Resteessen

Über die Verwendung von Resten (aus: Luise Holle, Henriette Davidis Praktisches Kochbuch (1904))

Unter Resteessen (früher auch Rester-Essen) versteht man den Verzehr und die Aufbereitung von Gerichten, deren Zutaten ganz oder teilweise von vorangegangenen Mahlzeiten stammen.[1]

Einerseits können Lebensmittel und zubereitete Lebensmittel, die für den menschlichen Verzehr vorgesehen waren und bei der Zubereitung oder nach dem Servieren absichtlich oder unabsichtlich übrig geblieben sind, bei der darauf folgenden Mahlzeit verwendet werden. So zum Beispiel Reste des Frühstücks zum Mittagessen, beziehungsweise Reste des Mittagessens zum Abendessen.[2][3] Andererseits können Reste auch verwendet werden, um neue Hauptmahlzeiten an darauffolgenden Tagen zuzubereiten. So wird zum Beispiel das traditionelle und im angelsächsischen Raum weit verbreitete walisische Gericht Shepherd’s Pie gerne im Privathaushalt auch aus Fleischresten des Sonntagsbratens (Sunday roast) hergestellt.[4]

Resteessen im europäischen Kulturkreis

In deutschsprachigen Kochbüchern werden Rezepte zur Zubereitung von Resteessen meist unter der Überschrift „Resteverwertung“ zusammengefasst.[5] So findet man zum Beispiel im „Dr. Oetkers Schulkochbuch“ um 1920 unter dem Kapitel „Die Verwendung von Speiseresten“, dass sich Reste nie ganz vermeiden lassen könnten und dass Reste vom Mittagessen am Abend in den meisten Haushalten wieder aufgewärmt werden.[6]

Resteessen im indischen Kulturkreis

Im indischen beziehungsweise hinduistischen Kulturkreis ist die Wiederverwendung von Essensresten eine äußerst sensible Kategorie innerhalb des traditionellen indischen Denkens.[7] Unter bestimmten Umständen wird Resteessen positiv angesehen, meist jedoch birgt das Essen von Resten die Gefahr der moralischen Entwürdigung und des Ansehensverlustes. Da sich traditionelle und religiöse Verbote der Wiederverwendung von Speiseresten überwiegend auf Speisen, die mit Körperflüssigkeiten anderer, wie zum Beispiel Speichel, in Berührung kamen beziehen, umgeben Speisereste bei traditionellen, umgangsformenbewussten Hindus eine Art negative Assoziationsaura.[8][9] Mit zunehmender Urbanisierung und Globalisierung sowie einem Aufweichen der traditionellen Trennung zwischen den einzelnen Gesellschaftsgruppen des indischen Kastenwesens werden unterschiedliche Essensverhalten als unterschiedliche Konsumverhalten angesehen, die losgelöst von moralischen Tabus und Vorschriften sind. So gibt es viele moderne indische Kochbücher, die Rezepte zum Resteessen enthalten. Ikonoklastischere Varianten dieser Kochbücher beinhalten zum Beispiel die Essenszubereitung aus Abfällen.[10]

Lebensmittelsicherheit

Die Länge und Art der Aufbewahrung von Essensresten zur Wiederverwendung beim Resteessen ist Gegenstand zahlreicher bakteriologischer Untersuchungen. Die American Dietetic Association hat Richtlinien zur Haltbarkeit von Essensresten herausgegeben. So können bei einer Temperatur von 4 °C oder niedriger frisch gekochtes Gemüse und Suppen zwischen drei und vier Tagen, gekochtes oder gebratenes Fleisch zwischen ein und fünf Tagen und gekochte oder gebratene Fischgerichte zwischen ein und zwei Tagen aufbewahrt werden.[11]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. In der englischsprachigen Literatur werden zumeist die Begriffe “leftover foods”, “leftover meals” oder nur “leftovers” verwendet. Diese Begriffe gehören dort zum gängigen Wortschatz und sind dementsprechend definiert. Vgl.: Carole Counihan, Penny van Esterik: Food and Culture: A Reader. Routledge, 1. Auflage, 1997, S. 276, ISBN 0-415-91710-7.
  2. Krishnendu Ray: Meals, Migration, and Modernity: Domestic Cooking and Bengali Indian Ethnicity in the United States. Amerasia Journal, UCLA Asian American Studies Center Press, Band 24, Nr. 1, 1998, S. 105–127.
  3. N. W. Jerome: Northern Urbanization and Food Consumption Patterns of Southern-Born Negroes. In: The American Journal of Clinical Nutrition. Band 22, Nr. 12, Dezember 1969, S. 1667–1689.
  4. LIFE Magazine: Luxury with leftovers. 18. November 1957, Time Inc., Band 43, Nr. 21, ISSN 0024-3019.
  5. Kurt Röttgers: Kritik der kulinarischen Vernunft – Ein Menü der Sinne nach Kant. Transcript Verlag, 2009, S. 199 f., ISBN 978-3-8376-1215-8.
  6. Dr. Oetkers Schulkochbuch. Ausg. C, zus. gest. von Emilie Henneking, Bielefeld (ca. 1920), S. 106.
  7. S. Khare: Culture and Reality: Essays on the Hindu system of managing foods. Indian Institute of Advanced Study, Simla 1976.
  8. M. Mariott: Caste Ranking and Food transactions: A Matrix Analysis. In: M. Singer, B.S. Cohn (Hrsg.): Structure and Change in Indian Society. Aldline, Chicago 1968.
  9. Arjun Appadurai: How to Make a National Cusine. Cookbooks in Contemporary India. In: Carole Counihan, Penny van Esterik (Hrsg.): Food and Culture. A Reader. 2. Auflage. Routledge, New York 2008, S. 293, ISBN 0-415-97776-2.
  10. A. Reejhsinghani: Tasty Dishes from waste items. Jaico, Bombay 1973.
  11. Roberta Larson Duyff (American Dietetic Association): American Dietetic Association complete food and nutrition guide. 3. überarbeitete und aktualisierte Ausgabe. John Wiley & Sons, Hoboken, N.J. 2006, ISBN 0-470-04115-3.

Literatur

  • Henriette Davidis, Luise Holle: Praktisches Kochbuch für die gewöhnliche und feinere Küche. Velhagen & Klasing, Bielefeld / Leipzig 1904.
  • Patrick Jaros, Günter Beer: Das Nichts Wegwerfen Kochbuch. Kochen mit Resten – Tipps, Tricks und tolle Rezepte. Love Food (Imprint von Parragon Books), Bath UK 2007, ISBN 978-1-4075-0929-7.
  • Hans-Peter Matkowitz, Claudia Daiber, Monika Graff: Das Beste aus Resten. Tricks und Tips für die Küche von A bis Z. Hädecke, Weil der Stadt 1998, ISBN 3-7750-0312-6.
  • Birgitta Sidenvall, Margaretha Nydahl, Christina Fjellström: The Meal as a Gift. The Meaning of Cooking Among Retired Women. In: Journal of Applied Gerontology. Band 19, Nr. 4, 2000, S. 405–423, doi:10.1177/073346480001900403 (englisch).
  • Fairfax Throckmorton Proudfit: Nutrition and Diet Therapy. A Textbook of Dietetics. 7. komplett neu geschriebene Auflage. The Macmillan company, 1938 (englisch).

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