Revolution von oben
Revolution von oben ist ein Begriff der Geschichtswissenschaft. Er beschreibt einerseits grundlegende Reformen seitens der Herrschenden, die eine von ihnen befürchtete Revolution abwenden sollen, andererseits fundamentale Veränderungen der politisch-sozialen Bauform (Michael Stürmer, 1975), die unter staatlicher Lenkung, aber ohne tragende Massenbewegung vonstatten geht. Der Begriff wurde im 19. Jahrhundert von Friedrich Engels geprägt und von der deutschen Geschichtswissenschaft in den 1970er Jahren aufgegriffen. Dies gilt insbesondere für Hans-Ulrich Wehler, Ernst Engelberg und Michael Stürmer. Revolutionen von oben haben sich in der deutschen Geschichte häufig ereignet.
Revolutionen von oben in der deutschen Geschichte
- Aufgeklärter Absolutismus in Preußen
- Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten, 1794
- Preußische Reformen („Bauernbefreiung“, Städteordnung usf.), 1807/1812
- Oktroyierte Verfassung in Preußen, 1850/1
- Reichsgründung, 1871
- Bismarcks Sozialgesetzgebung, 1883–85
- Parlamentarisierungserlass und Übergang zur Weimarer Republik („Bündnisse“), 1918
- Präsidialkabinette, 1930–33
- Faschistische Herrschaft als „Verselbständigung der Exekutive“, 1933–45
- Entstehung der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik, 1945–49
- Deutsche Wiedervereinigung, 1990
Revolutionen von oben in der sowjetischen Geschichte
- Holodomor - Stalin ließ 1932 gezielt und absichtlich Millionen Menschen verhungern.[1]
- im Rahmen der Entstalinisierung versuchten Chruschtschow und andere Funktionäre der KPdSU, durch den Stalinismus entstandene Strukturen aufzuweichen oder aufzubrechen (siehe auch Tauwetter-Periode)
- Glasnost und Perestroika, eingeleitet durch Michail Gorbatschow
Literatur
- Hans-Ulrich Wehler: Das Deutsche Kaiserreich 1871–1918. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1973
- Ernst Engelberg: Über die Revolution von oben. Wirklichkeit und Begriff. In: ZfG. 22, 1974. S. 1183
- Michael Stürmer: Jenseits des Nationalstaats. Bemerkungen zum deutschen Kontinuitätsproblem. In: Politik und Kultur. H. 3/4, 1975. S. 119–139