Rudolf Marcuse

Rudolf Marcuse, etwa 1909
Rudolf Marcuses Signatur

Rudolf Marcuse (* 15. Januar 1878 in Berlin[1]; † 3. April 1940 in London, Vereinigtes Königreich)[2][3] war ein deutscher Bildhauer.

Leben und Werk

Rudolf Marcuse, Sohn eines Kaufmanns, studierte an der Akademie der Künste in Berlin bei Ernst Herter.[4] Er erhielt 1902 vom Kuratorium ein „Stipendium zur Fortsetzung seiner Studien“.[5] 1903 gewann er mit seinem Relief Das Urteil des Salomon den Michael-Beer-Preis sowie 1910 die Silbermedaille[6] und den Prix de Rome[6][7], was ihm einen Aufenthalt in der Villa Strohl-Fern ermöglichte.[8] Weiterhin wurde er auf der Ausstellung Brüssel International – 1910 mit einer Goldmedaille ausgezeichnet.[7]

Marcuse setzte immer wieder öffentliche Aufträge um. So schuf er beispielsweise das Denkmal für Moses Mendelssohn im Vorgarten der Jüdischen Knabenschule in Berlin (Einweihung 1909),[9] das 1941 von Angehörigen der SA zerstört wurde.[10]

Statue Carl Hagenbecks mit dem Löwen Triest, 1926

Von Marcuse stammte auch das Bildnis des Zoodirektors Carl Hagenbeck mit dem Löwen Triest in Hamburg-Stellingen von 1926, gegossen von der Düsseldorfer Bronzegießerei.[11]

Der Künstler war zudem bekannt für zahlreiche Bronzestatuetten im Jugendstil und im Stil des Art déco wie der Diskuswerfer, der Schwertkämpfer oder die Amazone, von denen viele von der Berliner Bildgießerei Hermann Gladenbeck handwerklich umgesetzt wurden.[12] Dabei bediente er vornehmlich einer symbolistischen Bildsprache. sich Er entwarf Porzellanfiguren für die Schwarzburger Werkstätten für Porzellankunst, die Königliche Porzellanmanufaktur Berlin (1911–1913) und für die Manufaktur Rosenthal (1913 – ca. 1919) mit Titeln wie Im Wind (1913), Vor dem Bade (1913), Überbrettl (1914), Pudel Serenade, Traubenträgerin (1917) und Ägyptische Tänzerin.[13]

Rudolf Marcuse fertigte 37 Skulpturen von Angehörigen unterschiedlichster Völker in deutschen Kriegsgefangenenlagern des Ersten Weltkriegs an. Diese waren ursprünglich für ein noch einzurichtendes „Reichskriegsmuseum“[14] als Visualisierung von „Völkertypen“ bestimmt und trugen die Titel Russischer Pope, Inder (Sikh), Marokkaner, Schotte I, Schotte II, Tongkinese, Algerischer Araber, Russe, Tunesier, Sibirier, Russe mit Guitarre, Französischer Alpenjäger, Fulbe aus dem franz. Sudan, Araber, Franzose, Engländer, Korse, Rumäne, Somali, Australier, Sibirier, Araber, Araber II, Marokkaner, Dahomeyneger I, Dahomeyneger II, Turko, Tscherkesse, Japaner, Alter Japaner I, Alter Japaner II, Italiener, Neger aus Algier, Französischer Kolonialsoldat (Senegalneger), Frierender Russe, Neger aus Liberia, Inder (Radschput).[15][16] 1919 gab der Verleger Gustav Fock in Leipzig eine Sammlung von Kunstblättern in Kupfertiefdruck mit Bildern von Marcuses „Völkertypen“-Skulpturen heraus.[15] Die im Merzdorfer Kriegsgefangenenlager angefertigten Skulpturen wurden später im Städtischen Museum Cottbus präsentiert.[17] Sie gelten heute als verschollen.

Weitere Werke (Auswahl):

Danae, etwa 1905
Rudolf Marcuse, Berlin 1911
  • Salome
  • Schlangentänzerin
  • Stehender Frauenakt mit Kugel
  • Frau auf Stuhl
  • Frau mit Korb
  • Frauenhand, 1924
  • Knabe mit Katze
  • Tänzerin
  • Vagabunden auf der Rast
  • Musizierender Pierrot
  • Preußischer Soldat
  • Fechter
  • Edelmann
  • Faun

Rudolf Marcuse heiratete im November 1915 die deutsch-jüdische Bildhauerin Elisabeth Seligsohn (geb. Schlomer).[18] Der Künstler, selbst Jude, hatte noch im Jahr 1930 Preisgeld in Höhe von 2200 Reichsmark vom Preußischen Kultusministerium erhalten;[19] ab 1933 wurden jedoch nationalsozialistische Kriterien bei der Auswahl von Stipendiaten angelegt, sodass Marcuses Bewerbungen „schon aus Gründen seiner nichtarischen Rasse nicht befürwortet“ wurden.[20]

Marcuse verließ Deutschland am 30. Oktober 1936 per Schiff von Bremen nach Southampton in England,[21] jedoch nicht in Begleitung seiner Ehefrau. 1939 heiratete er seine zweite Frau, Alice Marcuse. Bis zu seinem Tod im April 1940 lebte er in London.[18]

Museen

Vor allem Bronzeplastiken von Marcuse finden sich heute in Museen, unter anderem im Georg Kolbe Museum Berlin und im Museum Wiesbaden. Ab 1914 arbeitete Marcuse an der Mappe „Völkertypen“, in welcher er in Deutschland Kriegsgefangene verschiedener Nationalität porträtierte. Eine umfangreiche Sammlung dieser Mappe und Skulpturen besitzt das Jüdische Museum Berlin.

Ausstellungen (Auswahl)

Marcuse zeigte seine Arbeiten unter anderem auf folgenden Ausstellungen:[18]

Literatur

  • Alberto Shayo: Statuettes art deco period. Antique Collectors Club Art Books, 2016, ISBN 1-85149-824-9. S. 176 (issuu.com).
  • Marcuse, Rudolf. In: Joseph Walk (Hrsg.): Kurzbiographien zur Geschichte der Juden 1918–1945. Saur, München 1988, ISBN 3-598-10477-4, S. 256.
  • Dictionnaire critique et documentaire des peintres, sculpteurs, dessinateurs et graveurs de tous les temps et de tous les pays par un groupe d’écrivains spécialistes français et étrangers. E., Band 9, Éditions Gründ, Paris 1999. S. 200.
  • Marcuse, Rudolf. In: Hans Vollmer (Hrsg.): Allgemeines Lexikon der Bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart. Begründet von Ulrich Thieme und Felix Becker. Band 24: Mandere–Möhl. E. A. Seemann, Leipzig 1930, S. 79 (biblos.pk.edu.pl).
  • M. Rapsilber: Rudolf Marcuse. In: Alexander Koch: Deutsche Kunst und Dekoration: Illustrierte Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst und künstlerisches Frauen-Arbeiten. Ausgabe 19. Alexander Koch, 1907. S. 254–256 (uni-heidelberg.de).
  • Marcuse, Rudolf. In: Salomon Wininger: Große jüdische National-Biographie. Band 4. Czernowitz, 1929, S. 267.

Weblinks

Commons: Rudolf Marcuse – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Geburtsregister StA Berlin VI, Nr. 189/1878.
  2. Joseph Walk, Leo Baeck Institute: Kurzbiographien zur Geschichte der Juden. 1918–1945. Walter de Gruyter, 1988, ISBN 3-11-158087-3. S. 256 (books.google.de).
  3. Tom Murray, Hilary Howes: Douglas Grant and Rudolf Marcuse: Wartime encounters at the edge of art. In: History and Anthropology. 2019, doi:10.1080/02757206.2019.1607730.
  4. Jutta von Simson: Ethos und Pathos. Die Berliner Bildhauerschule 1786–1914. Mann, 1990, ISBN 3-7861-1599-0. S. 516.
  5. Chronik der Königlichen Akademie der Künste in Berlin. 1902. S. 64.
  6. a b Marcuse, Rudolph. In:Isaac Landman: The Universal Jewish Encyclopedia. An Authoritative and Popular Presentation of Jews and Judaism Since the Earliest Times. Band 7. Publisher Universal Jewish Encyclopedia, Incorporated, 1942.
  7. a b Artikel über Rudolf Marcuse im Apollo Magazine, 1928. S. 172–174.
  8. Artisti a Villa Strohl-Fern: Luogo d’arte e di incontri a Roma tra il 1880 e il 1956. Gangemi Editore spa, ISBN 88-492-9492-1, S. 189 (books.google.de).
  9. Richard Faber, Barbara Naumann: Literatur der Grenze, Theorie der Grenze. Königshausen & Neumann, 1995, ISBN 3-8260-1047-7, S. 29 (books.google.de).
  10. Hans-Jürgen Mende, Kurt Wernicke, Kathrin Chod, Herbert Schwenk, Hainer Weisspflug: Berlin Mitte. Das Lexikon. Stapp Verlag, 2001, ISBN 3-87776-111-9, S. 348.
  11. Volker Plagemann: Vaterstadt, Vaterland, schütz dich Gott mit starker Hand. Denkmäler in Hamburg. Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Hamburg. H. Christians, 1986, ISBN 3-7672-0967-5, S. 193.
  12. Harold Berman: Bronzes. Sculptors & founders, 1800-1930. Band 4. Abage, 1974, S. 875.
  13. Karl H. Bröhan, Dieter Högermann, Reto Niggl: Porzellan: Bildende Kunst und Design 1889 bis 1939. Bröhan-Museum, Berlin 1993, S. 83, 174.
  14. Johannes Pommeranz: Das Reichskriegsmuseum. Eine Architekturvision für Berlin. In: Frank Matthias Kammel, Claudia Selheim (Hrsg.): Kriegszeit im Nationalmuseum. Nürnberg 2016, S. 184–193 (uni-heidelberg.de).
  15. a b Sammeldatensatz Mappe „Völkertypen“. Eine Sammlung von Kunstblättern in Kupfertiefdruck nach Skulpturen von Rudolf Marcuse. Jüdisches Museum Berlin (objekte.jmberlin.de).
  16. Max Osborn: Rudolf Marcuses Völkertypen aus dem Weltkrieg. In: Ost und West: illustrierte Monatsschrift für das gesamte Judentum (1901–1923). 11–12, S. 281–286.
  17. Fritz Schmidt: Städtisches Museum zu Cottbus. Kleiner Führer. Cottbus 1925. S. 26.
  18. a b c Victor Werner: POW (prisoner-of-war) bust of a Tonkinese man.
  19. Kristina Kratz-Kessemeier: Kunst für die Republik. Die Kunstpolitik des preußischen Kultusministeriums 1918 bis 1932. Walter de Gruyter, 2008, ISBN 3-05-006212-6, S. 712 (books.google.de).
  20. Michael Dorrmann: Eduard Arnhold (1849–1925). Eine biographische Studie zu Unternehmer- und Mäzenatentum im Deutschen Kaiserreich. Walter de Gruyter, 2002, ISBN 3-05-008119-8, S. 342 (books.google.de).
  21. Bremer Passagierlisten. Suchwort „Marcuse“.

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Der deutsche Bildhauer Rudolf Marcuse (1878–1940)
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Signatur Rudolf Marcuse
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Statue des Zoodirektors Carl Hagenbeck (1844–1913) mit seinem Löwen Triest in Hamburg-Stellingen. Die Statue wurde von dem Bildhauer Rudolf Marcuse (1878–1940) gefertigt.