Rota (Diplomatik)

Die Rota (früher in der Forschung auch orbiculus oder circulus genannt) ist ein fester Bestandteil des Eschatokolls mittelalterlicher Papsturkunden. Zusammen mit dem Benevalete und dem Komma wurde die Rota im Frühjahr 1049 von Leo IX. (1049–1053) eingeführt, womit eine vollständige Neugestaltung päpstlicher Privilegien einherging.[1] Während das Komma nur wenige Jahrzehnte in den päpstlichen Urkunden Verwendung fand,[2] gehörten Rota und Benevalete über mehrere Jahrhunderte fest zur Gestaltung von Privilegien.[3]

Rota auf einem Privileg Alexanders III. für San Salvatore zu Messina, 1175

Die Rota besteht aus zwei konzentrischen Kreisen, in deren Mitte sich ein gleicharmiges Kreuz befindet. Im äußeren Kreis steht als Umschrift die Devise des jeweiligen Papstes, in den vier inneren Quadranten sind Papstname und Titel (pp oder p für papa) eingetragen.[4]

Urkundlich gesehen ist die Rota ein Mittel zur rechtlichen Vollziehung und zugleich zur religiösen Bekräftigung des persönlichen Programms des jeweiligen Papstes.

Vorbilder

In der Forschung werden verschiedene mögliche Vorbilder für die päpstliche Rota angeführt. Als besonders naheliegend erscheint es, dass sich die Rota an dem Kreuz orientiert, das in päpstlichen Urkunden vor Leo IX. dem Benevalete vorangestellt wurden.[5] Des Weiteren wurde mehrfach darauf hingewiesen, dass die Gestaltung der Rota eindeutige Ähnlichkeit mit dem Münzbild der Denare des 10. und 11. Jahrhunderts, aber auch früherer Jahrhunderte, aufweist.[6] Engelbert Mühlbacher führte im 19. Jahrhundert die Möglichkeit an, dass Rota, Benevalete und Komma als Nachahmung der graphischen Symbole in kaiserlichen Urkunden gemeint seien und damit ihre Entsprechung in Siegel, Herrschermonogramm und Rekognitionszeichen fänden.[7] Ein in einem Kreis eingeschlossenes Kreuz wurde zudem vom 10. bis zum 12. Jahrhundert als Unterfertigungszeichen in Papst-, Bischofs- und Privaturkunden sowohl südlich als auch nördlich der Alpen verwendet.[8]

Entwicklung der Rota

Leo IX. gilt als Schöpfer der päpstlichen Rota, sowie auch der beiden anderen graphischen Symbole in den päpstlichen feierlichen Privilegien, die ab Mitte des 11. Jahrhunderts vermehrt Verwendung fanden.[9] Für Leo IX. sind uns heute 38 Original-Rotae erhalten geblieben, von denen er mindestens 33 selbst ausgefertigt hat.[10] Die Beschriftung setzt sich zum einen aus dem päpstlichen Namen und Titel in den vier Quadranten (L|E||O|P), zum anderen aus der Devise Leos (M[isericordi]a | D[OMI]NI | plena e[st] | t[er]ra) zusammen.[11] Die Rota wurde unter den Päpsten des 11. Jahrhunderts immer wieder umgestaltet und erhielt erst unter Paschalis II. (1099–1118) eine feste Form.[10] In den Quadranten eins und zwei stehen nun die Namen der beiden Apostelfürsten Petrus und Paulus (SCS Petrus | SCS Paulus). Die unteren beiden Quadranten beinhalten den Namen Paschalis II. und seinen Titel als Papst (Pasch PP | lis II).

Ebenso wie die äußere Form änderte sich auch der persönliche Anteil, den die Päpste an der Ausstellung der Rota hatten. Hatte Leo IX. noch beinahe alle Rotae selbst ausgefüllt, so trugen seine Nachfolger nur noch ihren Namen in die vier Quadranten ein, während die päpstlichen Devisen von Kurienschreibern eingefügt wurden.[12] Mit der Einführung der päpstlichen Unterschrift um 1100 endete faktisch die Bedeutung der Rota als Unterfertigungszeichen des Papstes, wodurch eine eigenhändige Beteiligung obsolet wurde.[13]

Im Verlauf des 14. Jahrhunderts kam die Urkundenform des feierlichen Privilegs zunehmend aus der Mode, was dazu führte, dass auch Rota und Benevalete nicht länger Verwendung fanden.[14]

Die Rota in anderen Urkundenformen

Rota König Wilhelms I. von Sizilien

Seit 1129 begegnet die Rota auch in den Urkunden der normannischen Könige Süditaliens. Bei den Rotae in nichtpäpstlichen, süditalienischen Privilegien scheint es sich allerdings um Nachahmungen der Papst-Rota zu handeln.[15]

Seit 1038 (Fernando I.) ist auch auf den Privilegien der Könige von Kastilien und später der Könige von Spanien eine Rota abgebildet, die sog. privilegios rodados.[16][17][18]

(c) Jerónimo Roure Pérez, CC BY-SA 4.0
Privileg Königs Alfons X. von Kastilien für die Stadt Ayora, 9. Dezember 1271

Literatur

  • Thomas Frenz: Papsturkunden des Mittelalters und der Neuzeit (= Historische Grundwissenschaften in Einzeldarstellungen. 2). 2., aktualisierte Auflage. Steiner, Stuttgart 2000, ISBN 3-515-07788-X.
  • Joachim Dahlhaus: Aufkommen und Bedeutung der Rota in der Papsturkunde. In: Peter Rück (Hrsg.): Graphische Symbole in mittelalterlichen Urkunden. Beiträge zur diplomatischen Semiotik (= Historische Hilfswissenschaften. 3). Thorbecke, Marburg 1996, ISBN 3-7995-4203-5, S. 407–423.
  • Julius von Pflugk-Harttung: Die Bullen der Päpste bis zum Ende des 12. Jahrhunderts. Perthes, Gotha 1901.
  • Julius von Pflugk-Harttung (Hrsg.): Acta Pontificum Romanorum inedita. Urkunden der Päpste vom Jahre 748 bis zum Jahre 1198. 3 Bände. Fues, Tübingen 1881–1886.
  • Engelbert Mühlbacher: Kaiserurkunde und Papsturkunde. In: Mittheilungen des Instituts für Oesterreichische Geschichtsforschung. Ergänzungsband. 4, 1893, S. 499–518.
  • Joachim Dahlhaus: Aufkommen und Bedeutung der Rota in den Urkunden des Papstes Leo IX. In: Archivum Historiae Pontificiae. Band 27, 1989, S. 7–84 mit 22 Abb. auf 8 Tafeln, JSTOR 23564657.
  • Joachim Dahlhaus: Rota oder Unterschrift. Zur Unterfertigung päpstlicher Urkunden durch ihre Aussteller in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts. In: Irmgard Fees, Andreas Hedwig, Francesco Roberg (Hrsg.): Papsturkunden des frühen und hohen Mittelalters. Äußere Merkmale. Konservierung. Restaurierung. Eudora, Leipzig 2011, ISBN 978-3-938533-27-7, S. 249–303.
  • Horst Enzensberger: Beiträge zum Kanzlei- und Urkundenwesen der normannischen Herrscher Unteritaliens und Siziliens (= Münchener historische Studien. Abteilung Geschichtliche Hilfswissenschaften. 9). Lassleben, Kallmünz 1971, ISBN 3-7847-4409-5.
  • Peter Rück: Die hochmittelalterliche Papsturkunde als Medium zeitgenössischer Ästhetik. In: Erika Eisenlohr, Peter Worm (Hrsg.): Arbeiten aus dem Marburger hilfswissenschaftlichen Institut (= elementa diplomatica. 8). Universitäts-Bibliothek, Marburg 2000, ISBN 978-3-8185-0303-1, S. 3–29.

Weblinks

Anmerkungen

  1. Joachim Dahlhaus: Aufkommen und Bedeutung der Rota in der Papsturkunde. In: Peter Rück (Hrsg.): Graphische Symbole in mittelalterlichen Urkunden. 1996, S. 407–423.
  2. Thomas Frenz: Graphische Symbole in päpstlichen Urkunden (mit Ausnahme der Rota). In: Peter Rück (Hrsg.): Graphische Symbole in mittelalterlichen Urkunden. Beiträge zur diplomatischen Semiotik (= Historische Hilfswissenschaften. 3). Thorbecke, Marburg 1996, ISBN 3-7995-4203-5, S. 399–405, hier 404–405.
  3. Thomas Frenz: Papsturkunden des Mittelalters und der Neuzeit. 2., aktualisierte Auflage. 2000.
  4. Joachim Dahlhaus: Aufkommen und Bedeutung der Rota in der Papsturkunde. In: Peter Rück (Hrsg.): Graphische Symbole in mittelalterlichen Urkunden. 1996, S. 407–423, hier 407.
  5. Joachim Dahlhaus: Aufkommen und Bedeutung der Rota in der Papsturkunde. In: Peter Rück (Hrsg.): Graphische Symbole in mittelalterlichen Urkunden. 1996, S. 407–423, hier S. 411.
  6. Joachim Dahlhaus: Aufkommen und Bedeutung der Rota in der Papsturkunde. In: Peter Rück (Hrsg.): Graphische Symbole in mittelalterlichen Urkunden. 1996, S. 407–423, hier S. 408–409.
  7. Engelbert Mühlbacher: Kaiserurkunde und Papsturkunde. In: Mittheilungen des Instituts für Oesterreichische Geschichtsforschung. Ergänzungsband. 4, 1893, S. 499–518, hier S. 504.
  8. Joachim Dahlhaus: Aufkommen und Bedeutung der Rota in der Papsturkunde. In: Peter Rück (Hrsg.): Graphische Symbole in mittelalterlichen Urkunden. 1996, S. 407–423, hier S. 411.
  9. Joachim Dahlhaus: Rota oder Unterschrift. In: Irmgard Fees u. a. (Hrsg.): Papsturkunden des frühen und hohen Mittelalters. 2011, S. 249–303, hier S. 249–250.
  10. a b Joachim Dahlhaus: Rota oder Unterschrift. In: Irmgard Fees u. a. (Hrsg.): Papsturkunden des frühen und hohen Mittelalters. 2011, S. 249–303, hier S. 251.
  11. Joachim Dahlhaus: Rota oder Unterschrift. In: Irmgard Fees u. a. (Hrsg.): Papsturkunden des frühen und hohen Mittelalters. 2011, S. 249–303, hier S. 250.
  12. Joachim Dahlhaus: Rota oder Unterschrift. In: Irmgard Fees u. a. (Hrsg.): Papsturkunden des frühen und hohen Mittelalters. 2011, S. 249–303, hier S. 287–289.
  13. Joachim Dahlhaus: Rota oder Unterschrift. In: Irmgard Fees u. a. (Hrsg.): Papsturkunden des frühen und hohen Mittelalters. 2011, S. 249–303, hier S. 288–290.
  14. Thomas Frenz: Papsturkunden des Mittelalters und der Neuzeit. 2., aktualisierte Auflage. 2000.
  15. Horst Enzensberger: Beiträge zum Kanzlei- und Urkundenwesen der normannischen Herrscher Unteritaliens und Siziliens. 1971, S. 77–80.
  16. José Luis López Garrido: El privilegio rodado de los Reyes Católicos. Fundación Municipal de Cultura del Excmo – Ayuntamiento de Cádiz, Cátedra „Adolfo de Castro“, Cádiz 1992, ISBN 84-87963-01-3.
  17. Maria Luisa Pardo Rodríguez: La rueda hispana. Validación y Simbología. In: Peter Herde, Hermann Jakobs (Hrsg.): Papsturkunde und europäisches Urkundenwesen. Studien zu ihrer formalen und rechtlichen Kohärenz vom 11. bis 15. Jahrhundert (= Archiv für Diplomatik, Schriftgeschichte, Siegel- und Wappenkunde. Beiheft. 7). Böhlau, Köln u. a. 1999, ISBN 3-412-10298-9, S. 241–258.
  18. Mercedes Borrero Fernández: Sevilla, ciudad de Privilegios. Escritura y poder a través del privilegio rodado. Ayuntamiento de Sevilla u. a., Sevilla 1995, ISBN 84-87062-60-1.

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Privilegio rodado de concesión por el rey Alfonso X de Castilla del fuero de Cuenca a la villa de Ayora 01.jpg
(c) Jerónimo Roure Pérez, CC BY-SA 4.0
Privilegio rodado mediante el cual el rey Alfonso X de Castilla concede las franquezas del fuero de Cuenca a la villa de Ayora. Otorgado en Murcia el 9 de diciembre de 1271.

Texto: «Sepan quantos este privilegio vieren e oyeren como nós don Alfonso, por la gracia de Dios rey de Casteilla..., por fazer bien e merced al concejo de Ayora, a los que agora son vezinos e moradores de la villa de Ayora e / moraren y con sus cuerpos e tovieren e sus casas mayores pobladas d'aquí adelante para siempre, dámosles e otorgámosles las franquezas que el concejo de cuenca solien aver en el su fuero... que son estas:

Primeramente, entre sus heredades / e en lo suyo, que fagan de ello e en ello todo todo lo que quisieren, en guisa que no fagan danno ni tuerto a omne ninguno e todo qual(quier) casa poblada en Ayora que no peche en un pecho, si no fuer en las lavores de los muros e de las torres de la villa e de su término, / pero los cavalleros que tovieren y en la villa de Ayora casa poblada e cavallo que vala treynta maravedís o más, no peche en ninguna d'estas cosas sobredichas en ningún tiempo e que escusen de pecho sus paniaguados e sus amos e a sus ap(or)tellados, segund los escusaron fasta aquí. E mandamos / que todo vezino de Ayora que no dé portadgo ni montadgo de tiempo a acá en ningún logar, si no fuere en Toledo e en Sevilla e en Murcia . Otrossí, todo vezino de Ayora pueda tener en su casa pesos e medidas derechas, sin calonna nunguna, e el que no las toviere derechas, que peche la calonna como / (dicho) fuera manda , pero salvo si que por a nós el nuestro peso mayor que y avemos, también el peso del mercado, aquellos que estovieren e moraren en las casas e en las heredades de los vezinos de Ayo/ra, que tovieren casa pobladas en la villa, que sean vassallos del sennor de la casa o del sennor de la heredat o moraren o do estovieren e a él respondan con pecho e con facendera, assí como fue en cuenca fasta aquí. E otorgámosles que todo ganado ajeno que entrare en los pastos de Ayora / que lo quite el concejo e que lo eche de todo su término sin calonna, salvo ende que no lo tomen pro fuerça ni lo roben. Otrossí mandamos e deffendemos que ningún realengo pase a abadengo ni a omes de orden ni de religión por compra ni por mandamientos ni por canvios / ni en ninguna manera que seer pueda sin nuestro mandato. E otrossí, les otorgamos que de todo pecho e de todo pedido que el concejo de Ayora diere a nós o a omnes qualquiere e de lo que nos tomaremos en la villa o en el término que el concejo de Ayora aya ende el sietmo assí como el rey don / Alfonso, nuestro visavuelo, lo que dado a los de Cuenca, pero en tal manera se lo otorgamos que lo podamos nós partir en aquellas cosas que (que)remos que se fa(gan) a nuestro servizio e a pro del logar. E mandamos e deffendemos que ninguno no sea osado de ir contra este privilegio para (quebran)tarlo ni para minguarlo en ninguna cosa, ca qualquier que lo ficiese auríe nuestra ira e pecharnos ya en coto diez mille maravedís e el concejo sobredicho o a quien su voz toviesse, todo el danno doblado. E porque ésto sea firme e estable, mandamos sellar este privilegio con nuestro sello de / plomo.

Fecho el privilegio en Murcia, miércoles, nueve días andados del mes de deziembre, en era de mille e trezientos e nueve annos».

Conservado en el Archivo Munciipal de Ayora.
RotaWilhelmI.jpg
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Rota von dem Diplom König Wilhelms I. von Sizilien für Palermo von Juni 1159: D W.I. 27
Alexander III Rota.png
Rota auf dem Privileg des Papstes Alexander III. für San Salavatore zu Messina, 1175. Devise: Vias tuas domine demonstra michi