Robert Pierce

Robert Willard „Bob“ Pierce (* 8. Oktober 1914 in Fort Dodge, Iowa, USA; † 6. September 1978 in Arcadia, Kalifornien, USA) war ein US-amerikanischer Geistlicher. Als solcher war er Gründer der Hilfsorganisationen World Vision und Samaritan’s Purse, sowie Pastor der Kirche des Nazareners.[1] Vorher war er als Evangelist in China und Korea für Youth for Christ tätig, wo er die Position eines Vizepräsidenten innehatte. Im Rahmen dieser Funktionen veröffentlichte er auch journalistische Berichte in den Mitgliedermagazinen dieser Organisationen und betätigte sich als Filmemacher.[2][3]

Leben

Pierce war am Pasadena Nazarene College eingeschrieben, verließ das College jedoch 1937 und war danach als reisender Evangelist in Kalifornien tätig. Im Jahr 1940 wurde er an einer kleinen baptistischen Kirche als Pfarrer ordiniert. Später gab er an, seine spirituellen Wurzeln eher im Methodismus zu haben.[4] 1943 schloss er sich der Organisation Youth for Christ an, für die er ab 1947 als reisender Evangelist arbeitete.

Seine Tätigkeit für Youth for Christ führte ihn im Jahr 1947 zunächst nach China, wo er missionarische Massenveranstaltungen organisierte. Nach diesem Anfang in China führte er weitere Reisen in Asien in der Funktion eines Missionary Ambassador-at-Large für Youth for Christ durch. 1950 nach einer großen Missionierungskampagne in Korea gründete Pierce als Reaktion auf die dortige Situation, insbesondere des beginnenden Koreakrieges, die Missions- und Hilfsorganisation World Vision. Nach Ausbruch des Koreakrieges ließ er sich als Kriegskorrespondent akkreditieren, um so seinen weiteren Aufenthalt in Korea sicherzustellen und zu Soldaten predigen zu können.[3]

Bob Pierce war auch als Filmemacher tätig und während seiner Präsidentschaft benützte World Vision hauptsächlich Filme, welche auf eine evangelikal ausgerichtete Kirchenaudienze hin ausgerichtet war, als Werbemittel zur Spendengewinnung. Da im Weltbild von Pierce nur die christliche Religion dem Kommunismus gegenüber immun war, waren diese Filme voll von antikommunistischer Kalter-Kriegs-Rhetorik und förderten die christliche Missionierung als ein Mittel, um dem Kommunismus gegenzuwirken. Speziell Filme wie "The Red Plague" oder "The Poison of Communism" radikalisierten die ursprünglich eher unpolitische evangelikale Audienz, weswegen die Filme von World Vision von dem Kommunikationswissenschaftler J.R. Hamilton als Propagandafilme eingestuft wurden. Bob Pierce's World Vision trug, neben der Heilsarmee wesentlich zur Entwicklung des Genres des "evangelical social action movies" bei.[5]

Pierce hatte enge Beziehungen zu Abraham Vereide, dem Gründer des evangelikalen Netzwerks The Family[6] für dessen Organisation „International Christian Leadership“ er in den 1950ern als „field representative“ (Englisch, etwa: Repräsentant) tätig war.[7] aus finanziellen Gründen seine wöchentlichen Radiosendungen einzustellen. Ein paar Monate später wurde er krankgeschrieben. Im Jahr 1967 trat Bob Pierce von der Leitungsfunktion von World Vision zurück und trat kurz darauf aus seinem Lebenswerk aus. Grund waren, neben gesundheitlichen und familiären Problemen[8], hauptsächlich interne Unstimmigkeiten über den weiteren Kurs von World Vision.[9] Konkreter Auslöser waren eine Reihe von Auseinandersetzungen mit dem "Board" von World Vision über die außer Kontrolle geratenen Kosten seiner Filmproduktionen, die World Visions Finanzen zu ruinieren drohten[10]. Er gründete später eine neue Organisation namens Samaritan’s Purse.[11]

Pierce starb im Jahr 1978 an Leukämie.

Kritik

Kurz nach dem Tod von Pierce begann Marilee Pierce Dunker, eine seiner Töchter, ein Buch über ihn und seine Frau zu schreiben mit dem Titel Man of Vision, Woman of Prayer. Darin kommen sowohl seine wundervollen Erfahrungen in Übersee als auch seine dunklen Seiten, die sich vor allem in Selbstüberschätzung und der daraus resultierenden Vernachlässigung seiner Frau und seiner Kinder zeigten, vor.

Die amerikanische Schriftstellerin Barbara Kingsolver schrieb 1998 den Roman The Poisonwood Bible (deutsch: Die Giftholzbibel, 2000) über Bob Pierce aus der Sicht seiner Tochter. Im Roman hieß er Nathan Price und war als Missionar im Kongo tätig. Wegen mangelndem kulturellen Einfühlungsvermögen erzeugte er in der Kommunikation mit der einheimischen Bevölkerung viele Missverständnisse; das betraf auch seine Bibel, die von ihnen negativ als Giftholzbibel übersetzt wurde. In seinem falsch verstandenen Eifer setzte sogar das Leben seiner Familie aufs Spiel, um seinen Verkündigungsdienst weiter ausführen zu können, bis er infolge einer Krankheit vereinsamt starb.[12]

Einzelnachweise

  1. J. Gordon Melton: World Vision. In: Encyclopedia of World Religions. Encyclopedia of Protestantism, Nr. 6. Facts of File, New York 2005, ISBN 978-0-8160-5456-5, S. 587 (englisch, It was founded in 1950 by Robert "Bob" W. Pierce (1914-78), a minister in the Church of the Nazarene, in response to the plight of children orphaned by the Korean War.).
  2. Biographie von Bob Pierce am Institute for the Study of American Evangelicals (Memento vom 15. März 2011 im Internet Archive)
  3. a b Gary F. VanderPol: The Least of These: American Evangelical Parachurch Missions to the Poor, 1947–2005 Boston University School of Theology, 2010, (Dissertation), S. 38ff (PDF; 1,6 MB)
  4. Bob Pierce: Lausanne in Retrospect: A Personal View. In: World Vision Magazine, December 1974.
  5. J.R.Hamilton: An Historical Study of Bob Pierce and World Vision's Development of the Evangelical Social Action Film. Dissertation, University of Southern California, 1980, Seiten 1–8, 84, 103, 361–362
  6. Sharlet, Jeff: The Family: The Secret Fundamentalism at the Heart of American Power. New York: HarperCollins 2008, S. 186, ISBN 978-0-06-055979-3.
  7. „Records of the Fellowship Foundation - Collection 459: Historical Background“ (Memento vom 3. Januar 2017 im Internet Archive) im Archiv des Billy Graham Centers.
  8. Tim Stafford "Imperfect Instrument, World Vision's founder led a tragic and inspiring life." Christianity Today, 49, No. 3, 24.Feb. 2005
  9. vgl. Bartlett, Christopher A. & Daniel F. Curran: World Vision International´s AIDS Initiative: Challenging a Global Partnership", in Harvard Business School Publishing 2005, S. 2–4.
  10. Ken Waters: "How World Vision Rose From Obscurity To Prominence: Television Fundraising 1972–1982" American Journalism, 15, Nr. 4, 69–93 (1998)
  11. Samaritan’s Purse, Der Gründer von Samaritan’s Purse - Dr. Bob Pierce, Selbstdarstellung der Organisation.
  12. Peter Scazzero: Das Paulus-Prinzip. Warum Schwäche ein Gewinn sein kann. Seite 51–53: Pierce als negatives Beispiel mit fehlendem Zugang zu seinen Gefühlen und seinen Familienangehörigen