Reinhold Mitterlehner

Reinhold Mitterlehner (2019)

Reinhold Mitterlehner (* 10. Dezember 1955 in Helfenberg, Oberösterreich) ist ein ehemaliger österreichischer Politiker (ÖVP), der von 2014 bis 2017 als Vizekanzler der Republik Österreich amtierte. Von 2008 bis 2017 war er Wirtschaftsminister und ab 2013 auch für die Bereiche Wissenschaft und Forschung zuständig. Nach dem Rücktritt des damaligen Bundeskanzlers Werner Faymann übte Mitterlehner vom 9. bis zum 17. Mai 2016 bis zur Angelobung Christian Kerns interimistisch die Geschäfte des Regierungschefs aus.

Von 2014 bis zu seinem Rücktritt im Mai 2017 war er Bundesparteiobmann der ÖVP. Zwischen 2002 und 2017 war er Bezirksparteiobmann der ÖVP in seinem Heimatbezirk Rohrbach. Seit 2017 ist er selbständiger Unternehmensberater.

Ausbildung und Beruf

Reinhold Mitterlehner wuchs in Ahorn auf,[1] besuchte von 1962 bis 1966 die Volksschule in Helfenberg und wechselte im Anschluss an das Realgymnasium in Rohrbach, an dem er 1974 die Matura ablegte. Danach leistete Mitterlehner von 1974 bis 1975 den Präsenzdienst ab und begann 1974 ein Studium der Rechtswissenschaften an der Johannes Kepler Universität Linz. 1980 schloss Mitterlehner sein Studium mit dem akademischen Grad Dr. iur. ab. 1990 absolvierte er den Post-Graduate-Lehrgang für Verbandsmanagement in Freiburg im Üechtland.

Nach dem Abschluss seines Studiums absolvierte Mitterlehner 1980 sein Gerichtspraktikum in Linz und war danach zwischen 1980 und 1992 in der Wirtschaftskammer Oberösterreich als Abteilungsleiter im Marketing beschäftigt. Von 1992 bis 2000 war er Geschäftsführer des Österreichischen Wirtschaftsbundes. Von 2000 bis 2008 war er Generalsekretär-Stellvertreter der Wirtschaftskammer Österreich.

Im September 2017 startete Mitterlehner sein eigenes Unternehmen. Gemäß Gesellschaftsvertrag bietet Mitterlehner „Unternehmensberatung, Strategieberatung und Internationalisierungsberatung“ an. Seit Ende 2017 ist er Mitglied des Aufsichtsrates der Oberösterreichischen Versicherung[2][3] und seit 2019 als Nachfolger von Leo Windtner Aufsichtsratspräsident.[4]

Ende Juni 2018 wurde er als Nachfolger von Karlheinz Töchterle zum Präsidenten der Österreichischen Forschungsgemeinschaft (ÖFG) gewählt.[5]

Politik

Mitterlehner war zwischen 1991 und 1997 Mitglied des Gemeinderates von Ahorn und wurde 2002 zum Bezirksparteiobmann der ÖVP Rohrbach gewählt.

Mitterlehner war seit dem 8. Februar 2000 Abgeordneter zum Österreichischen Nationalrat und seit 2001 mit einer Unterbrechung Obmann des parlamentarischen Wirtschaftsausschusses.

Am 24. November 2008 wurde Mitterlehner vom damals geschäftsführenden ÖVP-Parteiobmann Josef Pröll als zukünftiger Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend präsentiert und am 2. Dezember 2008 zusammen mit den anderen Mitgliedern der Bundesregierung Faymann I angelobt. Nach den Wahlen im September 2013 wurde Mitterlehner am 16. Dezember 2013 von Bundespräsident Heinz Fischer erneut als Bundesminister angelobt. In der Bundesregierung Faymann II kam zu den Wirtschaftsagenden Mitterlehners das Ressort Wissenschaft und Forschung. Für die Familienagenden wurde ein eigenes Ministerium unter Familienministerin Sophie Karmasin eingerichtet.[6]

Nach dem überraschenden Rücktritt Michael Spindeleggers als Finanzminister, Vizekanzler und ÖVP-Obmann am 26. August 2014 wurde Mitterlehner noch am selben Tag einstimmig zum Bundesparteiobmann der Österreichischen Volkspartei und als Vizekanzler designiert. Am 1. September 2014 wurde er als Vizekanzler angelobt und am 8. November am ÖVP-Bundesparteitag mit 99,1 Prozent der Delegiertenstimmen zum Bundesparteiobmann der ÖVP gewählt.[7]

Am 10. Mai 2017 gab Mitterlehner bekannt, sowohl als Bundesparteiobmann der ÖVP wie auch von seinen Ämtern als Minister und Vizekanzler zurückzutreten. Als Termin nannte er den 15. Mai 2017.[8] Sein Nachfolger als zunächst designierter ÖVP-Obmann wurde am 14. Mai 2017 Außenminister Sebastian Kurz, der umgehend Neuwahlen forderte, es aber ablehnte, in der Regierung das Amt des Vizekanzlers zu übernehmen. Nach einem Gespräch mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen sagte Mitterlehner am 15. Mai 2017 zu, vorerst seine Regierungsämter weiter auszuüben, bis die Nachfolge in der Bundesregierung geklärt sei. Am 17. Mai 2017 wurde Justizminister Wolfgang Brandstetter als Nachfolger Mitterlehners als Vizekanzler angelobt. Der damalige Staatssekretär Harald Mahrer übernahm die Wirtschafts-, Wissenschafts- und Forschungsagenden.

In seinem Buch Haltung (2019) schrieb Mitterlehner von Intrigen, Mobbing und erfundenen Geschichten, die Kurz und dessen Mitarbeiter lanciert hätten, da er (Mitterlehner) sich geweigert habe, die Große Koalition aufzukündigen.[9]

Politische Ansichten

Gesellschaftspolitik

Mitterlehner hat für einen Obmann der ÖVP laut Medien und Analysten ungewöhnlich liberale Ansichten, die ihn auffällig von seinem Vorgänger Spindelegger unterscheiden. Er startete kurz nach seinem Antritt einen breit angelegten Liberalisierungs- und Modernisierungsprozess in seiner Partei, auch angesichts des Konkurrenzdruckes der neuen bürgerlich-liberalen Partei der NEOS. Die ÖVP soll „jünger und weiblicher“ werden, bspw. mit einem „Reißverschlusssystem“ für Frauen auf Listenplätzen. Gegen großen Widerstand der katholischen Kirche und des christlich-konservativen Flügels setzte er im Jänner 2015 die Präimplantationsdiagnostik und die künstliche Befruchtung für homosexuelle Paare im Nationalrat durch. Auch mit Aussagen sorgte Mitterlehner für Aufsehen: So bezeichnete er Österreich im Rahmen einer Klubtagung der ÖVP im Jänner 2015 als „säkulare und multikulturelle Gesellschaft“, und der Islam sei ein Teil dessen, wobei sich Mitterlehner zugleich vom politischen Islamismus abgrenzte. Eine Diskussion über die Fristenlösung will Mitterlehner gar nicht mehr führen, er bezeichnet diese Thematik in einem Interview mit der bürgerlichen Tageszeitung Die Presse als „europaweit erledigt“. Zur katholischen Kirche geht er auf Distanz: Er sei zwar „aktiver Christ“, aber die ÖVP sei keine „Filiale der Amtskirche“. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger will Mitterlehner auch über andere Variationen der Schulen jenseits des Gymnasiums – wie etwa die Gesamtschule – reden, einen völligen Kurswechsel hin zur Gesamtschule gebe es aber auch unter ihm nicht.[10][11][12][13][14][15]

Gesundheitspolitik

Nach langem Widerstand des Wirtschaftsbundes gegen ein Rauchverbot im gastronomischen Bereich unterstützte Mitterlehner 2015 als erster Parteiobmann der ÖVP ein generelles Rauchverbot. Nach einer Novellierung des Tabakgesetzes sollte ein solches Verbot ab Mai 2018 in Kraft treten.[16] Allerdings wurde das bereits beschlossene Rauchverbot in der Gastronomie kurz vor dem geplanten Inkrafttreten von der nachfolgenden ÖVP-FPÖ-Bundesregierung wieder gestoppt.[17] Am 1. November 2019 trat das Rauchverbot in der Gastronomie aufgrund eines neuerlichen Nationalratsbeschlusses dann doch in Kraft.[18]

Privates

Mitterlehner ist Mitglied der Katholischen akademischen Verbindung Austro-Danubia Linz (Couleurname Django) im ÖCV sowie der MKV Verbindung K.Ö.St.V. Mühlgau Rohrbach.[19]

Der Bankmanager Andreas Mitterlehner war sein Bruder.

Publikationen

  • 2019: Haltung: Flagge zeigen in Leben und Politik, Ecowin / Benevento Publishing, Elsbethen bei Salzburg 2019, ISBN 978-3-7110-0239-6[20]

Ehrungen und Auszeichnungen

Negativpreise:

Commons: Reinhold Mitterlehner – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

  1. „Kein Weiterwurschteln“ – Mitterlehner droht mit Koalitionsende. In: Oberösterreichische Nachrichten. 30. September 2015, abgerufen am 30. September 2015.
  2. Kurier: Mitterlehner wird Aufsichtsrats-Chef der OÖ Versicherung. Artikel vom 1. Februar 2019, abgerufen am 2. Februar 2019.
  3. Wiener Zeitung: Mitterlehner wird Aufsichtschef in OÖ-Versicherung. Artikel vom 1. Februar 2019, abgerufen am 2. Februar 2019.
  4. In Oberösterreich: Aufsichtsratsjob für Ex-Vizekanzler Mitterlehner. Abgerufen am 25. Juni 2019.
  5. Reinhold Mitterlehner zum neuen Präsidenten der Österreichischen Forschungsgemeinschaft gewählt. OTS-Meldung vom 3. Juli 2018, abgerufen am 3. Juli 2018.
  6. Mitterlehner bei Amtsübergabe: Wissenschaft und Forschung stärken, neue Chancen ausloten. APA-OTS, 16. Dezember 2014, abgerufen am 10. Januar 2015.
  7. Hellin Sapinski: „Rekord“: Mitterlehner mit 99,1 Prozent neuer ÖVP-Chef. DiePresse.com, 8. November 2014, abgerufen am 10. Januar 2015.
  8. Salzburger Nachrichten: [1], 10. Mai 2017
  9. Natascha Strobl: Radikalisierter Konservatismus. Eine Analyse. Suhrkamp, Berlin 2021, ISBN 978-3-518-12782-7, S. 36
  10. Oliver Pink: Mitterlehners Neo-Partei. In: Die Presse. 10. Mai 2015, abgerufen am 11. Juni 2015.
  11. Dietmar Neuwirth: ÖVP – Kirche: Eine schwierige Dauerbeziehung. In: Die Presse. 12. Februar 2015, abgerufen am 11. Juni 2015.
  12. Ronald Posch: ÖVP-Klausur: „Der Islam ist Teil unserer Gesellschaft“. In: Die Presse. 19. Januar 2015, abgerufen am 11. Juni 2015.
  13. Oliver Pink: Mitterlehner: „SPÖ schaut halt nicht zu, wie wir uns profilieren“. In: Die Presse. 11. Februar 2015, abgerufen am 11. Juni 2015.
  14. Gesamtschule: Mitterlehner will „Diskurs in andere Richtung bewegen“. In: Tiroler Tageszeitung Onlineausgabe. 9. Dezember 2014, abgerufen am 8. März 2020.
  15. Gernot Bauer: ÖVP: Konservativer Widerstand gegen Mitterlehners liberalen Kurs. In: Profil. 14. Januar 2015, abgerufen am 11. Juni 2015.
  16. Rauchverbot in Gastronomie ab Mai 2018. In: DiePresse.com. 10. April 2015, abgerufen am 11. Juni 2015.
  17. Aufhebung des Rauchverbots beschlossen. In: profil.at. 22. März 2018 (profil.at [abgerufen am 14. November 2018]).
  18. Nationalrat fixiert Rauchverbot in der Gastronomie ab November 2019. Abgerufen am 21. September 2019.
  19. Dietmar Mascher: Django ist in Rohrbach tief verwurzelt. In: Oberösterreichische Nachrichten. 28. August 2014, abgerufen am 29. Mai 2017.
  20. Haltung. Abgerufen am 17. April 2019.
  21. Aufstellung aller durch den Bundespräsidenten verliehenen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich ab 1952 (PDF; 6,9 MB).
  22. Erlass des Präsidenten der Russischen Föderation vom 29. Januar 2016 N 29 „Über die Auszeichnung mit den staatlichen Auszeichnungen der Russischen Föderation“ (russisch)
  23. Rosa „Handtaschl“ geht an Wirtschaftsminister. In: derstandard.at vom 1. Februar 2009, abgerufen am 21. April 2017.

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Wappen der Republik Österreich: Nicht gesetzeskonforme Version des österreichischen Bundeswappens, umgangssprachlich „Bundesadler“, in Anlehnung an die heraldische Beschreibung des Art. 8a Abs. 3 Bundes-Verfassungsgesetz mit zwar nach Wappengesetz detailliertem, aber schwarzem statt grauem Gefieder, mit zu grellem Gelb sowie mit inkorrekter Darstellung des Bindenschilds, da die weiße Binde zu breit und der untere rote Balken zu schmal sowie der Spitz, statt halbrund zu sein, zu flach gerundet ist:

Das ursprüngliche Staatswappen wurde in der ersten Republik Österreich im Jahr 1919 eingeführt. Im austrofaschistischen Ständestaat wurde es im Jahr 1934 wieder abgeschafft und, im Rückgriff auf die österreichisch-ungarische Monarchie, durch einen Doppeladler ersetzt. In der wiedererstandenen (zweiten) Republik im Jahr 1945 wurde das Bundeswappen mit dem Wappengesetz in der Fassung StGBl. Nr. 7/1945 in modifizierter Form wieder eingeführt. Der Wappenadler versinnbildlicht, diesem Gesetzestext entsprechend (Art. 1 Abs. 1), „die Zusammenarbeit der wichtigsten werktätigen Schichten: der Arbeiterschaft durch das Symbol des Hammers, der Bauernschaft durch das Symbol der Sichel und des Bürgertums durch das Symbol der den Adlerkopf schmückenden Stadtmauerkrone […]. Dieses Wappen wird zur Erinnerung an die Wiedererringung der Unabhängigkeit Österreichs und den Wiederaufbau des Staatswesens im Jahre 1945 dadurch ergänzt, dass eine gesprengte Eisenkette die beiden Fänge des Adlers umschließt.“

Mit dem Bundesverfassungsgesetz vom 1. Juli 1981, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 geändert wird, BGBl. Nr. 350/1981, wurden die Wappengesetze von 1919 und 1945 außer Kraft gesetzt und dem Text des Bundes-Verfassungsgesetzes mit Artikel 8a B-VG eine Verfassungsbestimmung über die Farben, die Flagge und das Wappen der Republik Österreich hinzugefügt. Mit der Neuverlautbarung des Wappengesetzes mit BGBl. Nr. 159/1984 in § 1 in der grafischen Umsetzung der Anlage 1 wurde das Bundeswappen in seiner aktuellen Version eingeführt.