Referendum in Schottland 1997

Schottlands Lage innerhalb des Vereinigten Königreichs

Am 11. September 1997 wurde in Schottland ein Referendum zur Selbstverwaltung (englisch devolution referendum, „Referendum zur Dezentralisierung“) abgehalten. Die Mehrheit der Abstimmenden sprach sich dabei für die Einrichtung eines schottischen Regionalparlaments mit Befugnissen zur Steuererhebung aus.

Vorgeschichte

In den 1960er und 1970er Jahren hatte der Stimmenanteil schottischer Regionalparteien, die zum Teil eine Loslösung Schottlands aus dem Verbund des Vereinigten Königreichs anstrebten, deutlich zugenommen. Als Reaktion darauf wurde durch die Labour-Regierung unter Premierminister James Callaghan im Jahr 1979 ein Referendum in Schottland abgehalten, bei dem sich eine knappe Mehrheit von 51,6 % der Abstimmenden für die Einrichtung eines schottischen Regionalparlaments aussprach. Aufgrund der zu geringen Wahlbeteiligung wurde das Referendum jedoch als ungültig gewertet. Die darauffolgenden Unterhauswahlen wurden durch die britischen Konservativen gewonnen, die das Thema der devolution, d. h. der Dezentralisierung des Vereinigten Königreichs, nicht mehr weiter verfolgten. Nach dem Referendum 1979 gründeten schottische Befürworter der Selbstverwaltung am 1. März 1980 die Campaign for a Scottish Assembly (CSA), die als Interessengruppe weiter für die Autonomie Schottlands arbeiten sollte.[1] Die konservative Londoner Regierung unter Margaret Thatcher war von Anfang an in Schottland sehr unpopulär und die Konservativen konnten während ihrer gesamten Regierungszeit zwischen 1979 und 1997 immer nur eine Minderheit der schottischen Parlamentssitze gewinnen. Die Schließung zahlreicher Werft- und Stahlindustrien in Schottland wurde von vielen Schotten als Zeichen dafür gesehen, dass die Londoner Regierung in erster Linie die Interessen ihrer konservativen Wahlbezirke in England vertrat.[2] Aus der CSA heraus wurde 1988 eine Scottish National Convention gegründet, um die Unterstützung für die Autonomiebewegung auf eine breitere gesellschaftliche Basis zu stellen. In dieser National Convention arbeiteten Vertreter verschiedener Oppositionsparteien, so der schottischen Labour Party und der Liberal Democrats mit. Im Jahr 1995 gab die Convention eine Veröffentlichung mit dem Titel Scotland’s Parliament, Scotland’s Right („Schottlands Parlament – Schottlands Recht“) heraus, in der modellhaft ein schottisches Regionalparlament beschrieben wurde.[3]

Die Unterhauswahlen am 1. Mai 1997 wurden mit sehr deutlicher Mehrheit von der Labour Party unter ihrem neuen Vorsitzenden Tony Blair, der selbst in Schottland aufgewachsen war, gewonnen. Zu den Wahlversprechen von Labour hatte die Abhaltung erneuter Referenden zur Selbstverwaltung in Schottland und in Wales gehört.

Kampagne vor dem Referendum

Logo der „Yes“-Kampagne
Logo der „Yes“-Kampagne
Logo der „No“-Kampagne
Logo der „No“-Kampagne

Das Referendum in Schottland wurde für den 11. September 1997 angesetzt. Im Gegensatz zum Referendum aus dem Jahr 1979 wurde diesmal kein Quorum für die Wahlbeteiligung festgelegt. Im Jahr 1979 hatte es eine umstrittene Klausel gegeben, dass zum einen die absolute Mehrheit der Abstimmenden, aber auch mindestens 40 % der Wahlberechtigten mit „Ja“ stimmen mussten, damit das Referendum Gültigkeit erlangte. Im Wahlkampf vor dem Referendumstermin sprachen sich unter dem stilisierten Motto Scotland FORward die schottische Labour Party, die Scottish National Party (SNP), die Liberal Democrats, und die Scottish Green Party für die Annahme beider Fragen des Referendums aus. Allerdings gab es hier deutliche programmatische Unterschiede. Labour und die Liberal Democrats nannten eine lokale Autonomie Schottlands innerhalb des Vereinigten Königreichs als ihr Ziel, während SNP und die Grünen als Endziel eine völlige Unabhängigkeit Schottlands befürworteten. Die Conservative Party empfahl dagegen in einer Kampagne unter der Führung von Brian Monteith und dem Motto Think Twice den Wählern die Ablehnung beider Fragen.[4]

Frage des Referendums

Den Wählern wurden zwei verschiedene Fragen vorgelegt, die sie unabhängig voneinander beantworten konnten:

“I agree that there should be a Scottish Parliament. / I do not agree that there should be a Scottish Parliament.”

Ich stimme zu, dass ein schottisches Parlament eingerichtet wird. / Ich bin dagegen, dass ein schottisches Parlament eingerichtet wird.

Erste Frage des Referendums vom 11. September 1997[5]

“I agree that a Scottish Parliament should have tax-varying powers. / I do not agree that a Scottish Parliament should have tax-varying powers.”

Ich stimme zu, dass ein schottisches Parlament das Recht zur Steuererhebung haben sollte. / Ich bin dagegen, dass ein schottisches Parlament das Recht zur Steuererhebung haben sollte.

Zweite Frage des Referendums vom 11. September 1997[5]

Ergebnisse des Referendums

Ergebnisse des Referendums[5][6]
Abstimmende
insgesamt
Einrichtung eines schottischen ParlamentsSteuerkompetenzen für das Parlament
Ja-StimmenNein-StimmenJa-StimmenNein-Stimmen
Unitary AuthorityWahl-
beteiligung
StimmenStimmenProzent der
Wähler
StimmenProzent der
Wähler
StimmenProzent der
Wähler
StimmenProzent der
Wähler
Aberdeen53,490.61565.03571,825.58028,254.32060,335.70939,7
Aberdeenshire56,796.49961.62163,934.87836,150.29552,345.92947,7
Angus6051.92133.57164,718.35035,327.64153,424.08946,6
Argyll and Bute64,645.24830.45267,314.79632,725.74656,919.42943
East Ayrshire64,560.55749.13181,111.42618,942.55970,317.82429,5
North Ayrshire63,167.23551.30476,315.93123,743.99065,422.99134,3
South Ayrshire66,460.07040.16166,919.90933,133.67956,126.21743,8
Borders64,453.91533.85562,820.06037,227.28450,626.49749,3
Clackmannanshire65,823.49618.79080,04.7062016.11268,67.35531,3
Dumfries and Galloway63,173.48244.61960,728.86339,335.73748,637.49951,2
East Dunbartonshire72,358.64240.91769,817.72530,234.57659,023.91440,9
West Dunbartonshire63,446.10939.05184,77.05815,334.40874,611.62825,3
Dundee55,364.80549.25276,015.5532442.30465,322.28034,5
Edinburgh59,8216.732155.90071,960.83228,1133.84361,882.18838
Falkirk63,469.59555.64280,013.9532048.06469,121.40330,8
Fife60,9167.008125.66876,139.51723,9108.02164,758.98735,3
Glasgow51,2244.375204.26983,640.10616,4182.58974,760.84225
Highland60,399.98272.55172,627.43127,461.35961,437.52537,9
Inverclyde60,040.62531.68078,08.9452227.19466,913.27732,8
North Lanarkshire60,4149.073123.06382,626.01017,4107.28872,041.37227,8
South Lanarkshire62,8147.670114.90877,832.76222,299.58767,447.70832,4
East Lothian64,945.19033.52574,211.66525,828.15262,316.76537,3
West Lothian62,371.53756.92379,614.61420,447.99067,123.35432,7
Midlothian64,939.66031.68179,97.97920,126.77667,512.76232,3
Moray57,536.94424.82267,212.12232,819.32652,317.34447,3
Orkney Islands53,28.2904.74957,33.54142,73.91747,34.34452,6
Perth and Kinross62,765.34240.34461,724.99838,333.39851,131.70948,7
East Renfrewshire6845.82628.25361,717.57338,323.58051,522.15348,4
Renfrewshire62,486.92468.71179,018.2132155.07563,431.53736,4
Shetland51,38.7055.43062,43.27537,64.47851,44.19848,4
Stirling65,542.63029.19068,513.44031,525.04458,817.48741,1
Western Isles55,312.5669.97779,42.58920,68.55768,13.94731,6
Schottland insgesamt60,22.391.2681.775.04574,3614.40025,71.512.88963,3870.26336,5

Im Ergebnis ergab sich landesweit eine deutliche Zustimmung zur Frage, ob ein eigenes schottisches Parlament eingerichtet werden solle. Auch in der Frage ob dieses neue Parlament eigene Steuerkompetenzen besitzen sollte ergab sich eine allerdings deutlich knappere Mehrheit. Daraufhin beschloss das Parlament in Westminster mit der Labour-Mehrheit den Scotland Act 1998, der den Weg zur Einrichtung eines eigenen schottischen Parlaments freimachte. Die ersten Wahlen zum neuen 129 Sitze umfassenden Parlament Schottlands fanden am 6. Mai 1999 statt. Stärkste Partei wurde die Labour Party, gefolgt von der SNP, während die Konservative Partei keinen einzigen der 73 Direktwahlkreise direkt gewinnen konnte und 13 Sitze über die Landesliste erhielt. Die erste Regionalregierung Schottlands wurde aus einer Koalition von Labour und Liberal Democrats gebildet.

Literatur

  • Nathalie Duclos: The 1997 devolution referendums in Scotland and Wales / Les référendums sur la dévolution en Écosse et au pays de Galles. In: Revue Française de Civilisation Britannique. Band 14, 2006, S. 151–164, doi:10.4000/rfcb.1187 (englisch, französisch).

Einzelnachweise

  1. The Campaign for a Scottish Assembly. (PDF; 1,4 MB) (Nicht mehr online verfügbar.) Archiviert vom Original am 1. Februar 2014; abgerufen am 25. Mai 2013 (englisch).
  2. The Devolution Debate This Century. BBC News, abgerufen am 25. Mai 2013 (englisch).
  3. Isobell White, Jessica Yonwin: Devolution in Scotland. (PDF; 101 kB) House of Commons Library, 5. April 2004, abgerufen am 28. Mai 2013 (englisch).
  4. Brian Taylor: Scottish Devolution. BBC Scotland, abgerufen am 26. Mai 2013 (englisch).
  5. a b c Richard Dewdney: Results of Devolution Referendums (1979 & 1997): Research Paper No 97/113. (PDF) House of Commons Library, 10. November 1997, abgerufen am 17. Mai 2013 (englisch).
  6. Scottish Referendum Live – The Results. BBC News, abgerufen am 26. Mai 2013 (englisch).

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The logo used by the No campaign in the 1997 Scottish devolution referendum; urging voters to vote No on both ballots.
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The logo used by the Yes campaign in the 1997 Scottish devolution referendum; urging voters to vote Yes on both ballots.
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Ergebnisse des Referendums vom 11. September 1997 zur Einrichtung eines schottischen Parlaments.
 
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Ergebnisse des Referendums vom 11. September 1997 zur Einrichtung eines schottischen Parlaments. Referendumsfrage nach Steuerkompetenzen für das schottische Parlament:
 
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