Richmond Agitation Sedation Scale

Der Richmond Agitation Sedation Scale (auch in abweichenden Schreibweisen wie Richmond Agitation-Sedation Scale oder Richmond Agitation-Sedation-Scale; Abk. RASS) ist eine zehnstufige Skala zur Beurteilung der Tiefe einer Sedierung. Sie gilt als medizinischer Goldstandard.[1] Der RASS wurde von einer interdisziplinären Arbeitsgruppe der Universität von Richmond (Virginia) entwickelt.[2][3]

Anwendung

Die Anwendung erfolgt durch die klinische Beurteilung des Patienten. Auf Intensivstationen wird sie mindestens alle acht Stunden empfohlen. Ergänzt wird sie durch eine Beurteilung der Schmerztherapie auf einer geeigneten Skala (Numerische Rating-Skala, Visuelle Analogskala, Behavioral Pain Scale). Sie bildet auch die Grundlage für das Delir-Monitoring auf Intensivstationen und ist im gebräuchlichen Beurteilungsinstrument CAM-ICU (Confusion Assessment Method for the Intensive Care Unit) enthalten.[1] Es gibt eine Übersetzung in Schweizer Hochdeutsch.[4] Die dort enthaltene Erweiterung der Stufe −6 erlaubt die zusätzliche Differenzierung der untersten Stufe für sehr tiefe Sedation. Patienten, die nicht auf die sanftere körperliche Stimulation durch Rütteln an der Schulter reagieren, werden am Sternum gerieben.

Abstufung

WertBezeichnungErläuterung
+ 4StreitlustigOffenkundig aggressiv oder gewalttätig, unmittelbare Gefahr für das Personal
+ 3Sehr agitiertZieht oder entfernt Schläuche oder Katheter, oder zeigt aggressives Verhalten gegenüber Personal
+ 2AgitiertHäufige ungezielte Bewegung, atmet gegen das Beatmungsgerät
+ 1UnruhigÄngstlich aber Bewegungen nicht aggressiv oder lebhaft
0Aufmerksam und ruhig
− 1SchläfrigNicht ganz aufmerksam, aber erwacht anhaltend (länger als 10 Sekunden), mit Blickkontakt, auf Ansprache
− 2Leichte SedierungErwacht kurz (kürzer als 10 Sekunden) mit Blickkontakt auf Ansprache
− 3Mäßige SedierungIrgendeine Bewegung (aber ohne Blickkontakt) auf Ansprache
− 4Tiefe SedierungKeine Reaktion auf Ansprache, aber irgendeine Bewegung auf körperlichen Reiz
− 5Nicht erweckbarKeine Reaktion auf Ansprache oder körperlichen Reiz

Durchführung

  1. Patienten beobachten. Ist er wach und ruhig (Score 0)? Oder ist der Patient unruhig oder agitiert (Score +1 bis +4 entsprechend der jeweiligen Beschreibung)?
  2. Wenn der Patient nicht wach ist, mit lauter Stimme beim Namen ansprechen und Patienten auffordern, die Augen zu öffnen und den Sprecher anzusehen. Wie lange kann der Patient den Blickkontakt aufrechterhalten?
    • Patient erwacht mit anhaltendem Augenöffnen und Augenkontakt. (Score −1)
    • Patient erwacht mit Augenöffnen und Blickkontakt, aber nicht anhaltend. (Score −2)
    • Patient zeigt irgendeine Bewegung auf Ansprache, aber keinen Blickkontakt. (Score −3)
  3. Falls der Patient auf Ansprache nicht reagiert, Patient körperlich durch Schütteln an den Schultern oder – wenn dies nicht hilft – durch Reiben des Sternums stimulieren.
    • Patient zeigt irgendeine Bewegung auf körperlichen Reiz. (Score −4)
    • Patient zeigt keine Reaktion auf irgendeinen Reiz. (Score −5)

Am Ende erhält man eine Zahl zwischen −5 und +4. Es ist keine Rechnung notwendig.

Es ist wichtig, regelmäßig und bei Bedarf zu messen, um Änderungen in der Sedierung oder Opioidtherapie zu erfassen.

Verlässlichkeit

Der RASS ist bei Intensivpatienten auf Validität und Reliabilität getestet,[3][5] zeigt eine hohe Übereinstimmung bei verschiedenen Untersuchern (Interrater-Reliabilität) und gibt Änderungen der Sedierungstiefe im Verlauf adäquat wieder. Die S3-Leitlinie der deutschen Fachgesellschaften zu Analgesie, Sedierung und Delirmanagement in der Intensivmedizin empfiehlt den RASS als Standard; gegenüber dem Ramsay-Score wird er als überlegen angesehen.[1]

Einzelnachweise

  1. a b c S3-Leitlinie Analgesie, Sedierung und Delirmanagement in der Intensivmedizin der DGAI und DIVI. In: AWMF online (Stand 31.08.2015)
  2. CN Sessler, MJ Grap, GM: Brophy Multidisciplinary management of sedation and analgesia in critical care. In: Semin Respir Crit Care Med., 2001, 22(2), S. 211–226, PMID 16088675.
  3. a b CN Sessler et al.: The Richmond Agitation-Sedation Scale: validity and reliability in adult intensive care unit patients. In: Am J Respir Crit Care Med., 2002 Nov 15, 166(10), S. 1338–1344, PMID 12421743.
  4. Ursi Barandun Schäfer, Paola Massarotto, Angelika Lehmann, Christoph Wehrmüller, Rebecca Spirig, Stephan Marsch: Übersetzungsverfahren eines klinischen Assessmentinstrumentes am Beispiel der Richmond Agitation-Sedation Scale (RASS). In: Pflege, 2009 Feb, 22(1), S. 7–17, doi:10.1024/1012-5302.22.1.7, PMID 19173174.
  5. EW Ely et al.: Monitoring sedation status over time in ICU patients: reliability and validity of the Richmond Agitation-Sedation Scale (RASS). In: JAMA, 2003 Jun 11, 289(22), S. 2983–2991, PMID 12799407.