Radleuchter

Heziloleuchter im Hildesheimer Dom

Ein Radleuchter ist ein Beleuchtungselement, ein von der Decke hängender reifenförmiger Kronleuchter. Die ältesten und bedeutendsten erhaltenen Exemplare stammen aus der Zeit der Romanik.

Radleuchter wurden zur Beleuchtung großer Kirchen angefertigt. Daneben hatten sie aber auch symbolischen Wert. Radleuchter stellen das Paradies oder das Reich Gottes dar. Der Kranz und die Tore und Türme, die meist von Propheten und Aposteln besetzt oder mit deren Namen beschriftet sind, bilden die Stadtmauer des Himmlischen Jerusalem ab. Die Anzahl der tragenden Streben, der Türme und der Kerzen entspricht mit der Zahl Zwölf und deren Vielfachen der Zahlensymbolik der Offenbarung des Johannes. Zum ersten Mal findet sich diese Symbolik an den beiden Radleuchtern, die Bischof Bernward für den Hildesheimer Dom und die Kirche seiner Klosterstiftung von St. Michael anfertigen ließ.[1] Vorbild war der große Radleuchter über dem Golgota der Grabeskirche.[2]

Byzantinische Radleuchter

Dem Münchner Choros nachempfunden ist der moderne Choros der Griechisch Orthodoxen Kirche von Mount Pleasant, South Carolina.
Serbischer Choros (um 1350), Königliche Stiftung im Memorialkloster Visoki Dečani.

Radleuchter (griechisch Choroi, Singular Choros) wurden in der byzantinischen Kunst in der mittleren und späten Epoche (9. Jahrhundert bis ca. 1450) geschaffen. Erhalten ist ein Choros aus dem 13.–14. Jahrhundert in der Archäologischen Staatssammlung München – Museum für Vor- und Frühgeschichte. Er hat 350 cm Durchmesser und ist ohne die Hängelampen 465 cm hoch. Der Leuchter besteht aus gegossenem Kupfer und setzt sich aus 1105 Einzelteilen zusammen.[3]

Weiter sind mittelalterliche Choroi aus Serbien, manche intakt, manche fragmentiert, erhalten. Zumindest zwei erhaltene mittelalterliche serbische Choroi sind zugleich auch royale Stiftungen serbischer Könige.[3] Diese sind der Choros im Kloster Visoki Dečani sowie der aus dem Markov Kloster bei Skopje. Ihre Entstehungszeit ist nicht früher als die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts. Der Choros in Dečani wurde 1397 restauriert und hängt bis heute an seinem ursprünglichen Platz. Während der Münchner Choros aus standardisierten Produkten zusammengesetzt ist, besteht die Dekoration beim Choros von Dečani aus individuell gefertigten ornamentalen floralen Mustern und phantastischen Kreaturen. Ist der byzantinischer Radleuchter in München aus gegossenem Kupfer, so wurden die beiden royalen serbischen Kronleuchter aus gegossener Bronze geschaffen. Im Choros des Markov Klosters sind die in Appliqué-Technik gefertigten bronzenen Medaillons mit königlicher Inschrift in kirchenslawischen Alphabet bedeutsam. Die Medaillons tragen die Inschrift des serbischen Königs Vukašin Mrnjavčević oder auch das Wappensymbol des doppelköpfigen byzantinischen Adlers. Einzelne Teile finden sich heute verstreut in den archäologischen Sammlungen im Nationalmuseum in Belgrad, dem Archäologischen Museum in Istanbul sowie im Nationalen Historischen Museum in Sofia.[4]

Osmanische Radleuchter

Aus osmanischer Zeit stammen Radleuchter in den Athosklöstern Xeropotamou, Koutloumousiou und Dionysiou, in denen sich osmanische Tierornamentik findet.

Romanische Radleuchter

In Deutschland existieren noch vier große romanische Radleuchter. Die Tatsache, dass sie aus feuervergoldetem Kupfer und nicht aus reinem Gold bestehen, hat sie vor dem Einschmelzen bewahrt. Die aus Silber bestehenden Propheten- und Engelsfiguren wie auch der oft reiche Edelsteinbesatz gingen aber zum größten Teil verloren.

Gotische Radleuchter

In der Münsterkirche St. Alexandri in Einbeck befindet sich ein spätgotischer Radleuchter mit einem Durchmesser von etwa 3,50 m aus bemaltem Messing. Auf der Inschrift auf der Halterungskrone steht das Jahr 1420. Er wurde vermutlich von einem Kanoniker der Kollegiatstiftskirche, Degenhard Ree, gestiftet. Die Komposition soll auf ein nicht erhaltenes Vorbild im Kloster Pöhlde zurückgehen.[5] Im Dom St. Stephan und St. Sixtus zu Halberstadt findet sich ein weiterer [spät]gotischer, bronzener Leuchter aus dem Jahre 1516.

Neoromanische Radleuchter

In einigen Kirchen gibt es große neoromanische Radleuchter, die teilweise schon beim Einbau elektrifiziert waren, so zum Beispiel:

Zeitgenössische Radleuchter

Es gibt auch zeitgenössische Radleuchter, die an diese Tradition anknüpfen, z. B.:

An die serbischen mittelalterlichen Choroi lehnen sich der kupferne Choros in der heutigen Sankt-Markus-Kirche in Belgrad sowie der für den Dom des Heiligen Sava an. Der Choros in der Sankt-Markus-Kirche gilt bis heute als einer der größten der Welt. Übertroffen werden wird er von dem bronzenen Choros, der bis Oktober 2020 in der Kirche des Heiligen Sava in Belgrad aufgehängt sein wird. Dieser einem Projekt Nikolai Muchins entstammende, aus gegossener Bronze gefertigte Choros entsteht in der Russischen Akademie für Künste in Moskau. Mit 20 m Durchmesser und 14 Tonnen Gewicht wird er 7,5 m über dem Kirchenboden angebracht und mit Widerlagern an 12 Punkten an Wänden der Kirche befestigt werden.[9]

Literatur

  • Clemens Bayer: Die beiden großen Inschriften des Barbarossa-Leuchters. In: Clemens Bayer (Hrsg.): Celica Jherusalem. Festschrift für Erich Stephany. Köln 1986, S. 213–240.
  • Ursula Prinz: Civitas Dei. Zum Hertwig-Radleuchter auf der Großcomburg und seinem Figurenprogramm, in: Kloster Großcomburg. Neue Forschungen, hg. v. Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg und Klaus Gereon Beuckers, unter Mitarbeit von Sören Groß, Regensburg 2019, S. 217–235.
  • Bernhard Gallistl: Bedeutung und Gebrauch der großen Lichterkrone im Hildesheimer Dom. In: Concilium Medii Aevi. Band 12, 2009, S. 43–88, (cma.gbv.de, PDF; 2,9 MB)
  • Rolf Dieter Blumer, Ines Frontzek: Recherchiert und kartiert. Der Comburger Hertwig-Leuchter. In: Denkmalpflege in Baden-Württemberg. 41. Jahrgang, Heft 4, 2012, S. 194–199, (denkmalpflege-bw.de, PDF)
  • Hans Sedlmayr: Die Entstehung der Kathedrale. Zürich 1976, S. 125–130.

Weblinks

Commons: Coronas (lighting devices) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Hans Sedlmayr: Die Entstehung der Kathedrale. S. 125–128.
  2. Bernhard Gallistl: Bedeutung und Gebrauch der großen Lichterkrone im Hildesheimer Dom. S. 44–45, 76–79.
  3. a b Anna Ballian: 60. Choros. In: Helen C. Evans (Hrsg.): Byzantium Faith and Power (1261–1577). The Metropolitan Museum of Art, New York 2004, ISBN 1-58839-113-2, S. 125.
  4. Dragomir Todorović: 61A, B. Medaillons from a Hanging Lamp (Choros). In: Helen C. Evans (Hrsg.): Byzantium Faith and Power (1261–1577). The Metropolitan Museum of Art, New York 2004, ISBN 1-58839-113-2.
  5. Franz Hoffmann: St. Alexandri Einbeck. In: Grosse Baudenkmäler. 2. Auflage. Nr. 318. Deutscher Kunstverlag, München 1981.
  6. Radleuchter in der Webpräsenz des Bamberger Doms bamberger-dom.de
  7. Kirche. (Nicht mehr online verfügbar.) Katholische Pfarrgemeinde St. Elisabeth Bonn, archiviert vom Original am 30. März 2016; abgerufen am 19. Mai 2013.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.st-elisabeth-bonn.de
  8. Webseite der Klosterkirche, abgerufen am 17. Januar 2018.
  9. Beobuild, 24. Februar 2020 Veličanstveni mozaik u Hramu Svetog Save

Auf dieser Seite verwendete Medien

Comburg Hartwigleuchter.jpg
Autor/Urheber: Michael Hanselmann, Lizenz: CC BY-SA 2.0 de
Hartwigleuchter, ca. 1130, Radleuchter Kloster Comburg bei Schwäbisch Hall
Hildesheim St Antonius Inneres.jpg
Autor/Urheber: Frank Kaiser, Siegen, Lizenz: Attribution
Hildesheim, St. Antonius, Inneres mit Lettner und Azelinleuchter
7. Manastiri i Deçanit.JPG
Autor/Urheber: AgronBeqiriPh, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Dieses Bild zeigt das Denkmal im Kosovo mit der Nummer
NHMB-Markov-Manastir-Church-St.Demetrius-elements-from-the-chandelier-1.jpg
(c) Vassia Atanassova - Spiritia, CC BY-SA 3.0
Bronze elements from the chandelier, donated by King Valkashin to the Church "Saint Demetrius" in the Markov Monastery, Macedonia (1365-1371). Exhibits of the National History Museum of Bulgaria
NHMB-Markov-Manastir-Church-St.Demetrius-elements-from-the-chandelier-2.jpg
(c) Vassia Atanassova - Spiritia, CC BY-SA 3.0
Bronze element from the chandelier, donated by King Valkashin to the Church "Saint Demetrius" in the Markov Monastery, Macedonia (1365-1371). Exhibit of the National History Museum of Bulgaria
Polijeleja 3 sv marko.jpg
Autor/Urheber: Orjen, Lizenz: CC BY-SA 4.0
polijeleja 1 sv marko
Barbarossaleuchter.jpg
Autor/Urheber: Lokilech, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Barbarossaleuchter im Aachener Dom
Holy Ascension Orthodox Church (6953693526).jpg
Autor/Urheber: Andrew Gould, Lizenz: CC BY-SA 2.0

For more pictures of the spectacular new chandelier, please see my other set "Holy Ascension Choros Chandelier."

This spectacular Byzantine chandelier was installed in Holy Ascension Orthodox Church (Mt. Pleasant, SC) in April, 2012. When I designed the church eight years earlier, I planned for this chandelier. It is modelled upon the 'Munich Choros', a medieval Byzantine fixture similar to the one still in place in the Decani Monastery, Kosovo. Thanks to a memorial gift, I have finally had the opportunity to build this choros. It is 18 feet in diameter, 22 feet tall, and made primarily of plasma-cut steel parts articulated with hinges. The candles on top are electrified, while the glass lamps hanging below are able to hold oil or candles. The bars include an inscription in ornamental lettering from the book of Revelation: "There shall be no night there, and they need no candle, neither light of the sun, for the Lord God giveth them light, and they shall reign for ever and ever."
Hildesheim Dom Heziloleuchter.jpg
Autor/Urheber: bph, Lizenz: Attribution
Hildesheim, Dom, Heziloleuchter, um 1070