Regenbogenfabrik Berlin

Zugang zur Regenbogenfabrik

Die Regenbogenfabrik Berlin ist ein Alternativprojekt der Hausbesetzer der 1980er-Jahre: Hostel, Fahrradwerkstatt, Tischlerei, Kino, Küche & Kantine und der Kinderhort umschreiben die Arbeitsbereiche. Schon bald nach der Legalisierung hat sich die Regenbogenfabrik in Berlin-Kreuzberg als „Kinder-, Kultur und Nachbarschaftszentrum“[1] etabliert. Gelände und Gebäude der Regenbogenfabrik umfassen heute ca. 1.300 m² Nutzfläche und 900 m² Freifläche und befinden sich im Hof der Lausitzer Straße 22 in der Nähe des Görlitzer Parks, der sich seit den 1990er-Jahren auf dem Gelände des ehemaligen Görlitzer Bahnhofs befindet.

Seit 2012 besteht ein Erbbaurechtsvertrag zwischen der Regenbogenfabrik und dem Berliner Senat.

„Nach einigen Jahren Leerstand besetzte 1981 eine Gruppe engagierter Menschen das ehemalige Werksgelände mit viel Unterstützung aus der Bevölkerung. Es war die Zeit der Proteste gegen eine unmenschliche Baupolitik und der alternativen Lebensentwürfe. Durch die ‚Instandsetzung‘ wurden der drohende Abriss der Fabrikgebäude und der Bau eines neuen, sechsgeschossigen Gebäudes verhindert. Die meisten Gebäude sind heute in Eigenarbeit modernisiert, die Höfe begrünt.“

GLS-Bank: Finanzierte Projekte & Unternehmen., 1. Juni 2013.

Status nach 40 Jahren

Das am 14. März 1981 besetzte Fabrikgelände „hat sich in den vergangenen vierzig Jahren zu einem der erfolgreichsten und nachhaltigsten Wohn- und Lebensprojekte der inzwischen wiedervereinten Stadt entwickelt. […] Heute wird es als Genossenschaft verwaltet. Auf den vier Etagen leben 33 Menschen“.[2] Das 40-jährige Bestehen soll im Oktober 2021 mit einem Fest gefeiert werden. Eingerichtet wird ein Blog, auf dem Erfahrungsberichte und Erinnerungen veröffentlicht werden.

Die Gruppe

In den Anfangsjahren bis zur Legalisierung stand der alltägliche Kampf um den Erhalt und die Sicherung des Projektes im Vordergrund. Die Gruppe der Besetzer und Besetzerinnen sah sich als Teil der Berliner Hausbesetzerbewegung und engagierte sich im Besetzerrat, in Arbeitsgruppen im ‚Kiez‘ der Reichenberger Straße und an bezirksübergreifenden Veranstaltungen und Demonstrationen. Den Umständen gemäß hatten anfangs pragmatische Arbeitsgruppen große Bedeutung – etwa der „Bautrupp“ oder die sich mit den zahlreichen Kindern aus der Nachbarschaft beschäftigten und einen Kinderhort organisierten oder die sich je nach Erfordernissen zusammenfanden, z. B. um Verhandlung mit Institutionen und Behörden zu bewältigen oder Öffentlichkeitsarbeit durchzuführen. Im Laufe der Zeit entstanden aus den provisorischen Gruppen feste ‚Einrichtungen‘. Doch erst nach der Legalisierung war eine Situation geschaffen, die ein langfristiges Lebens- und Arbeitskonzept mit der entsprechenden Ausdifferenzierung erlaubte.

Der Zeitstimmung gemäß wurden egalitäre Prinzipien umgesetzt: „Unsere Entscheidungs- und Führungsstruktur ist basisdemokratisch: Jedes Mitglied hat das gleiche Mitspracherecht, entschieden wird nach dem ‚Konsensprinzip‘, d.h. es gibt keine Mehrheitsentscheidungen, vielmehr wird so lange diskutiert, bis eine gemeinsame Basis gefunden ist. Dies bedeutet zwar auch ständige Kompromisse, ist aber letztendlich tragfähiger.“[3]

Arbeitsbereiche

Zeitumstände

Der Aufbau der Arbeitsbereiche in der Regenbogenfabrik stand im Zusammenhang mit der „Gründerwelle“ der Alternativbewegung, die sich bewusst in den Gegensatz zur Entwicklung von Gesellschaft und Wirtschaft der damaligen Bundesrepublik Deutschland und West-Berlins stellte. Die Projektegründungen der Jugendgeneration nach den 68ern war Ausdruck eines Selbstverständnisses, das weder eine Eingliederung in den allgemeinen, als profitorientiert und fremdbestimmt empfundenen Arbeitsprozess wollte, noch den „Marsch durch die Institutionen“ wie ihn die Vorgängergeneration um Rudi Dutschke und Joschka Fischer plante, sondern sie beabsichtigte das ‚Selber-Machen‘ und die damit mögliche Selbstbestimmung in Arbeit und Leben – eine Entwicklung von Alternativen zum gesellschaftlichen Prozess. Die Gründerwelle der so auch als „Alternativbewegung“ bezeichneten Jugendgeneration begann in allen Lebens- und Arbeitsbereichen ab Mitte der 1970er-Jahre und setzte sich auch in den 1980er-Jahren konsequent fort. Die Regenbogenfabrik stand in dieser neuen Tradition und hatte aufgrund ihrer räumlichen Basis in den Gewerbegebäuden geeignete Voraussetzungen für eine Vielfalt von Arbeitsfeldern.

Holzwerkstatt

„Die Werkstatt wurde schon unmittelbar nach der Besetzung im Zusammenhang mit dem ‚Bautrupp‘ eingerichtet, als die Reparatur der Gebäude und Anlagen eine der dringlichsten Aufgaben war. Ein Neuanfang war 1988 erfolgt, als nach Auflösung der Improvisationsphase eine Tischlerinnen-Gruppe entstand. Die Gruppe arbeitet eigenständig, doch blieb sie Teil der Fabrik und auch zuständig für Ausbauarbeiten und Reparaturen. Zum Beispiel wurde für die Kantine Schränke, der Tresen, Treppenstufen und der Unterbau hergestellt. Bei konkreten Projekten arbeiten wir mit den Jungs von der Bautruppe eng zusammen.“ (Festschrift zur Tischlerei – Die Tischlerinnen, S. 46 f.)

Fahrradwerkstatt

Fahrradwerkstatt

Mit einem außergewöhnlichen Erfolg brachte sich 1982 die Fahrradwerkstatt ins Berliner Stadtgespräch: Der Berliner Senat verkaufte auf Sammelbestellung originalverpackte, doch noch nicht zusammengesetzte Fahrräder, die vor zwanzig Jahren für Krisenzeiten eingelagert worden waren, für 150 DM pro Stück. Der Verein SO 36 orderte nach einer Umfrage 1.250 Räder, „man tat sich mit den Besetzern aus der Lausitzer Straße zusammen [...] und damit war (... die Regenbogenfabrik) der größte Fahrradumschlagplatz Berlins geworden.“[4] Für weitere 10 DM wurden die Räder fachmännisch zusammengebaut und die Aktion am 17. und 18. März 1982 geriet zum Volksfest.

Die Werkstatt hat nach Ausstattung und Werkzeug einen Standard erreicht, der professionellen Werkstätten in nichts nachsteht. Angeboten werden Kurse zur Fahrradtechnik, Hilfe bei Eigenarbeit und der Verleih von Fahrrädern.

Küche & Kantine

Da die Fabrik eine Einrichtung zur Versorgung der Arbeiter und Arbeiterinnen besaß, bot sich deren Fortführung anfangs auch zur Selbstversorgung der illegalen Besitzer an. Dabei gab es auch schon früh die Idee zu einer „Kiezküche“, um dem zumeist verarmten Bewohnerumfeld eine preiswerte und qualitätsbewusste Beköstigung anzubieten. Dieser Umstand war auch rasch den Behörden einsichtig und so „wurden die Stellen über ABM, SAM und Sozialamt gefördert. Dazu kamen Ersatzdienstleistende und PraktikantInnen. Der Personalwechsel war rasant. [...] Auf diese Weise änderte die Küche ständig ihr Gesicht. Es gab polnische, arabische, türkische, schweizerische, deutsche und afrikanische KöchInnen.“[5] Zuerst standen Tische und Bänke für die Gäste im Hof, im Winter musste improvisiert werden. Zur Küche wurde im Mai 2000 die Kantine im Erdgeschoss des ‚Neubaus‘ (der zuvor ein heruntergekommener Schuppen war), eröffnet. 2005 stabilisierte sich der Status weiter, Arbeitsverhältnisse konnten langfristiger angelegt und Lehrlinge ausgebildet werden.

Dennoch blieb die Lage bunt und einzigartig: Die Köchin Maja berichtet in der Festschrift 25 Jahre Regenbogenfabrik: „Hier ist also meine Endstation im formalen Arbeitsleben: Ich, Maja, vollwertiges Mitglied im Randgruppenkombinat Kantine, wo ich mich auf der Bühne Chaosküche bis Experimentalcuisine austoben kann. Ich find das dies eine durchaus bekömmliche Mischung aus KollegInnen ist, die zu ‚international‘ sind, zu alt, zu arbeitslos, – früher erfuhr man hierzu vom Arbeitsamt: ‚Sie sind leider überqualifiziert‘ – also Leute, für die es leider keine passende Schublade gibt. Das alles ergibt immer wieder interessante Gerichte, Nachtische, die zu diesem ‚sozialen‘ Preis woanders in Berlin gewiss nicht zu finden sind.“ (S. 39)

Seit dem 2. November 2006 sind die „Kreuzberger Kuchenbäckerinnen“, die auch Catering und Außerhaus-Service anbieten, im Regenbogen dabei.

Kinderhort und Spielplatz

„Noch bevor es die Regenbogenfabrik gab, war das Gelände für uns Kinder damals Abenteuerspielplatz. [...] Erst nach uns kamen die Hausbesetzer in das Hinterhaus der Fabrik. Da es um unsern Spielplatz ging, mussten wir es verteidigen. Man arrangierte sich schnell. [...] Wir konnten einen Raum haben, wenn wir ihn vom Müll leer räumen würden. [...] Wir haben nach kurzer Zeit selbst die Verantwortung für unsere Gruppe erhalten. [...] In der Zeit der Lehrjahre haben sich die Leute von der Fabrik intensiv um uns gekümmert, Lehrstellen gefunden, betreut, Nachhilfe gegeben und moralisch unterstützt. [...] Wir wurden vollständige Mitglieder der Regenbogenfabrik.“ (Nihat Karasu: Erst nach uns kam die Hausbesetzerszene., Festschrift, S. 49 f.)

Im Winter herrscht Ruhe

Der Gewinn für die Kinder, die mittlerweile oft selbst Eltern geworden sind, ist gerade für die ersten Jahrzehnte vielfach dokumentiert – es war und ist ihre Lebenswelt, auch wenn heute ihre Zahl geringer geworden sein sollte. (Festschrift-Beitrag: Ich heiße Leila Iraki und ich spiele immer hier ..., S. 50 f.)

Die Kinderbetreuung akzeptierten und unterstützten die Behörden schon bald als „Großpflegestelle“ für Kinder von 2 Jahren bis zum Schuleintritt – 1985 wird aus der Großpflegestelle eine vom Senat anerkannte und geförderte Kindertagesstätte.

„Vielleicht war es oft auch die Verantwortung für die Kinder und die Idee, für sie und mit ihnen eine andere Lebensperspektive zu entwickeln, die die RegenböglerInnen, trotz aller Widrigkeiten, nie aufgeben ließ ...“ (Festschrift: A. Schill / R. Lauterbach / B. Proß-Klappoth: Die Regenbogenkinder., S. 21 f.)

Kino

Das Kino im Obergeschoss

In der Gründungszeit zählte das Regenbogenkino zu den seltenen Spielstellen in Kreuzberg SO 36. Das Programm bestand anfangs meist aus Produktionen unabhängiger Filmemacher und ihren aktuellen Werken zum Umweltschutz, dem Kampf gegen Atomkraftwerke, zur 68er-Bewegung oder den Hausbesetzungen. Eine „rotierende Kinogruppe“ sorgte für Abwechslung – nach der Anfangszeit verfestigte sich das ehrenamtlich arbeitende Kinoteam.

Mit der Zeit hielt auch das klassische Kino Einzug in die Programmplanung, dazu Filme für Kinder sowie deutsche und internationale Produktionen, die nicht Eingang in die großen Vertriebswege fanden und finden. Das Kino besitzt 35-mm-Projektoren, einen 16-mm- und einen Super8-Projektor. Der Kinosaal wird auch für Versammlungen, Feiern, Musikveranstaltungen, Lesungen und Proben genutzt.

Das Kino erhielt 2004 von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, Christina Weiss, die Auszeichnung „für ein hervorragendes Filmprogramm“.

Café

Das Tagescafé verbindet die Mitglieder des Projekts mit der unmittelbaren ‚Außenwelt‘ der Umwohner und Passanten, dem öffentlichen Raum der Lausitzerstraße.

Gegründet wurde das Café 1982, „als es mit Vogel & Braun (den Eigentümern des Geländes) hart auf hart ging.“ Es herrschte Gesprächs- und Versammlungsbedarf und auch Nachbarn und Interessenten fanden ungezwungen Anschluss und Informationen. „Und die Einigung zwischen Vogel & Braun und den Besetzern, die eine Eskalation und Räumung verhinderte, wurde hier von Vogel, Werner Orlowsky (Baustadtrat), den Besetzern, SHIK (Verein ‚Selbstverwaltete Häuser in Kreuzberg‘) und Senatsvertretern begossen.“[6]

2010 wurde das Café neu eröffnet. Es ist auch Anlaufstelle für Berlin-Touristen und andere Besucher, die dort oder im benachbarten

Infobüro

Informationen zum Hostel und den Fabrikaktivitäten erhalten können. Café und Infobüro befinden sich im benachbarten Haus Lausitzerstraße 23, dessen Hinterhaus ebenfalls zur Regenbogenfabrik zählt.

Hostel und Rezeption

Zugang zu den Aufenthaltsräumen neben der ehemaligen Feuerstelle

Das Hostel wird 1997 auf Initiative zweier ‚Fabrikanten‘ mit 18 Betten als „Sleep Inn“ eröffnet. Die Gäste stellten sich jedoch oft „als äußerst eigenwillig und kompliziert“ heraus, die Ansprüche an deren ‚Selbstorganisation‘ waren auf Dauer doch recht mühsam. „Seit 2000 ‚schmiss‘ Nazmiye den Gästebereich und war von da an die ‚Gute Seele‘ des Ganzen.“[7] Dazu kam 2000 durch die Fertigstellung des ‚Neubaus‘ die Erweiterung auf 34 Betten.

2002 wurde die Rezeption für das Hostel eingerichtet.

Neubau mit Hostel, oben und Kantine

Die Beherbergungseinrichtung mit Rezeption bietet heute 36 Schlafplätze in Einzeln- und Mehrbettzimmern an und wird vorwiegend von jugendlichen Besuchern aus aller Welt genutzt. Hostel und Kinderhort werden von Frauengruppen der Regenbogenfabrik betrieben. Das Hostel bildet mit der Nachbarschaftsküche den Rückhalt zur Finanzierung des Projekts.

Betriebs- und Finanzierungskonzept

Organisationsform

Neben den in Eigenvereinbarung organisierten basisdemokratischen Entscheidungsstrukturen wurden Rechtsformen gewählt, die den Umständen und der Sachlage entsprechen: Ein gemeinnütziger Verein umfasst Kita, Fahrrad- und Holzwerkstatt sowie den Kulturbereich. Kantine, Hostel und Kuchenbäckerinnen sind als Unternehmergesellschaft (UG) eingerichtet und das Café fungiert als eigenständiger Wirtschaftsverein.[8]

Arbeitsorganisation

Es gilt, dass „jede Arbeit – unabhängig von Tätigkeit und Ausbildung – gleich viel wert ist und entsprechend entlohnt wird. Ziel ist es, je nach individuellen Fähigkeiten sowie Möglichkeit und Erfordernissen im Projekt, sinnvolle, selbstbestimmte Arbeitsplätze zu schaffen, in denen sich Jede/r selbst verwirklichen kann und gleichzeitig zur Idee und Qualität des Gesamtprojektes beiträgt.“[9]

Die Beteiligten richten nach jeweiligen Arbeitsbereichen ein regelmäßiges (meist wöchentliches) Plenum ein, in dem die Erfordernisse des Projektes mit dem Selbstbestimmungswillen der Einzelnen ‚abgeglichen‘ werden kann. Diese Plena schicken Vertreter in das monatliche Projektplenum. Jeder Arbeitsbereich hat auch einen Platz in der Geschäftsführungs-AG. Die entsprechenden Arbeiten führt eine Büro-Gruppe aus.

Finanzierung

In der Aufbauphase beginnend als „Selbsthilfeprojekt“ – getragen von ehrenamtlicher Arbeit – wurde die Regenbogenfabrik durch Kompetenz und fachlicher Differenzierung zum sozialen Projekt, d. h., seine Wirkungsweise bezieht sich auf das Wohl der Allgemeinheit – im lokalen Bereich direkt auf die städtische Nachbarschaft und im regionalen Umfeld auf Kooperationen mit ähnlich orientierten Organisationen, in denen jeweilige besondere Kompetenzen gemeinsam zur Wirkung gebracht werden können. Dadurch war und ist es nach Auffassung der Aktiven gerechtfertigt, dass ein Teil der Finanzierung – insbesondere ‚bezahlte Stellen‘ – im Rahmen von staatlich geförderten Beschäftigungsmaßnahmen geschaffen werden.

Die Regenbogenfabrik bietet auch Praktikumstellen an und „Europäische Freiwillige oder TeilnehmerInnen im Freiwilligen Ökologischen Jahr finden hier einen Platz.“[10]

„Inzwischen versuchen wir nach massiven Kürzungen in diesem Bereich und schwierigen Rahmenbedingungen, die immer weniger mit unseren Prinzipien zu vereinbaren waren, vorwiegend mit der Umsetzung von Angeboten im Rahmen einer ‚Solidarischen Ökonomie‘ unsere Ziele und damit auch langfristige, sinnvolle Arbeitsplätze zu verwirklichen und zu sichern. [...] Organisatorisch wurden somit im Januar 2012 das Hostel und die Kantine als Wirtschaftsbereich ausgelagert und werden nun jeweils als Unternehmergesellschaft (Regenbogen-UG) betrieben, da der diesbezügliche bisherige gemeinnützige Beschäftigungsbereich aus genannten Gründen nicht mehr aufrecht erhalten werden konnte.“

Anette Schill im Interview mit ITKAM, Dezember 2012.

Solidarische Ökonomie

Das Konzept der „Solidarischen Ökonomie“ legt neben dem Wert auf qualitative und sinnvolle Produkte sowie faire Arbeitsbedingungen die Betonung auf die Verteilung des gemeinsam erwirtschafteten Gewinns. Der Profit darf nicht privatisiert werden, sondern wird innerhalb des Projekts vergesellschaftet. Der Wert eines Arbeitsbereiches wird nicht über seinen finanziellen Ertrag bestimmt, sondern am Nutzen für das Projekt im Rahmen eines Ensembles von Tätigkeiten bemessen und somit an Kriterien für eine humane und gerechte Gesellschaft. ‚Marktgemäße‘, ertragreiche Sparten tragen Bereiche mit, die sich nach Auffassung der Solidarischen Ökonomie nicht kommerzialisieren lassen, z. B. Kinderbetreuung oder Angebote für einkommensschwache Menschen. Das auf Freiheit, Gleichberechtigung und entsprechenden Werten beruhende ‚funktionierende Ganze‘ ist das Ziel, dem die Wirtschaftsweise zu dienen hat.

Solidarische Ökonomie gilt als Konzept, dass sich nicht nur zur Regelung interner Verhältnisse einer ökonomischen Einheit realisieren lässt, sondern zunehmend auch mit anderen Einheiten – etwa durch einen Austausch jeweils spezifischer Leistungen. Es gibt nicht den Anspruch, ‚Geld abzuschaffen‘, sondern als Tauschmittel zu nutzen.

Solidarisches Handeln

Der Verzicht auf Besonderheit, persönlichen Reichtum und darauf beruhender Macht und entsprechenden (Selbst-)Zwängen bietet Ansatzpunkte, die gesellschaftlich kaum erprobt wurden und werden und somit nur in seltenen Zeiten und in mutigen Einzelfällen zu anderen Erfahrungen führen. Trotz aller Widersprüchlichkeiten und (persönlichen) Problemen scheint es dabei zu einem kompensatorischen Dasein zu kommen, das die Betroffenen ihre Entscheidung selten bereuen lässt:

Die Fabrik, Winter 2015

„Die Regenbogenfabrik ist ein sehr interessantes Beispiel für gesellschaftliches und für solidarisches Handeln und Beispiel für ein einfaches und aktives Leben unter gleichgesinnten Freunden. Wer in die Regenbogenfabrik eintritt, lässt die schreckliche Welt der Konkurrenz und die Jagd nach immer größeren Statussymbolen oder dem allerneusten Spielzeug hinter sich [...] ein echtes ‚Sesam öffne dich‘ Kreuzbergs, das die heutige ‚zivilisierte Gesellschaft‘ am liebsten in den Abfall werfen würde.“ (Ewa Ziólkowska und Piotr Kawiorski, Polen, Festschrift, S. 25.)

„Das Leben in der Gemeinschaft war oft schwierig. Äußere und innere Feinde waren zu bekämpfen; es flossen Tränen und einige MitstreiterInnen und Prinzipien sind auf der Strecke geblieben. Unter dem Motto ‚Zusammen wohnen, leben und arbeiten‘ wurde eine Gratwanderung zwischen Glück und völligem Genervtsein gewagt, was mitunter ernüchterte. Dennoch wurde nie aufgegeben [...] schließlich gab es was zu verteidigen, was in dieser Form einmalig ist: ein (gallisches) Dorf mitten im Kapitalismus, Basisdemokratie ohne Oben und Unten, die Gleichwertigkeit aller Arbeit von der Putze bis zur Verwaltung“ (S.M., Festschrift, S. 26.)

„Die Regenbogenfabrik ist eine visionäre Einrichtung, die von wunderbaren Menschen betrieben wird und Lukasz und ich wünschen ihr für die nächsten 25 nur das Beste.“ (Andrew Mason, Wellington, New Zealand, Besucher – Festschrift, S. 58.)

Geschichte

Die Fabrik

Schornstein des Dampfsägewerks

Das Gebäudeensemble der Fabrik entstand in der Gründerzeit, Ende des 19. Jahrhunderts. Es gilt als Beispiel frühindustrieller Produktionsstätten und steht heute unter Denkmalschutz. In dem Dampfsägewerk wurde zunächst Holz verarbeitet, später Leime, Lacke und andere Produkte aus Chemikalien produziert.[11] Der Schornstein gehörte zur Kohlebefeuerung, die über eine Dampfmaschine mit Treibriemen die Sägen in Gang hielt. Der benachbarte Landwehrkanal war die wichtigste Verkehrsader, über die Holz und Kohle für die Fabrik und andere Baumaterialien transportiert wurden.

Besitzverhältnisse vor der Besetzung

Eigentümerin des Geländes war die Firma „Wohnbau Design“ der Immobilienhändler Vogel & Braun, die die Innenhof-Bereiche der Reichenberger/Ecke Lausitzer Straße mit Neubauten belegen wollte.[12] „Rund 100 Häuser gehören dem Vogel & Braun Trust [1983] allein im Bezirk (SO 36).“ Mit der Wohnbau Design verschachtelt sind weitere 120 Firmen. Insgesamt ging es in diesem Bereich um öffentliche Gelder in dreistelliger Millionenhöhe – allein im Block 109, dem Bereich der Regenbogenfabrik, wären bei der Umsetzung der Pläne von Vogel & Braun „mindestens 60 Millionen Mark Subventionen fällig gewesen.“[13]

Nach der Besetzung am 14. März 1981 wurde über interne Informationskanäle und ‚Mundpropaganda‘ eine große Zahl von Unterstützern mobilisiert, um in der ersten Nacht einen unmittelbar möglichen Polizeieinsatz zur Räumung möglichst zu erschweren. Nach der so genannten Berliner Linie des Berliner Senats wäre es möglich gewesen, das Gelände binnen 24 Stunden ohne weitere Formalien zu räumen. Diese Frist verstrich jedoch ungenutzt. So verlief die erste Zeit ohne Konflikte und die Rechtslage um die in den Augen der Eigentümer auch wertlose Anlage begünstigte die Besetzer, die sofort mit Aufräumungsarbeiten begannen. Der desolate Zustand der Fabrik ließ keine Wohnmöglichkeit zu und so wurden auch Wohnungen im teilentmieteten Vorderhaus der Nr. 22 und das leerstehende Hinterhaus der Lausitzer Straße 23 zu diesem Zweck besetzt. Die Gruppe der Besetzer zählte etwa 50–60 Personen.

Instandsetzung

Es wurde von einer Gruppierung besetzt, die aus dem Umfeld der Bürgerinitiative BI 36 und der Monatszeitschrift Südost-Express, der „Kreuzberger Lokalzeitung von Bürgern aus SO36“, stammte. Hinzu kamen Wohnungs- und Arbeitssuchende und Menschen mit ‚Projektideen‘. Die Besetzung des Objektes war kurzfristig geplant worden und erfolgte für Behörden und Polizei überraschend. Unmittelbar wurde mit der Entrümpelung der Gebäude begonnen.[14] Ein erfolgreicher Kontakt zur Nachbarschaft wurde am 25. April mittels eines Kinderfestes geknüpft und ein „Sommerfest der Mieter und Besetzer des Block 109“ am 27. Juni 1981 mit ca. 500 Besuchern vertiefte die Bekanntschaft im Quartier.[15]

1980er-Jahre

Am 15. Juni 1981 übernimmt das Stadtteilzentrum Kreuzberg eine Patenschaft für die besetzten Häuser Lausitzer Straße 22 und 23 (HH). Diese wollen ein Kiezbündnis mit mehr Patenschaften aufbauen.[16] Der Asta der Freien Universität Berlin (FU) und die benachbarte Ölberg-Gemeinde schlossen sich der Patenschaft an.[17]

Ein Brandanschlag im September 1981 führte zu einem erheblichen Schaden, der bis zum Januar 1982 wieder beseitigt werden konnte.

Am 15. Februar 1982 fand im neu eingerichteten Gemeinschaftsraum (heute Kinosaal) ein Gespräch zwischen Besetzern und einem Kreuzberger Bezirkssonderausschuß mit Politikern aller Parteien statt, in dessen Folge es zu einer gemeinsamen Stellungnahme von SPD, CDU und Alternativer Liste im Sinne der Besetzer kam.[18] Begünstigt wurde diese moderate Entwicklung auch vom Einlenken der Eigentümer Vogel & Braun, denen eine Durchsetzung ihrer Neubau-Pläne an dieser Stelle zunehmend problembeladen erschien und die sich im Tausch gegen ein anderes Grundstück kompromissbereit gaben.

Ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Stabilisierung des Projektes war die Bürgerversammlung am 4. März 1982 in der Ölberg-Gemeinde, in der die Regenbogenfabrik ihr Konzept vorstellte. Es handelte sich um eine Befragung der Anwohner, auf die das Bezirksamt sein weiteres Vorgehen stützen wollte. Neben den Nutzergruppen der Fabrik erläuterten auch Vertreter der Internationalen Bauausstellung (IBA) verschiedene Aspekte, die sich auf die Bau- und Stadtplanung bezogen.[Anm 1] Die Pläne und Vorhaben trafen bei den Anwesenden mit Ausnahme von CDU-Vertretern auf positive Resonanz: Der Beschluss der Versammlung war eindeutig: Alle stimmten für die Weiterführung des Regenbogen-Konzeptes und für die Übernahme des Grundstücks (durch Tausch mit den Eigentümern) durch den Bezirk, der es mit eigenen Planungen im Jugend- und Freizeitbereich verknüpfen wollte.[19]

Im November 1982 begann der Legalisierungsprozess der Regenbogenfabrik (Unterzeichnung am 30. Oktober 1982): „Nach einer Vereinbarung zwischen den Spekulanten Vogel & Braun, Senat, Bezirk, IBA, Besetzern und Verein SO 36 legte Vogel mit der Modernisierung der Lausitzer Straße 22a los. Die Besetzer sind quasi geduldet und die Genossenschaft SHIK (Verein Selbstverwaltete Häuser in Kreuzberg) als Vertragspartner anerkannt.“[20]

Ebenfalls im November 1982 begann der Austausch des chemisch verseuchten Bodens unter Hof und Gebäuden bis in zwei Meter Tiefe und im Frühjahr 1983 konnte das Gelände begrünt werden.

Im Sommer 1983 kam jedoch von den Eigentümern eine Luxusmodernisierung des Vorderhauses der Lausitzer Straße 22 auf den Tisch und damit ging es letztlich auch um das 2. Quergebäude 22a/23, in dem die 35 Besetzer der Fabrik, in der es keine Wohnplätze gab, lebten. Zudem konnten sich die Eigentümer Vogel & Braun und der Bausenat nicht auf ein Ersatzgrundstück für das Gelände der Fabrik einigen. Die Existenz des Projektes drohte wieder auf die ungewisse und langatmige juristische Ebene verschoben zu werden.[21]

„Nach einer Zuspitzung der politischen Situation in Bezug auf die besetzten Häuser haben sich erstens fast alle Hoffnungen auf den alternativen Kiezträger SHIK zerschlagen, zweitens sind die Verhandlungen zwischen Senat, Bezirksamt, IBA, Besetzern und Eigentümern ins Stocken geraten und eine Legalisierung wieder einmal in weite Ferne gerückt und drittens wird das Land Berlin laut Aussagen des Finanzsenators die Regenbogenfabrik auch nach einer Legalisierung weder kaufen noch finanzieren. Das Projekt ist damit alles andere als gesichert und es bleibt offen, im Rahmen der eigenen bescheidenen Möglichkeiten in Selbsthilfe provisorisch weiterzuarbeiten in der, wenn auch nur sehr vagen Hoffnung, auf eine bessere Zukunft.“[22]

Im Februar 1984 unterlagen Vogel & Braun jedoch mit ihrer bislang nie aufgegebenen Neubau-Planung auf dem Gelände der Fabrik vor dem Verwaltungsgericht Berlin. Die Besetzer konnten aufatmen: „Damit war der letzte Grund für ihre Räumung endgültig dahin.“ Das schien auch politisch gewollt, denn: „Bausenator Franke im Bethanien zur Regenbogenfabrik: Der Senat hat keinen Hehl daraus gemacht, daß diese Einrichtung eine Chance bekommen soll.“[23]

Dennoch gab es noch weitere Monate lang keine Sicherheit, denn die Eigentümer versuchten nun, über hohe Pachtforderungen (anfangs 7.000 DM, dann noch 4100 DM monatlich) und vertragliche Hürden (freiwillige Räumung des Wohnquergebäudes) die Besetzer zur Aufgabe zu zwingen, die sich mit knapper Mehrheit zur Vertragsablehnung entschlossen hatten. Diese Situation mobilisierte die ‚Unterstützer-Fraktion‘, die selbst einen CDU-Bundestagsabgeordneten umfasste, so dass die Besetzer auf Grund auch finanzieller Zusagen, kurz vor Fristablauf dennoch den Vertrag unterzeichneten (31. Juli 1983): Ein Kauf des Geländes für 316.000 DM sollte die Pacht ablösen, so dass der Südost-Express die Vorhersage wagte: „Die Bürgen, Kreditgeber, Netzwerk, Privatspender und das Bezirksamt werden wohl dafür sorgen, daß die Regenbogler es schaffen.“[24]

Am 17. Oktober 1985 beschloss das Berliner Abgeordnetenhaus, das Grundstück zu erwerben. Damit verschwand die Regenbogenfabrik vorerst aus den Schlagzeilen.

In den Folgejahren erklärte sich der Senat bereit, eine laufende Förderung zu übernehmen, „doch der schlechte bauliche Zustand der Räume, das ständige Improvisieren aus Mangel und die fast ausschließlich ehrenamtliche Arbeit zehren an den Kräften der Aktivisten, die zudem die seit Beginn bestehende Unsicherheit über das Weiterbestehen aushalten müssen“, berichtete der Südost-Express Ende 1988. Verschiedene Verträge und Vereinbarungen lagen unterschriftsbereit, doch „der Eigentümer weigerte sich, einen Passus zu unterschreiben, demzufolge keine Altlasten auf dem Grundstück vorhanden seien.“ Zwar war der Boden auf dem Freigelände bis auf zwei Meter Tiefe ausgetauscht worden, doch förderten neue Proben chemische Verunreinigungen unter den Gebäuden zutage. Die Kostenfrage verzögerte nun wieder jede weitere Vereinbarung.[25]

1990er-Jahre

Die Ankündigung der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales Anfang Februar 1990, die Zuwendung, mit der die Monatsmiete von mittlerweile 7.000 DM fast bestritten werden konnte, alsbald zu beenden, stürzte das Projekt in die nächste Krise:

„Der Sozialsenat kann nur zahlen, wenn der Finanzsenat kauft, der kann nur kaufen, wenn der Umweltsenat für 3-4 Millionen DM den Boden saniert, der kann nur zahlen, wenn der Eigentümer für die Dreckbeseitigung zahlt – oder das Land Berlin. Der Eigentümer denkt nicht im Traum daran, weil er sonst endgültig pleite geht – was der Bausenat nicht will. Das Land Berlin kann und will nicht, weil die Verhandlungen zwischen Bausenat und dem Spekulantenimperium Vogel & Braun um die katastrophale Erblast laufen ...“

Südost-Express 3/90: Die unendliche Geschichte der Regenbogenfabrik, S. 10 f.

Erst nachdem durch die zuständige Umweltsenatsverwaltung der Weg zu einer – zumindest langfristigen – Sanierung des Gebäudes gefunden wurde, konnten die Verhandlungen wieder aufgenommen und […] ein Vertrag mit einer einvernehmlichen Altlastenregelung abgeschlossen werden.[26]

„1992: 11 Jahre und 2 Monate nach der Besetzung: Das Abgeordnetenhaus beschließt den Kauf des Geländes durch das Land Berlin und übergibt das Grundstück an das Bezirksamt. Wir können endlich mietfrei wirtschaften!

1996: Nach vierjähriger Bauphase ist die Sanierung des Hinterhauses beendet. Der Selbsthilfeeinsatz aller Bewohner schafft günstigen Wohnraum für 37 Menschen.

1997: Eröffnung des Hostels: Der Betrieb beginnt mit 18 Betten.“[27]

2000

Eröffnung der Kantine. Damit kann der Betrieb der Küche ganzjährig durchgeführt werden.

„... das selbstverwaltete Nachbarschaftszentrum ‚Regenbogenfabrik‘ an der Lausitzer Straße [gilt] als etabliert. Die Regenbogenfabrik nahm nun erstmals am Tag des offenen Denkmals teil.“[28]

2006

Reflexion eines Vierteljahrhunderts: Das 25-jährige Jubiläum am 14. März 2006 veranlasst die Gruppe der Bewohner und Aktivisten des Projekts zur Herausgabe einer Festschrift mit Beiträgen aus eigenem Hause und von Gastautoren, die z. T. jahrelang in den Institutionen mit der Fabrik beschäftigt waren und nun Grußworte verfassten.[29]

„Es zeigt sich für mich in eindrucksvoller Weise, wie Stadterneuerung, die in den Händen der Bewohner liegt, funktioniert, wie ihre Ziele und ihre Arbeit in der Tat die Stadt erneuert, mit der vorhandenen Bausubstanz, mit wenigen behutsamen und notwendigen Eingriffen.“ (Kostas Kouvelis, Projekt-Betreuer der IBA, Festschrift, S. 9.)

„Sanft aber nachdrücklich im Auftreten fanden die Regenbogenleute zunächst Zustimmung in der unmittelbaren Nachbarschaft, [...] schließlich auch in der Bezirksverordnetenversammlung, in den verschiedenen Stellen im Bezirksamt sowie den Senatsverwaltungen und schließlich 1985 im Abgeordnetenhaus mit dem Beschluss zum ‚langfristigen und umfassenden Erhalt der Regenbogenfabrik.‘“ (Günther Poggel – Senatsverwaltung Bildung, Jugend und Sport –, Festschrift, S. 10.)

„Die ‚Regelverstöße‘ der nicht legalen, wohl aber legitimen Hausbesetzungen, erwiesen sich – über den Wohnbereich hinaus – als segensreich.“ (Werner Orlowky – damals Baustadtrat in Kreuzberg – Festschrift, S. 14.)

„Es muss aber in der Regenbogenfabrik Menschen geben (und einige glaube ich zu kennen), die dieses Regenbogenphänomen nicht nur aushalten, sondern sich ihrem Reifungsprozess täglich stellen, ohne der Faszination des Abenteuers verlustig zu gehen ...“ (Gerd Behrens – Geschäftsführer BERLITAX, Steuerberater – Festschrift, S. 34.)

„Das Besondere damals: Ihr wart von Anfang an offen und aktiv auch für die Interessen der Nachbarschaft und bleibt gesprächsbereit für jeden, auch den politischen Gegner. Das hat Euch viele Sympathien partei- und verwaltungsübergreifend eingebracht.“ (Cornelius van Geisten – S.T.E.R.N. GmbH – Festschrift, S. 54.)

„Viele der 1981 noch illusorisch klingenden Ideen haben inzwischen Eingang in die Mitte der Gesellschaft gefunden [...] – möglicherweise als Anschauungsmaterial für eine künftige Generation, die wieder den Aufbruch ins Ungewisse wagt ...“ (Martin Düspohl – Kreuzberg-Museum –, Festschrift, S. 55.)

„... die bis heute bestehende Ungewissheit im Umgang mit den Hinterlassenschaften des früheren Eigentümers, der chemischen Fabrik Carl & Co., sollten wir gemeinsam auch noch hinbekommen.“ (Franz Schulz – Senatsverwaltung Bildung, Jugend und Sport –, Festschrift, S. 56.)

Fazit: „Wir haben keine Revolution geschafft, aber Freiräume geschaffen und zumindest sozialpolitische und wohnungspolitische Denkanstösse gegeben.“ (Marten Köhler vom Regenbogen: 25 Jahre – seht das ist eine wahre Geschichte!, Festschrift, S. 7.)

2011

Zum 30-jährigen Jubiläum, gratuliert selbst die Berliner Morgenpost – in den Besetzerzeiten unter Axel Springer eher stramm auf der Gegenseite und wahrscheinlich nicht weniger überrascht als die ehemaligen Besetzer, über die der Redakteur feststellt: „Ein bisschen sind die Betreiber der Regenbogenfabrik wohl selbst überrascht, dass sie 30. Geburtstag feiern können – zu oft stand das alternative Projekt auf dem Hinterhof an der Lausitzer Straße immer wieder einmal auf der Kippe.“[30]

2011 begann jedoch eine neue Diskussion – nun ging es darum, ob die Fabrik noch berechtigt sein kann, ihre ‚Ökonomie‘ mit Hostel, Küche & Kantine und Café als gemeinnütziger Verein zu regeln: Die Erbbaurechts-Verhandlungen mit dem Berliner Senat standen bevor. Manche Bereiche sind lukrativ, andere müssen bezuschusst werden – es geht „immer schon um ‚solidarische Ökonomie‘, denn die Regenbogenfabrik war ‚nie ein reines Sozialprojekt, es geht um eine Mischung‘, sagt Christine Ziegler: ‚Momentan hangeln wir uns von einer Finanzierung zur andern.‘“[31]

Am 5. Dezember 2011 wurde ein Erbbaurechtsvertrag mit dem Land Berlin mit einer Laufzeit von 30 Jahren abgeschlossen.

2012: Umstrukturierung der wirtschaftlichen Grundlage.

Ausblick

„Es wird immer schwieriger, unter diesem [finanziellen] Druck in kollektiven Strukturen zu arbeiten, so dass interne Konflikte zunehmen und positive Projekt-Entwicklungen erschweren. Dennoch glauben wir an eine Zukunft für die nächsten Jahre auf der Basis unserer Grundprinzipien, gehen aber auch davon aus, dass hierfür etliche Umstrukturierungsprozesse (z. B. Im Hinblick auf mehr Effizienz in der Arbeitsorganisation) erforderlich sein werden.“ (Anette Schill im Interview mit ITKAM, Dezember 2012)

„Und nun arbeiten wir daran, die Fabrik für die nächste Generation fit zu machen. Wie geht das unter Erhalt der bisher hochgehaltenen Werte, wie geht das gleichberechtigt und basisdemokratisch? Wie lernen wir das solidarische Wirtschaften? Wir tun es eben.“ (Christine Ziegler: Mein Lernort Regenbogenfabrik., Festschrift, S. 28.)

Integration

Heute ist die Regenbogenfabrik ein selbstverständlicher Bestandteil lokaler Infrastruktur: „Ungezählte Begrünungs-, Renovierungs- und Bebauungsdurchläufe haben den Ort Zug um Zug das Gesicht eines Gartenhofes abgerungen, der zwar nie ganz fertig zu werden scheint, aber als Spielplatz und Arbeitsstätte, nachbarschaftlicher Treff und Festlokalität seinen festen Platz in dem Kiez am südlichen Rand Kreuzbergs gefunden hat.“[32] und darüber hinaus Teil Berliner Kinokultur und als Hostel auch im Blickfeld vor allem jugendlicher Besucher und Neuankömmlinge aus aller Welt ist.

Anmerkungen

  1. Die Internationale Bauausstellung (IBA) war eine von Bund und dem Land Berlin getragene Einrichtung, deren Aufgabe es war, eine Konzeption für die zukünftige Stadtplanung in Berlin zu erarbeiten. Im Zusammenhang mit der Ende 1979 einsetzenden und ab 1981 sich dynamisierenden Hausbesetzer-Bewegung konnten die Mitarbeiter, die Architekten und Stadtplaner der IBA, ihr innovatives theoretisches Konzept der „Behutsamen Stadterneuerung“ in ein Fahrwasser bringen, das den Entwurf politisch durchsetzbar machte. Daher die auch andernorts wirksame Kooperation von Besetzern und den – zumeist jüngeren – Stadtplanern und Architekten.

Literatur

  • Axel Klappoth: Verborgene Orte in Berlin, Yuba Edition, Berlin 2009. ISBN 978-3-942033-00-8.
  • Bernd Laurisch: Kein Abriß unter dieser Nummer, Anabas-Verlag (Werkbund-Archiv; 7), Gießen 1981, S. 224. ISBN 3-87038-088-8.
  • Hrsg.: Regenbogenfabrik Block 109 e.V.: Festschrift zum 25. Jubiläum der Regenbogenfabrik, Berlin 2006.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Selbstbezeichnung des Projekts, siehe Infomaterial, z. B. Prospekt Juni 2014.
  2. Gerd Nowakowski: Ein Weg, der immer weiter führt, Kreuzberger Regenbogenfabrik wird 40: Tagesspiegel, 11. Februar 2021 (Abruf: 13. März 2021).
  3. Anette Schill, Regenbogenfabrik, im Interview mit der ITKAM, der Italienischen Handelskammer für Deutschland, 21. Dezember 2012. itcam-Interview mit Anette Schill (26. Januar 2015).
  4. SÜDOST-EXPRESS 5/82: Hier vertreibt die Firma Pedale & Randale senatseigene Fahrräder., S. 14.
  5. Gabi Schopp: Regenbogenkantine., Festschrift 25 Jahre, S. 37 f.
  6. SÜDOST-EXPRESS 12/82, S. 11.
  7. Jenny Schill: Unsere Rezeption., Festschrift, S. 39 f.
  8. Prospekt Regenbogenfabrik, Juni 2014.
  9. Anette Schill, Regenbogenfabrik, im Interview mit der ITKAM, der Italienischen Handelskammer für Deutschland, 21. Dezember 2012.
  10. Prospekt Regenbogenfabrik, Juni 2014.
  11. GLS-Bank: Finanzierte Projekte & Unternehmen, 1. Juni 2013.
  12. SÜDOST-EXPRESS 4/81: Instandbesetzung in der Lausitzer Straße., S. 10.
  13. SÜDOST-EXPRESS Sonderausgabe: Der (un)aufhaltsame Aufstieg von Vogel & Braun., September 1983, S. 2, 7, 9 und 16.
  14. Dokumentiert im SÜDOST-EXPRESS 4/81: Instandbesetzung in der Lausitzer Straße., Hrsg. Bürgerinitiative SO 36, Elefanten Press Verlag GmbH, S. 10 f.
  15. SÜDOST-EXPRESS 7/81, S. 8.
  16. Bernd Laurisch: Kein Abriß unter dieser Nummer., Anabas-Verlag (Werkbund-Archiv; 7), Giessen 1981, S. 224. ISBN 3-87038-088-8.
  17. SÜDOST-EXPRESS 9/81, S. 8.
  18. SÜDOST-EXPRESS 3/82, S. 11.
  19. SÜDOST-EXPRESS 4/82: Gemeinsames Interesse bei Bezirksamt und Besetzern., S. 16 f.
  20. SÜDOST-EXPRESS 12/82, S. 3.
  21. SÜDOST-EXPRESS 7/8/83: Regenbogenfabrik - Sackgasse?, S. 22.
  22. Hrsg.: Selbstverwaltete Häuser in Kreuzberg SHIK e.V. mit Unterstützung der IBA: Wir wollen niemals auseinandergeh'n ..., Oktoberdruck, Berlin August 1983, S. 60.
  23. SÜDOST-EXPRESS 3/84: Kein Grund mehr zur Räumung., S. 9.
  24. SÜDOST-EXPRESS 9/84: Legaler Regenbogen [...] Am 31. Juli wurden aus Besetzern Mieter., S. 3.
  25. SÜDOST-EXPRESS 12/88: Unterm Pflaster ..., S. 11.
  26. Flyer der Regenbogenfabrik zum 30-jährigen Jubiläum, März 2011.
  27. Hrsg.: Regenbogenfabrik Block 109 e.V.: Festschrift 25 Jahre Regenbogenfabrik., Berlin 2006: Chronik, S. 61.
  28. Der Tagesspiegel, Christian van Lessen: Vom Hausbesetzer zum Hausbesitzer., 11. Oktober 2004.
  29. Hrsg.: Regenbogenfabrik Block 109 e.V.: Festschrift zum 25. Jubiläum der Regenbogenfabrik., Berlin 2006.
  30. Berliner Morgenpost: Geburtstagsfeier in der Regenbogenfabrik., 17. März 2011.
  31. Jenni Zykla: Die Utopiefabrik, Die Tageszeitung, 14. März 2011, S. 28.
  32. Axel Klappoth: Verborgene Orte in Berlin. Yuba Edition, Berlin 2009, S. 62. ISBN 978-3-942033-00-8.

Koordinaten: 52° 30′ N, 13° 26′ O

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