Ratzeburger Kleinbahn

Ratzeburger Kleinbahn
Höhen- u. Lageplan (1902)
Streckenlänge:18,3 km
Spurweite:1435 mm (Normalspur)
von Büchen
0,0Ratzeburg Land
nach Lübeck
2,0St. Georgsberg
Ratzeburger See
2,7Ratzeburg Stadt
Küchensee
5,2Dermin
zum Schaalseekanal
6,6Ziethen
10,5Chausseehaus Mustin
11,8Mustin
15,4Groß Thurow
18,3Klein Thurow

Die Ratzeburger Kleinbahn AG wurde am 7. Januar 1903 vom preußischen Staat, dem Kreis Herzogtum Lauenburg, dem Lauenburgischen Landeskommunalverband und der Stadt Ratzeburg gegründet. Sie betrieb die Bahnstrecke Ratzeburg (Land)–Klein Thurow mit der Zweigstrecke Dermin–Schaalseekanal-Hafen.

Geschichte

Ankunft des ersten Zuges
Aktie über 1000 Mark der Ratzeburger Kleinbahn-AG vom 30. Juni 1908
Kleinbahnzug unter der Wegüberführung
Zug im Fuchsholz
Bahnhof vom Seeufer aus
Bahnhof nach Vollendung der Anbauten

Mit großem Missfallen nahm die Bevölkerung Ratzeburgs die Eröffnung der Strecke zwischen Lübeck und Büchen über 50 Jahre zuvor auf, da sich der Ratzeburger Bahnhof gut drei Kilometer, was etwa einem halbstündigen Weg entsprach, vom Mittelpunkt der Stadt entfernt lag. Die Hoffnung, dass die Lübeck-Büchener Eisenbahn eine Zweigstrecke in die Stadt bauen würde, erwies sich als trügerisch.

Erst dann gelang es der Stadt, eine Kleinbahn-Bau-Gesellschaft namens Lenz & Co. für das Vorhaben zu gewinnen. Sie hatte schon an vielen Orten Kleinbahnen gebaut und in Betrieb genommen. Anfang 1902 begann der Bau der vom Bahnkörper der Hagenow-Oldesloer Bahn abzweigenden Strecke.

Der Bahn war zu jener Zeit schon durch einen starken Touristenverkehr ihre Rentabilität gesichert und man rechnete mit einer Anschlussverbindung in Gadebusch an die Reichsbahnstrecke Schwerin–Rehna.[1] Diese kam allerdings nie zustande.

Die Ratzeburger Kleinbahn AG eröffnete am 27. Juni 1903 eine drei Kilometer lange normalspurige Strecke vom Staatsbahnhof Ratzeburg (Land) zur Stadt Ratzeburg. Diese war auf einem Damm durch den Ratzeburger See angelegt worden. Für ihre Fertigstellung war die Betriebsabteilung Altona mit Regierungsbaumeister Frank an ihrer Spitze und darunter die Bahnverwaltung der Ratzeburger Kleinbahn, die dem Bahnverwalter v. Marth unterstand, zuständig.[2]

Nach dem Überschreiten der Gleise der Hagenow-Oldesloer Bahn gelangte man zur Kleinbahn.

Auf dem etwa achtminütigen Weg zum Stadtbahnhof kam nach der ersten Kurve die Wegüberführung nach Einhaus, dann durchfuhr der Zug die auf der Domäne der Gemeinde Neu-Vorwerk gelegene Waldschlucht des Fuchsholzes, um im Anschluss bei einem Gefälle bis zu 1/45 zum See hinabzufahren. Nach einem kurzen Halt in St. Georgsberg, heute ein Stadtteil Ratzeburgs, überquerte der Zug auf dem Weg nach Ratzeburg den Damm und trat über die Demolierung[3] an den Uferrand des Küchensees, um schließlich unterhalb des Grundstücks der Aktienbrauerei den Stadtbahnhof zu erreichen. Nahe dem Bahnhof befand sich ein Landungssteg, von wo aus regelmäßig verkehrende Motorboote nach Waldesruh, Farchau, dem Weinberg oder dem Schützenhof abfuhren.[4]

Im ersten vollen Betriebsmonat der Kleinbahn beförderte sie 10989 Personen und mit 150 Waggonladungen insgesamt 1.500.000 Kilo. Die Einnahmen überschritten somit die im Voranschlag prognostizierten Summen erheblich.[5]

Im März 1906 wurde mit den Bauarbeiten für eine 16 Kilometer lange Verlängerung von Ratzeburg Stadt über Ziethen und Mustin bis nach Klein Thurow begonnen, dem damals östlichsten Ort im Kreis Herzogtum Lauenburg, der seit 1945 in Mecklenburg liegt. Um vom Stadtbahnhof die Bahnstrecke in südlicher Richtung weiterführen zu können, wurde ein mehrere hundert Meter langer Damm mitten im Küchensee aufgeschüttet, der auch heute noch vorhanden ist und das Gewässer seitdem in den Großen und den Kleinen Küchensee aufteilt; er heißt auch bis heute noch „Kleinbahndamm“. Am 30. Juni 1908 konnte die Strecke feierlich eröffnet werden. Im Jahre 1910 kam noch eine Zweigbahn von Dermin zum Schaalsee-Kanalhafen hinzu, die knapp drei Kilometer lang war und anfangs nur dem Güterverkehr diente. Im Reichskursbuch 1927 sind jedoch auch drei Personenzugpaare verzeichnet. Zwischen Stadt und Staatsbahnhof verkehrten damals insgesamt elf Zugpaare.

Betriebsführerin dieser insgesamt 21 Kilometer langen Kleinbahn, die bei Ziethen vier Kilometer durch das Land Mecklenburg-Strelitz fuhr, war die Betriebsabteilung Altona der Firma Lenz & Co. aus Berlin. Ihr standen drei Dampflokomotiven, sechs Personen-, zwei Pack- und achtzehn Güterwagen zur Verfügung.

Der Verkehrsrückgang am Ende der 1920er Jahre führte ab dem 8. Oktober 1933 zur Umstellung des Personenverkehrs auf Omnibusse. Seit dem 11. März 1935 betrieb die Ratzeburger Kraftverkehrs-GmbH, an der die Stadt Ratzeburg und der Kreis Herzogtum Lauenburg beteiligt waren, mit vier Kraftomnibussen eine Stadtlinie vom Reichsbahnhof zur Stadt und eine weitere von Ratzeburg nach Gadebusch in Mecklenburg. Der Güterverkehr auf der Schiene wurde noch bis zum 31. März 1934 weiter betrieben. Dann löste sich die Gesellschaft auf; die Kleinbahn wurde komplett abgetragen.

Im ehemaligen Empfangsgebäude des Bahnhofs Ratzeburg Stadt befinden sich heute eine Gastwirtschaft und Büros.

Literatur

  • Die Kleinbahn vom Ratzeburger Bahnhof nach der Stadt Ratzeburg. In: Vaterstädtische Blätter; Jg. 1902, Nr. 23, Ausgabe vom 15. Juni 1902, S. 179–180.
  • Die Ratzeburger Kleinbahn. Ein Ausflug in Lübecks schöne Umgebung. In: Vaterstädtische Blätter; Jg. 1903, Nr. 34, Ausgabe vom 23. August 1903 S. 265–270.
  • Gerd Wolff: Deutsche Klein- und Privatbahnen, Teil 1 Schleswig-Holstein. Gifhorn 1972

Weblinks

Commons: Ratzeburger Kleinbahn – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen

  1. Die Kleinbahn vom Ratzeburger Bahnhof nach der Stadt Ratzeburg. In: Vaterstädtische Blätter; Jg. 1902, Nr. 23, Ausgabe vom 15. Juni 1902, S. 179.
  2. Die Ratzeburger Kleinbahn. Ein Ausflug in Lübecks schöne Umgebung. In Vaterstädtische Blätter; Jg. 1903, Nr. 34, Ausgabe vom 23. August 1903, S. 268
  3. Die Demolierung ist eine am inselseitigen Ende des Lüneburger Damms gelegene Straße. Sie erinnert an die Festung die dort um 1816 abgerissen wurde.
  4. Die Ratzeburger Kleinbahn. Ein Ausflug in Lübecks schöne Umgebung. In Vaterstädtische Blätter; Jg. 1903, Nr. 34, Ausgabe vom 23. August 1903, S. 265
  5. Die Ratzeburger Kleinbahn. Ein Ausflug in Lübecks schöne Umgebung. In Vaterstädtische Blätter; Jg. 1903, Nr. 34, Ausgabe vom 23. August 1903, S. 267

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Kleinbahndamm Ratzeburg.jpg
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Kleinbahndamm durch den Küchensee in Ratzeburg, 1908 eröffnet; die Bahnstrecke ist in den 30er Jahren aufgegeben worden und vollständig abgebaut.
RZ Damals – RKb im Fuchsholz.jpg
Zug im Fuchsholz bei Ratzeburg
RZ Damals – RKb Höhen- und Lageplan – 1902.jpg
Die Kleinbahn vom Ratzeburger Bahnhof nach der Stadt Ratzeburg. Photographiert nach einem Originalbauplan von Gebrüder Borchers in Lübeck im Juni 1902.
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Kleinbahnzug unter der Wegführung
Ratzeburg Inselstadt aerial 02.jpg
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Luftbild der Innenstadt von Ratzeburg. Dieser älteste Teil der Stadt liegt auf einer Insel im Ratzeburger See, ist aber durch drei Dämme mit dem umliegenden Land verbunden, die den See in mehrere kleinere Seen einteilen. Einer dieser Dämme, der Lüneburger Damm, ist links oben im Bild sichtbar. Im Hintergrund sieht man den eigentlichen Ratzeburger See, links den Küchensee. Der langgezogene Park im Vordergrund verläuft ungefähr entlang der inzwischen abgebauten Strecke der Ratzeburger Kleinbahn, die hier am Seeufer entlang fuhr. Das Haus ganz unten rechts im Bild ist der ehemalige Stadtbahnhof.
RZ Damals – RKb vollendeter Stadtbahnhof.jpg
Der Stadtbahnhof in Ratzeburg nach Vollendung der Anbauten
Ratzeburger Kleinbahn 1000 Mk 1908.jpg
Aktie über 1000 Mark der Ratzeburger Kleinbahn-AG vom 30. Juni 1908
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Ehemaliger Kleinbahnhof Ratzeburg, heute als Hotel genutzt, Ansicht von der Promenade (ehem. Bahnsteigseite)
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Die Ankunft des ersten Zuges auf der Kleinbahn in Ratzeburg am 27. Juni 1903