Raphael Pacher

Raphael Pacher um 1905

Raphael Pacher (* 21. Juli 1857 in Iserthal [tschechisch Řeky, heute Stadtteil von Semily/Böhmen][1]; † 23. März 1936 in Wien) war deutschnationaler Politiker in Böhmen und Österreich. Er gehörte von 1899 bis 1913 dem Böhmischen Landtag und von 1901 bis 1918 dem Abgeordnetenhaus des österreichischen Reichsrates an. Beim Zerfall Österreich-Ungarns wurde er zum Landeshauptmann der Provinz Deutschböhmen gewählt, war vom 21. Oktober 1918 an Mitglied der Provisorischen Nationalversammlung für Deutschösterreich und wurde in der am 30. Oktober 1918 berufenen Staatsregierung Renner I als Staatssekretär für Unterricht praktisch der erste Bildungs- und Unterrichtsminister der Republik Österreich.

Leben

Herkunft und Studium

Raphael Pacher in Couleur seiner Studentenverbindung 1878

Raphael Pacher wuchs als Sohn eines Eisenbahnbeamten und Kreishauptmanns von Saaz auf. Er besuchte nach der Volksschule das deutsche Gymnasium auf der Prager Kleinseite, wo er Mitglied der pennalen Burschenschaft Quercus wurde. Sein Studium der Germanistik und Geschichte absolvierte er von 1876 bis 1881 an der Karl-Ferdinands-Universität in Prag. Dort gründete er 1876 mit Schulfreunden (u. a. mit Ludwig Außerwinkler) die akademisch-technische Burschenschaft Teutonia, der er bis zu seinem Tod verbunden blieb.

Berufliche Tätigkeit

Ab 1880 arbeitete Pacher als Journalist und war als Redakteur und Schriftsteller verschiedener deutschnationaler Zeitungen in Rumburg, Warnsdorf, Brünn und Wien tätig. Ab 1895 war er Redakteur der „Deutschen Zeitung“ und dann der „Ostdeutschen Rundschau“ in Wien.

Politische Tätigkeit

Karikatur von Moriz Jung mit dem Titel „Unsere Alldeutschen beim Alten Schönerer“; sie zeigt neben Georg von Schönerer im Sessel die alldeutschen Abgeordneten Karl Hermann Wolf, Josef Herold und Anton Schalk und Pacher

Pacher gründete den „Deutschen Klub“ in Prag und 1890 den „Deutschnationalen Verein“ in Brünn, dessen Obmann er bis 1894 war. Als Anhänger Georg von Schönerers Alldeutscher Vereinigung wurde er 1899 in den Böhmischen Landtag gewählt, dem er bis 1913 angehörte. Bei der noch nach Kurienwahlrecht durchgeführten Reichsratswahl 1901 gewann er das Abgeordnetenmandat des Wahlbezirks Böhmen Städte 11 (Karlsbad, Joachimsthal, Kaaden, Komotau, Pressnitz, Weipert). Pacher war großdeutsch eingestellt und verstand sich stets als „deutscher Irredentist“.[2] Wegen parteiinterner Konflikte (insbesondere über die Los-von-Rom-Bewegung) trennten sich Pacher, Karl Hermann Wolf, Josef Herold und Anton Schalk 1902 von der Schönerer-Gruppe und gründeten im Jahr darauf die Freialldeutsche Vereinigung (eigentlich Freie Vereinigung der alldeutschen Abgeordneten), der sich bis 1905 die meisten Abgeordneten der Schönerer-Gruppe anschlossen. Aus ihr ging 1907 die Deutschradikale Partei hervor.

Nach der Reichsratswahlordnung von 1907 wurde Pacher im Wahlbezirk Böhmen 86 (Komotau-Oberdorf–Preßnitz-Weipert–Sebastiansberg) wiedergewählt, den er auch nach der Wahl 1911 bis zur Auflösung der Habsburgermonarchie 1918 als Abgeordneter im Reichsrat vertrat. Von 1908 bis 1918 war Pacher Obmann des „Bundes der Deutschen in Böhmen“, eines wirtschaftlichen Schutzvereins, und wurde Vorstandsmitglied des „Deutschnationalen Vereins“ für Österreich.

    Provinz Deutschböhmen als Teil von Deutschösterreich

Als sich 1918 abzeichnete, dass der Erste Weltkrieg für Österreich-Ungarn nicht siegreich ausgehen würde, verstärkten die auf Eigenständigkeit ihrer Nationalitäten zielenden Politiker Altösterreichs ihre großteils bereits 1917 im Reichsrat verkündeten Bestrebungen. Die k.k. Regierung in Wien büßte ihre restliche Autorität ein, als es ihr, vor allem wegen des Interessengegensatzes zwischen Slawen und Deutschen, nicht gelang, ein faires Modell für die moderne Gliederung der im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder vorzuschlagen. K.k. Ministerpräsident Max Hussarek von Heinlein scheiterte am 26. September 1918 mit seinem Angebot, den Tschechen weitgehende Autonomie einzuräumen, da der tschechische Nationalrat in Paris die Loslösung der böhmischen Länder von Österreich vorbereitet und mit den Kriegsgegnern Österreichs abgestimmt hatte.

Als die tschechischen Vorbereitungen zur Gründung eines eigenen Staates konkretere Formen annahmen, gelang es Pacher gemeinsam mit dem Sozialdemokraten Josef Seliger – woran Josef Titta zuvor mit dem Deutschen Volksrat für Böhmen gescheitert war –, die Landtagsabgeordneten aller deutschen Parteien in Böhmen am 14. Oktober 1918 zu einer Koalition zu vereinen. Diese Koalition beschloss am 23. Oktober einen zwölfgliedrigen Ausschuss zur Vorbereitung der Konstituierung der Provinz Deutschböhmen einzusetzen. Pacher war gemeinsam mit Seliger und Rudolf Lodgman von Auen richtungsweisendes Mitglied des Ausschusses. Die Ereignisse beschleunigten sich, als am 28. Oktober 1918 die Tschechoslowakische Republik ausgerufen wurde und damit zu rechnen war, dass die neue Prager Regierung auch auf die deutschbesiedelten Randgebiete mit 3,2 Millionen Deutschen Anspruch erheben würde.

Die Koalition vom 14. Oktober proklamierte deshalb auf Grundlage der Ausführungen des zwölfgliedrigen Ausschusses am 29. Oktober 1918 die Republik Deutschböhmen mit Sitz in Reichenberg. Raphael Pacher wurde zum ersten Landeshauptmann ernannt. Man plante, Deutschböhmen an Deutschösterreich anzuschließen, dessen Reichsratsabgeordnete sich am 22. Oktober 1918 als Provisorische Nationalversammlung konstituiert und am 30. Oktober 1918 die Staatsregierung Renner I mit dem Sozialdemokraten Karl Renner aus Südmähren an der Spitze als erste Regierung des neuen Staates bestellt hatten. Pacher war Mitglied dieser Nationalversammlung und der von ihr eingesetzten Regierung.

In Deutschböhmen stand Pacher vor der Aufgabe, die Vereidigung der Beamten auf den neuen Staat zu übernehmen, neue Ämter zu schaffen, die infolge des Ersten Weltkrieges katastrophale Versorgungslage der Bevölkerung zu klären und die Kriegsheimkehrer zu integrieren. Außerdem sollten deutsche Truppen ausgehoben werden, da mit dem Einmarsch der tschechoslowakischen Armee nach Deutschböhmen zu rechnen war; dieser erfolgte am 13. November.

Als Pacher am 30. Oktober 1918 sein Amt als Staatssekretär für Unterricht in Wien antrat, übergab er am 5. November 1918 das Amt des Landeshauptmanns von Deutschböhmen an den 20 Jahre jüngeren, parteilosen Rudolf Lodgman von Auen. Das Staatskonzept Deutschösterreichs (mit einem Bundesland Deutschböhmen) erwies sich aber bald als unrealistisch, da die von den Kriegssiegern unterstützte Tschechoslowakei keinen Anlass sah, einer Teilung der historischen Länder der Böhmischen Krone zuzustimmen. Die für 16. Februar 1919 angesetzte Wahl der Konstituierenden Nationalversammlung konnte daher in den deutschen Gebieten Böhmens, Mährens und Österreichisch-Schlesiens nicht abgehalten werden. Als dieses Parlament in Wien zum ersten Mal zusammentrat, kam es deshalb am gleichen Tag zur Demonstration der Sudetendeutschen am 4. März 1919, die von den Kriegssiegern nicht weiter beachtet wurde.

Die Nationalversammlung in Wien wählte am 15. März 1919 die Staatsregierung Renner II, eine rot-schwarze Koalitionsregierung, der Pacher nicht mehr angehörte. Pacher behielt seinen Wohnsitz in Wien bei und unterstützte die deutschböhmischen Gebiete in führender Position im Wiener „Hilfsverein für Deutschböhmen und das Sudetenland“. Er wurde auch Präsident des staatseigenen österreichischen Schulbücherverlages.

Raphael Pacher starb 1936 und wurde auf dem Wiener Zentralfriedhof in einem Ehrengrab beigesetzt.

Neben Georg von Schönerer, Karl Hermann Wolf, Otto Steinwender und Arthur Stölzl wurde Pacher zu den führenden Köpfen der deutschnationalen Bewegung in Österreich gezählt.

Ehrungen

Publikationen

  • Deutschböhmen, wie es gesetzlich bereits besteht, Reichswahlordnung und Kreiseinteilung. 1918.

Einzelnachweise

  1. Foto von Matricula Online – Semily, Taufbuch, 1851-1861, Seite 113, 4. Zeile
  2. Harald Bachmann: Adolf Bachmann. Ein österreichischer Historiker und Politiker. Verlag Lerche, München 1962, S. 102.

Literatur

  • Harald Bachmann: Pacher Raphael. In: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950 (ÖBL). Band 7, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1978, ISBN 3-7001-0187-2, S. 280.
  • Harald Bachmann: Raphael Pacher und die deutschradikale Bewegung in den Sudetenländern. In: Bohemia. Band 5, 1964, S. 447–458 (Digitalisat).
  • Helge Dvorak: Biographisches Lexikon der Deutschen Burschenschaft. Band I: Politiker. Teilband 4: M–Q. Winter, Heidelberg 2000, ISBN 3-8253-1118-X, S. 267–268.

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Austria Bundesadler.svg
Wappen der Republik Österreich: Nicht gesetzeskonforme Version des österreichischen Bundeswappens, umgangssprachlich „Bundesadler“, in Anlehnung an die heraldische Beschreibung des Art. 8a Abs. 3 Bundes-Verfassungsgesetz mit zwar nach Wappengesetz detailliertem, aber schwarzem statt grauem Gefieder, mit zu grellem Gelb sowie mit inkorrekter Darstellung des Bindenschilds, da die weiße Binde zu breit und der untere rote Balken zu schmal sowie der Spitz, statt halbrund zu sein, zu flach gerundet ist:

Das ursprüngliche Staatswappen wurde in der ersten Republik Österreich im Jahr 1919 eingeführt. Im austrofaschistischen Ständestaat wurde es im Jahr 1934 wieder abgeschafft und, im Rückgriff auf die österreichisch-ungarische Monarchie, durch einen Doppeladler ersetzt. In der wiedererstandenen (zweiten) Republik im Jahr 1945 wurde das Bundeswappen mit dem Wappengesetz in der Fassung StGBl. Nr. 7/1945 in modifizierter Form wieder eingeführt. Der Wappenadler versinnbildlicht, diesem Gesetzestext entsprechend (Art. 1 Abs. 1), „die Zusammenarbeit der wichtigsten werktätigen Schichten: der Arbeiterschaft durch das Symbol des Hammers, der Bauernschaft durch das Symbol der Sichel und des Bürgertums durch das Symbol der den Adlerkopf schmückenden Stadtmauerkrone […]. Dieses Wappen wird zur Erinnerung an die Wiedererringung der Unabhängigkeit Österreichs und den Wiederaufbau des Staatswesens im Jahre 1945 dadurch ergänzt, dass eine gesprengte Eisenkette die beiden Fänge des Adlers umschließt.“

Mit dem Bundesverfassungsgesetz vom 1. Juli 1981, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 geändert wird, BGBl. Nr. 350/1981, wurden die Wappengesetze von 1919 und 1945 außer Kraft gesetzt und dem Text des Bundes-Verfassungsgesetzes mit Artikel 8a B-VG eine Verfassungsbestimmung über die Farben, die Flagge und das Wappen der Republik Österreich hinzugefügt. Mit der Neuverlautbarung des Wappengesetzes mit BGBl. Nr. 159/1984 in § 1 in der grafischen Umsetzung der Anlage 1 wurde das Bundeswappen in seiner aktuellen Version eingeführt.
Der Aufbau der Republik Deutschösterreich.png
Gebietsstand der Republik aufgrund des Gesetzes der provisorischen Nationalversammlung Deutschösterreichs vom 22.11.1918. Umfasst alle deutschsprachigen Gebiete und Länder der ehemaligen österreichischen Reichshälfte. Daneben ist die Grenze des heutigen Österreichs zum Vergleich angegeben. Die Länder Vorarlberg und Deutsch-Tirol bildeten ursprünglich eine gemeinschaftliche Provinz namens »Tirol-Vorarlberg«. Die Provinz wurde jedoch noch 1918 in die heutigen Gebietsteile aufgegliedert, da Vorarlberg bis 1920 gedachte, sich der Schweiz anzuschließen. Das heutige Tirol führte amtlich den Namen »Deutschtirol«, um sich von »Welsch-Tirol« (dem heutigen Trentino) abzugrenzen; »Deutschtirol« gehörte demnach natürlich auch das heutige italienische Südtirol an.

Die deutschösterreichischen Provinzen im Einzelnen:

 
Provinz Oberösterreich: 15.162 km², 1,03 Millionen Einwohner. 1910 bekannten sich für das ehemalige Kronland Österreich ob der Enns [ohne Deutschsüdböhmen] 99,7% der Einwohner als Deutsche und 0,2% als Tschechen.
 
Provinz Niederösterreich: 22.048 km², 3,72 Millionen Einwohner. 1910 bekannten sich für das ehemalige Kronland Österreich unter der Enns [ohne den Deutsch-Südmährischen Kreis] 95,5% als Deutsche und 3,7% als Tschechen. 0,1% gaben ein anderes Volkstum an.
 
Provinz Deutschböhmen: 14.496 km², 2,23 Millionen Einwohner. 1919 bekannten sich von den Einwohnern 2,07 Millionen als Deutsche und 116.275 als Tschechen.
 
Provinz Sudetenland: 6.534 km², 678.880 Einwohner. 1919 bekannten sich von den Einwohnern 643.804 als Deutsche, 25.028 als Tschechen und 5.200 als Polen.
 
Provinz Steiermark: 22.426 km², 1,44 Millionen Einwohner. 1910 bekannten sich von den Einwohnern 70,5% als Deutsche und 29,5% als Slowenen.
 
Provinz Salzburg: 7.153 km², 214.997 Einwohner. 1910 bekannten sich 99,7% der Einwohner als Deutsche.
 
Provinz Kärnten: 10.327 km², 394.735 Einwohner. 1910 bekannten sich 78,6% als Deutsche und 21,4% als Slowenen.
 
Provinz Deutschtirol: 20.047 km², 1,09 Millionen Einwohner. 1910 bekannten sich in der Provinz 839.000 als Deutsche, 20.000 als Ladiner und 3.000 als Italiener.
 
Provinz Vorarlberg: 2.602 km², 145.794 Einwohner. 1910 bekannten sich von den Einwohnern 95% als Deutsche und 5% als Italiener.
 
Die Einschlussgebiete Deutschösterreichs:
  1. Iglau: 374 km², 31.000 Einwohner (1920). Davon 17.000 Tschechen und 14.000 Deutsche.
  2. Brünn: 70 km², 263.600 Einwohner (1920). Davon 209.600 Tschechen und 54.000 Deutsche.
  3. Olmütz: 42 km², 66.400 Einwohner (1920). Davon 51.400 Tschechen und 15.000 Deutsche.

Von Deutschösterreich formal beanspruchte Gebiete:

 
Deutschwestungarn
 
Ostschlesien (gemeinschaftliche Verwaltung mit Polen und der Tschechoslowakei vorgeschlagen)
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Raphael Pacher 1878

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Austrian politician Georg Schoenerer was sentenced to prison because in 1888 he conducted a raid on a newspaper office that had prematurely published the death notice of Kaiser Willhelm I. While doing so, he was drunk, and thus this political cartoon responds to his situation.
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