Religion in Papua-Neuguinea

Religion in Papua-Neuguinea umfasst die weit verbreiteten christlichen Religionsgemeinschaften, zu denen je nach Einschätzung zwei Drittel bis 96 Prozent der 6,8 Millionen Einwohner Papua-Neuguineas gezählt werden. Sie setzen sich aus Anhängern der Römisch-Katholischen Kirche, der Evangelisch-Lutherischen Kirche, weiterer protestantischer Kirchen, aus Anglikanern und freikirchlichen Gruppen zusammen. Die christlichen Glaubensinhalte sind mehr oder weniger stark mit Vorstellungen vermischt, die aus den indigenen Religionen stammen (Inkulturation), denen der übrige Teil der Bevölkerung anhängt. Innerhalb der traditionellen Vorstellungen, zu denen Cargo-Kulte gehören, lassen sich religiöse und magische Elemente schlecht auseinanderhalten. Es gibt kleine Minderheiten von Baha’i und Muslimen. Religionsfreiheit ist Verfassungsgut.

Indigene Religionen

Entsprechend der großen sprachlichen und kulturellen Vielfalt Papua-Neuguineas (ca. 800 Sprachen) lassen sich nur wenig allgemeingültigen Aussagen über die ethnischen Religionen der Papuavölker Neuguineas machen.

Die spirituelle Verehrung von Kulturpflanzen, Schöpfung, Vergänglichkeit und Fruchtbarkeit spielen überall in den melanesischen Religionen vorrangige Rollen, auch wenn damit ganz unterschiedliche Vorstellungen verbunden sind.[1] Dies gilt ebenso für die Zweiteilung der Geister in Natur- und Ahnengeister,[2] die zentrale Bedeutung des Ahnenkultes in Zusammenhang mit einer dem Diesseits ähnlichen Jenseitsvorstellung, die Mythologie mit zentralen urzeitlichen Schöpferwesen und Kulturheroen, die Idee der auf den Menschen übertragbaren göttlichen Macht „Mana[3] und die kultischen Geheimbünde, die für bestimmte Rituale und soziale Aufgaben zuständig sind.[1] Zudem existieren auch die für Melanesien dokumentierten Cargo-Kulte, von denen sich die Menschen erhoffen, dadurch in den Besitz westlicher Waren zu gelangen, die die Ahnen eigentlich für sie erschaffen hätten.

In Neuguinea herrscht ein Glaube an Magie (bzw. magische Fähigkeiten einzelner), die sich in der traditionellen Musik Neuguineas ausdrücken und die auch noch für die offiziell christlichen Bevölkerungsteile oft eine große Rolle als „soziales Bindemittel“ spielen. Man bedenke die sehr kurze Missionsgeschichte des Landes, die in vielen Gegenden nur wenige Jahrzehnte beträgt. Bekannt ist in dem Zusammenhang auch eine besondere Form der Schadensmagie, Sanguma. Die Einheimischen glauben, dass Krankheiten und Unglück auf dem Wirken von masalai beruhen: Dunkle Geister, die sich an einen Menschen heften und ihn vergiften. Die Initiationen der Jugendlichen sind als religiöse Stadien der Welterkenntnis konzipiert, die zur Transformation der Persönlichkeit innerhalb der als diskontinuierlich erfahrenen Welt führen sollen, wobei das Verhältnis zu der Welt der Geister mit Kenntnis und Gebrauch von Magie und von besonderer Bedeutung ist, die als Schadzauber, Heil- und Wirtschaftsmagie auftritt. Mit der Persönlichkeitserweiterung steigt auch der Status der betreffenden Person, denn sie teilt nun das Wissen der Geister und ist mit ihnen vertraut. Das ist vor allem für die Identifikation des Clans und dessen Landrechte wichtig, die nicht zuletzt von den Ahnen gewährleistet werden. Stark ist der Glaube an die Feldbaumagie mit ihren Fruchtbarkeitsriten, wie sie Jensen am Beispiel der Kiwai beschreibt.[4]

Besondere Aufmerksamkeit europäischer Forscher genoss lange Zeit die für Neuguineas Ethnien typische rituelle Kopfjagd. Allerdings führte dies zu einer deutlichen Überbewertung dieses Elementes. Die Kopfjagd wurde entweder von Einzelnen oder bei organisierten Kriegszügen durchgeführt. Man tötete dabei Fremde speziell mit dem Ziel, den Kopf zu erbeuten. Die Glaubensvorstellungen, die sich hinter der Kopfjagd verbargen, waren sehr komplex. Es ging neben dem Ansehen oder Rache und Machtdemonstration auch um die Erfüllung von Initiationsbedingungen für junge Männer. Schließlich spielte auch die Aneignung des im Kopf des Toten vermuteten Mana eine wichtige Rolle. Berühmt für die Kopfjagd und einen aufwändigen Schädelkult sind die im südwestlichen Tiefland Neuguineas lebenden Asmat. Im nordöstlichen Neuguinea etwa gibt es hölzerne Ahnenfiguren namens kowar, die mit Menschenschädeln versehen sind. Heute ist die Kopfjagd weitestgehend verschwunden.[1]

Ebenfalls große Bekanntheit in der Ethnologie erlangten die sogenannten Dema-Gottheiten aus Süd-Neuguinea (vgl. hierzu stellvertretend: Marind-anim). Es handelt sich dabei um die Vorstellung, dass aus den Teilen eines toten und zerstückelten Schöpferwesens neue, überlebenswichtige Dinge entstehen; etwa die für die dortigen Gartenbaukulturen wichtigen Kulturpflanzen.[1]

Typisch für viele Ethnien auf Neuguinea sind auch die Männerhäuser mit ihren hohen Giebelbalken, die sehr kunstvoll ausgestaltet sind. Sie fungieren als Versammlungshäuser bei religiösen und politischen Anlässen; für große sakrale Feierlichkeiten stehen gegebenenfalls auch andere Kulthäuser zur Verfügung.[1]

Christentum

Mission

1852 begann der erste Versuch römisch-katholischer Mission auf der Insel Umboi, der aber scheiterte. In den folgenden Jahrzehnten versuchten sich verschiedene katholische Orden, die Methodisten und ab 1882 auch die lutherische Neuendettelsauer Mission. 1895 begann die Arbeit der noch heute sehr aktiven katholischen Steyler Mission. Der Erste Weltkrieg brachte Rückschläge für die Mission mit sich, da die deutschen Missionare, auf deren Schultern ein großer Teil der Arbeit ruhte, weitgehend das Land verlassen mussten. Ähnlich verhielt es sich während des Pazifikkrieges unter der japanischen und der australisch-amerikanischen Besatzung.

Während der australisch-britischen und der deutschen Kolonialzeit waren den Kirchen jeweils bestimmte Regionen zugewiesen, was zu einer starken Identifizierung von ethnischsprachlichen Gruppen mit bestimmten Konfessionen führte.

In einigen Gegenden konnte die indigene Gottesvorstellung in den christlichen Glauben integriert werden. So übernahmen die lutherischen Missionare in Finschhafen das Wort Anutu als Bezeichnung für Gott, bzw. Anut in der Madang-Region.

Die Missionierung des Hochlandes von Papua-Neuguinea begann erst nach dem Ersten Weltkrieg.

Baptistische Missionare kamen 1949 von Australien und Neuseeland nach Papua-Neuguinea. 1956 konstituierte sich die erste Gemeinde dieser Freikirche mit 87 getauften Mitgliedern. Die 1977 gegründete Baptist Union of Papua New Guinea umfasste im Jahr 2020 489 lokale Gemeinden mit rund 84.000 Mitgliedern.[5] Die Union gehört dem Baptistischen Weltbund und seiner regionalen Untergliederung Asia Pacific Baptist Federation an. Eine Reihe unabhängiger Baptistengemeinden sind seit 1961 ebenfalls im Inselstaat tätig.[6]

1927 gab es im ganzen Land etwa 500 christliche Missionare, 1971 waren es 3.500 und im Jahr 2001 2.800 Personen. Seither nimmt die Zahl der ausländischen Missionare weiter ab, weil einheimische Christen zunehmend pastorale, pädagogische und medizinische Aufgaben in den lokalen Kirchen, Schulen und im Gesundheitswesen übernehmen.[7]

Heutiges Christentum

Die mitgliederstärksten Kirchen sind die Römisch-katholische Kirche in Papua-Neuguinea, die Evangelisch-Lutherische Kirche von Papua-Neuguinea, die Gutnius Lutherische Kirche, die Anglican Church of Papua New Guinea, die United Church in Papua New Guinea (eine Kirche mit methodistischen, presbyterianischen und anderen Wurzeln) und die Siebenten-Tags-Adventisten.

Heute ist nur noch die katholische Kirche zu einem großen Teil auf ausländischen Klerus angewiesen. Die Liebenzeller Mission arbeitet mehrheitlich in der Schulung einheimischer Mitarbeitender und in Unterstützung von Kindern und Jugendlichen in städtischen und ländlichen Armutsverhältnissen.[8] Die 1974 von der Swiss Evangelical Brotherhood Mission (SEBM) gegründete Evangelical Brotherhood Church (EBC) umfasste 2012 über 100.000 Papuas und beschäftigte 173 einheimische Pastoren und 1.800 Sonntagschullehrer. Nachdem in den Siebzigerjahren 80 Schweizer und deutsche Missionare tätig waren, waren 2012 nur noch 41 westliche Mitarbeitende vorwiegend in Unterstützungs- und Beratungsdiensten aktiv, die aber tendenziell weiter abnehmen.[9]

Die Verfassung des Landes bezieht sich ausdrücklich auf „Tradition und christliche Prinzipien“. Das Land gilt als eines der am meisten christlich missionierten Länder der Gegenwart.

Nichtchristliche missionierende Religionen

Die Bahai mit etwa 15.000 Anhängern und der Islam spielen nur eine untergeordnete Rolle. Nach Angaben des Papua New Guinea Council of Churches sind muslimische Missionare im Land aktiv.

Die muslimische Bevölkerung Papua-Neuguineas geht überwiegend auf Einwanderer seit den 1970er Jahren und einige konvertierte Einheimische zurück. Im Jahr 2000 betrug ihre Zahl etwa 1.000 bis 2.000 Gläubige. 1981 wurde die Muslim Association of Papua New Guinea gegründet. Das erste islamische Zentrum wurde 1988 gebaut, mittlerweile (2006) existieren bis zu einem Dutzend Zentren.

Literatur

  • John Garrett: Footsteps in the Sea: Christianity in Oceania to World War II. Institute of Pacific Studies, Suva 1992.
  • Theodor Ahrens: Der neue Mensch im kolonialen Zweilicht. Studien zum religiösen Wandel in Ozeanien (= Hamburger Theologische Studien. 5). Lit Verlag: Muenster (Germany) 1993, ISBN 3-89473-994-0.
  • Manfred Ernst: Winds of Change. Rapidly Growing Religious Groups in the Pacific Islands. Pacific Conference of Churches, Suva 1994, ISBN 982-200-067-7.
  • John Garrett: Where Nets Were Cast: Christianity in Oceania Since World War II. Institute of Pacific Studies, University of the South Pacific in association with the World Council of Churches, Suva and Geneva 1997.
  • Whitehouse, Harvey: From Mission to Movement: The Impact of Christianity on Patterns of Political Association in Papua New Guinea. In: Journal of the Royal Anthropological Institute. 4–1. 1998, S. 43–63.
  • Theo Aerts: Traditional Religion in Melanesia. University Press of Papua New Guinea, Port Moresby 1998, ISBN 9980-84-068-4.
  • Theo Aerts: Christianity in Melanesia. University Press of Papua New Guinea, Port Moresby 1998, ISBN 9980-84-069-2.
  • Christin Koch-Schmid (Hrsg.): Expecting the Day of the Wrath: Versions of the Millennium in Papua New Guinea. National Research Institute: Port Moresby 1999.
  • Ian Breward: A History of the Churches in Australasia (= The Oxford History of Christian Churches.) Oxford University Press, Oxford 2001, Nachdruck 2008, ISBN 978-0-19-927592-2.
  • Neville Bartle: Death, Witchcraft and the Spirit World in the Highlands of Papua New Guinea. Point Nr. 29, Melanesian Institute, Goroka, PNG 2005, ISBN 9980-65-003-6.
  • Garry W. Trompf: Religions of Melanesia: A Bibliographic Survey. Westport 2006.
  • Manfred Ernst: Globalization and the Re-Shaping of Christianity in the Pacific Islands. Pacific Theological College, Suva (Fiji) 2006.
  • Hermann Mückler: Mission in Ozeanien. Facultas, Wien 2010, ISBN 978-3-7089-0397-2.
  • Paul B. Steffen: Centres of Formation and Evangelizing Ministry. Pastoral Institutes in Oceania and Africa. Studia Missiologici Societatis Verbi Divini 102, Franz Schmitt Verlag, Siegburg 2014, ISBN 978-3-87710-541-2.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c d e Corinna Erckenbrecht: Traditionelle Religionen Ozeaniens (PDF) Einführung in die Religionen Ozeaniens, im Harenberg Lexikon der Religionen. S. 938–951. Harenberg-Verlagsgruppe, Dortmund 2002, abgerufen am 14. Oktober 2015.
  2. S.A. Tokarew: Die Religion in der Geschichte der Völker. Dietz Verlag, Berlin 1968. S. 93, 95, 96 f.
  3. S.A. Tokarew: Die Religion in der Geschichte der Völker. Dietz Verlag, Berlin 1968, S. 98 f.
  4. Adolf Ellegard Jensen: Die getötete Gottheit. Weltbild einer frühen Kultur. W. Kohlhammer Verlag, Stuttgart 1966. S. 39–46.
  5. Baptistworld.org: Baptist Union of Papua New Guinea; eingesehen am 20. August 2021
  6. Albert W. Wardin: Artikel Papua New Guinea (1949). In: Baptists around the world. A comprehensive handbook (Hrsg. Albert W. Wardin). Broadman & Holman Publishers: Nashville (Tennessee) 1995. S. 121f
  7. Heidi Gmür: Gelobte Missionare, NZZ, Zürich 18. Dezember 2012
  8. http://www.liebenzell.org/weltweit/arbeitsgebiete/papua-neuguinea/
  9. Heidi Gmür: Gelobte Missionare, NZZ, Zürich 18. Dezember 2012