Richard Heike

Porträt Richard Heike,
Jahr der Aufnahme unbekannt

Richard Heike (* 1865; † 23. April 1945 in Berlin) war ein Berliner Industrieller der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.[1]

Leben

Richard Heike war Maschinenbauer. Er begann seine berufliche Karriere 1893 als Disponent der 1877 „zum Zwecke der Herstellung von Maschinen für die Konserven- und Fleischwarenindustrie“ gegründeten Gustav Hammer & Co. in Braunschweig, aus der 1899 die Maschinenfabriken R. Karges & Gustav Hammer & Co. hervorging.[2] 1903 schied der Fabrikdirektor dort aus dem Vorstand aus. Ihm folgte im Amt David Kaempfer.[3]

Fleischereimaschinen-Fabrik Richard Heike
Postkarte mit Abbildung der Maschinenfabrik, 1912
Deckblatt Katalog der Maschinenfabrik, um 1915

Im gleichen Jahr gründete Heike seine Maschinenbaufabrik und Kesselschmiede in der Neuen Friedrichstraße 37 in Berlin-Mitte. Er spezialisierte sich auf den Bau von Apparaten für die Nahrungsmittelindustrie. Bald darauf erwarb Richard Heike das Emaillierwerk Scheffel & Schiel, das aus Mülheim an der Ruhr nach Berlin-Hohenschönhausen verlegt worden war.[4] Wegen der stark wachsenden Nachfrage vor allem nach seinen Fleischverarbeitungsmaschinen musste er seine Fabrik erweitern. 1910 erwarb er ein 15.000 m² großes Grundstück zwischen der heutigen Herrenstraße und der Kaiserstraße.[5] Im Jahre 1911 erfolgte der Umzug der Fabrik in die Freienwalder Straße 17–19 in Alt-Hohenschönhausen bei Berlin. Der Standort war günstig in Nähe des städtischen Vieh- und Schlachthofs im benachbarten Lichtenberg gewählt. Im selben Jahr wurde dort die Villa Heike als Verwaltungsgebäude errichtet.[6] Seine zwischen 1919 und 1922 errichteten Fabrikations- und Lagerräume in der Genslerstraße 88 wurden 1924 von der Allgemeinen Glas-Industrie AG gepachtet.[7] Dieses Industriegelände wurde 1938 verkauft, und die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt errichtete dort einen zweistöckigen Backsteinbau mit Großküche.[8] Auf dem Gelände richtete im Mai 1945 das sowjetische NKWD das Speziallager Nr. 3 ein (heute: Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen).

Richard Heike beschäftigte in seinen Fabriken auch etwa 100 polnische und sowjetische Zwangsarbeiter, die u. a. Gewehrkolben produzierten. Für sie ließ er im November 1940 auf dem Grundstück Genslerstraße Nr. 66 Baracken errichten.[9]

Am 23. April 1945, am Tag nach der Eroberung des Stadtteils, erschossen Soldaten der Roten Armee vor der Heike-Villa Richard Heike, seine Haushälterin Gertrud Häußler sowie seinen Freund Arthur Minke.[10]

Richard Heike mit Söhnen Rolff (Mitte) und Richard jun. (rechts), um 1915

Söhne

Sein erstgeborener Sohn, der Ingenieur und Juniorchef der Firma, Richard Heike jun. (* 1903; † 7. Juli 1947) wurde vom NKWD verhaftet und am 7. Februar 1947 vom Speziallager Nr. 1 Mühlberg in die Sowjetunion deportiert, wo er im Lager 7503/11 Anschero-Sudschensk starb.[11][12][13]

Sein zweitgeborener Sohn Rolff (* 23. April 1908) wurde 1935 mit einer Arbeit zum Thema Untersuchungen des Schneidvorganges beim maschinellen Schneiden von Speck zu Würfeln beliebiger Größe an der TH Berlin promoviert.[14] Er strengte später für die Familie Heike ein Jahrzehnte dauerndes Lastenausgleichsverfahren wegen des verlorenen Familienbesitzes an.[15]

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Klaus Dettmer: Vom Kessel bis zur Eismaschine. (PDF) Berlin-Brandenburgisches Wirtschaftsarchiv, abgerufen am 17. Februar 2019.
  2. Richard Bettgenhäuser: Die Industrien des Herzogtums Braunschweig. I. Teil. Braunschweig 1899, S. 154 ff.
  3. Maschinenfabriken R. Karges & Gustav Hammer & Co. In: Die Werkzeugmaschine 7 (1903), S. 270.
  4. Hohenschönhausen. In: Keramische Rundschau. Fachzeitschrift für die Porzellan-, Steinzeug-, Steingut-, Glas- und Emailindustrie. Bd. 10 (1911), S. 208.
  5. Peter Erler: Sowjetische Geheimdienststrukturen im Industriegebiet Berlin-Hohenschönhausen (Mai 1945 bis Frühjahr 1951). Herausgegeben von der Stiftung Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen. Berlin 2005, S. 9. ISBN 3-89773-506-7
  6. Johannes Habermehl: Wofür die Stasi sieben Kilometer NS-Akten hortete. Welt, 23. September 2018.
  7. Peter Erler: Sowjetische Geheimdienststrukturen im Industriegebiet Berlin-Hohenschönhausen (Mai 1945 bis Frühjahr 1951). Herausgegeben von der Stiftung Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen. Berlin 2005, S. 14.
  8. Peter Erler: Das sowjetische Speziallager Nr. 3 in Hohenschönhausen (Mai 1945 – Oktober 1946). Horch und Guck H. 1 (1995), S. 37 ff. ([1]Digitalisat)
  9. Peter Erler, Thomas Friedrich: Das sowjetische Speziallager Nr. 3 in Berlin-Hohenschönhausen, Biografische Forschungen und Sozialgeschichte e. V., Berlin 1995, S. 19 f.
  10. Peter Erler: Sowjetische Geheimdienststrukturen im Industriegebiet Berlin-Hohenschönhausen (Mai 1945 bis Frühjahr 1951). Herausgegeben von der Stiftung Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen. Berlin 2005, S. 29.
  11. Ines Meinicke: Die Maschinenfabrik Richard Heike. In: Hohenschönhauser Lokalblatt, Nr. 21 (Februar 1993).
  12. Walter Püschel: Spaziergänge in Hohenschönhausen. Haude und Spener, Berlin 1995, ISBN 3-7759-0398-4, S. 56.
  13. Nr. 109. In: Günter Polster, Herbert Hecht: "Wir waren schon halbe Russen..." Deportiert und überlebt im GULAG. 1998, Begleitheft zum gleichnamigen Film von Dirk Jungnickel, S. 50.
  14. Rolff Heike: Untersuchungen des Schneidvorganges beim maschinellen Schneiden von Speck zu Würfeln beliebiger Größe (zugl. Diss. von 1935); Triltsch & Huther, Berlin 1936.
  15. Findmittel online zu Alwin Caesar Hardtke im Archiv des Instituts für Zeitgeschichte München – Berlin.

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Katalog Maschinenfabrik Richard Heike, erste Seite
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Maschinenbaufabrik in der Freienwalder Str. 17-19 als Vogelschau
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Postkarte der Maschinenfabrik Richard Heike 1912
Heike, Richard um 1915.tif
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Portrait Fabrikant Richard Heike um 1915; mittig sein Sohn Rolff (* 23. April 1908), rechts sein Sohn Richard jun. (* 1903; † 7. Juli 1947)