Rheinüberquerung bei Nierstein 1945

Karte der Operation

Die Rheinüberquerung bei Nierstein 1945 durch amerikanische Truppen war eine Schlüsseloperation an der Westfront in der Endphase des Zweiten Weltkriegs. Ausgehend von Nierstein, 18 km südlich von Mainz, im heutigen Rheinland-Pfalz, überquerten dabei mehrere hundert amerikanische Infanteristen den Rhein nach Südhessen und errichteten Brücken, über die im Anschluss 60.000 Fahrzeuge für die weitere Besetzung des Deutschen Reiches übersetzten.

Ablauf

Vorgeschichte

Rheinland-Kampagne in der Operation Undertone vom 11. bis 21. März 1945

In den Wochen und Monaten des deutschen Rückzugs gab es immer wieder militärisch sinnlose Haltebefehle. Oft kam die Erlaubnis zum Rückzug für bestimmte Truppenteile sehr spät (oder gar nicht); Kommandeure riskierten Strafen, wenn sie Rückzugsbefehle gaben. Das führte zu Frust bei vielen Soldaten, zum Zurücklassen (müssen) von Ausrüstungsteilen und zu vermeidbaren Verlusten.

Nachdem die Ludendorff-Brücke bei Remagen am Vortag von US-Truppen unzerstört erobert worden war, wurde Generalfeldmarschall Gerd von Rundstedt am 8. März 1945 von Hitler als Oberbefehlshaber West abgesetzt und Generalfeldmarschall Albert Kesselring zu seinem Nachfolger ernannt. Kesselring übernahm das Kommando am 11. März.

Die Operation Undertone war eine Operation der 7. und 3. US-Armee sowie Teilen der französischen 1. Armee vom 15. bis zum 24. März 1945 (6th Army Group unter Jacob L. Devers). In ihrem Rahmen kamen die Pfalz, Rheinhessen, Teile des Rheinlandes und die während Unternehmen Nordwind zeitweilig verlorenen Gebiete des nördlichen Elsass und Lothringens unter alliierte Kontrolle. Alliierte Kräfte durchbrachen hierbei die letzten noch von deutschen Truppen gehaltenen Teile des Westwalls und erreichten auf breiter Front den Rhein zwischen Koblenz und Gambsheim.

Weiter nördlich rückte im Rahmen der Operation Lumberjack die 12th Army Group unter General Omar Bradley von ihren Positionen in der Eifel zum Rhein vor. Sie sicherten damit die linke Flanke der 6th US Army Group. Vom Raum Düren kommend säuberten sie das Gebiet zwischen den Mündungen von Erft und Ahr und trafen sich im Raum Ahrweiler mit den Truppen der 3. US-Armee unter George S. Patton.

Die zurückziehenden deutschen Truppen sprengten die gut 17 Kilometer entfernte Eisenbahnbrücke bei Mainz am 17. März (nördlich, flussabwärts). Die Rheinbrücke Gernsheim, ca. 18 km südlich und flussaufwärts von Nierstein, wurde am Abend des 19. März 1945 im Rahmen von Hitlers Verbrannte-Erde-Befehl (auch Nerobefehl genannt) gesprengt.[1] Am 18. März 1945 wurde Bad Kreuznach US-Truppen kampflos übergeben. Am 19. März 1945 stießen US-Truppen auf den erbitterten Widerstand einer deutschen Einheit in Hahnheim. Weiter ging es auf dem heutigen Verlauf der Bundesstraße 420.

Der Brückenkopf Nierstein-Oppenheim wurde in der Nacht zum 21. März 1945 von den deutschen Truppen geräumt. Kampfkommandant, Stäbe und Ortsgruppenleiter verließen das linksrheinische Gebiet. Die Rheinfähre Landskrone wurde nachmittags um 13:30 Uhr versenkt. Die Bevölkerung beseitigte die Panzersperren nach Dexheim, Schwabsburg und Nackenheim. Auf dem Wartturm, den Kirchtürmen und an den Ortseingängen wurden weiße Fahnen gehisst, die jedoch von der deutschen Flak vom rechten Rheinufer aus beschossen wurden. Eine Abordnung deutscher Soldaten erschien beim Bürgermeister mit dem Befehl, die weißen Fahnen einzuziehen und die Sperren wieder aufzubauen, andernfalls würde Nierstein von der eigenen Artillerie beschossen. Um 15 Uhr wurde ein deutscher Spähtrupp nach Nierstein und Oppenheim geschickt. Er stellte fest, dass inzwischen wieder weiße Fahnen gehisst worden waren und an den Ortseingängen Schilder angebracht waren. Auf ihnen stand in englischer Aufschrift, dass die Bevölkerung friedlich gesinnt sei; es sei kein Widerstand zu erwarten.[2] Um 15:30 Uhr erreichten Verbände der 3. US-Armee (Third United States Army) Dienheim, um 16 Uhr Oppenheim. Um 16:15 Uhr klärte ein amerikanischer Motorradfahrer bis zur Schule in Nierstein auf. Kurz danach erfolgt der Einmarsch der US-Panzer mit Infanterie aus Richtung Oppenheim, Dexheim und Schwabsburg. Eine Abordnung der Amerikaner wurde um 17 Uhr in der Bürgermeisterei empfangen und die ersten Anordnungen wurden durch Ausschellen bekanntgegeben: "Ab 19 Uhr dürfen keine Zivilisten mehr auf der Straße sein. Für alle besteht eine Ausgangssperre von 48 Stunden. Schußwaffen und Dolche sind abzuliefern. Die Bevölkerung soll Ruhe bewahren."[3] Der Rhein war damit bei Nierstein erreicht. Am 22. März 1945 besetzten US-Truppen das immer noch als Festung kolportierte Mainz.

Ablauf der Operation

Symbolfoto: Die neunte US-Armee überquert den Rhein bei Wallach (Rheinberg).

Die Operation begann bei Mondschein und guter Sicht am 22. März 1945 gegen 22 Uhr. Die ersten Gruppen von George S. Pattons 3. US-Armee setzten bei Nierstein über den Rhein. Dieser ist an dieser Stelle, je nach Wasserstand ca. 244 bis 366 Meter breit. Die 5. Infanterie-Division unter Stafford LeRoy Irwin, Teil des XII. US-Armeekorps unter Manton S. Eddy, führte einen nächtlichen Überraschungsangriff nördlich von Oppenheim durch, die 90. Infanterie-Division hinter einem Vorhang aus künstlich erzeugtem Nebel einen Scheinangriff weiter flussabwärts bei Mainz.[4]

Als die ersten Schlauchboote auf dem rechten Rheinufer landeten, ergaben sich sieben deutsche Soldaten, paddelten ohne Eskorte über den Rhein und gingen in Nierstein in Kriegsgefangenschaft.[5] Zwei Kompanien, die weiter südlich landeten, gerieten in starkes Maschinengewehr-Abwehrfeuer.

Die Infanterie setzte in 200 Schlauchbooten über. Am 23. März wurde die erste Pontonbrücke (Treadway-Bridge, „Class 40“) fertiggestellt und US-Flugzeuge flogen Patrouille, um die Luftherrschaft (wieder) herzustellen. Es wurden Panzer und andere schwere Waffen per Fähre oder LCVP (Landungsfahrzeugen) übergesetzt.

Am Nachmittag des 23. März befahl General Eddy der 4th Armored Division unter Hugh Joseph Gaffey, in den Morgenstunden des Folgetages anzugreifen. Die US-Truppen marschierten zügig voran, vor allem in Richtung Groß-Gerau.

Eine zweite Treadway-Bridge und eine schwere Pontonbrücke wurden am 24. März errichtet. Bis zum 31. März 1945 überquerten 60.000 Fahrzeuge den Rhein auf diesen Brücken.

Patton kam mit dieser Aktion der Rheinüberquerung von Feldmarschall Bernard Montgomery bei Wesel (Operation Varsity) einen Tag zuvor.[6] Des Weiteren wird berichtet, dass Patton, während er mitten auf der Behelfsbrücke stand, in den Rhein urinierte.

Auf deutscher Seite standen diverse Truppenteile sowie vor allem Jugendliche und ältere Männer, welche im Volkssturm dienten, unter dem Kommando von General Hans-Gustav Felber. Felber war bis zum 25. März Kommandeur der 7. Armee. Felbers neuer Befehlshaber, Generalfeldmarschall Albert Kesselring, und der Befehlshaber der Heeresgruppe G, SS-Oberst-Gruppenführer Paul Hausser, verfolgten die Geschehnisse gespannt vom Kommandostützpunkt des XII. Korps in Groß-Gerau. Felber befahl, die Offiziere sollten nach Lage vor Ort entscheiden.[7]

Nachwirkungen

Für die US-Armee, die hier den Rhein überquerte, ging es anschließend über Frankfurt am Main und Hanau in die Hohe Rhön Richtung Meiningen, um von dort aus bis zum 18. April 1945 in Richtung Südosten nach Coburg und Bayreuth vorzustoßen.[8]

Weitere Übergänge in der Nähe

LKWs der U.S. Army bringen deutsche Kriegsgefangene bei Mainz über den Rhein. Im Hintergrund Mainz-Kastel, vermutlich in der Nähe der späteren Alexander-M.-Patch-Brücke. Die Aufnahme entstand Ende März oder im April 1945.

Am 26. März um 2:30 Uhr folgten bei Worms zwei Überquerungen ins hessische Ried durch die 7. US-Armee unter Alexander M. Patch:

Am 28. März um 1 Uhr folgten in einer Art „Zangenbewegung“ zwei Übersetzungen bei Mainz. Die eine in der Nähe der späteren Alexander-M.-Patch-Brücke und die andere weiter flussaufwärts bei Mainz-Laubenheim. Ginsheim-Gustavsburg wurden somit eingekesselt, da sich die beiden Truppenteile zwischen Hochheim am Main und Mainz-Kastel wieder vereinten.

Am 31. März um 2:30 Uhr begannen französische Truppen (3. Algerische Division) bei Speyer den Rhein mit Schlauchbooten zu überqueren. Einige Kilometer flussaufwärts bei Germersheim setzten Truppen im Morgengrauen über und wurden massiv beschossen. Um die Einnahme von Karlsruhe zu beschleunigen, ließ der französische General Jean de Lattre de Tassigny am 2. April eine dritte Kampfgruppe zwischen Germersheim und Karlsruhe übersetzen.[9]

Frontverläufe

Die nachfolgenden Landkarten zeigen den jeweiligen Frontverlauf von 1944 bis zur bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht im Mai 1945.

Denkmal

Denkmal

Am 25. März 2017 wurde ein Denkmal anlässlich der Rheinüberquerung eingeweiht. Die Gedenktafel enthält Informationen auf deutsch und englisch. Der deutsche Text lautet:

„Zur Erinnerung an den historischen Brückenschlag
An dieser Stelle errichtete das 249. Pionierbataillon, nachdem es die 5. Infanteriedivision der U.S. Armee bei Oppenheim unterstützt hatte, am 22. und 23. März 1945 im ersten erfolgreichen Sturmangriff zur Rheinüberquerung seit Napoleons Zeiten eine 366 Meter lange Pontonbrücke, um Teile von General George S. Pattons 3. Armee über den Rhein zu bringen. Der Bau der Brücke dauerte nur 18 Stunden.
Diese Bemerkenswerte bauliche Leistung trug zweifellos dazu bei, den Krieg früher zu beenden und somit unzähligen Menschen auf beiden Seiten des Konflikts das Leben zu retten.“

Literatur

  • Heinz Leiwig: Finale 1945 Rhein-Main, mit Bericht des Zeitzeugen Edmund Ritscher S. 49, Düsseldorf 1985, ISBN 3-7700-0675-5.
  • Edmund Ritscher: Kriegsende in Ibersheim unter Amerikanern, Beitrag auf Homepage Stadt Worms/Kultur/Geschichte/Geschichten

Siehe auch

Weblinks

in Deutsch:

in Englisch:

Einzelnachweise

  1. Albert Geipert: 1933–1945 – doch der Rhein floss weiter, Riedstadt 2003. S. 31.
  2. Werner Lang: Kriegsende in Nierstein 1945; in: Heimatbuch Landkreis Mainz; Druck Wilhelm Traumüller, Oppenheim am Rhein 1967; S. 100–101.
  3. Werner Lang: Kriegsende in Nierstein 1945; in: Heimatbuch Landkreis Mainz; Druck Wilhelm Traumüller, Oppenheim am Rhein 1967; S. 101.
  4. Chapter XIII, S. 267.
  5. XIII, S. 270.
  6. Chater XIII
  7. Chapter XIII S. 272 unten.
  8. Verlaufskarte vom 5. bis 18. April 1945
  9. Chapter XV – At the End of March auf ibiblio.org

Auf dieser Seite verwendete Medien

Western Front Ardennes 1944.jpg
Western Front, Ardennes, 1944
Westwall1.jpg
Northwest Europe. November-December 1944
Rhine River Crossings in the South.jpg
Map of the U.S. Rhine river crossings near Oppenheim in March 1945.
CCKW-rhine.jpg
U.S. Army CCKW 2 1/2 ton 6x6 cargo trucks crossing the Rhine River near Mainz, Germany, in late March or April 1945. The U.S. 80th Infantry Division crossed the Rhine river in the vicinity of Mainz starting on 0100 hrs on 28 March 1945. At noon on the same day, XX. Corps engineers of the 160th Combat Engineer Battalion started construction of a 580 m (1,896 ft) treadway bridge across the Rhine at Mainz (see sign). [1] The men on the trucks seem to be German prisoners.
Ww2 map68.jpg
21st Army Group Operations, 15 September-15 December 1944. Allied formations and advances are depicted in blue. German formations are depicted in red.
Rhineland Campaign - 11-21 March 1945.jpg
Rhineland Campaign - 11-21 March 1945
  • Background information:

In 1938 the predecessors of what is today The Department of History at the United States Military Academy began developing a series of campaign atlases to aid in teaching cadets a course entitled, "History of the Military Art." Since then, the Department has produced over six atlases and more than one thousand maps, encompassing not only America’s wars but global conflicts as well.

In keeping abreast with today's technology, the Department of History is providing these maps on the internet as part of the department's outreach program. The maps were created by the United States Military Academy’s Department of History and are the digital versions from the atlases printed by the United States Defense Printing Agency. We gratefully acknowledge the accomplishments of the department's former cartographer, Mr. Edward J. Krasnoborski, along with the works of our present cartographer, Mr. Frank Martini.

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Operation Undertone map.jpg
Map of Operation Undertone, 12th to 21st March 1945.
Patton Denkmal.jpg
Autor/Urheber: Monttonnere, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Denkmal zum Anlass der Überquerung des Rheins am Ende des zweiten Weltkriegs durch amerikanische Truppen. Text auf der linken Tafel: Zur Erinnerung an den historischen Brückenschlag / An dieser Stelle errichtete das 249. Pionierbataillion, nachdem es die 5. Infanteriedivision der U.S. Armee bei Oppenheim unterstützt hatte, am 22. und 23. März 1945 im ersten erfolgreichen Sturmangriff zur Rheinüberquerung seit Napoleons Zeiten eine 366 Meter lange Pontonbrücke, um Teile von General George S. Patrons 3. Armee über den Rhein zu bringen. Der Bau der Brücke dauerte nur 18 Stunden. / Diese Bemerkenswerte bauliche Leistung trug zweifellos dazu bei, den Krieg früher zu beenden und somit unzähligen Menschen auf beiden Seiten des Konflikts das Leben zu retten.
Allemagne 45.jpg
Autor/Urheber: Bruno RAISIN, Lizenz: CC BY 3.0
The IIIrd Reich's end : the allied invasion of Germany, april-may 1945
Pontoon bridge Rhine River 1945.jpg
U.S. 9th Army crossing the Rhine River. Wallach. M2, steel treadway, pontoon bridge.