Rembetiko

Rembetes in Karaiskaki, Piräus (1933).

Das[Anm. 1] oder (im Deutschen auch) der Rembetiko (auch Rebetiko,[Anm. 2] griechisch ρεμπέτικο, Mehrzahl Rembetika, Rebetika) ist ein griechischer Musikstil, der aus der Verbindung der Volksmusik Griechenlands und der osmanischen Musiktradition in den sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts in den Städten Athen, Piräus und Thessaloniki bildenden Subkulturen hervorgegangen ist. Er steht im Gegensatz zu den Kantades, der westlich orientierten Volksmusik, wie sie sich auf den Ionischen Inseln und im Viertel Plaka in Athen etabliert hatte.

Beschreibung

Foto eines Trios des Smyra-Stils (1932)
Dimitris Semsis, Agapios Tomboulis, Rosa Eskenazi (Athen, 1932)

Das Rembetiko wird oft auch als der „griechische Blues“ bezeichnet, weil die Texte ähnlich wie im Blues von den alltäglichen Sorgen und Erfahrungen der einfachen Leute handeln.

In den Anfängen ihrer Entstehung wurden Rembetika nur von den in Piräus lebenden Rembetes gespielt, meist Flüchtlingen, die im Jahr 1922, dem Jahr der sogenannten kleinasiatischen Katastrophe, aus Smyrna (heute Izmir) und anderen Orten Kleinasiens auf das griechische Festland vertrieben worden waren. Später entwickelte sich daraus eine der populärsten Musikformen Griechenlands. Das Rembetiko erlebte in den 1930er bis 1950er Jahren seine Blütezeit.

Zu den bekanntesten Komponisten des Rembetiko gehören Markos Vamvakaris, Vassilis Tsitsanis und Manolis Chiotis.

Zum Rembetiko gehörte der orientalische improvisierte Gesangsstil Amanés (αμανές, Plural: αμανέδες amanédhes beziehungsweise amanédes). Die wesentlichen Rhythmen und Tänze des Rembetiko sind Chasapiko, Chasaposervikos, Zeibekikos, Karsilamas, Aptalikos, Tsifteteli, Anatolitikos oder Bayo und Sirtos. Die tonale Grundlage bilden die Dromoi, die modalen Tonleitern der griechischen Popularmusik.

Im Dezember 2017 wurde das Rembetiko in die „Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit“ aufgenommen.[1]

Merkmale

Kultur

Streetart-Bild eines Koutsavakides-Tänzers in Athen

Rebetiko steht in engem Zusammenhang mit dem Nachtleben: Ouzeri, Taverne (griechische Taverne) und Nachtzentren.

Rebetiko wird manchmal auch mit der Figur des Mangas (griechisch: μάγκας, ausgesprochen [ˈma(ŋ)ɡas]) in Verbindung gebracht, was so viel bedeutet wie „starker Kerl, der eine Korrektur braucht“, eine soziale Gruppe in der Gegenkultur der Belle Époque und der Zwischenkriegszeit in Griechenland (insbesondere in den großen städtischen Zentren Athen, Piräus und Thessaloniki).

Mangas war eine Bezeichnung für Männer, die der Arbeiterklasse angehörten, sich besonders arrogant/prunkvoll verhielten und eine sehr typische Kleidung trugen, die aus einer Wollmütze (kavouraki, καβουράκι), einer Jacke (von der sie gewöhnlich nur einen Ärmel trugen), einem engen Gürtel (der als Messeretui diente), einer gestreiften Hose und spitzen Schuhen bestand. Weitere Merkmale ihres Aussehens waren ihr langer Schnurrbart, ihre Perlenketten (κομπολόγια, Singular κομπολόι) und ihr eigenwilliger manieristischer Hinkefußgang (κουτσό βάδισμα). Eine verwandte soziale Gruppe waren die Koutsavakides (κουτσαβάκηδες, Singular κουτσαβάκης); die beiden Begriffe werden gelegentlich synonym verwendet.

Musikinstrumente

Trixordo oder dreigängige Bouzouki (drei Doppelsaiten)

Die Hauptinstrumente des Rebetiko sind die Bouzouki, die Baglamas (und andere gleichgestellte Instrumente wie die Tzouras) und die Gitarre. Außerdem werden in Rebetika die Violine, Santouri, Kanun (Zither), Oud (Kurzhalslaute), Akkordeon und andere Instrumente verwendet.[2]

Schlaginstrumente sind kaum vorhanden: Je nach Genre werden Zimbel (ähnlich wie Kastagnetten), Tamburin und Darbuka verwendet. Auf alten Aufnahmen ist manchmal der Klang von Glas zu hören, der durch den Kontakt von Komboloi (κομπολόι) und einem Glas oder zwei Gläsern, die aneinandergeschlagen werden, erzeugt wird; einige Mánghes (μάγκες) pflegten die Musiker auf diese Weise zu begleiten.

Themen

Wie mehrere andere urbane subkulturelle Musikformen wie Blues, Flamenco, Fado, Musette (Walzer) und Tango ist der Rebetiko aus besonderen urbanen Umständen heraus entstanden. Oft spiegeln seine Texte die härtere Realität des Lebensstils einer marginalisierten urbanen Subkultur wider. So finden sich Themen wie Kriminalität, Alkohol, Drogen, Armut, Prostitution und Gewalt, aber auch eine Vielzahl von Themen, die für Griechen aller sozialen Schichten von Bedeutung sind: Tod, Erotik, Exil, Exotik, Krankheit, Liebe, Heirat, Eheschließung, die Mutterfigur, Krieg, Arbeit und verschiedene andere alltägliche Themen, sowohl fröhliche als auch traurige.[3]

„Die Wiege der Rebetika war der Knast und die Haschischbude. Dort schufen die frühen Rebetes ihre Lieder. Sie sangen mit leiser, heiserer Stimme, ungezwungen, einer nach dem anderen, wobei jeder Sänger eine Strophe hinzufügte, die oft nichts mit der vorherigen zu tun hatte, und ein Lied dauerte oft stundenlang. Es gab keinen Refrain, und die Melodie war einfach und leicht. Ein Rebetis begleitete den Sänger mit einer Bouzouki oder einer Baglamas (eine kleinere Version der Bouzouki, sehr tragbar, im Gefängnis leicht herzustellen und vor der Polizei leicht zu verstecken), und vielleicht stand ein anderer, von der Musik bewegt, auf und tanzte. Die frühen Rebetika-Lieder, insbesondere die Liebeslieder, basierten auf griechischen Volksliedern und den Liedern der Griechen aus Smyrna und Konstantinopel.“

Elias Petropoulos[4]

So sind auch die Themen der rebétika tragoúdia vor allem in den älteren Aufnahmen mit der Unterwelt verbunden: Drogenkonsum, vor allem Haschisch, Gefängnis, Prostitution, Entwurzelung, polizei- und bürgerfeindliche Themen, Krankheit (insbesondere Tuberkulose), politische Satire, Glücksspiel, unglückliche Liebe.[5] Ab 1937 und der Einführung der Zensur finden sich immer mehr Liebeslieder oder soziale Themen, allerdings mit einem weniger rohen, weniger direkten und ausweichenden Vokabular.

Beispiele für Lieder:

   Haschisch: Soura kai mastoura

   Tuberkulose: Mana mou dioxe tous yatrous

   Politik: O Markos ypourgos

   Gefängnis: Yedi Koule, Sto Medresé ston plátano.

   Satire auf die Bourgeoisie: Osi echoune polla lefta

   Spiel: To flitzani tou Yanni

Die stereotype Figur des Mangas wurde zu einem zentralen Thema in mehreren Rebetiko-Liedern, wie z. B.Του Βοτανικού ο Μάγκας (Der Mangas von Votanikos), Ε ντε λα μαγκέ ντε Βοτανίκ (Und über den Mangas von Votanikos),[6] Πού 'σουν μάγκα το Χειμώνα (Wo warst du, Mangas, während des Winters) und Μάγκας βγήκε για Σεργιάνι (Ein Mangas promeniert).

Bekannte Interpreten und Komponisten

Nicht erschöpfende Liste der größten Namen des Stils. Da Musiker oft auch Komponisten, Autoren und umgekehrt sind, ist die Rangliste vor allem ein Hinweis auf ihre repräsentativste Tätigkeit.

Sänger und Sängerinnen

Anestis Delias, Giorgous Batis, Markos Vamvakaris, S. Pagioumtzis (Mitte 1930)
  • Ríta Abatzí (Ρίτα Αμπατζή)
  • Sotiría Béllou (Σωτηρία Μπέλλου)
  • Anna Chrysafi (Άννα Χρυσάφη)
  • Andonis Dalgas (Andonis Dalgas)
  • Róza Eskenázy (Ρόζα Εσκενάζυ)
  • Glykeria Kotsoula
  • Georgia Mittaki
  • Maríka Nínou (Μαρίκα Νίνου)
  • Poly Panou (Πόλυ Πάνου)
  • Stratos Pagioumtzis (Στράτος Παγιουμτζής)
  • Stélios Perpiniádis oder Stellákis (Στέλιος Περπινιάδης)
  • Kostas Roukounas
  • Vaggelis Sofroniou
  • Markos Vamvakaris

Instrumentalisten

  • Anestis Delias (Ανέστης Δελιάς):Bouzouki
  • Manolis Hiotis: Bouzouki
  • Lambros Leondaridis: Lyra
  • Lambros Savvaïdis: Kanun
  • Dimítrios Sémsis „Salonikiós“ (Δημήτριος Σέμσης ο Σαλονικιός): Violine
  • Agápios Tomboúlis: Oud

Komponisten, Autoren

  • Yiánnis Papaioánnou (Γιάννης Παπαϊωάννου)
  • Spýros Peristéris (Σπύρος Περιστέρης)
  • Panayótis Toúndas (Παναγιώτης Τούντας)

Verschiedene

  • Yórgos Bátis (Γιώργος Μπάτης)
  • Loukas Daralas (Λουκάς Νταράλας)
  • Michalis Jenitsaris (Μιχάλης Γενίτσαρης)
  • Dimitris Gogos (Δημήτρης Γκόγκος (Μπαγιαντέρας))
  • Apostolos Ηatzichristos (Απόστολος Χατζηχρήστος)
  • Antonios Katinaris (Αντώνιος Κατινάρης)
  • Vangelis Papazoglou (Βαγγέλης Παπάζογλου)
  • Christos Syrpos (Χρήστος Σύρπος (Χρηστάκης))
  • Giovan Tsaous (Γιοβάν Τσαούς)
  • Prodromos Tsaousakis (Πρόδρομος Τσαουσάκης)
  • Vassílis Tsitsánis (Βασίλης Τσιτσάνης)
  • Markos Vamvakaris (Μάρκος Βαμβακάρης)

Diskografie

  • Fünf Griechen In Der Hölle - Rembetika-Lieder, 2 LP, Trikont - Unsere Stimme US-0071-72, München 1982
  • Rembetika - Songs of the Greek Underground 1925–1947, 2 CD, Trikont Indigo Q293, 2001

Anmerkungen

  1. Als neutral dekliniertes Adjektiv zu τραγούδι, tragoúdi, „Lied“; auch im Griechischen Neutrum. Zum grammatischen Umgang im Deutschen vergleiche auch den untenstehend unter Literatur angegebenen Artikeltitel von Mikis Theodorakis.
  2. Im Neugriechischen wird μ + π meist als Laut b ausgesprochen, auch bei diesem Wort. Daher findet sich – besonders im englischen Sprachraum – die Transkription Rebetiko.

Literatur

  • Stathis Gauntlett: Antiquity at the musical margins: rebetika, ‘ancient’ and modern, in: Byzantine and Modern Greek Studies Band 39, 2015, S. 98–116.
  • Stathis Gauntlett: The Diaspora Sings Back: Rebetika Down Under, in: Dimitris Tziovas (Hrsg.): Greek Diaspora and Migration since 1700. Ashgate, 2009.
  • Stathis Gauntlett: Between Orientalism and Occidentalism. The contribution of Asia Minor refugees to Greek popular song, and its reception, in: R. Hirschon (Hrsg.): Crossing the Aegean. An appraisal of the 1923 compulsory population exchange between Greece and Turkey. Oxford & New York, Berghahn 2003, 247–260.
  • Stathis Gauntlett: Rebetika carmina Graeciae recentioris. A contribution to the definition of the term and the genre rebetiko tragoudi through detailed analysis of its verses and of the evolution of its performance. Denise Harvey 1985.
  • Gail Holst: road to rembetika. Denise Harvey, 1975, ISBN 960-7120-07-8, Deutsche Ausgabe: Rembetika – Musik einer griechischen Subkultur. gerhardt verlag, Berlin 1979, ISBN 978-3-920372-30-3.
  • Thede Kahl: Entstehung und Wandel einer städtischen Musikkultur Griechenlands – Die Rembetika. In: Horst-Dieter Blume, Cay Lienau (Hrsg.): Annäherung an Griechenland. Choregia 1, Münster, S. 111–123.
  • Panagiotis Kounades: Εις ανάμνησιν στιγμών ελκυστικών. Athen, Katarti, 2000.
  • Elias Petropoulos: Rebetiko. Die Musik der städtischen Subkultur Griechenlands. Aus dem Französischen von Maximilien Vogel. Palmyra, Heidelberg 2002, ISBN 3-930378-46-9.
  • Mikis Theodorakis: Über das Rebetiko. In: Mikis Theodorakis, Meine Stellung in der Musikszene. Herausgegeben und übersetzt von Asteris Kutulas und Peter Zacher, Leipzig: Reclam-Verlag, 1986, ISBN 3-379-00034-5.
  • Ioannis Zelepos: Rebetiko. Die Karriere einer Subkultur. Romiosini Verlag Köln 2001.
Commons: Rebetiko – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Intangible Cultural Heritage – Rebetiko UNESCO, abgerufen am 17. Januar 2018.
  2. Le Rebetico, la musique des bas fonds dans la Grèce des années 20. In: radiofrance.fr. 22. Dezember 2014, abgerufen am 18. Juli 2022 (französisch).
  3. Yiannis Zamakis: ‘Forbidden Fruits’ and the Communist Paradise: Marxist Thinking on Greekness and Class in Rebetika. In: music.ucsb.edu. Archiviert vom Original am 29. Juni 2011; abgerufen am 24. März 2024 (englisch).
  4. Elias Petropoulos, Preface to: Rembetika, Songs from the Old Greek Underworld, with essays by Markos Dragoumis, Ted Petrides and Elias Petropoulos. Komboloi, Athens, S. 13–14, 1975.
  5. Rebético et bouzouki chantent la Grèce. In: musique-arabe.over-blog.com. 4. Juli 2013, abgerufen am 18. Juli 2022 (französisch).
  6. Alexandra Georgakopoulou: Small stories, interaction and identities (Seite 130). John Benjamins, 2007, abgerufen am 25. Juli 2022 (englisch).

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Rembetes 1933 in Karaiskaki, Piräus. Links mit Bouzouki Márkos Vamvakáris, in der Mitte mit der Gitarre auf der Schulter Yiorgos Batis.
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Smyrna style rebetiko trio: Dimitris „Salonikios“ Semsis, Agapios Tomboulis, Rosa Eskenazi (Athens 1932)
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Portrait of the Rebetiko singer Rita Abatzi (mid 1930ies).
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Photograph of bouzouki.

The three-course bouzouki (trichordo) This is the classical type of bouzouki that was the mainstay of most Rebetiko music. It has fixed frets and it has 6 strings in three pairs. In the lower-pitched (bass) course, the pair consists of a thick wound string and a thin string tuned an octave apart. The conventional modern tuning of the trichordo bouzouki is Dd-aa-dd. This tuning was called the "European tuning" by Markos Vamvakaris, who described several other tunings, or douzenia, in his autobiography. The illustrated bouzouki was made by Karolos Tsakirian of Athens, and is a replica of a trichordo bouzouki made by his grandfather for Markos Vamvakaris and became more famous from Manolis Chiotis. The absence of the heavy mother of pearl ornamentation often seen on modern bouzoukia is typical of bouzoukia of the period. It has tuners for eight strings, but has only six strings, the neck being too narrow for eight. The luthiers of the time often used sets of four tuners on trichordo instruments, as these were more easily available, since they were used on mandolins.[citation needed]