Red-Tag-Analyse

Die Red-Tag-Analyse ist ein Sortierungsverfahren des Lean-Managements.

Definition

Die Red-Tag-Analyse ermöglicht unbrauchbare von nützlichen Dingen zu trennen und wird oft dazu verwendet, Ordnung am Arbeitsplatz zu schaffen. Diese Methode ist simpel, benötigt keine großen finanziellen Mittel oder gar Training, lediglich ein Termin für alle Beteiligten muss hierzu vereinbart werden. Durch Aussortieren können Verschwendungen erkannt und beseitigt, sowie ein After-Sales-Bereich erkannt werden. Zudem wird zusätzlicher Platz für die wichtigen Dinge gewonnen. Es kristallisiert sich heraus, bei welchen Gegenständen es sich lohnt, sie stets vorrätig zu halten und bei welchen Gegenständen es sinnvoller ist, sie bedarfsbedingt zu bestellen. Dies kann Kapitalbindung vermeiden.[1]

Herkunft und Geschichte

Ursprünglich kommt diese Technik, Verschwendung zu erkennen und zu vermeiden, aus Japan. Ende des 2. Weltkriegs herrschte in Japan eine starke Rohstoffknappheit und auch andere Länder boten keine Unterstützung an. So sahen sich die Toyota-Inhaber gezwungen, ein neues Konzept zu entwickeln, welches Ressourcen an den richtigen Stellen einsparte und das Arbeiten effizienter gestaltete. So entwickelten sie das Toyota-Produktionssystem, welches sich bis heute bewährt. Die Red-Tag-Analyse ist ein Schritt in der Anwendung der 5S-Systematik, welche einen großen Teil des Toyota-Produktionssystems ausmacht. Die Japaner gliederten diese Lean-Management-Methode in folgende 5 Unterpunkte:[2]

  • Seiri
  • Seiton
  • Seiso
  • Seiketsu
  • Shitsuke

Bei dem ersten Punkt, dem Seiri, handelt es sich um die Vorgehensweise Ordnung zu schaffen und somit den Grundstein für alle nachfolgenden Punkte zu legen. Die Red-Tag-Analyse ist ein nützliches Tool, dessen man sich bedienen kann, um eine Struktur in das Aussortieren zu bringen.

Vorgehensweise

Eine Red-Tag-Analyse lässt sich am besten während eines Kaizen-Events durchführen.[3] Kaizen kommt aus dem japanischen und besteht aus zwei Wörtern. „Kai“ steht für „gut“ und „Zen“ für „Veränderung“. Kaizen ist Teil des Six Sigma Systems und dient hauptsächlich zur Beschreibung einer Methode des Qualitätsmanagements. Oftmals kommt es in einer Firma dazu, dass ein neues Team für ein Projekt gebildet wird. Die ausgewählten Teammitglieder kommen aus lauter verschiedenen Arbeitsbereichen und jeder hält zunächst die eigenen Arbeitsgegenstände allesamt für unabdingbar und nützlich. Es werden sich jedoch mit Sicherheit Gegenstände ansammeln, die für dieses spezielle Projekt nicht von großem Nutzen sind und eher als Platzverschwendung fungieren. Bevor also Neues entstehen kann, müssen alte Strukturen und Gewohnheiten aufgebrochen werden.[4]

Red-Tag

Während der Red-Tag-Analyse werden unnötige Elemente aus einem Arbeitsbereich entfernt. Teams werden oft ad hoc erstellt und so besteht die Möglichkeit, dass versehentlich Gegenstände entfernt werden, die jedoch tatsächlich für die Produktion benötigt werden. Die Red-Tag-Analyse hilft, diese Sortierfehler zu vermeiden.[5] Bei einer Red-Tag-Analyse wird im Allgemeinen wie folgt vorgegangen:

  1. Ein Mitarbeiter identifiziert ein Element als mögliche Verschwendung und stellt dieses in Frage.
  2. Er füllt den „Red-Tag“ aus und befestigt ihn an besagtem Element.
  3. Die Person wartet. Es gibt keine genauen Wartezeiten, jedoch empfiehlt sich ein Zeitraum von bis zu 30 Tagen.
  4. Ist in dieser Zeit ein anderer Mitarbeiter der Meinung, dass der „Red-Tag“ ungerechtfertigt ist, diskutieren die beiden und fällen eine Entscheidung darüber, ob die Markierung bleibt oder nicht.
  5. Wird beschlossen, das Element doch zu behalten, wird der „Red-Tag“ wieder entfernt.
  6. Wird beschlossen, das Element weiterhin markiert zu lassen, wird es in die sogenannte „Red-Tag-Area“ überführt. Dieser Ort bezeichnet einen Bereich, der brauchbare, aber zurzeit nicht genutzte Gegenstände lagert. Möglicherweise kann ein anderes Team genau dieses Element gebrauchen.
  7. Elemente, bei denen gar nicht erst über deren Nutzen oder deren Erhaltung diskutiert wurde, werden komplett entfernt. Dies kann über den Verkauf der Geräte, das Verschenken an Mitarbeiter, Versteigerungen oder deren Verschrottung erfolgen.

Wenn von einem Element der „Red-Tag“ entfernt und beschlossen wurde, es zu behalten, sollte ein neuer Platz für dieses geschaffen werden. Es wird an den Platz gebracht, an dem es benötigt wird und zudem sein Einsatz gekennzeichnet wird. Dies hält zukünftige Teams davon ab, das Element immer wieder zu markieren und dann doch zu behalten.[6]

Die sogenannten "Red-Tags" lassen sich schon vorgefertigt kaufen, so muss keine Zeit für das Erstellen und Drucken lassen aufgewendet werden. Bild 1 zeigt einen beispielhaften "Red-Tag".

Red Tag

Auf der Vorderseite wird oben das Datum, an dem das Element markiert wurde und daneben der Name der Person, die, die Markierung vorgenommen hat eingetragen. Dann wird der Name des Elements und an welcher Stelle es gefunden wurde angegeben. In den Kategorien kann man ankreuzen, welche Zugehörigkeit dieses Element besitzt. Zudem muss angekreuzt werden, welchen Grund die Person sieht, dieses Element auszusortieren, ob es sich beispielsweise um ein defektes Element handelt, ob es schlichtweg zurzeit einfach nicht benötigt wird oder ob es einfach veraltet und nicht mehr zeitgemäß ist.

Auf der Rückseite wird nach Ablauf der Wartefrist angekreuzt, was letztendlich mit dem Element geschehen soll. Soll es wieder in den Arbeitsplatz aufgenommen werden, einen Platz in der Red-Tag-Area bekommen oder es entsorgt werden etc. Zudem befindet sich auf der Rückseite auch Platz für Anmerkungen und Anregungen, falls Bedarf besteht.

Red-Tag-Area

Eine Red-Tag-Area ist einfach ein Ablageort für die mit den roten Zetteln gekennzeichneten Gegenstände. Ist dieser Platz übersichtlich, fällt es Mitarbeitern zudem leichter, Gegenstände auszusortieren, da sie wissen, dass sie trotzdem bei Bedarf schnell wieder auf diese zugreifen können. Sinnvoll ist es auch, dass sich der Teamleiter in regelmäßigen Abständen mit dem Inventar der Red-Tag-Area vertraut macht, um so stets einen groben Überblick zu haben und Mitarbeiter schneller zum benötigten Zielobjekt führen zu können. Wichtig ist, dass auch in der Red-Tag-Area ein Zeitlimit herrschen sollte. Eine Person, die die Verwaltung dieses Bereichs übernimmt, überprüft regelmäßig wie lange die Gegenstände schon in der Red-Tag-Area verweilen. Sie stellt deren allgemeine Nützlichkeit, den inhärenten Wert und die Wahrscheinlichkeit auf zukünftige Nutzung fest. Zum Beispiel sollte ein Computer-Monitor so lange aufbewahrt werden, bis er nicht mehr zeitgemäß ist. Ein brandneuer LED Sunpanel High performance LED Blinder hingegen sollte gar nicht erst in die Red-Tag-Area aufgenommen werden, da es einfach keine wahrscheinlich mögliche Verwendung hierfür gibt, auch wenn es ein teures Element ist.[7][8][9]

Große und expandierte Unternehmen halten es oft so, dass sie in einem Katalog die Gegenstände der Red-Tag-Area auflisten. Dies verringert die Wahrscheinlichkeit, dass Mitarbeiter einen dieser Artikel kaufen, obwohl sich dieser schon im Besitz des Unternehmens befindet. Wichtig ist, stets daran zu denken, dass wenn Gegenstände in die Red-Tag-Area verschoben wurden, sie immer noch einen potenziellen Nutzen für ein anderes Firmenmitglied darstellen können und die Red-Tag-Area nicht als ein bequemer Weg, unnütze Dinge ohne Wert zu entsorgen, verstanden werden soll.[10]

Anwendungsgebiete

Die Methode des Red-Taggings kann in vielerlei Bereichen angewendet werden. Wichtig ist, dass immer mit Struktur und System ausgemistet wird, da es sonst unübersichtlich wird. Sei es am eigenen Arbeitsplatz, angefangen bei dem eigenen Schreibtisch, über die persönliche Zwischenablage, physisch wie elektronisch, über gemeinsam genutzte Ablagen und Archive, was den Datendschungel miteinschließen kann, bis hin zu gemeinschaftlich genutzten Räumen, für die sich aber kaum jemand verantwortlich fühlt, wie große Besprechungsräume und Konferenzsäle.

Generell wird diese Methode im direkten Arbeitsumfeld angewendet, also am Arbeitsplatz oder innerhalb der Abteilung, da sie dort den meisten Nutzen mit sich bringt. Gibt es allerdings Diskrepanzen in der Kommunikation zwischen Mitarbeitern und Schnittstellen, wird vom gemeinsamen Identifizieren von Verschwendung abgeraten. Es sollte zunächst sichergestellt gestellt sein, dass ein tadelloser Informationsfluss und Austausch besteht und die Lean-Vorgehensweise von allen Mitarbeitern unterstützt wird, sonst kann sich die Red-Tag-Analyse auch kontraproduktiv auf das geplante Projekt auswirken.[11] Zu der Frage, wie oft ein solches Aussortieren stattfinden soll, sind sich die Lean-Ratgeber noch uneinig. Die einen raten dazu, jedes Quartal ein solches Red-Tag-Event zu veranstalten;[12] andere raten dazu, die Red-Tags offen auszulegen, damit jeder Mitarbeiter jederzeit die Möglichkeit hat, ein Element zu markieren.[13]

Die Methode des Red-Taggings wird auch im gesellschaftspolitischen Bereich als Etikettierungsansatz verwendet, um Gegner öffentlichkeitswirksam markieren und anschließend gezielt ausschalten (lassen) zu können. Der Ausdruck ist vor allem in Bezug auf rechtsautoritäre Regime wie etwa lateinamerikanische Militärdiktaturen geläufig, wo die Symbolfarbe rot eine besonders sinnfällige Bedeutung gewinnt, weil die Gegner häufig als „Kommunisten“ markiert werden; die Methode kann aber unter populistischen Verhältnissen auch mit anderen politischen Vorzeichen eingesetzt werden. Oppositionelle, unliebsame politische Akteure oder Regimekritiker werden öffentlich als „Rote“ markiert, um sie anschließend durch eingespielte Bedrohungsszenarien einschüchtern und verfolgen zu können, was bis zum politischen Mord führen kann. Dabei greifen Strategien politisch-gesellschaftlicher Stigmatisierung mit Mechanismen der Straflosigkeit regimefreundlicher Aktivisten ineinander. Heute wird insbesondere die Bekämpfung politischer Gegner unter der Präsidentschaft von Rodrigo Duterte auf den Philippinen als „Red-Tagging“ wahrgenommen.[14][15][16]

Literatur

  • Pascal Dennis: Lean Production Simplified, Third Edition: A Plain-Language Guide to the World’s Most Powerful Production System. CRC Press, 2016, S. 45–47.
  • Thomas L. Jackson: 5S for Healthcare – Lean Tools for Healthcare Series. 1. Ausgabe. CRC Press, 2009, S. 43 ff.
  • Werner Pepels: Handbuch Kundendienstmanagement: Grundlagen des After Sales Marketing. Symposium Publishing, 2014, S. 207.
  • Brice Alvord: Planning and Implementing 5S. Lulu.com, 2010, S. 59 ff.
  • Uwe Dombrowski: Lean Development: Aktueller Stand und zukünftige Entwicklungen. Springer-Verlag, 2015.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Werner Pepels: Handbuch Kundendienstmanagement: Grundlagen des After Sales Marketing. Symposium Publishing, 2014, S. 207.
  2. Taiichi Ohno: Toyota Production System – Beyond Large-Scale Production. Productivity Press, Cambridge Massachusetts 1988.
  3. itmanagersinbox.com/103/5s-system-step-1-the-sort-step/ IT Managers Inbox
  4. http://www.asq-1302.org/wp-content/uploads/2010/09/The-5Ss-of-Workplace-Organization.pdf ASQ Section 1302
  5. lean.org
  6. velaction.com
  7. velaction.com
  8. Red Tagging - You're It! (Memento vom 7. Juni 2016 im Internet Archive) 5S Supply
  9. asq-1302.org
  10. velaction.com
  11. Uwe Dombrowski: Lean Development: Aktueller Stand und zukünftige Entwicklungen. Springer, Heidelberg 2015.
  12. Pascal Dennis: Lean Production Simplified, Third Edition: A Plain-Language Guide to the World's Most Powerful Production System. CRC Press, Boca Raton 2016, S. 45–47.
  13. asq-1302.org
  14. Rappler Talk: Resisting red-tagging in universities. In: Rappler. 26. Oktober 2018, abgerufen am 23. Juli 2019 (englisch).
  15. „Wir werden leben!“ Ein philippinischer Bischof spricht über neokoloniales Durchhaltevermögen und antireligiösen Populismus. In: taz, 21. Juli 2019, abgerufen am 23. Juli 2019.
  16. CHR warns of grave implications of red-tagging groups. In: Philstar Global. 17. April 2019, abgerufen am 23. Juli 2019 (englisch).

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Red Tag.png
Autor/Urheber: Tessa.Scheling, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Beispiel eines "Red Tags", wie man sie auch im Handel erwerben kann.