Reisen (Birkenau)
Reisen Gemeinde Birkenau | |
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Koordinaten: 49° 34′ 43″ N, 8° 43′ 16″ O | |
Höhe: | 148 m ü. NHN |
Fläche: | 3,34 km²[1] |
Einwohner: | 1112 (31. Dez. 2018)[2] |
Bevölkerungsdichte: | 333 Einwohner/km² |
Eingemeindung: | 31. Dezember 1970 |
Postleitzahl: | 69488 |
Vorwahl: | 06209 |
(c) Schuby, CC-BY-SA-3.0 Blick auf Reisen |
Reisen, vor der Gebietsreform in Hessen postalisch als Reisen (Odenwald) bekannt, ist ein Ortsteil der Gemeinde Birkenau im südhessischen Kreis Bergstraße mit etwa 1100 Einwohnern.
Geographische Lage
Reisen liegt im westlichen Odenwald in der Nähe der Bergstraße. Reisen und die südwestlich angrenzende Kerngemeinde von Birkenau sind deren einzige Ortsteile, die an der Weschnitz liegen. Abseits der Weschnitz, im Südosten der Gemarkung, gehört noch der Weiler Schimbach am gleichnamigen Bach zu Reisen. Westlich von Reisen liegt der Ortsteil Nieder-Liebersbach und südöstlich der Ortsteil Hornbach. Weschnitzaufwärts grenzt der Hauptort der Nachbargemeinde Mörlenbach an.
Geschichte
Überblick
Reisen wurde erstmals am 1. Oktober 877 im Lorscher Codex als Ruzondum erwähnt. Die Schreibweise Rußen datiert aus den Jahren 1398 bis 1400.
Der Ort gehörte zu den Besitzungen des Reichsklosters Lorsch und kam nach dessen Niedergang unter die Herrschaft der Kurpfalz. Während der Reformation wird der Ort vorwiegend evangelisch und am Ende des Dreißigjährigen Kriegs (1648) dürfte der Ort wie Birkenfeld fast menschenleer gewesen sein.
Unter pfälzer Herrschaft gehörte der Ort bis 1803 zum Oberamt Lindenfels und kam dann infolge des Reichsdeputationshauptschlusses, der die Auflösung der Kurpfalz verfügte, nach Hessen. Dort wird er ab 1821 durch den Landratsbezirk Lindenfels verwaltet, wobei die Bürgermeisterei in Ober-Mumbach auch für die Verwaltung von Reisen zuständig ist. Später erhält Reisen eine eigene Bürgermeisterei, die jetzt für die Orte Hornbach und Ober-Mombach sowie den Weiler Schimmbach zuständig ist.
Am 9. April 1848 versammelten sich während der Deutschen Revolution ca. 7.000 Menschen in Reisen, um für Freiheit und Recht zu kämpfen. Heute erinnert ein schlichter Gedenkstein an der Weschnitzbrücke an dieses Ereignis.
Über mehrere Verwaltungsreformen in Hessen gelangt der Ort schließlich 1938 zum heutigen Landkreis Bergstraße. Im Vorfeld der Gebietsreform in Hessen schloss sich die Gemeinde am 31. Dezember 1970 zeitgleich mit Hornbach freiwillig der Gemeinde Birkenau an.
Von den Anfängen bis ins 18. Jahrhundert
Reisen entstand im Gebiet der ehemaligen Mark Heppenheim die ein Verwaltungsbezirk des Frankenreichs bezeichnete. Am 20. Januar 773 schenkte Karl der Große die Stadt Heppenheim nebst dem zugehörigen Bezirk, der ausgedehnten Mark Heppenheim, dem Reichskloster Lorsch. Von hier wurde die Urbarmachung und Besiedlung des Gebietes betrieben. Der Blütezeit des Klosters Lorsch, in dessen Gebiet Reisen lag, folgte im 11. und 12. Jahrhundert sein Niedergang. 1232 wurde Lorsch dem Erzbistum Mainz unterstellt. Nach langen Streitigkeiten konnten sich die Kurpfalz und das Erzbistum Mainz Anfang des 14. Jahrhunderts über das Erbe aus dem Lorscher Abtei einigen und die pfälzer Teile wurden durch die Amtsvogtei Lindenfels verwaltet.
Die früheste bekannte Erwähnung von Reisen erfolgte 877 im Lorscher Codex als Ruzondum, als Liuthar von Hausen dem Kloster Lorsch seine dortigen Güter schenkte. Danach sind mehrere Lehensbriefe und die Genehmigung von Wittum der Pfälzer Kurfürsten auf den Ort erhalten.[3]
Für 1568 ist belegt, dass Reisen zur Zent Waldmichelbach gehört, dessen Zentgericht als Oberhof fungiert. Mit der Niedere Gerichtsbarkeit wurde verschiedene Adelshäuser durch die Pfalzgrafen belehnt.
In den Anfängen der Reformation sympathisierten die pfälzischen Herrscher offen mit dem lutherischen Glauben, aber erst unter Ottheinrich (Kurfürst von 1556 bis 1559) erfolgte der offizielle Übergang zur lutherischen Lehre. Danach wechselten seine Nachfolger und gezwungenermaßen auch die Bevölkerung mehrfach zwischen der lutherischen, reformierten und calvinistischen Religion. Der Ort wird eine Filiale der lutherischen Pfarrei Birkenfeld. In Reisen befanden sich 1613 an Leibeigenen 4 Männer und 4 Frauen sowie 5 Hausgesessene auf 4½ Huben.[4]
Am Ende des Dreißigjährigen Kriegs (1648) dürfte der Ort fast menschenleer gewesen sein. Nach dem verheerenden Krieg betrieb die Kurpfalz auf ihrem Gebiet eine durch religiöse Toleranz geprägte Wiederansiedlungspolitik. Doch die in der unruhigen Folgezeit ausbrechenden Kriege wie der Pfälzische Erbfolgekrieg (1688–1697) und der Spanische Erbfolgekrieg (1701–1714) machte viele der Bemühungen wieder zunichte und Zehntausende Pfälzer emigrierten u. a. nach Nordamerika und Preußen.
Auch in religiöser Hinsicht war die Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg von großer Unruhe geprägt. 1685 starb die reformierte Linie Pfalz-Simmern aus und die katholischen Vettern der Linie Pfalz-Neuburg traten mit Kurfürst Philipp Wilhelm die Regierung in der Kurpfalz an. Dieser ordnete die Gleichstellung des katholischen Glaubens, in der mehrheitlich evangelischen bevölkerten Pfalz, an. Schon während des Pfälzischen Erbfolgekriegs hatte Frankreich versucht, in den eroberten Gebieten die Gegenreformation voranzutreiben, und etliche katholische Pfarreien gegründet. Der Krieg endete 1697 mit dem Frieden von Rijswijk, der die Stellung des zu diesem Zeitpunkt regierenden katholischen Kurfürsten Johann Wilhelm stärkte. Dies führte am 26. Oktober 1698 zum Erlass des Simultaneum. Danach waren die Katholiken berechtigt alle reformierten Einrichtungen wie Kirchen, Schulen und Friedhöfe mitzunutzen, während dies umgekehrt nicht erlaubt wurde. Weiterhin wurde die bis dahin selbständige reformierte Kirchenverwaltung dem Landesherren unterstellt. Erst auf Betreiben Preußens kam es 1705 zur sogenannten Pfälzische Kirchenteilung in der das Simultanum rückgängig gemacht wurde und die Kirchen im Land wurden mitsamt Pfarrhäusern und Schulen zwischen den Reformierten und den Katholiken im Verhältnis fünf zu zwei aufgeteilt. Sonderregelungen gab es für die drei Hauptstädte Heidelberg, Mannheim und Frankenthal sowie die Oberamtsstädte Alzey, Kaiserslautern, Oppenheim, Bacharach und Weinheim. In den Städten mit zwei Kirchen sollte die eine den Protestanten und die andere den Katholiken zufallen; in den anderen, wo nur eine Kirche bestand, der Chor vom Langhaus durch eine Mauer geschieden, und jener den Katholiken, dieses den Protestanten eingeräumt werden. Den Lutheranern wurden nur jene Kirchen zugestanden, die sie im Jahr 1624 besaßen oder danach gebaut hatten.
Bis 1737 unterstand die „Amtsvogtei Lindenfels“ dem Oberamt Heidelberg, danach wurde Lindenfels ein Oberamt in der „Pfalzgrafschaft bei Rhein“ (im „Kurfürstentum Pfalzbayern“ ab 1777). Reisen war innerhalb des Amtes Lindenfels Teil der „Zent-Waldmichelbach“, die jedoch kaum noch eigene Befugnisse hatte.
1784 bestand die Bevölkerung aus 23 Familien mit 100 „Seelen“ und die Gemarkung aus 473 Morgen Äckern, 78 Morgen Wiesen, 6 Morgen Gärten und 255 Morgen Wald; wovon gehörten 172 Morgen zu den Huben und der Rest der Gemeinde sowie dem Grafen von Bretzenheim und dem Freiherrn von Wrede. Daneben gab es 800 Morgen Wald der gemeinschaftlich durch die Zent Wald-Michelbach genutzt wurde. Es gab einen Kurfürstlichen Förster, der sowohl über diese, als auch über alle anderen Waldungen der Zent Wald-Michelbach und der Zent Hammelbach die Aufsicht hatte. Vom Zehnten bezog Zehnten bezogen früher die Landschad zu Steinach, und nach diesen der Freiherr von Wrede zu zwei Drittel, das Kloster Lorsch und nach ihm Kurmainz zu einem Drittel.[4][5]
Vom 19. Jahrhundert bis heute
Das ausgehende 18. und beginnende 19. Jahrhundert brachte Europa weitreichende Änderungen. Infolge der Napoleonischen Kriege wurde das Heilige Römische Reich (Deutscher Nation) durch den Reichsdeputationshauptschluss von 1803 neu geordnet und hörte mit der Niederlegung der Reichskrone am 6. August 1806 auf zu bestehen. Durch diese Neuordnung und Auflösung der Kurpfalz kam das Oberamt Lindenfels und mit ihm Reisen zur Landgrafschaft Hessen-Darmstadt.
Nachdem der Reichsdeputationshauptschluss von 1803 das „Oberamt Lindenfels“ der Landgrafschaft Hessen-Darmstadt zugewiesen hatte, wurde es dort vorerst als hessische Amtsvogtei weitergeführt. Die Landgrafschaft Hessen-Darmstadt ging 1806 in dem unter dem Druck Napoléons zustande gekommenen Großherzogtum Hessen auf, wo der Amtsbereich des „Amts Lindenfels“ 1812 aufgeteilt und Reisen dem „Amt Waldmichelbach“ zugewiesen wurde.[6] Die Übergeordnete Verwaltungsbehörde war der „Regierungsbezirk Darmstadt“ der ab 1803 auch als „Fürstentum Starkenburg“ bezeichnet wurde.[7]
Nach der endgültigen Niederlage Napoléons regelte der Wiener Kongress 1814/15 auch die territorialen Verhältnisse für Hessen, daraufhin wurden 1816 im Großherzogtum Hessen Provinzen gebildet. Dabei wurde das vorher als „Fürstentum Starkenburg“ bezeichnete Gebiet, das aus den südlich des Mains gelegenen alten Hessischen und den ab 1803 hinzugekommenen rechtsrheinischen Territorien bestand, in „Provinz Starkenburg“ umbenannt.
1821 wurden im Rahmen einer umfassenden Verwaltungsreform die Amtsvogteien in den Provinzen Starkenburg und Oberhessen des Großherzogtums aufgelöst und Landratsbezirke eingeführt, wobei Reisen zum Landratsbezirk Lindenfels kam. Im Rahmen dieser Reform wurden auch Landgerichte geschaffen, die jetzt unabhängig von der Verwaltung waren. Deren Gerichtsbezirke entsprachen in ihrem Umfang den Landratsbezirken. Für den Landratsbezirk Lindenfels war das Landgericht Fürth als Gericht erster Instanz zuständig. Diese Reform ordnete auch die Verwaltung auf Gemeindeebene. So war die Bürgermeisterei in Ober-Mumbach auch für Geisenbach, Hornbach, Reisen, Schimbach (heute Weiler der Gemeinde Birkenau) und Vöckelsbach, zuständig. Entsprechend der Gemeindeverordnung vom 30. Juni 1821 gab es keine Einsetzungen von Schultheißen mehr, sondern einen gewählten Ortsvorstand, der sich aus Bürgermeister, Beigeordneten und Gemeinderat zusammensetzte.[8]
1832 wurden die Verwaltungseinheiten weiter vergrößert und es wurden Kreise geschaffen. Nach der am 20. August 1832 bekanntgegebenen Neugliederung sollte es in Süd-Starkenburg künftig nur noch die Kreise Bensheim und Lindenfels geben; der Landratsbezirk von Heppenheim sollte in den Kreis Bensheim fallen. Noch vor dem Inkrafttreten der Verordnung zum 15. Oktober 1832 wurde diese aber dahingehend revidiert, dass statt des Kreises Lindenfels neben dem Kreis Bensheim der Kreis Heppenheim als zweiter Kreis gebildet wurde, zu dem jetzt Reisen gehörte. 1842 wurde das Steuersystem im Großherzogtum reformiert und der Zehnte und die Grundrenten (Einnahmen aus Grundbesitz) wurden durch ein Steuersystem ersetzt, wie es in den Grundzügen heute noch existiert.
Infolge der Märzrevolution 1848 wurden mit dem „Gesetz über die Verhältnisse der Standesherren und adeligen Gerichtsherren“ vom 15. April 1848 die standesherrlichen Sonderrechte endgültig aufgehoben.[9] Darüber hinaus wurden in den Provinzen, die Kreise und die Landratsbezirke des Großherzogtums am 31. Juli 1848 abgeschafft und durch „Regierungsbezirke“ ersetzt, wobei die bisherigen Kreise Bensheim und Heppenheim zum Regierungsbezirk Heppenheim vereinigt wurden. Bereits vier Jahre später, im Laufe der Reaktionsära, kehrte man aber zur Einteilung in Kreise zurück und Reisen wurde Teil des neu geschaffenen Kreises Lindenfels.[10]
Die im Dezember 1852 aufgenommenen Bevölkerungs- und Katasterlisten[11] ergaben für Reisen[12]: Lutherisches und katholisches Filialdorf mit 206 Einwohnern bildet mit Schimbach eine gemeinsame Gemarkung. Diese Gemarkung besteht aus 1338 Morgen, davon 812 Morgen Ackerland, 154 Morgen Wiesen und 333 Morgen Wald.
In den Statistiken des Großherzogtums Hessen werden, bezogen auf Dezember 1867, für das Filialdorf Reisen mit eigener Bürgermeisterei, 32 Häuser, 258 Einwohnern, der Kreis Lindenfels, das Landgericht Fürth, die evangelische reformierte Pfarrei Wald-Michelbach bzw. die lutherische Pfarrei Birkenau des Dekanats Lindenfels und die katholische Pfarrei Birkenau des Dekanats Heppenheim, angegeben. Durch die Bürgermeisterei wurden außerdem der Weiler Geisenbach (5 Häuser, 34 Einw.), die Orte Hornbach (30 Häuser, 195 Einw.), Ober-Mumbach (21 Häuser, 198 Einw.) sowie die Rohrbacher Höhe (ein Haus, 4 Einw.) und der Weiler Schimmbach (4 Häuser, 45 Einw.) verwaltet.[13]
Nachdem das Großherzogtum Hessen ab 1871 Teil des Deutschen Reiches war, wurden 1874 eine Reihe von Verwaltungsreformen beschlossen. So wurden die landesständige Geschäftsordnung sowie die Verwaltung der Kreise und Provinzen durch Kreis- und Provinzialtage geregelt. Die Neuregelung trat am 12. Juli 1874 in Kraft und verfügte auch die Auflösung der Kreise Lindenfels und Wimpfen und die Wiedereingliederung von Reisen in den Kreis Heppenheim.[14]
Die hessischen Provinzen Starkenburg, Rheinhessen und Oberhessen wurden 1937 nach der 1936 erfolgten Auflösung der Provinzial- und Kreistage aufgehoben. Zum 1. November 1938 trat dann eine umfassende Gebietsreform auf Kreisebene in Kraft. In der ehemaligen Provinz Starkenburg war der Kreis Bensheim besonders betroffen, da er aufgelöst und zum größten Teil dem Kreis Heppenheim zugeschlagen wurde. Der Kreis Heppenheim übernahm auch die Rechtsnachfolge des Kreises Bensheim und erhielt den neuen Namen Landkreis Bergstraße.[15][1]
Das Großherzogtum Hessen war von 1815 bis 1866 ein Mitgliedsstaat des Deutschen Bundes und danach ein Bundesstaat des Deutschen Reiches. Es bestand bis 1919, nach dem Ersten Weltkrieg wurde das Großherzogtum zum republikanisch verfassten Volksstaat Hessen. 1945 nach Ende des Zweiten Weltkriegs befand sich das Gebiet des heutigen Hessen in der amerikanischen Besatzungszone und durch Weisung der Militärregierung entstand Groß-Hessen, aus dem das Bundesland Hessen in seinen heutigen Grenzen hervorging.
Im Jahr 1961 wurde die Gemarkungsgröße mit 334 ha angegeben, davon waren 57 ha Wald.[1]
Im Zuge der Gebietsreform in Hessen schloss sich die Gemeinde am 31. Dezember 1970 zeitgleich mit Hornbach freiwillig der Gemeinde Birkenau an.[16][17] Für Reisen wurde ein Ortsbezirk mit Ortsbeirat und Ortsvorsteher eingerichtet.[18]
Gerichtszugehörigkeit in Hessen
In der Landgrafschaft Hessen-Darmstadt wurde mit Ausführungsverordnung vom 9. Dezember 1803 das Gerichtswesen neu organisiert. Für das Fürstentum Starkenburg wurde das „Hofgericht Darmstadt“ als Gericht der zweiten Instanz eingerichtet. Die Rechtsprechung der ersten Instanz wurde durch die Ämter bzw. Standesherren vorgenommen. Für Reisen war damit das Amt Lindenfels zuständig. Die Gerichtsbarkeit des Amtes Lindenfels ging 1813 an das neue Justizamt in Fürth über.
Mit Bildung der Landgerichte im Großherzogtum Hessen war ab 1821 das Landgericht Fürth das Gericht erster Instanz. Anlässlich der Einführung des Gerichtsverfassungsgesetzes mit Wirkung vom 1. Oktober 1879, infolgedessen die bisherigen großherzoglich hessischen Landgerichte durch Amtsgerichte an gleicher Stelle ersetzt wurden, während die neu geschaffenen Landgerichte nun als Obergerichte fungierten, kam es zur Umbenennung in Amtsgericht Fürth und Zuteilung zum Bezirk des Landgerichts Darmstadt[19].
Historische Beschreibungen
Im Versuch einer vollständigen Geographisch-Historischen Beschreibung der Kurfürstl. Pfalz am Rheine findet sich 1786 über Reisen:
»Reissen. Ist vier Stunden von Lindenfels südwestwärtS entfernt, und hat zu Nachbaren gegen Ost gedachtes Ober-Mumbach; gegen Süd Hornbach und Birkenau; gegen West Liebersbach; gegen Norden Mörlenbach, beide Mainzisch. In der Bestättigungsurkunde K. Heinrichs II. über die Einrichtung des Klösterleins auf dem Abrinsberg im J. 1023 wird dieses Dorf Eressam und in Beschreibung der Huben des Klosters Lorsch Ersam genennet. In dem alten Zinsbuche aber heiset es Rüssen. Durch das Dorf laufet die Weschniz. Oben an dem Orte fällt die Bettenbach, unterhalb aber die von Schimbach kommende Euterbach hinein. An dem Dorfe gehet die von Lindenfels nach Weinheim führende Landstraße vorbei. [...] Unter den Feldgründen ist auch ein Hofgut begriffen, so vorhin die Ulner von Dieburg, dermalen aber der Graf von Brezenheim als ein Pfälzisches Lehen beziehet. [...] Schimbach, ist ein Weiler, eine halbe Stunde Von Reißen südwärts entlegen, der in allem 175 M. Landes enthält, und mit obgedachtem Dorfe einerlei Beschaffenheit hat.«[4]
Die Statistisch-topographisch-historische Beschreibung des Großherzogthums Hessen berichtet 1829 über Reisen:
»Reissen (L. Bez. Lindenfels) luth. und kath. Filialdorf; liegt 3 St. von Lindenfels auf beiden Seiten der Weschnitz, hat 32 Häuser und 178 Einw., unter welchen 107 Luth. 30 Kath. und 41 Reform. sind; sowie 1 Gypsmühle - In einer Urkunde Kaiser Heinrichs II. von 1023 wird der Ort Eressam und in dem Zinsbuch von 1369 Russen genannt. Reissen kam 1802 von Churpfalz an Hessen.«[20]
Im Neuestes und gründlichstes alphabetisches Lexicon der sämmtlichen Ortschaften der deutschen Bundesstaaten von 1845 heißt es:
»Reissen b. Lindenfels. – Dorf, zur evang., resp. kathol. Pfarrei Birkenau gehörig. – 32 H. 178 (meistens luther.) Einw. – Großherzogthum Hessen. – Prov. Starkenburg. – Kreis Heppenheim. – Landger. Fürth. – Hofgericht Darmstadt. – Das Dorf Reissen, auf beiden Seiten der Weschnitz gelegen, hat 1 Gipsmühe. - Es ist im Jahre 1802 von Churpfalz an Hessen übergegangen.«[21]
Regional- und Verwaltungsgeschichte im Überblick
Die folgende Liste zeigt die Regionen, vom Heiligen Römischen Reich bis zur Bundesrepublik Deutschland, in denen Reisen lag, sowie die Verwaltungseinheiten, denen es unterstand:[1][22][23]
- vor 1737: Heiliges Römisches Reich, Kurfürstentum Pfalzbayern, Pfalzgrafschaft bei Rhein, Oberamt Heidelberg, Amt Lindenfels Zent Waldmichelbach
- ab 1737: Heiliges Römisches Reich, Kurfürstentum Pfalzbayern, Pfalzgrafschaft bei Rhein, Oberamt Lindenfels, Zent Waldmichelbach
- ab 1803: Heiliges Römisches Reich, Landgrafschaft Hessen-Darmstadt (durch Reichsdeputationshauptschluss), Fürstentum Starkenburg, Amt Lindenfels
- ab 1806: Großherzogtum Hessen, Fürstentum Starkenburg, Amt Lindenfels[24]
- ab 1812: Großherzogtum Hessen, Fürstentum Starkenburg, Amt Waldmichelbach
- ab 1815: Deutscher Bund (bis 1866), Großherzogtum Hessen, Provinz Starkenburg, Amt Waldmichelbach
- ab 1821: Großherzogtum Hessen, Provinz Starkenburg, Landratsbezirk Lindenfels[Anm. 1]
- ab 1832: Großherzogtum Hessen, Provinz Starkenburg, Kreis Heppenheim
- ab 1848: Großherzogtum Hessen, Regierungsbezirk Heppenheim
- ab 1852: Großherzogtum Hessen, Provinz Starkenburg, Kreis Lindenfels
- ab 1871: Deutsches Reich, Großherzogtum Hessen, Provinz Starkenburg, Kreis Lindenfels
- ab 1874: Deutsches Reich, Großherzogtum Hessen, Provinz Starkenburg, Kreis Heppenheim
- ab 1918: Deutsches Reich, Volksstaat Hessen, Provinz Starkenburg, Kreis Heppenheim
- ab 1938: Deutsches Reich, Volksstaat Hessen, Landkreis Bergstraße[Anm. 2]
- ab 1945: Amerikanische Besatzungszone, Groß-Hessen, Regierungsbezirk Darmstadt, Landkreis Bergstraße
- ab 1946: Amerikanische Besatzungszone, Land Hessen, Regierungsbezirk Darmstadt, Landkreis Bergstraße
- ab 1949: Bundesrepublik Deutschland, Land Hessen, Regierungsbezirk Darmstadt, Landkreis Bergstraße
- am 31. Dezember 1970 zur Gemeinde Birkenau
Bevölkerung
Einwohnerstruktur 2011
Nach den Erhebungen des Zensus 2011 lebten am Stichtag dem 9. Mai 2011 in Reisen 1212 Einwohner. Darunter waren 96 (7,9 %) Ausländer. Nach dem Lebensalter waren 240 Einwohner unter 18 Jahren, 501 waren zwischen 18 und 49, 225 zwischen 50 und 64 und 243 Einwohner waren älter.[25] Die Einwohner lebten in 489 Haushalten. Davon waren 126 Singlehaushalte, 141 Paare ohne Kinder und 171 Paare mit Kindern, sowie 45 Alleinerziehende und 6 Wohngemeinschaften. In nnn Haushalten lebten ausschließlich Senioren und in nnn Haushaltungen lebten keine Senioren.[25]
Einwohnerentwicklung
• 1784: | 100 Seelen, 23 Familien[4] |
• 1806: | 121 Einwohner[24] |
• 1829: | 178 Einwohner, 32 Häuser[20] |
• 1867: | 258 Einwohner, 32 Häuser[26] |
Reisen: Einwohnerzahlen von 1784 bis 2018 | ||||
---|---|---|---|---|
Jahr | Einwohner | |||
1784 | 100 | |||
1829 | 178 | |||
1834 | 223 | |||
1840 | 239 | |||
1846 | 260 | |||
1852 | 289 | |||
1858 | 279 | |||
1864 | 279 | |||
1871 | 296 | |||
1875 | 292 | |||
1885 | 296 | |||
1895 | 320 | |||
1905 | 393 | |||
1910 | 408 | |||
1925 | 427 | |||
1939 | 437 | |||
1946 | 631 | |||
1950 | 600 | |||
1956 | 687 | |||
1961 | 835 | |||
1967 | 957 | |||
1970 | 1.070 | |||
1980 | ? | |||
1990 | ? | |||
2000 | ? | |||
2005 | 1.234 | |||
2011 | 1.212 | |||
2015 | 1.175 | |||
2018 | 1.112 | |||
Datenquelle: Historisches Gemeindeverzeichnis für Hessen: Die Bevölkerung der Gemeinden 1834 bis 1967. Wiesbaden: Hessisches Statistisches Landesamt, 1968. Weitere Quellen: LAGIS:[1]; Gemeinde Birkenauf[27][2]; Zensus 2011[25] |
Religionszugehörigkeit
• 1829: | 107 lutheranische (= 60,11 %), 41 reformierte (= 23,03 %) und 30 katholische (= 16,86 %) Einwohner[20] |
• 1961: | 581 evangelische (= 69,58 %), 224 katholische (= 26,83 %) Einwohner[1] |
Politik
Ortsbeirat
Nach der Hauptsatzung der Gemeinde Birkenau besteht der Ortsbeirat für den Ortsbezirk Reisen aus acht Mitgliedern. Die Sitzverteilung nach dem Ergebnis der Kommunalwahl vom 14. März 2021 ist aus dem nebenstehenden Diagramm ersichtlich.[28]
Ortsvorsteher ist Jörg Lieb (SPD).
Wappen
Blasonierung: „In der Mitte des von Silber und Blau gerauteten Schildes aufgelegt eine große goldene Herzraute mit roter Fischreuse.“[29]
Das Wappen wurde der Gemeinde Reisen am 6. Juli 1962 durch den Hessischen Innenminister genehmigt. Gestaltet wurde es durch den Bad Nauheimer Heraldiker Heinz Ritt.
Die Rauten stammen aus dem Wappen der Kurpfalz, zu der Reisen früher gehörte. Die Fischreuse ist ein redendes Wappen (Reuse = Reisen).
Verkehr
Für den Straßenverkehr ist Reisen durch mehrere Kreisstraßen erschlossen. Die K 12 führt in die Kerngemeinde und in der Gegenrichtung nach Nieder-Mumbach, Ober-Mumbach und Vöckelsbach. Die K 209 führt nach Schimbach und endet dort. Die K 13 hat Hornbach als Endpunkt.
Reisen hat Anschluss an die Weschnitztalbahn, welche von Weinheim nach Fürth im Odenwald führt.
Die Bundesstraße 38 führte durch Reisen, bis 1999 westlich der Gemarkung eine Umgehungsstraße zum Saukopftunnel fertiggestellt wurde. Seitdem gibt es nördlich von Reisen einen Anschluss an die Bundesstraße.
Literatur
- Johann Goswin Widder: Versuch einer vollständigen Geographisch-Historischen Beschreibung der Kurfürstl. Pfalz am Rheine. Band 1, Leipzig 1786–1788. (Online bei Hathi Trust, digital library)
- Georg W. Wagner: Statistisch-topographisch-historische Beschreibung des Großherzogthums Hessen: Provinz Starkenburg, Band 1. Oktober 1829.
- Christoph Friedrich Moritz Ludwig Marchand: Lindenfels. Ein Beitrag zur Ortsgeschichte des Großherzogthums Hessen. Darmstadt 1858 (Online bei google books).
- Philipp Alexander Ferdinand Walther: Das Großherzogthum Hessen nach Geschichte, Land, Volk, Staat und Oertlichkeit. Jonghans, Darmstadt 1854. (Online bei google books)
- Literatur über Reisen nach Register nach GND In: Hessische Bibliographie
Weblinks
- Ortsteil Reisen. In: Webauftritt. Gemeinde Birkenau
- Reisen, Landkreis Bergstraße. Historisches Ortslexikon für Hessen. In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
Anmerkungen und Einzelnachweise
Anmerkungen
- ↑ Trennung zwischen Justiz (Landgericht Fürth) und Verwaltung.
- ↑ Im Zuge der Gebietsreform 1938 wurden die Provinz Starkenburg aufgelöst.
Einzelnachweise
- ↑ a b c d e f Reisen, Landkreis Bergstraße. Historisches Ortslexikon für Hessen. (Stand: 24. Mai 2015). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
- ↑ a b Einwohnerentwicklung in den Ortsteilen. (Nicht mehr online verfügbar.) In: Webauftritt. Gemeinde Birkenau, archiviert vom Original am 5. Januar 2020; abgerufen im Januar 2020.
- ↑ Wilhelm Müller: Hessisches Ortsnamensbuch: Starkenburg. Hrsg.: Historische Kommission für den Volksstaat Hessen. Band 1. Selbstverlag, Darmstadt 1937, DNB 366995820, OCLC 614375103, S. 583 f.
- ↑ a b c d Johann Goswin Widder: Versuch einer vollständigen Geographisch-Historischen Beschreibung der Kurfürstl. Pfalz am Rheine. Erster Theil. Frankfurt und Leipzig 1786, OCLC 1067855437, S. 519, 7) Reissen (Online bei googe books).
- ↑ Christoph Friedrich Moritz Ludwig Marchand: Lindenfels. Ein Beitrag zur Ortsgeschichte des Großherzogthums Hessen. Darmstadt 1858, S. 51 f. (Online bei google books).
- ↑ Johann Konrad Dahl: Historisch-topographisch-statistische Beschreibung des Fürstenthums Lorsch oder Kirchengeschichte des Oberrheingaues. Darmstadt 1812, OCLC 162251605, S. 248 (Online bei google books).
- ↑ Heinrich Karl Wilhelm Berghaus: Deutschland seit hundert Jahren: Abth. Deutschland vor fünfzig Jahren. Band 3. Voigt & Günther, Leipzig 1862, OCLC 311428620, S. 358 ff. (Online bei google books).
- ↑ M. Borchmann, D. Breithaupt, G. Kaiser: Kommunalrecht in Hessen. W. Kohlhammer Verlag, 2006, ISBN 3-555-01352-1, S. 20 (Teilansicht bei google books).
- ↑ Gesetz über die Verhältnisse der Standesherren und adeligen Gerichtsherren vom 7. August 1848. In: Großherzog von Hessen (Hrsg.): Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt. 1848 Nr. 40, S. 237–241 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 42,9 MB]).
- ↑ Verordnung, die Eintheilung des Großherzogtums in Kreise Betreffend vom 12. Mai 1852. In: Großherzoglich Hessisches Ministerium des Inneren (Hrsg.): Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt 1852 Nr. 30. S. 224–229 (Online bei der Bayerischen Staatsbibliothek digital [PDF]).
- ↑ Wolfgang Torge: Geschichte der Geodäsie in Deutschland. Walter de Gruyter, Berlin, New York 2007, ISBN 978-3-11-019056-4, S. 172 (Teilansicht bei google books).
- ↑ Ph. A. F. Walther: Das Großherzogthum Hessen: nach Geschichte, Land, Volk, Staat und Oertlichkeit. G. Jonghaus, Darmstadt 1854, DNB 730150224, OCLC 866461332, S. 349 (Online bei google books).
- ↑ Ph. A. F. Walther: Alphabetisches Verzeichniss der Wohnplätze im Grossherzogtum Hessen. G. Jonghaus, Darmstadt 1869, OCLC 162355422, S. 66 (Online bei google books).
- ↑ Martin Kukowski: Hessisches Staatsarchiv Darmstadt: Überlieferung aus dem ehemaligen Grossherzogtum und dem Volksstaat Hessen. Band 3, K.G. Saur, 1998, ISBN 3-598-23252-7
- ↑ Schlagzeilen aus Bensheim zum 175-jährigen Bestehen des „Bergsträßer Anzeigers“. (PDF; 9,0 MB) Die Entstehung des Kreises Bergstraße. 2007, S. 109, archiviert vom Original am 5. Oktober 2016; abgerufen am 9. Februar 2015.
- ↑ Eingliederung von Gemeinden in die Gemeinde Birkenau, Landkreis Bergstraße vom 7. Januar 1971. In: Der Hessische Minister des Inneren (Hrsg.): Staatsanzeiger für das Land Hessen. 1971 Nr. 4, S. 142, Punkt 178 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 6,3 MB]).
- ↑ Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Historisches Gemeindeverzeichnis für die Bundesrepublik Deutschland. Namens-, Grenz- und Schlüsselnummernänderungen bei Gemeinden, Kreisen und Regierungsbezirken vom 27.5.1970 bis 31.12.1982. W. Kohlhammer, Stuttgart/Mainz 1983, ISBN 3-17-003263-1, S. 348.
- ↑ Hauptsatzung. (PDF; KK kB) § 6. In: Webauftritt. Gemeinde Birkebau, abgerufen im Februar 2019.
- ↑ Verordnung zur Ausführung des Deutschen Gerichtsverfassungsgesetzes und des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetze vom 14. Mai 1879. In: Großherzog von Hessen und bei Rhein (Hrsg.): Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt. 1879 Nr. 15, S. 197–211 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 17,8 MB]).
- ↑ a b c Georg Wilhelm Justin Wagner: Statistisch-topographisch-historische Beschreibung des Großherzogthums Hessen: Provinz Starkenburg. Band 1. Carl Wilhelm Leske, Darmstadt Oktober 1829, OCLC 312528080, S. 406 (Online bei google books).
- ↑ Johann Friedrich Kratzsch: Neuestes und gründlichstes alphabetisches Lexicon der sämmtlichen Ortschaften der deutschen Bundesstaaten. Teil 2. Band 2. Zimmermann, Naumburg 1845, OCLC 162810705, S. 273, [Reissen] (Online bei google books).
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- ↑ a b c Ausgewählte Daten über Bevölkerung und Haushalte am 9. Mai 2011 in den hessischen Gemeinden und Gemeindeteilen. (PDF; 1,8 MB) In: Zensus 2011. Hessisches Statistisches Landesamt, S. 8 und 62 .
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Ein Gedenkstein erinnert an die Große Volksversammlung von 1848 in Reisen