Rudolf Noelte

Rudolf Noelte (* 20. März 1921 in Berlin; † 8. November 2002 in Garmisch-Partenkirchen) war ein deutscher Theater- und Opernregisseur.

Leben

(c) Bundesarchiv, B 145 Bild-P057015 / CC-BY-SA 3.0
Rudolf Noelte (links) 1960 gemeinsam mit Uwe Johnson und Erich Schellow
Grabstätte, Stubenrauchstraße 43–45, in Berlin-Friedenau

Noelte studierte Theaterwissenschaften, Germanistik, Philosophie und Kunstgeschichte, bevor er zum Theater kam. Mit diesem umfassenden Wissen begann er nach dem Zweiten Weltkrieg als Regie-Assistent am Berliner Hebbel-Theater und inszenierte dort 1948 zum ersten Mal eigenverantwortlich: Wolfgang Borcherts Kriegsheimkehrerdrama Draußen vor der Tür. Zehn Jahre später (1957) führte er auch Regie in der gleichnamigen Verfilmung des NDR mit Paul Edwin Roth (Beckmann), Malte Jaeger und Eva Kotthaus in den Hauptrollen. Die weiteren Jahre nutzte er auch, um von großen Regisseuren wie Jürgen Fehling oder Walter Felsenstein zu lernen, ohne jedoch zum Nachahmer dieser Vorbilder zu werden.

Rudolf Noelte war nie für längere Zeit Intendant eines Theaters. 1959 übernahm er zwar auf Empfehlung von Hans Knudsen die Leitung der Freien Volksbühne in Berlin, wurde jedoch sechs Monate später bereits wieder entlassen. Ein Arbeitsgerichtsprozess und ein unter Vorsitz des späteren Kultursenators Werner Stein eingesetzter Untersuchungsausschuss schlossen sich an. Im Ergebnis wurde dem Arbeitgeber Noeltes, dem Verein Freie Volksbühne und dessen Vorsitzendem Siegfried Nestriepke, unangemessenes und rechtswidriges Verhalten bescheinigt. Noelte war ein Einzelgänger und konzentriert auf die akribische Vorbereitung seiner Inszenierungen. Proben wurden von ihm fast mathematisch bis ins kleinste Detail vorbereitet; dabei ging es ihm um ein Theater, das der Literatur diente. Auch wenn er eigene Textfassungen der von ihm inszenierten Stücke erstellte, so blieb er dabei immer dem Autor und dessen Intention verpflichtet. Theaterspektakel lehnte er ab. Seine bevorzugten Autoren waren jene, bei denen die psychische Verfassung und die psychologische Motivation der Figuren im Vordergrund standen, die herauszuarbeiten er sich zur Aufgabe machte. So wie etwa bei Carl Sternheim: Noeltes Inszenierung der Kassette mit Theo Lingen in der Hauptrolle gilt bis heute als Musterinszenierung des Stücks. Auch Inszenierungen der Stücke von Henrik Ibsen, August Strindberg und Eugene O’Neill waren exemplarisch für seine Sichtweise. Mit seinen Inszenierungen von Stücken Anton P. Tschechows eröffnete Noelte ab den 1960er Jahren eine neue Sichtweise auf den Autor und läutete damit eine Renaissance von dessen Stücken an westdeutschen Bühnen ein. Er trug damit auch zu einer weiter gefassten Tschechow-Rezeption bei.

Die Genauigkeit seiner Sichtweise den Stückvorlagen gegenüber entsprach seiner minutiösen Inszenierungsarbeit, die keine Nachlässigkeiten duldete und Schauspielern darstellerisch nur wenige interpretatorische Freiräume ließ, sodass er als Regisseur so respektiert wie gefürchtet war. Dennoch bildete sich ein Stamm von Schauspielern, mit denen er immer wieder zusammenarbeitete. Künstler wie Marianne Hoppe, Therese Giehse und Cordula Trantow arbeiteten häufig mit ihm. In Will Quadflieg fand er als Darsteller einen idealen Widerpart für seine konzeptionellen Vorstellungen.

Auch als Opernregisseur war Noelte immer wieder und mit Erfolg tätig. So inszenierte er u. a. 1973 an der Deutschen Oper Berlin Don Giovanni von Wolfgang Amadeus Mozart (Dirigent Lorin Maazel), 1978 an der Bayerischen Staatsoper in München Jewgenij Onegin von Pjotr Iljitsch Tschaikowski und 1991 – als seine letzte Regiearbeit überhaupt – Mozarts Le nozze di Figaro beim Festival in Aix-en-Provence. Seinen letzten großen Erfolg hatte er 1991 mit seiner Inszenierung von Molières Der Geizige in Zürich. 1999 erhielt er den Bayerischen Theaterpreis.

In den 1990er Jahren erkrankte Noelte an der Alzheimerschen Krankheit und verbrachte die letzten Lebensjahre verarmt in einem Pflegeheim, wo er 2002 an einer Lungenentzündung starb. Er liegt begraben auf dem Friedhof Schöneberg III in Berlin-Friedenau, wenige Meter von Marlene Dietrich und Helmut Newton entfernt.

Er war verheiratet mit der Schauspielerin Cordula Trantow.

Zitate

„Den Zustand einer Familie erkennt man an ihren Tischsitten.“

Rudolf Noelte

„Sein Thema ist der Mensch in seinem Weh. Die Einsamen, die Verzweifelten. Die Geschlagenen. Immer Wahrhaftigkeit suchend auf der Bühne. Maßlos, schonungslos in seinen Ansprüchen an sich selbst und seine Mitarbeiter.“

Inge Keller, Schauspielerin

„Das Leiseste erscheint am Ende als das Lauteste.“

Eric Bentley, Theaterkritiker

Literatur

  • Der grosse Schwierige. Zum Tod von Rudolf Noelte. In: NZZ, 11. November 2002.
  • Will Quadflieg: Wir spielen immer. Erinnerungen. S. Fischer, Frankfurt a. M. 1976, ISBN 3-10-063101-3.
  • Heiko R. Blum, unter Mitarbeit von Sigrid Schmitt: Götz George. Beruf Schauspieler. Zur Erinnerung an Theodor Kotulla und Rudolf Noelte. Henschel Verlag, Berlin 2003, ISBN 3-89487-457-0.
  • Verschollen für Sekunden. Der Theatermagier, der das Theater verachtete. Zum Tod des Regisseurs Rudolf Noelte. In: Die Zeit, Nr. 47/2002.
  • Peter Iden: Theater als Widerspruch Plädoyer für die zeitgenössische Bühne am Beispiel neuerer Aufführungen d. Regisseure Luc Bondy, Klaus Michael Grüber, Hansgünther Heyme, Uwe Jens Jensen, David Mouchtar-Samorai, Hans Neuenfels, Rudolf Noelte, Claus Peymann, Peter Stein, Dieter Sturm, Ernst Wendt. Kindler, München 1984, ISBN 3-463-00878-5.
  • Amadeus Gerlach (Hrsg.): Inszenierungen in Moll. Der Regisseur Rudolf Noelte. 1. Aufl., Edition Hentrich, Berlin 1996, ISBN 3-89468-210-8.
  • Henning Rischbieter (Hrsg.): Theater im geteilten Deutschland 1945 bis 1990. Propyläen, Berlin 1999, ISBN 3-549-05744-X.

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18.3.1960

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Der "Berliner Kunstpreis - Jubiläumsstiftung 1848/1948 " für das Jahr 1960 verliehen