Reitweise
Reitweise bezeichnet einen bestimmten Stil, Pferde zu reiten und auszubilden. Es gibt mehrere Reitweisen, die aus verschiedenen Gegenden und Kulturen stammen. Heute wählt ein Reiter aus mehreren Reitweisen diejenigen Komponenten, die ihm und seinem Pferd am meisten liegen.
Englische Reitweise
Englische Reitweise, auch klassische englische Reitweise genannt, ist eine Sammelbezeichnung für Dressurreiten, Springreiten, Vielseitigkeitsreiten, Rennreiten, Jagdreiten und diverse weitere Pferdesportarten wie beispielsweise Polo. Die Bezeichnung 'Englische Reitweise' wird vorwiegend von Anhängern anderer Reitweisen zur Abgrenzung benutzt.
Kennzeichnend ist die Anlehnung, der stetige Kontakt über die Zügel mit dem Pferdemaul sowie der anliegende, mitatmende Schenkel und die Einwirkung über Gewichtshilfen. Als elementar wird die Jahre dauernde Ausbildung des Pferdes nach der sechs Schritte umfassenden Ausbildungsskala angesehen, die sich zunächst mit Takt, Losgelassenheit, Anlehnung, Schwung und Geraderichten des Pferdes und erst im fortgeschrittenen Stadium der Dressurausbildung mit der Versammlung beschäftigt.
Die bevorzugten Pferderassen sind Warmblüter mit drei raumgreifenden Grundgangarten, Kleinpferde und Ponys. An Ausrüstungsgegenständen findet der flache englische Sattel und ein Zaum mit verschiedenen Formen der Trense, Pelhams oder Kandaren mit Reithalftern und Nasenriemen Verwendung. Zum Longieren sind Kappzäume gebräuchlich.
Westernreitweise
Westernreitweise ist der zur sportlichen Disziplin weiterentwickelte Reitstil der amerikanischen Cowboys. Als Arbeitsreitweise ist sie darauf ausgerichtet, dass Pferd und Reiter ganztags in langsamerem Tempo kräftesparend unterwegs sein können, und sie zeigt keine auffälligen Steigerungen der natürlichen Gänge des Pferdes. In verschiedenen Disziplinen des Westernreitens werden unterschiedliche Aspekte des Cowboyalltags messbar gemacht, wie die Arbeit am Rind (mit oder ohne Zuhilfenahme eines lebendigen Rindes) oder das Überwinden von Geländehindernissen (ohne zu springen).
Ausgebildete Westernpferde werden einhändig mit konstant durchhängendem Zügel geritten. Der Zügel wird als Druckzügel verwendet, das heißt, der seitlich am Pferdehals angelegte Zügel "drückt" das Pferd in die Gegenrichtung. Hilfen werden als kurze Impulse gegeben. Das Pferd lernt über operante Konditionierung, diese Befehle so lange ohne weitere Ermahnung auszuführen, bis ein neuer Befehl den alten ablöst. Die Haltung des Pferdes ist entspannt, mit auf Buggelenkshöhe getragenem Kopf. Auch der Sitz des Reiters ist locker und alle Gangarten werden ausgesessen. Typisch sind die Bewegungen der Pferde beim Stop, dem abrupten Stehenbleiben aus vollem Galopp, den Spins, schnellen 360°-Wendungen (Reining) und der Arbeit mit lebendigen Rindern (Cutting).
Der Westernsattel ist schwerer als der englische Sattel. Er verteilt das Gewicht großflächig auf dem Pferderücken. Für manche Reiter ist der Sattel mit tiefer Sitzmulde und breiten Steigbügeln sehr bequem. Die Westernzäumung wird ohne Nasenriemen verwendet. Beim ausgebildeten Westernpferd wird eine Kandarenzäumung (bit) verwendet. Für junge Pferde gibt es dünne Wassertrensen (snaffle) aus rostendem und daher zum Kauen anregenden Eisen und gebisslose Zäumungen wie das Bosal.[1]
Klassische Reitweise
Die klassische Reitweise, auch barocke oder höfische Reitweise genannt, bezeichnet verschiedene Interpretationen der Reitanleitungen und Abbildungen von Reitmeistern des 17. bis 19. Jahrhunderts durch moderne Reitlehrer. Die Lehren gehen zurück auf die Gebrauchsreiterei der Reiterkrieger in Spätmittelalter (z. B. 1480 "Pergamenthandschrift zu Wolfegg" / "Das mittelalterliche Hausbuch".) und Renaissance (z. B. 1605 "Le maneige royal". Antoine de Pluvinel) und die daraus entstandene höfische Reitkunst, deren Höhepunkt und gleichermaßen Niedergang in die Zeit der Veröffentlichung von Ecole de cavallerie des französischen Reitmeisters Guérinière fiel. Letztgenannter gilt heute als gemeinsame Basis aller Dressurreitweisen weltweit. Anschließend änderte sich mit dem favorisierten Pferdetyp auch die Reiterei grundlegend. Manche der heutigen klassischen / barocken / höfischen Reitlehrer beziehen auch Reitmeister und Buchautoren des folgenden Jahrhunderts (und mehr) in ihre Interpretation ein (z. B. 1842 "Méthode d'équitation basée sur de nouveaux principes" von François Baucher).
Gemeinsam ist den verschiedenen Umsetzungen der klassischen, barocken oder höfischen Reiterei der hohe Versammlungsgrad der Pferde mit Betonung von Leichtigkeit und Eleganz und unterschiedlicher Ähnlichkeit mit alten Kupferstichen, die die Reiter im Balancesitz mit einhändiger Zügelführung ohne Anlehnung zeigen, das Pferd mit dem Genick am höchsten Punkt und in starker Versammlung. Besondere Lektionen sind neben heute noch praktizierten Schulen wie Piaffe, Passage und Seitengängen insbesondere die Kunstgangarten im Galopp (Tummeln, Terre à Terre, Mezair, Courbetten) und die Schulen über der Erde.
Einige moderne Reitlehrer entwickelten auch Nachbildungen der historischen Reitkunstsättel (z. B. Bent Branderup-Sattel, Bückeburger Schulsattel), aber auch der portugiesische "Portuguesa"-Sattel entspricht weitgehend den historischen Vorbildern. Das ausgebildete Pferd trägt eine Kandare mit (19. Jahrhundert) oder ohne (bis 18. Jahrhundert) Unterlegtrense. In der Ausbildung des Pferdes werden auch verschiedene Kappzaum-Varianten eingesetzt. Besonders geeignet für diesen Stil sind vor allem die für diese Reitweise gezüchteten Rassen wie Berber, Andalusier, Lusitanos, Lipizzaner und Knabstrupper, Frederiksborger. Weiterhin werden auch andere Barockpferde wie Friesen, kleine Warmblut-Pferde und andere kurzrückige Pferde mit aufgesetztem Hals, kurzem Rücken und abfallender Kruppe eingesetzt.
Iberische Reitweise
Die iberische Reitweise ist eine sehr alte, von der Iberischen Halbinsel stammende Reitweise, die aus den Anforderungen von Rittern und Kämpfern zu Pferd entstanden ist und sehr viel Wert auf Wendigkeit und besondere Lektionen wie die Schulsprünge legt, die im Kampf nützlich waren. Kennzeichnend für die iberische Reitweise sind der hohe Versammlungsgrad des Pferdes und die Betonung von Wendigkeit und Spurtschnelligkeit.
In der iberischen Reitweise sitzt der Reiter tief im Sattel, der Zügel wird einhändig, aber im leichten Kontakt zum Pferdemaul geführt. Das Pferd soll höchsten Gehorsam und Willigkeit zeigen.
Iberische Sättel sind mit hohen Galerien versehen und oft reichlich verziert. Das ausgebildete Pferd trägt traditionell eine Kandare ohne Unterlegtrense. In der Ausbildung des Pferdes werden auch verschiedene Kappzaum-Varianten eingesetzt, auch die heute umstrittene Serreta, ein mitunter scharfzahniges Naseneisen, das bei Missbrauch bleibende Narben auf dem Nasenrücken des Pferdes hinterlässt.
Besonders geeignet für diesen Stil sind vor allem kompakte Pferde mit kurzem, kräftigem Rücken, die von Natur aus mehr für Wendigkeit als für Schnelligkeit geeignet sind. Neben den für diese Reitweise gezüchteten Rassen wie Andalusier, Lusitanos, Hispano-Araber und Tres Sangres („Dreiblüter“) trifft dies auf viele andere Rassen wie Araber, kompakte Warmblüter und ursprüngliche Ponyrassen zu.
Gardianreitweise
Gardianreitweise ist der Reitstil der Rinderhirten aus der Camargue. Wie in Arbeitsreitweisen üblich, wird einhändig mit Kandare oder Kappzaum geritten. Die Pferde werden durch die Ausbildung reaktionsschnell und wendig. Der Camargue-Sattel hat sehr hohe Zwiesel und ähnelt dem mittelalterlichen Turniersattel. Die Pferde sind mit einem stehenden Martingal ausgestattet. Der typische Camargue-Kappzaum besteht aus einer Fahrradkette und ist deshalb äußerst scharf.
Gangpferdereiten
Als Gangpferde bezeichnet man Pferde, die mehr als die Grundgangarten Schritt, Trab und Galopp zeigen. Dazu zählen der Tölt, Pass, Paso, Foxtrott, Marcha, Walk, Rack und Slow Gait. Daher ist Gangpferdereiten eigentlich keine eigene Reitweise, denn die Gangpferde werden genauso geritten wie dreigängige Pferde. Amerikanische Gangpferde werden im Western- oder in leicht abgewandeltem englischen Stil geritten. Bei den europäischen Rassen herrscht meist die englische Reitweise vor, während südamerikanische Gangpferde in einer abgewandelten iberischen Reitweise präsentiert werden. In der Islandpferdereiterei wird oft ein Sattel gewählt, der das Reitergewicht weiter nach hinten legt als ein normaler Vielseitigkeits- oder Dressursattel.
Leichte Reitweise
Leichte Reitweise bezeichnet eine Methode, die von Ursula Bruns für Freizeitreiter entwickelt wurde. Sie enthält Elemente aus der Western- und anderen Reitweisen und ist besonders geeignet für entspannte Geländeritte. Das Schulungssystem für diese Reitweise erleichtert das Lernen insbesondere für erwachsene oder ängstliche Reitanfänger.
Literatur
- Otto Baron Digeon von Monteton: Über die Reitkunst. Georg Olms Verlag, Hildesheim 1995, ISBN 3-487-08346-9 (unveränd. Nachdr. von „Anglomanie und Reitkunst“ 1877 und „Reiter-Predigten. Ursache und Wirkung“ 1879).
- Daphne Machin Goodall: Weltgeschichte des Pferdes (A history of horse breeding, 1977). Nymphenburger Verlag, München 1984, ISBN 3-485-01784-1.
- Peter Pfister: Ranch-Reiten. Eine alte Reitweise – neu entdeckt. 2. Aufl. Verlag Müller Rüschlikon, Cham 2002, ISBN 3-275-01404-8.
- Marcus Junkelmann: Die Reiter Roms, Bd. 3: Zubehör, Reitweise, Bewaffnung (Kulturgeschichte der antiken Welt; Bd. 53). 4. Aufl. Verlag von Zabern, Mainz 2008, ISBN 978-3-8053-1288-2.
- Sylvia Loch: Dressur. Die Kunst der klassischen Reitweise (Dressage, 1990). Verlag Franckh-Kosmos, Stuttgart 2010, ISBN 978-3-440-11016-4.
Einzelnachweise
- ↑ Regelwerk für den Westernreitsport (PDF; 3,7 MB), EWU, Ausgabe 2011/2012, § 307 Nummer 1
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- Andalusian
- as presented on the German horse fair "Equitana"