Rudolf Meyer (Publizist)

Rudolf[1] Hermann Meyer (* 10. Dezember 1839 in Friedeberg,[2] Neumark; † 16. Januar 1899 in Dessau) war ein deutscher sozialkonservativer Publizist.

Rudolf (Rudolph) Hermann Meyer um 1879

Leben

Meyer besuchte die Schule in Kolberg und Stettin und studierte von 1860 bis 1864 in Berlin zunächst Naturwissenschaften, später Geschichte, Philosophie und Nationalökonomie. Während seines Studium wurde er im Corps Marchia Berlin aktiv, in das er 1861 recipiert wurde.[3] 1864/65 war Meyer Hauslehrer in Ungarn, dann Journalist in Berlin. Er war seit 1867 enger Mitarbeiter von Hermann Wagener und veröffentlichte in dessen Berliner Revue. 1872 unternahmen beide den erfolglosen Versuch eine monarchisch-nationale Partei mit stark sozialkonservativem Akzent zu gründen. 1874 promovierte er an der Universität Jena mit einer Arbeit über den „Sozialismus in Dänemark“. Seit 1875 distanzierte sich Meyer von Otto von Bismarck aus Enttäuschung über dessen liberale Wirtschaftspolitik. Er betätigte sich in der Konservativen Partei, wurde aber 1876 wegen „sozialistischer Tendenzen“ ausgeschlossen. Meyer war leitender Redakteur der Berliner Revue (1870–1873).[4] Sein Buch „Politische Gründer und Corruption in Deutschland“ (1877) wurde sofort verboten und Meyer zu eineinhalb Jahren Zuchthaus verurteilt. Meyer floh jedoch nach Österreich und war dort von 1877 bis 1881 als Wirtschaftsredakteur der Zeitung „Vaterland“ tätig. 1881 bis 1889 emigrierte Meyer, zuerst in die USA, dann nach Kanada, wo er erfolgreich einen landwirtschaftlichen Betrieb aufbaute. 1889 kehrte er nach Österreich zurück, war als landwirtschaftlicher Berater für Großagrarier in Böhmen und Mähren tätig und schrieb wieder für das „Vaterland“. Später (1892 bis 1895) schrieb er für die marxistische Zeitung „Neue Zeit“. Bereits früher hatte er persönliche und briefliche Kontakte zu Karl Marx, Friedrich Engels, Laura Lafargue[5] und Karl Kautsky unterhalten. 1897 konnte er nach Deutschland zurückkehren.

Politische Ideen

Meyer vertrat einen streng religiös fundieren sozialen Konservatismus und christlichen Antikapitalismus. Neben Wagener übten Lorenz von Stein und Johann Karl Rodbertus großen Einfluss auf ihn aus. In seinem Hauptwerk „Der Emancipationskampf des Vierten Standes“ postulierte er als Hauptziel den Kampf gegen einen schrankenlosen Wirtschaftsliberalismus. Gegen die Akkumulation des Kapitals empfahl Meyer neben einer umfassenden Sozialgesetzgebung, eine Bodenreform, ein strenges Wucherverbot und Errichtung von Staatsbetrieben. Außerdem befürwortete er ein Stärkung der Gewerkschaften durch Gewährung des Streikrechts, sowie eine gesetzliche Arbeitszeitbeschränkung. Seine Hoffnungen setzte er dabei nicht nur auf eine Interessenkoalition aus Grundbesitzern, Kleingewerbetreibenden und Arbeitern, sondern auch auf die Monarchie als einem sozialen Königtum im Sinne Lorenz von Steins. Die erhoffte Sozialreform sollte gleichsam von oben durch die herrschenden Autoritäten Staat, Kirche, besitzende Klasse vollzogen werden, friedlich unter Mithilfe des Vierten Standes. Vorrangig galten ihm die Rechte des Vierten Standes, zugleich sollten aber auch die kulturellen Errungenschaften bewahrt werden. In diesem Sinne war Meyer zugleich sozial und konservativ.

Schriften (Auswahl)

  • Die Actien-Gesellschaften. Handbuch für Banquiers, Actionaire und Geschäftsleute. 4 Bde. Schindler, Berlin 1872–1873
  • Die bedrohliche Entwickelung des Sozialismus und die Lehre Lassalles. Berlin 1873
  • Die ländliche Arbeiterfrage in Deutschland. Socialismus – Auswanderung – Mittel gegen beide. Schindler, Berlin 1873
  • Der Socialismus in Dänemark. Ringer & Sohn, Berlin 1875 (Phil. Diss. Jerna 1874)
  • Der Emancipationskampf des vierten Standes. 2 Bde., Schindler, Berlin 1874–1875
  • Politische Gründer und die Corruption in Deutschland. Bidder, Berlin 1877[6][7]
  • Briefe und socialpolitische Aufsätze von Johann Karl Rodbertus-Jagetzow. Herausg. von Rudolph Meyer. 2 Bde., Klein, Berlin 1880[8]
  • Theorie des Socialismus. Der katholische Socialismus. Die Internationale. Deutschland. Schulze. Lassalle. Marx. Die Gewerkvereine. Die Socialconservativen. Die Arbeiterpresse. Stellung der Regierungen zu den socialen Parteien. Schindler, Berlin 1882
  • Heimstätten- und andere Wirthschaftsgesetze der Vereinigten Staaten von Amerika, von Canada, Russland, China, Indien, Rumänien, Serbien und England. Mit bisher ungedruckten Briefen Jefferson's und Entwurf zu einem neuen Agrarrecht. Hrsg. mit einleitenden u. erläuternden Abhandlungen von Rudolf Meyer. Bahr, Berlin / Görlitz 1883[9]
  • Ursachen der Amerikanischen Concurrenz. Ergebnisse einer Studienreise der Herren Grafen Géza Andrassy durch die Vereinigten Staaten. Hrsg. von R. Meyer. Bahr, Berlin 1893
  • Der Capitalismus fin de siècle. Verlags-Buchhandlung Austria, Wien 1894[10]
  • Das Sinken der Grundrente und dessen mögliche sociale und politische Fragen. Wien / Leipzig 1894
  • Hundert Jahre conservativer Politik und Literatur. Wien und Leipzig 1895
  • Colonisation von Arbeitslosen. Ein neues Landwirtschafts-System. Wien / Leipzig 1896

Artikel aus Die Neue Zeit (Auswahl)

Literatur

  • N. L.: Dr. Rudolf Meyer und der landwirthschaftliche Großbetrieb. In: Die neue Zeit. Revue des geistigen und öffentlichen Lebens. 11.1892-93, 2. Bd.(1893), Heft 46, S. 593–599
  • Kurt Feibelmann: Rudolf Hermann Meyer. Ein Beitrag zur politischen Ideengeschichte des 19. Jahrhunderts. Triltsch, Würzburg 1933 (Leipzig Phil. Diss. vom 3. Juli 1931)
  • Claus Baumgart, Rolf Gablenz: Friedrich Engels und Rudolf Meyer. Ein bislang unbekanntes Autograph von Engels in der Universitätsbibliothek Leipzig. In: Marx-Engels-Forschungsberichte Heft 2. Leipzig 1984, S. 121–129.
  • Lothar Machtan: Meyer, Rudolf. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 17, Duncker & Humblot, Berlin 1994, ISBN 3-428-00198-2, S. 371 f. (Digitalisat).
  • Izumi Omura u. a. (Hrsg.): Familie Marx privat: Die Foto- und Fragebogen-Alben von Marx’ Töchtern Laura und Jenny. Eine kommentierte Faksimileausgabe. Akademie Verlag, Berlin 2005. ISBN 3-05-004118-8
  • Michael Dreyer: Meyer, Rudolf Herrmann. In: Wolfgang Benz (Hrsg.): Handbuch des Antisemitismus. Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart. Bd. 2/2: Personen L–Z. De Gruyter Saur, Berlin 2009, ISBN 978-3-598-24072-0, S. 552f.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Auf Bücher erscheinen die Schreibweisen Rudolf oder Rudolph. Welche die richtige Namensform ist, ist noch unbekannt.
  2. Lothar Machtan: Meyer, Rudolf. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 17, S. 371 nennt zwei mögliche Geburtsorte, nämlich auch Schwarzsee Kreis Oststernberg. Dies ist aber unrichtig wie die Familiendatenbank Kreise Arnswalde und Friedeberg (Neumark) ausweist.
  3. Kösener Corpslisten 1960, 4, 372
  4. Marie-Louise von Plessen: Die Wirksamkeit des Vereins für Socialpolitik von 1872 bis 1890. Studien zum Katheder- und Staatssozialismus. Duncker & Humblot, Berlin 1975, S. 38
  5. Familie Marx privat, S. 112–113.
  6. Marx exzerpierte dieses Buch (IISG Marx Engels Nachlass B 155 Heft CXXIX, Anfang Juni 1879, S. 2–40: R. Meyer, Politische Gründer und die Corruption in Deutschland, 1877)
  7. Engels exzerpierte dieses Buch (IISG Marx Engels Nachlass J 34 Heft IXX, 1878-1880 S. 2–15: Rudolf Meyer, Politische Gründer 1877)
  8. Der erste Band gehört zu den vermissten Ex-Libris von Karl Marx (MEGA Abteilung IV Bd. 32, S. 66).
  9. Mit Widmung von Meyer an Engels. MEGA Abteilung IV Bd. 32, Nr. 555, S. 322.
  10. Auch Geschenk von Meyer an Engels mit Widmung. MEGA Abteilung IV Bd. 32, Nr. 889, S. 460.

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