Romano Prodi

Romano Prodi (2014)
Unterschrift von Romano Prodi

Romano Prodi (* 9. August 1939 in Scandiano, RE) ist ein italienischer Wirtschaftswissenschaftler und Politiker (zunächst DC, dann L’Ulivo, ab 2007 PD). Von 1996 bis 1998 und von 2006 bis 2008 war er italienischer Ministerpräsident. Von September 1999 bis November 2004 war Prodi Präsident der Europäischen Kommission.

Leben

Romano Prodi ist eines von neun Kindern des Ingenieurs Mario Prodi und der Lehrerin Enrica Prodi. Zu seinen Brüdern zählen der Mathematiker Giovanni Prodi und der Physiker Vittorio Prodi. Er studierte nach dem Abitur in Mailand Rechtswissenschaften und schloss 1961 mit Auszeichnung ab. Anschließend ging er Aufbaustudiengängen in Mailand, Bologna und an der London School of Economics nach. Ab 1963 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter, ab 1966 Lehrbeauftragter und von 1971 bis 1999 Professor für Volkswirtschaft und Industriepolitik an der Universität Bologna. Mitte der 1970er-Jahre war Prodi vorübergehend Geschäftsführer des Sportwagenherstellers Maserati.[1] Romano Prodi ist seit 1969 mit der Universitätslektorin Flavia Prodi Franzoni verheiratet und hat zwei erwachsene Söhne Giorgio und Antonio.

Prodi mit Staatspräsident Sandro Pertini und Ministerpräsident Giulio Andreotti (1978)

Prodi engagierte sich politisch zunächst in der christdemokratischen Democrazia Cristiana. 1978 berief Giulio Andreotti ihn als Industrieminister in sein Kabinett. 1979, nach dessen Abtritt, widmete Prodi sich zunächst wieder seiner Lehrtätigkeit.

Istituto per la Ricostruzione Industriale

Von 1984 bis 1995, mit Unterbrechung zwischen 1989 und 1993, war er Präsident des IRI, der größten staatlichen Holding Italiens. Nach Sanierung, Umstrukturierung und Privatisierung mehrerer Tochtergesellschaften während seiner ersten Zeit half er bei seiner zweiten Geschäftsausübung bei der Privatisierung anderer Firmen. In der Zwischenphase 1990–1993 führte Prodi das Beratungsunternehmen Analisi e Studi Economici. Diese Firma, die Prodi gemeinsam mit seiner Frau gehört, verdiente in dieser Zeit £1,4 Mio.; Hauptkunde war Goldman Sachs, und Goldman Sachs war auch an zwei Fusionen beteiligt, die Prodi in seiner anschließenden zweiten Amtszeit als IRI-Präsident verantwortete.[2]

Gründung von L’Ulivo, erste Amtszeit als Ministerpräsident (1996–98)

Prodi war ein entschiedener Gegner des Bau- und Medienunternehmers Silvio Berlusconi, der 1993/94 auf die politische Bühne trat, seine rechtsliberal-populistische Partei Forza Italia gründete und schon wenige Wochen später zum Ministerpräsidenten einer Mitte-rechts-Koalition gewählt wurde. Diese zerbrach jedoch nach einigen Monaten im Amt wieder. Um eine Wiederwahl Berlusconi zu verhindern, initiierte Prodi im Februar/März 1995 ein breites Mitte-links-Bündnis namens L’Ulivo („Der Olivenbaum“). Dessen Hauptstützen waren die Partito Democratico della Sinistra (PDS, „Demokratische Linkspartei“ – ehemalige Kommunisten, die sich nach 1989 zu Sozialdemokraten gewandelt hatten) und die Partito Popolare Italiano[3] (PPI, hervorgegangen aus dem Rumpf der 1994 zerbrochenen Democrazia Cristiana), der Prodi zwar noch angehörte,[4] in der er aber kein Amt oder Mandat hatte. Allerdings spaltete sich die PPI anhand der Frage, ob man Prodi unterstützen sollte: Der rechte Flügel verließ die Partei und schloss sich Berlusconi an.[5] Hinzu kamen zahlreiche Kleinparteien von Liberalen bis zu Kommunisten. Obwohl er kein Parteiamt innehatte, wurde Prodi zum Leader (d. h. inoffiziellen Anführer) und Ministerpräsidentenkandidaten von L’Ulivo bestimmt. Parteilose Anhänger Prodis organisierten sich in den Comitati per l’Italia che vogliamo („Komitees für das Italien, das wir wollen“), umgangssprachlich Comitati Prodi („Prodi-Komitees“) genannt.

Romano Prodi (1996)

Prodi präsentierte sich als komplettes Gegenbild zu Berlusconi: Erschien der „Cavaliere“ aus Mailand aggressiv, so wirkte der „Professore“ aus Bologna beruhigend. Berlusconi polemisierte, Prodi rief zum Dialog auf. Während der eine sich verherrlichen ließ, gab sich der andere betont bescheiden. Statt im Privatjet reiste Prodi in einem Bus durch das Land. Während sich Berlusconi mit seinem Fußballclub AC Mailand schmückte, sprach Prodi gerne über sein Hobby Radsport. Die Presse titulierte ihn als den „Anti-Berlusconi“.[3][6] Zur vorgezogenen Parlamentswahl im April 1996 trat Prodi an der Spitze der Liste Popolari per Prodi (bestehend aus PPI, PRI, Unione Democratica, Südtiroler Volkspartei sowie den Comitati Prodi) an. Diese kam zwar nur auf 6,8 % der Stimmen und 72 Sitze, insgesamt gewann aber der L’Ulivo-Block die Wahl knapp. Prodi selbst zog über ein Direktmandat in Bologna in das Abgeordnetenhaus ein.

Am 18. Mai 1996 wurde er als Ministerpräsident einer Mitte-links-Koalition vereidigt. Diese war im Parlament auch auf die Stimmen der orthodox-kommunistischen Rifondazione Comunista angewiesen. Sein rigoroser Sparkurs und eine Abmachung, in der Italien zusicherte, bevorzugt Milch aus Deutschland[7] zu kaufen, ermöglichte den Beitritt Italiens zur Währungsunion. Im Herbst 1998 entzog die Rifondazione Comunista Prodi ihre Unterstützung. Nach einer verlorenen Vertrauensabstimmung trat er am 21. Oktober 1998 zurück. Das Kabinett wurde aber nur umgebildet, grundsätzlich blieb die Mitte-links-Koalition an der Regierung, nun unter Führung Massimo D’Alemas (der auch wieder die Unterstützung eines Teils der Kommunisten gewinnen konnte).

Im Februar 1999 beteiligte sich Prodi an der Gründung der Partei I Democratici, deren erklärtes Vorbild die Demokratische Partei der USA war (was auch am Parteisymbol, einem Esel, erkennbar war). In dieser gingen die Comitati Prodi, die kleine sozialliberale Unione Democratica, die Anti-Korruptions- bzw. Anti-Mafia-Parteien Italia dei Valori und La Rete sowie ein Netzwerk von Bürgermeistern auf; nicht jedoch die beiden großen Parteien des L’Ulivo-Bündnisses PDS und PPI. Bei der Europawahl 1999 kamen I Democratici auf 7,7 % der Stimmen und schlossen sich der Liberalen Fraktion an.

EU-Kommissionspräsident (1999–2004)

EU-Kommissionspräsident Prodi in Moskau (2002)

Am 24. März 1999 wurde Prodi von den Regierungschefs der EU-Mitglieder als EU-Kommissionspräsident nominiert und trat am 15. September 1999 die Nachfolge von Jacques Santer an, nachdem das Europäische Parlament die Ernennung bestätigt hatte.

Am 22. Dezember 2003 detonierten zwei Rohrbomben vor und am 27. Dezember 2003 eine Briefbombe in seiner Privatwohnung in Bologna. Alle Attentate überlebte Prodi unverletzt. Die Polizei geht von Tätern aus Anarchistenkreisen aus. Die wichtigsten Ereignisse seiner Amtszeit waren die Beitrittsverhandlungen und die Aufnahme von zehn neuen Staaten in die EU am 1. Mai 2004.

Eine zweite Amtsperiode Prodis fand aber im Europäischen Rat keine starken Befürworter – wohl auch weil sich Prodi offenließ, in Italien wieder Führer des Linksbündnisses zu werden. Im Juni 2004 begannen die Sondierungen zu seiner Nachfolge in der EU. Im November 2004 folgte ihm José Manuel Barroso als Kommissionspräsident.

Prodi hat zahlreiche akademische Würden weltweit erhalten und viele Beiträge zur Volkswirtschaft und Industriepolitik veröffentlicht.

Zweite Amtszeit als Ministerpräsident (2006–08)

Am 16. Oktober 2005 wurde Romano Prodi bei einer landesweiten allgemeinen Vorwahl mit über 70 % zum Spitzenkandidaten des Mitte-links-Bündnisses L’Ulivo für die Parlamentswahlen 2006 bestimmt. Bei den Parlamentswahlen am 9. und 10. April 2006 erhielt Prodis Mitte-links-Bündnis L’Unione im Parlament eine komfortable und im Senat eine sehr knappe Mehrheit. Er folgte Berlusconi im Amt des Ministerpräsidenten nach und leitete seit dem 17. Mai 2006 sein zweites Kabinett.

Am 21. Februar 2007 reichte er seinen Rücktritt als italienischer Ministerpräsident ein, nachdem seine zukünftige außenpolitische Linie (Rückzug der italienischen Truppen aus dem Irak, aber Verbleib in Afghanistan) keine Mehrheit im Parlament gefunden hatte. Der italienische Staatspräsident Napolitano nahm den Rücktritt jedoch nicht an. Am 24. Februar 2007 gab er bekannt, die Regierung Prodi weder aufzulösen noch Neuwahlen auszurufen. Prodi war bereit, auch weiterhin Verantwortung für Italien zu übernehmen. Zitat Romano Prodi: „Ich werde mich so schnell es geht, den Parlamentskammern zu Vertrauensabstimmungen stellen [...] mit erneuertem Schwung und einer geschlossenen Koalition, die entschlossen ist, dem Land in dieser schwierigen Phase zu helfen und es zu weiterem wirtschaftlichen Aufschwung zu führen, der schon eingesetzt hat.“

Am 28. Februar und 2. März 2007 gewann Prodi schließlich die Vertrauensabstimmungen in Senat und Abgeordnetenkammer mit 162 zu 157 Stimmen und 342 zu 253 Stimmen. Damit konnte Prodis Mitte-links-Bündnis seine Arbeit fortsetzen.

Ab dem 17. Januar 2008 führte Prodi auch das Justizministerium, da der bisherige Justizminister Clemente Mastella wegen Korruptionsvorwürfen zurückgetreten und dessen Partei UDEUR aus der Regierungskoalition ausgeschieden war. Am 21. Januar 2008 entzog die UDEUR der Regierung Prodi ihre Unterstützung ganz und stürzte Italien damit in eine Regierungskrise.[8] Die zwei Tage später anberaumte Vertrauensabstimmung in der Abgeordnetenkammer gewann Prodi.[9] Dagegen verlor er am 24. Januar 2008 die Abstimmung im Senat und reichte daraufhin seinen Rücktritt ein.[10] Bei den vorgezogenen Parlamentswahlen Mitte April 2008 kandidierte Romano Prodi nicht mehr. Seine politische Tätigkeit will er nach eigenen Angaben in Zukunft auf die Mitarbeit im neu gegründeten Partito Democratico beschränken, wo er das eher repräsentative Amt des Parteipräsidenten vom 14. April 2007 bis zum 16. April 2008 innehatte.[11] Am 10. März 2008 gab Prodi dem italienischen Nachrichtensender SKY TG24 bekannt, mit der italienischen Politik und vielleicht auch mit der Politik im Allgemeinen abgeschlossen zu haben.[12]

Nach 2008

Romano Prodi (2016)

Am 6. Oktober 2012 benannte der Generalsekretär der Vereinten Nationen Ban Ki-moon ihn als VN-Sondergesandten für die Sahelzone.

2013 nominierte die Partito Democratico Prodi für das Amt des italienischen Staatspräsidenten, nachdem sich der erste Kandidat der Mitte-links-Parteien, Franco Marini, nicht vor den vereinigten Parlamentskammern hatte durchsetzen können. Prodi verfehlte aber im vierten Wahlgang am 19. April 2013 die absolute Mehrheit, woraufhin er seine Kandidatur zurückzog.[13]

Lobbyarbeit

Romano Prodi wird wegen seiner Beteiligung an Lobbyaktivitäten für den ehemaligen ukrainischen Machthaber Wiktor Janukowytsch kritisiert, für dessen Regierung er, gemeinsam mit dem ehemaligen österreichischen Kanzler Alfred Gusenbauer um 2012 bezahlt worden sein soll (siehe: Hapsburg Group). Weiter soll Prodi, erneut an der Seite Gusenbauers, Lobbyarbeit für den umstrittenen Machthaber Kasachstans Nursultan Nasarbajew geleistet haben.[14]

Ehrungen

Weblinks

Commons: Romano Prodi – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Wolfgang Blaube: Besser Wissen mit Wolfgang Blaube: Romano Prodi war Maserati-Chef. Oldtimer Markt, Heft 11/2015, S. 22.
  2. Ambrose Evans-Pritchard: Italians claim country run by Goldman Sachs. Telegraph Media Group, 19. Juni 2007, abgerufen am 5. August 2013.
  3. a b Patrick McCarthy: Italy. A Society in Search of a State. In: Ronald Tiersky: Europe Today. National Politics, European Integration, and European Security. 2. Auflage, Rowman & Littlefield, Lanham (MD) 2004, S. 345–384, auf S. 373.
  4. Stefan Köppl: Das politische System Italiens. Eine Einführung. VS Verlag, Wiesbaden 2007, S. 152.
  5. Gino Moliterno: Encyclopedia of Contemporary Italian Culture. Routledge, London/New York 2000, S. 852, Eintrag Ulivo.
  6. Patrick McCarthy: The languages of politics. From politichese to the ‘discourse of serenity’. In: Luciano Cheles, Lucio Sponza: The Art of Persuasion. Political Communication in Italy from 1945 to the 1990s. Manchester University Press, Manchester/New York 2001, S. 196–210, auf S. 196, 204.
  7. Euro Breakup Talk Increases as Germany Looses Proxy (Memento vom 16. Mai 2010 im Internet Archive) - Bloomberg Business vom 14. Mai 2010 (via Internet Archive).
  8. Corriere della Sera, 21. Januar 2008 (italienisch)
  9. Prodi gewinnt erste Vertrauensabstimmung
  10. Vertrauen verloren – Prodi reicht Rücktritt ein. n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH, 24. Januar 2008, abgerufen am 29. November 2015.
  11. Prodi: «Non mi ricandido» Corriere della Sera, 6. Februar 2008
  12. SKY TG24, 10. März 2008 - lt. WP-it auch: «Prodi, lascio la politica ma il mondo è pieno di occasioni», ANSA-Meldung vom 9. März 2008
  13. Spiegel Online: Präsidentenwahl in Italien: Prodi zieht Kandidatur zurück, 19. April 2013.
  14. "Gusenbauer bestätigt Bezahlung für Ukraine-Lobbying" NZZ vom 25. Februar 2018
  15. Ehrendoktorwürde für Romano Prodi (Memento vom 24. Februar 2012 im Internet Archive) - MDR
  16. 2012 Autumn Conferment of Decorations on Foreign Nationals, Internetseite des japanischen Außenministeriums (englisch)

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Die Europaflagge besteht aus einem Kranz aus zwölf goldenen, fünfzackigen, sich nicht berührenden Sternen auf azurblauem Hintergrund.

Sie wurde 1955 vom Europarat als dessen Flagge eingeführt und erst 1986 von der Europäischen Gemeinschaft übernommen.

Die Zahl der Sterne, zwölf, ist traditionell das Symbol der Vollkommenheit, Vollständigkeit und Einheit. Nur rein zufällig stimmte sie zwischen der Adoption der Flagge durch die EG 1986 bis zur Erweiterung 1995 mit der Zahl der Mitgliedstaaten der EG überein und blieb daher auch danach unverändert.
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