Rudolf-August Oetker

Rudolf-August und Maja Oetker bei der Einweihung eines Studentenheims der Dr.-Oetker-Stiftung in Kiel (1966)
Das Grab von Rudolf-August Oetker auf dem Johannisfriedhof in Bielefeld

Rudolf-August Oetker (* 20. September 1916 in Bielefeld; † 16. Januar 2007 in Hamburg) war ein deutscher Unternehmer der Nahrungsmittelindustrie und Reeder aus der Oetker-Dynastie.

Leben und Werk

Rudolf-August Oetker war der Sohn von Rudolf Oetker, der vor der Geburt Rudolf-Augusts am 8. März 1916 bei Verdun fiel, und Enkel des Dr.-Oetker-Firmengründers August Oetker, der in seinem Testament den Wunsch formulierte, „dass das Unternehmen möglichst unverändert für seinen Enkel Rudolf-August erhalten bleiben solle“.[1] Ursula Oetker war seine ältere Schwester. Als Mitglied eines Bielefelder Reitklubs, der nach 1933 in die Reiter-SA überführt wurde, wurde auch er SA-Mitglied. Nach Abschluss des Ratsgymnasiums Bielefeld absolvierte er ab 1937 eine Banklehre in Hamburg, nachdem er 1936 den Arbeitsdienst abgeleistet hatte. 1942 meldete er sich für die Mitgliedschaft in der Waffen-SS[2], um dort Karriere zu machen.[3]

Im Alter von 28 Jahren übernahm Rudolf-August 1944 die Führung des Familienunternehmens Dr. August Oetker Nahrungsmittelfabrik, nachdem sein Stiefvater Richard Kaselowsky, seine Mutter Ida Oetker und seine Halbschwestern Ilse und Ingeborg bei einem Bombenangriff im Zweiten Weltkrieg, im Keller ihrer Villa Am Johannisberg 10 getötet worden waren. Seine Ehefrau und sein ältester Sohn August Oetker (* 1944) überlebten den Angriff, da sie sich zu diesem Zeitpunkt nicht in Bielefeld, sondern in Hameln aufhielten.[4][5]

Oetker war seit Anfang der 1930er Jahre Mitglied der Reiter-SA. 1942 meldete er sich zur Waffen-SS und kämpfte an der Ostfront. Nach dem Krieg wurde er im Internierungslager Staumühle bei Paderborn interniert. Als dort die Tätowierung seiner Blutgruppe unter der linken Achselhöhle entdeckt wurde, die ihn als Angehörigen der SS auszeichnete, wurde er vom Wachpersonal schwer misshandelt. Die gesundheitlichen Schäden hielten lange an, Oetker brauchte nach dem Zweiten Weltkrieg noch lange einen Stock. Nach der Entlassung aus der Internierung wurde Rudolf-August Oetker im Juli 1947 vom Entnazifizierungs-Hauptausschuss für den Stadtkreis Bielefeld als unbelastet entnazifiziert.[6]

Nach dem Zweiten Weltkrieg führte Rudolf-August Oetker das angeschlagene Familienunternehmen zu neuen Höhen. In wenigen Jahren schmiedete er in der Nachkriegszeit aus dem Nahrungsmittelhersteller einen weit verzweigten Mischkonzern, der mit Bier, Pizza und Sekt handelt, dessen Haupteinnahmequelle aber bald die Reederei Hamburg Süd wurde. Daneben übernahm Oetker die Sektkellereien Henkell, Söhnlein und Deinhard, den Spirituosenhersteller Wodka Gorbatschow sowie die Brauereien Binding und Dortmunder Actien-Brauerei. Er kaufte das Bankhaus Lampe und Luxushotels, die, als Bestandteil der Oetker Collection (OHC), in die Oetker Hotel Management integriert sind.

1976 wurde in Freising sein damals 25-jähriger Sohn Richard Oetker von Dieter Zlof entführt und gegen ein Lösegeld von 21 Millionen Mark freigekauft. 1981 zog sich Rudolf-August Oetker mit 65 Jahren aus dem Tagesgeschäft zurück, überließ seinem Sohn August Oetker die Leitung des Unternehmens. Ende 2002 sicherte er mit der Übertragung wesentlicher Teile seines Vermögens auf die nächste und übernächste Generation das Weiterbestehen der Oetker-Gruppe als unabhängiges Familienunternehmen.

Nationalsozialismus

Im Oktober 2013 gab die Familie Oetker einen Einblick in ihre Verstrickung in den Nationalsozialismus. „Mein Vater war Nationalsozialist“, erklärte August Oetker gegenüber der Wochenzeitung Die Zeit.[7] Der gleichen Quelle nach habe sich Oetker freiwillig zur Waffen-SS gemeldet. Im Beck-Verlag erschien das Buch Dr. Oetker und der Nationalsozialismus, eine von der Familie in Auftrag gegebene Studie.

2009 – zwei Jahre nach dem Tod des Seniors – beauftragte die Familie Andreas Wirsching (Direktor des Instituts für Zeitgeschichte, München), die Geschichte der Firma in der NS-Zeit zu erforschen. Drei Jahre benötigte das Projekt; die Forscher urteilen: „Die Familie und die Firma Oetker waren Stützen der NS-Gesellschaft, sie suchten die Nähe des Regimes und profitierten von dessen Politik.“[8]

Mäzenatentum

Oetker wirkte auch als Kunstmäzen und Kunstsammler. Ende 1999 rief er die Rudolf-August Oetker-Stiftung zur Förderung von Kunst, Kultur, Denkmalschutz und Wissenschaft ins Leben. Nachdem 1998 der Bielefelder Stadtrat entschied, die von Oetker seit 1968 maßgeblich finanzierte Kunsthalle nach 30 Jahren umzubenennen, so dass sie nicht mehr nach seinem Stiefvater Richard Kaselowsky den Namenszusatz Kaselowsky-Haus trug, zog er seine finanzielle Unterstützung und seine Leihgaben zurück.[9] 1981 wurde Oetker zum Ehrenbürger der Stadt Bielefeld ernannt.

Familie

In erster Ehe war Oetker mit Marlene Ahlmann verheiratet; aus der Ehe ging die CDU-Politikerin Rosely Schweizer (* 1940) hervor. In zweiter Ehe heiratete Oetker Susanne Jantsch-Schuster (* 21. Juli 1922; † 24. November 2012), die Tochter eines Versicherungsunternehmers; aus der Ehe gingen August (* 1944), Bergit Gräfin Douglas (* 26. November 1947), Christian (* 24. Mai 1948) und Richard (* 1951) hervor. Seit dem 8. Februar 1963 war Rudolf-August Oetker mit Marianne (Maja) von Malaisé (* 30. Dezember 1934) verheiratet; aus der Ehe stammen Alfred (* 1967), Ferdinand (* 1972) und Julia (* 1979).[10] Diese Vielzahl an erbberechtigten Familienstämmen führte im Unternehmen zu Differenzen, weshalb die drei Familienstämme, die aus Oetkers dritter Ehe hervorgingen, unter Mitnahme verschiedener Unternehmensbereiche die Dr. August Oetker KG im Jahr 2021 verließen.[11] Oetkers Großneffe ist der Filmproduzent Friederich Oetker (* 1982).

Rudolf-August Oetker verstarb 2007 an den Folgen einer Lungenentzündung in einem Hamburger Klinikum und wurde am 20. Januar 2007 im Familiengrab der Oetkers auf dem Johannisfriedhof in Bielefeld beigesetzt. Das Vermögen der Familie wird 2021 auf 7,4 Milliarden Euro geschätzt.[11]

In der Kunst

1968 stiftete Oetker für den Bau der Kunsthalle Bielefeld. 1983 porträtierte ihn der Maler Carlos Luis Sancha (1920–2001) in der mit Kunstwerken ausgestatteten Bibliothek.[12]

Literatur

  • Rüdiger Jungbluth: Die Oetkers: Geschäfte und Geheimnisse der bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands. Campus, Frankfurt am Main 2004, ISBN 3-593-37396-3.
  • Jürgen Finger, Sven Keller, Andreas Wirsching: Dr. Oetker und der Nationalsozialismus. Geschichte eines Familienunternehmens 1933 – 1945. Verlag C.H. Beck, München 2013, ISBN 978-3-406-64545-7.

Dokumentation

Fußnoten

  1. Rüdiger Jungbluth: Die Oetkers. S. 102.
  2. Rüdiger Jungbluth: Die Oetkers: Geschäfte und Geheimnisse der bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands. Campus, Frankfurt am Main 2004, S. 172 f. eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
  3. Stefan Weber: Im Schatten des Patriarchen. In: Süddeutsche Zeitung, 19. Oktober 2013, S. 25
  4. (Memento desOriginals vom 17. Oktober 2013 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.oetker-gruppe.de
  5. Rüdiger Jungbluth: Die Oetkers: Geschäfte und Geheimnisse der bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands. 2. Auflage. Bastei Lübbe, Bergisch Gladbach 2008, S. 410 f.
  6. Jürgen Finger, Sven Keller, Andreas Wirsching: Dr. Oetker und der Nationalsozialismus. Geschichte eines Familienunternehmens 1933–1945. Verlag C.H.Beck, München 2013, ISBN 978-3-406-64545-7, S. 380
  7. August Oetker: Mein Vater war Nationalsozialist (Memento desOriginals vom 19. Juni 2021 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.nw.de, abgerufen am 18. März 2019
  8. Stefan Weber: Im Schatten des Patriarchen. SZ, 19. Oktober 2013, S. 25.
  9. Die Oetkers und die Nazis, Die Zeit, 19. Januar 2012, abgerufen am 16. Oktober 2013.
  10. Zum Tod von Rudolf August Oetker: Bescheiden und erfolgreich, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16. Januar 2007, abgerufen am 16. Oktober 2013.
  11. a b Marcus Theurer: Dr. Oetker läßt sich scheiden. In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 1. August 2021.
  12. Goldschmiedekunst aus der Sammlung Rudolf-August Oetker, abgerufen am 14. Juli 2014

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Autor/Urheber: Magnussen, Friedrich (1914-1987), Lizenz: CC BY-SA 3.0 de
Im Bild v.l.n.r.: Prof. Diedrich Schroeder von der Landwirtschaftlichen Fakultät, Maja Oetker, Unternehmer Rudolf August Oetker, Prorektor Prof. Erich Bagge.
Grab Rudolf-August Oetker.jpg
Autor/Urheber: Harvey Kneeslapper, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Das Grab des deutschen Unternehmers Rudolf-August Oetker im Familiengrab auf dem Johannisfriedhof in Bielefeld.