Racial Profiling

Als Racial Profiling (auch „ethnisches Profiling“ genannt) bezeichnet man ein häufig auf Stereotypen und äußerlichen Merkmalen basierendes Agieren von Polizei-, Sicherheits-, Einwanderungs- und Zollbeamten, nach dem eine Person anhand von Kriterien wie „Rasse“, ethnischer Zugehörigkeit, Religion oder nationaler Herkunft als verdächtig eingeschätzt wird und nicht anhand von konkreten Verdachtsmomenten gegen die Person. Der Ausdruck entstammt der US-amerikanischen Kriminalistik.

Racial Profiling wird als diskriminierend und ineffektiv kritisiert und ist beispielsweise im Vereinigten Königreich und den USA verboten, in Israel jedoch zur Terrorabwehr üblich.[1] In Deutschland gibt es keine explizite juristische Regelung. Racial Profiling wird von Kritikern dem institutionellen Rassismus zugeordnet.

Erscheinungsformen

Von Strafverfolgungsbehörden veröffentlichte Profile von Verdächtigen mit der Nennung ethnischer Merkmale oder der Hautfarbe sowie die Tätigkeit des Fallanalytikers (engl. profiler) bezeichnet man nicht als racial profiling.[2]

Racial Profiling tritt auf:

  • bei der Bekämpfung der illegalen Einwanderung durch Personenkontrollen an Bahnhöfen, Flughäfen, Zügen und im Grenzbereich bei Menschen, die äußerlich ein „ausländisches Aussehen“ haben
  • bei der Bekämpfung des islamistischen Terrorismus durch Personenkontrollen von Moscheebesuchern oder „muslimisch aussehenden“ Personen und bei der entsprechend motivierten Rasterfahndung
  • bei Fällen, bei denen Strafverfolgungsbehörden gegen ethnisch definierte „übliche Verdächtige“ vorgehen,[3] wie z. B. in den USA bei verstärkten Kontrollen von schwarzen Fahrzeughaltern (Driving While Black)
  • zur Information der Behörden über den Aufenthalt und die Identität ethnisch definierte Personen, z. B. Uiguren in China[4]

Rechtslage

Racial Profiling verstößt nach Ansicht des Europäischen Netzwerkes gegen Rassismus gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz und sei eine Form der nach internationalem Recht verbotenen Diskriminierung.[2] In vielen Ländern wird Racial Profiling geächtet. So ist es zum Beispiel in Großbritannien und den USA verboten.

In Deutschland verstößt Racial Profiling durch die Bundespolizei, nach einem 2016 ergangenen Urteil des Oberverwaltungsgerichts Koblenz, gegen Art. 3 Abs. 3 GG. Das öffentliche Interesse der Verhinderung von unerlaubten Einreisen nach § 22 Abs. 1a BPolG wiege nicht so schwer, dass dies ausnahmsweise eine Ungleichbehandlung wegen der Hautfarbe rechtfertigen könne.[5]

Kritik

Die Effektivität von Racial Profiling wird in Frage gestellt.[6] Dem Europäischen Netzwerk gegen Rassismus (ENAR) zufolge wirkt es im Bereich der Verbrechens- und Terrorbekämpfung kontraproduktiv, weil es genau die Gemeinschaften ausgrenzt, auf deren Mitarbeit die Behörden angewiesen sind.[2] Es könne dazu führen, dass bestimmte Tätergruppen erst gar nicht in das Blickfeld der Strafverfolgungsbehörden geraten – wie nicht zuletzt das Versagen der Ermittlungsbehörden im Fall der Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) zeige.[7] Hier hatte die Polizei lange Verbrechen im Rahmen der organisierten Kriminalität im Rauschgiftbereich mit Kontakten in die Türkei vermutet, die Taten der NSU-Mordserie wurden medial als „Döner-Morde“ bezeichnet. Angehörige der Opfer warfen den deutschen Behörden einseitige Ermittlungen vor, sie hätten in die falsche Richtung gesucht, da mögliche rassistische Motive nicht berücksichtigt worden seien.[8]

Racial Profiling wird der Vorwurf gemacht, dass es in der Wechselwirkung den alltäglichen Rassismus verstärke. Einmal werden bei Kontrollen häufig Verstöße festgestellt (illegaler Aufenthalt, Residenzpflicht, Arbeitsverbot …), die Deutsche und EU-Bürger gar nicht begehen können. Die Fallzahlen der Polizei würden dann oft unspezifisch unter der Rubrik „Ausländerkriminalität“ veröffentlicht. Auch würde bei den polizeilichen Kontrollen im öffentlichen Raum für Außenstehende der Eindruck entstehen, dass die Einschränkung der Kontrollen auf die anders aussehenden Menschen bestimmt nicht grundlos sei.

In Deutschland sind insbesondere Sinti und Roma von Racial Profiling betroffen. Bereits seit der Zeit des deutschen Kaiserreichs wurden Sinti und Roma pauschal als Gefährdung für Sicherheit und Ordnung angesehen und entsprechend unter Generalverdacht gestellt. Dies setzte sich in der Zeit des Nationalsozialismus fort, endete aber nicht mit diesem Abschnitt der deutschen Geschichte. So wurde im Bundeskriminalamt noch bis 2001 eine Sachbearbeiterstelle zum sogenannten Tatkomplex "Reisende Täter" geführt.[9]

Die Polizeipraxis von pauschalen Verdächtigungen aufgrund unveränderlicher Merkmale wird von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes als ein „schwere[r] Verstoß gegen die Menschenrechte“ gewertet, und daher werden unabhängige, zivile Beratungsstellen bei der Polizei gefordert.[10]

Die Soziologin Sarah Brayne die in Los Angeles 2 Jahre lang die Polizei auf ihren Patrouillen begleitete und den Umgang mit der KI-Überwachungsplattform von Palantir Technologies direkt beobachtete, kritisiert das solche Systeme bewussten und unbewussten Bias in der Polizeiarbeit in einem sich selbst erhaltenen Kreislauf reproduziert. Menschen die in Datenbanken des Justizsystems geraten sind haben eine größere Wahrscheinlichkeit gefasst zu werden und erhalten einen höheren Punktwert.[11]

Report der EU

Die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte veröffentlichte im Mai 2021 anlässlich des Jahrestags der Tötung von George Floyd durch US-amerikanische Polizisten einen Bericht zum Ausmaß der Diskriminierung von ethnischen Minderheiten durch europäische Polizeikräfte. Der Bericht erkennt einen allgemeinen Trend, bei dem ethnische Minderheiten auf dem gesamten Kontinent häufiger gestoppt und durchsucht werden. So würde etwa in Österreich fast die Hälfte der Einwanderer und Nachkommen von Einwanderern aus Afrika südlich der Sahara in einem Stichprobenjahr von der Polizei gestoppt, verglichen mit 25 % der Gesamtbevölkerung.[12][13]

Siehe auch

Literatur

  • Ronald Weitzer and Steven Tuch: Race and Policing in America. Conflict and Reform, Cambridge University Press, New York 2006, ISBN 978-0-521-85152-7.
  • Kelvin R. Davis: Driving While Black. Coverup. Interstate International Pub. of Cincinnati, Cincinnati 2001, ISBN 0-931904-03-X.
  • David A. Harris: Profiles in injustice. Why racial profiling cannot work. New Press, New York 2002, ISBN 1-56584-696-6.
  • Bürgerrechte & Polizei/CILIP. Heft 104 (Dezember 2013) Schwerpunkt: Racial Profiling, Online, abgerufen am 24. Juli 2016.
  • Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt (Hrsg.): Alltäglicher Ausnahmezustand. Institutioneller Rassismus in deutschen Strafverfolgungsbehörden, edition assemblage, Münster 2016, ISBN 978-3-942885-79-9.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Christian Böhme, Johannes C. Bockenheimer: Welche Lehren Israel aus dem Terror gezogen hat. Sicherheit geht immer vor. Der Tagesspiegel, 27. Juli 2016, abgerufen am 22. April 2021.
  2. a b c Fact Sheet 40: Ethnisches Profiling, (deutsche Übersetzung) (PDF-Datei; 436 kB), von ENAR, Seite 2 und 3, abgerufen am 14. August 2012
  3. Dunkle Haut als Merkmal von Drogendealern vom Anti-Rassismus-Telefon Essen, abgerufen am 14. August 2012
  4. Eva Dou, Drew Harwell: Huawei worked on several surveillance systems promoted to identify ethnicity, documents show. In: The Independent. 16. Dezember 2020, abgerufen am 25. Mai 2021 (englisch).
  5. OVG Rheinland-Pfalz zu Kontrolle im Zug: Kontrolle einer dunkelhäutigen Familie war rechtswidrig. In: Legal Tribune Online. Abgerufen am 1. August 2018.
  6. „Andere Methoden bringen mehr“, Interview mit der Polizeisoziologin Daniela Hunold zur Kontrolle von Nordafrikanern zum Jahreswechsel 2017 in Köln, tageszeitung Berlin (taz.de) vom 12. Januar 2017.
  7. Anke Schwarzer: Racial Profiling: Kontrollen jenseits des Rechts in „Blätter für deutsche und internationale Politik“ Nr. 1/2014, S. 17–21.
  8. Opferwitwe: „Sogar mich hatte die Polizei im Verdacht“, Tagesspiegel, 15. November 2011.
  9. Gilda-Nancy Horvath: Antiziganismus, die Justiz und die Polizei. Deutsche Welle, 24. Dezember 2021, abgerufen am 29. Mai 2022.
  10. Vereinte Nationen kritisieren „Racial Profiling“, Pressemitteilung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes vom 16. Juni 2014.
  11. Wiedergeben nach: Kate Crawford: Atlas of AI. Power, Politics, and the Planetary Costs of Artificial Intelligence. Yale University Press 2021, S. 197 f.
  12. Daniel Boffey: EU report details role of race and ethnicity in use of ‘stop and search’. The Guardian, 25. Mai 2021
  13. FRA: Police stops in Europe: everyone has a right to equal treatment. 25. Mai 2021