Robotron 300
Die Robotron 300 (R 300) war eine volltransistorisierte Datenverarbeitungsanlage mittlerer Größe von Robotron und in der DDR weit verbreitet. Sie wurde nach dem Vorbild des IBM-Modells 1401 im VEB Elektronische Rechenmaschinen (ELREMA) Karl-Marx-Stadt von 1963 bis 1968 entwickelt. Die „300“ im Namen stand für die angestrebte Leistung des zugehörigen Lochkartenlesegerätes (300 Lochkarten je Minute).
Herstellung
Ein Entwicklungsmuster wurde 1966 auf der Moskauer Messe „Interorgtechnika“ erstmals öffentlich vorgestellt. Die Serienproduktion begann 1967 mit fünf Anlagen im VEB RAFENA-Werk Radeberg, der 1969 als VEB Robotron-Elektronik Radeberg wie auch ELREMA ins Kombinat Robotron eingegliedert wurde. Bis 1972 wurden in Radeberg 350 Stück von der R 300 produziert. Der Preis des Rechners betrug 3 Mio. Mark der DDR.[1] Um den hohen Preis zu amortisieren, wurde der Rechner rund um die Uhr im Dreischicht-Betrieb eingesetzt. Für die R 300 wurden spezielle Typengebäude als Rechenzentren entwickelt und gebaut. Diese Gebäude wurden später auch für die nachfolgenden Rechner der ESER-Serie verwendet.
Technik
Die R 300 war in Diode-Transistor-Logik (DTL) ausgeführt und enthielt 18.500 Bipolartransistoren und 43.000 Dioden.[1] Er erreichte bei einer Taktfrequenz von 100 kHz eine Rechengeschwindigkeit von zirka 3.000 bis 5.000 Operationen pro Sekunde. Als Hauptspeicher kam ein Ferritkernspeicher zum Einsatz, welcher eine Speicherkapazität von anfangs 10.000 Zeichen, später 40.000 Zeichen besaß. Die Zugriffszeit des Hauptspeichers betrug 10 µs. Als zusätzliche Direktzugriffsspeicher kamen bis zu vier Magnettrommelspeicher und ein Ferritkern-Zusatzspeicher mit 10.000 Zeichen zum Einsatz. Die Magnettrommelspeicher hatten jeweils eine Kapazität von 10.000 Worten (je 10 Zeichen) und eine Zugriffszeit von 20 ms. Der Ferritkern-Zusatzspeicher konnte auch als Puffer für Magnetbandoperationen verwendet werden. Als externe Medien wurden Magnetbänder (schrankgroße digitale Bandmaschinen), Lochkarten und Lochband eingesetzt. Die R 300 benötigte für ihre 45 Schränke eine Aufstellfläche von 35 m² und hatte ein Gewicht von 6.000 kg. Angaben zum Anschlusswert der R 300 bewegen sich von 15 kVA[1] bis 30…35 kVA.[2][3][4]
Ausgabemedium war u. a. ein Paralleldrucker (Zeilendrucker) mit 156 Zeichen pro Zeile auf Leporellopapier. Damit waren daher auch grafische Darstellungen (Diagramme, aber auch Humoristisches) mittels Zeichen möglich. Programme (u. a. in Fortran) konnten z. B. als Lochbandrolle beim Personal abgegeben werden und wurden nach Eingangsreihenfolge abgearbeitet.[5]
Auf der R 300 wurde in einer eigenen Assemblersprache namens MOPS (Maschinenorientierte Programmiersprache) sowie in damals typischen Sprachen wie ALGOL und Fortran programmiert.[2][6]
350 Standorte und viele Einsatzgebiete und Softwareanwendungen
- nach 1968 FDGB, Verwaltung der Sozialversicherung, Maschinelle Rechenstation, Leipzig
- ab 26. Juni 1969 VEB Textilkombinat Cottbus, ORZ, Gerhardt-Hauptmann-Str.
- nach 1969 Schulungszentrum VEB Bürotechnik Leipzig Brühl/Ecke Hainstraße; Haus Nr. 4[4]
- nach 1969 VEB Robotron Elektronik Radeberg, Heidestraße (ehem. Wilhelm-Pieck-Straße) 70,
- nach 1969 VVB Maschinelles Rechnen Dresden, Marienstraße (ehem. Dr. Otto-Nuschke-Straße) 20, mindestens zwei R-300-Anlagen
- nach 1969 VEB Transformatoren- und Röntgenwerk Dresden, Overbeckstraße
- nach 1969 VEB Pentacon Dresden, Dornblüthstraße 31
- nach 1969 bis 1981 Akademie der Pädagogischen Wissenschaften der DDR, Dresden Wigardstraße 17
- 1967–69 Postdirektion Dresden (Standort Gerokstraße, Postamt A-16)[7]
- 1969 TU Dresden Rechenzentrum (Sektion 25) Dürerstraße 24[8]
- 1970 Humboldt-Universität Berlin[9]
- 1970 VEB Strumpfkombinat Esda Thalheim
- 1970 Rechenzentrum Friedrich-Schiller-Universität Jena[10]
- 1971 Messgerätewerk Beierfeld[11]
- 1971 Universität Halle, Weinbergweg 17[12]
- 1971 Ingenieurhochschule Zwickau[13]
- 1972 Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald
- 1973 Rechenzentrum der Universität Rostock. Am 11. Mai 1973 nahm die ROBOTRON 300 (R300) ihre Arbeit auf.[14]
Literatur
- Wolfgang Börnigen: Elektronische Datenverarbeitungsanlage Robotron 300. Verlag Technik, Berlin 1968.
- Karl-Heinz Bachmann: Algol-Programmierung mit Variante für Robotron 300. VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1969.
Weblinks
- Technische Sammlungen Dresden
- R 300. robotrontechnik.de
- ROBOTRON: IT – Made in GDR. Beitrag der Reihe „Geschichte Mitteldeutschlands – Das Magazin“ des MDR Fernsehens
- Prospekt der „Robotron 300“ von 1970. (PDF; 2,8 MB)
Einzelnachweise und Anmerkungen
- ↑ a b c J. Liegert: Die Geschichte der Entwicklung der EDVA R 300 von Robotron. (PDF; 106 kB) S. 10.
- ↑ a b Großrechner R300. robotrontechnik.de
- ↑ Ausstellung zum 3. Symposium zur Informatik in der DDR. Tafel 4: Elektronische Datenverarbeitungsanlage R300. robotron.foerderverein-tsd.de; abgerufen am 26. Jan. 2019
- ↑ a b Betriebsgeschichte ROBOTRON Radeberg Datentechnik – EDVA R300. fesararob.de; abgerufen am 26. Jan. 2019
- ↑ Informatik-Praktikum an der Ingenieurhochschule Mittweida im Jahre 1981
- ↑ Programmiersprachen. robotrontechnik.de
- ↑ Einzelvorhaben (EDVA R 300 Dresden)
- ↑ Thomas Elschner: 1969–1988 der R300-Rechner der TU Dresden
- ↑ 50 Jahre Rechenzentrum / Computer- und Medienservice (PDF)
- ↑ Als ein PC noch groß wie eine Garage war. Abgerufen am 24. Oktober 2020.
- ↑ Thomas Brandenburg: 800 Jahre Beierfeld/Rockstroh. Aue 2008.
- ↑ Geschichte. IT-Servicezentrum, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, abgerufen am 17. März 2020.
- ↑ Vom Transistorrechner zur Multiprozessor-Serverfarm: 40 Jahre Datenverarbeitung an der Westsächsischen Hochschule Zwickau. (Memento vom 14. Dezember 2010 im Internet Archive; PDF)
- ↑ Die EDVA R300 (Robotron 300): Bau einer Leichtbauhalle für den Maschinenraum des Rechenzentrums (Memento vom 5. März 2016 im Internet Archive)
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Robotron R300 Großrechner aus der DDR, Bedienteil , IBM 1401 Nachbau, fotografiert in den Technischen Sammlungen Dresden
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