und war ein „Paradebeispiel“ für die nationalsozialistische Werbung in der Arbeiterschaft.[8] Wie diese Werbung vor sich ging, schildert der Bericht eines KPD-Genossen für seine Gauleitung Ruhr vom November 1932:

„In ein Essener Lokal hatte der dortige Ortsgruppenvorsitzende der NSDAP, Zilkens […] Kommunisten eingeladen. Um deren Vertrauen zu gewinnen, beschäftigte er sich zunächst mit der kommunistischen Idee. Zwar bestünden prinzipielle Gegensätze zwischen den beiden Anschauungen, aber insgesamt habe man auch zahlreiche Übereinstimmungen. Der Kampfgedanke sei beiden Bewegungen gemeinsam. Allerdings müsse es als Utopie gelten, die Ziele der Arbeiterklasse auf internationalem Wege durchsetzen zu wollen. Nur die Nationalsozialisten kämen als Retter der Arbeiterklasse in Frage, da ihre Weltanschauung nicht materialistisch sei.“[9][10]

Bereits am 12. Dezember 1930 verhandelte ein erweitertes Schöffengericht in Oberhausen gegen Zilkens, weil dieser Monate zuvor in einer Versammlung verkündet hatte, dass bei der Machtübernahme der NSDAP Köpfe rollen würden u. a. der des Staatssekretärs Otto Meissner. Die Polizei hatte daraufhin die Versammlung aufgelöst. Da Zilkens nicht zur Gerichtsverhandlung erschien, wurde die Verhandlung vertagt und ein Haftbefehl gegen Zilkens ausgestellt.[11]

Joseph Goebbels, damals Reichspropagandaleiter der NSDAP, notierte zu einer Rede Zilkens im Juli 1931 in sein Tagebuch:

Dresden. Auf die Radrennbahn. 40 000 Menschen. Imposante und hinreißende Kundgebung. Erst spricht Zilkens-Essen. Sehr schwach und dumm. Zu überladen mit ‚Witz‘. Peinlich, peinlich! Dann spreche ich eine Stunde. […] Abends spät erzählt Zilkens mir noch, daß Göring und Auwi an der Ruhr gegen mich hetzen. Sollen sie.“[12][13]

Im Oktober 1931 schrie Zilkens einem linksgesinnten Zwischenrufer auf einer NS-Versammlung zu:

„Wir werden Euch im Dritten Reich die Eier schleifen, dass ihr die Engel im Himmel pfeifen hört.“[14]

Ebenfalls 1931 wurden Zilkens als Ortsgruppenleiter von Essen unter anderem „dauernde Zechgelage“, „moralische Vergehen“, „Unterschleifung von Versammlungsgelder“ und „Zechschulden“ nachgesagt. Weshalb sich im gleichen Jahr 46 NSDAP-Mitglieder in Essen von ihm und der Partei lossagten und eine Ortsgruppe der „Revolutionären NSDAP“ (auch „Schwarze Front“) unter Otto Strasser gründeten.[15]

Zilkens war an zahlreichen Saalschlachten beteiligt. So wurde er Anfang 1932 als Diskussionsredner bei einer KPD-Versammlung in Duisburg niedergeschlagen und mehrfach gestochen.[4]

Als politischer Schriftleiter der nationalsozialistischen Zeitung Die neue Front,[16] kam Zilkens im Mai 1932 in den Preußischen Landtag, dem er bis 1933 angehörte.[17] Ende Oktober 1932 wurde gegen Zilkens Strafanzeige gestellt, da er am 22. Oktober 1932 in Osnabrück den Reichskanzler Franz von Papen beleidigt haben sollte.[18] Nach seiner Tätigkeit als Landtagsabgeordneter war Zilkens Archivar der nationalsozialistischen Landtagsfraktion im Preußischen Landtag.[4]

Als NSDAP-Funktionär und „Alter Kämpfer“ der Partei[19] war Zilkens Ortsgruppenleiter, Kreisleiter, Gaupropagandaleiter[4] und Stadtrat in Essen. Weiterhin war er Reichstagsabgeordneter und stand dafür auf Platz 1 der Kandidatenliste der NSDAP für den Wahlkreis Düsseldorf-West.[20]

Nach der „Machtergreifung“ war Zilkens Abteilungsleiter im Reichspropagandaamt in Berlin und fiel auf weil ihm nachgesagt wurde, dass er sich im betrunkenen Zustand vor den Gästen eines Hotels schlecht benommen habe.[21]

Rudolf Zilkens starb 1948 in einem Kriegsgefangenenlager in der Sowjetunion. Seine Ehefrau Eva Josephine Zilkens (* 1899, geborene Annen) starb 1986 in Nowra (Australien). Beide hatten neben dem gleichnamigen Sohn, noch ein weiteres Kind.

Schriftstellerische Tätigkeit

Als Schriftsteller veröffentlichte Zilkens eine Reihe von Schriften, die im Geist der Blut-und-Boden-Dichtung standen: Sein Roman Das klingende Herz (1933) wurde als der „erste große nationalsozialistische Bekenntnisroman“ bezeichnet.[22] Das Vorwort seiner Schrift Deutsche Lieder von Freiheit, Liebe und Tod (1934) widmete er Georg Sluyterman von Langeweyde, der das Buch mit dreizehn Holzschnitten und dem Titelbild illustrierte. In diesem Vorwort schreibt er aufschlussreich:

„[…] daß gerade unsere große Zeit wie keine andere ein Recht darauf hat, daß die Jugend in ihr singe, weil doch gerade jetzt die Jugend wieder eine Zukunft fand. Aber ich möchte, daß diese Jugend, für die auch wir gekämpft und geblutet haben, Lieder singt, die aus unserer Zeit und dem Geiste unseres Kampfes entstanden.“[23]

Nach dem Zweiten Weltkrieg fand Zilkens nur noch wenig Resonanz. In der Sowjetischen Besatzungszone wurden die meisten seiner Schriften auf die Liste der auszusondernden Literatur gesetzt.[24][25][26]

Schriften (Auswahl)

  • Prometheus. R. Z. Verlag am Rhein, Köln 1925.
  • Der Kampf um die Arbeiterseele. In: Unser Wille und Weg. Heft 6/Juni 1933, S. 152 ff.
  • Wider den nationalen Kitsch. In: Freiheitskampf. Dresden, 19. Mai 1933.
  • Das klingende Herz. Korn, Breslau 1933.
  • Deutsche Lieder von Freiheit, Liebe und Tod. J. P. Bachem Verlag, Köln 1934.
  • Trommeln an der Ruhr. Weber, Essen 1935.
  • Urlaub in Masuren: Ein Buch der Kameradschaft. Verlag Deutsche Kultur-Wacht, Berlin-Schöneberg 1935.
  • Immer Soldat: Gedichte aus Krieg und Kampfzeit. Küster & Co., Essen 1937.

Auszeichnungen (Auswahl)

Literatur

  • Baldur von Schirach: Pioniere des Dritten Reiches. Zentralstelle für den deutschen Freiheitskampf, Essen 1933, S. 243 ff. (mit einer Fotografie Zilkens).
  • Herbert Kühr: Parteien und Wahlen im Stadt- und Landkreis Essen in der Zeit der Weimarer Republik. Droste, 1973, ISBN 3-7700-5072-X.
  • Literaturpreis Ruhrgebiet: Literatur-Atlas NRW 1992. Volksbl.-Verlag, Köln 1992, ISBN 3-923243-96-0.
  • Enno Stahl, Cornelia Ilbrig: Literarisches Leben am Rhein. Band 3: Kommentar und Register. Heinrich-Heine-Institut, Düsseldorf 2008, ISBN 978-3-936698-08-4.
  • President Franklin D. Roosevelts Office Files 1933–1945, Part 5: The John Franklin Carter Files on German Nazi Party Members, Reel 23, List of Key Nazis, Eintrag 1044. In: Microfilm Edition of Research Collections in American Politics. Microfilms from Major Archival and Manuscript Collections, General Editor: William E. Leuchtenburg

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Ralph Trost: Eine gänzlich zerstörte Stadt: Nationalsozialismus, Krieg und Kriegsende in Xanten. Waxmann Verlag, Münster 2004, S. 79 (gwdg.de [PDF]). Als MdR auch zeitgenössisch bezeichnet aber nicht nachweisbar lt. Peter Brommer: Das Bistum Trier im Nationalsozialismus aus der Sicht von Partei und Staat: Quellenpublikation (= Band 126 von Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte). Selbstverlag der Gesellschaft für Mittelrheinische Kirchengeschichte, 2009, ISBN 978-3-929135-61-9, ISSN 0480-7480, Fußnote 1, S. 121.
  2. Kölnischer Geschichtsverein (Hrsg.): Jahrbuch. Band 70. SH-Verlag, 1999, S. 170.
  3. Das Deutsche Reich von 1918 bis heute. Verlag für Presse, Wirtschaft und Politik, G.M.B.H., 1932, S. 562.
  4. a b c d Rudolf Zilkens: Deutsche Lieder von Freiheit, Liebe und Tod. J. P. Bachem Verlag, Köln 1934, S. 47.
  5. Rudolf Zilkens: Der Kampf um die Arbeiterseele. In: Unser Wille und Weg. Heft 6/Juni 1933, S. 152 ff.
  6. Wolfram Pyta: Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien. Band 87. Droste, 1989, ISBN 978-3-7700-5153-3, Fußnote 96, S. 303.
  7. Günter Gleising: Heinz Renner: Eine politische Biographie. S. 65. RuhrEcho, 2000.
  8. Hartwig Gebhardt: Nationalsozialistische Werbung in der Arbeiterschaft: Die Illustrierte „ABZ-Arbeit in Bild und Zeit“. (PDF; 1,3 MB) In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 33. Jahrg., 2. H. (April 1985), S. 310–338.
  9. Michael Koth: Rede in Leuna. In: kds-im-netz.net (Kampfbund Deutscher Sozialisten)
  10. Christian Striefler: Kampf um die Macht: Kommunisten und Nationalsozialisten am Ende der Weimarer Republik. Propyläen, 1993, ISBN 978-3-549-05208-2, S. 78 ff.
  11. Sozialdemokratischer Pressedienst. Selbstverlag, Berlin 12. Dezember 1930 (fes.de [PDF; abgerufen am 20. Juli 2013]).
  12. Joseph Goebbels, Elke Fröhlich: Die Tagebücher von Joseph Goebbels. Saur, 2000, ISBN 978-3-598-23730-0, S. 52.
  13. Fälschlich als Werner Willikens identifiziert bei Joseph Goebbels: Tagebücher 1924–1945: 1943–1945. Hrsg.: Ralf Georg Reuth (= Band 5 von Joseph Goebbels Tagebücher 1924–1945 in fünf Bänden). Piper, 1992, ISBN 3-492-11515-2, ISSN 0179-5147, S. 2283.
  14. Tim Walther: Nationalsozialismus in Essen - Terror hatte längst begonnen. In: derwesten.de. 30. Januar 2013, abgerufen am 12. Januar 2015.
  15. 12. März 1931. In: Sozialdemokratischer Pressedienst. Berlin (fes.de [PDF]).
  16. Herbert Kühr: Parteien und Wahlen im Stadt- und Landkreis Essen in der Zeit der Weimarer Republik, S. 148. Droste, 1973.
  17. Wilhelm Heinz Schröder/Wilhelm Weege/Martina Zech: Kollektive Biographie der Landtagsabgeordneten der Weimarer Republik 1918–1933. Auszug aus der BIOWEIL-Datenbank. Erfassung und biographische Rekonstruktion der ca. 6000 Landesparlamentarier der Weimarer Republik. URL: (Abruf am 25. Juli 2011) Preußen Summe der Abgeordneten: 1382 (Memento vom 1. März 2012 im Internet Archive) In: hsr-trans.zhsf.uni-koeln.de
  18. Friedrich Wilhelm Rogge: Archivalische Quellen zur politischen Krisensituation während der Weimarer Zeit in den ehemaligen Territorien des Landes Niedersachsen: ein analytisches Inventar (= Veröffentlichungen der Niedersächsischen Archivverwaltung. Band 48). Vandenhoeck & Ruprecht, 1991, ISBN 978-3-525-35530-5, S. 52.
  19. Franz Josef Heyen: Nationalsozialismus im Alltag (= Band 9 von Veröffentlichungen der Landesarchivverwaltung Rheinland-Pfalz). Boldt, 1967, S. 372.
  20. Kandidatenliste der NSDAP für den 23. Landeswahlkreis Düsseldorf-West (Wahlkreisverband IX Rheinland-Nord). In: BA NS 26/579.
  21. Ian Kershaw: Der Hitler-Mythos: Volksmeinung u. Propaganda im Dritten Reich. Hrsg.: Institut für Zeitgeschichte (= Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte. Band 41). Deutsche Verlags-Anstalt, 1980, ISBN 978-3-421-01985-1, S. 86.
  22. Rudolf Zilkens: Deutsche Lieder von Freiheit, Liebe und Tod, Nachsatz. J. P. Bachem Verlag, Köln 1934.
  23. Rudolf Zilkens: Deutsche Lieder von Freiheit, Liebe und Tod. J. P. Bachem Verlag, Köln 1934, S. 5.
  24. Deutsche Verwaltung für Volksbildung in der sowjetischen Besatzungszone, Liste der auszusondernden Literatur 1946: Buchstaben Y und Z In: polunbi.de
  25. Deutsche Verwaltung für Volksbildung in der sowjetischen Besatzungszone, Liste der auszusondernden Literatur 1947: Buchstaben X, Y und Z In: polunbi.de
  26. Deutsche Verwaltung für Volksbildung in der sowjetischen Besatzungszone, Liste der auszusondernden Literatur 1948: Buchstaben X, Y und Z In: polunbi.de
  27. Klaus D. Patzwall: Der Blutorden der NSDAP. Militaria-Archiv Patzwall, Hamburg 1985, S. 83 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 19. Juli 2013] Als Aufenthaltsort ist dabei vermerkt „Groß-Gaglow üb. Cottbus“).

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Sturmabteilung aus Essen

Josef Terboven (in Zivil) mit Essener SA auf der Fahrt zum Reichsparteitag in Weimar, Juli 1926

Abgebildete Personen:

  • Terboven, Josef: Gauleiter von Essen, Reichskommissar für Norwegen, Deutschland
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Signatur des deutschen Schriftstellers und Politikers Rudolf Zilkens (NSDAP).