RORSAT

RORSAT (Radar Ocean Reconnaissance SATellite; deutsch Ozean-Überwachungs-Radar-Satellit ) ist der westliche Name, der der sowjetischen Satellitenreihe Uprawljajemij Sputnik-Aktiwnij (US-A oder US-AM, GRAU-Index des Komplexes: 17K114, die des Satelliten 17F16) gegeben wurde. Diese Satelliten wurden zwischen 1967 und 1988 gestartet, um NATO- und Handelsschiffe mit aktivem Radar zu überwachen. RORSATs wurden – wie auch die anderen Militärsatelliten – unter der Kosmos-Bezeichnung geführt. Sie wurden mit Zyklon-2-Raketen in ihre Umlaufbahn verbracht.[1]

Kernreaktoren zur Stromversorgung

Damit das Suchradar effektiv arbeitet, musste für die RORSATs eine niedrige Umlaufbahn gewählt werden. Durch den hohen Energiebedarf des Radars konnten zur Stromversorgung des Satelliten keine Solarzellen verwendet werden, diese hätten durch ihre Größe zu großen Reibungsverlusten in der Atmosphäre geführt, deren Widerstand in dieser relativ geringen Höhe noch eine Rolle spielt. Somit hätte sich die Höhe der Umlaufbahn schnell verringert. Folglich trugen alle operationellen RORSATs Kernreaktoren vom Typ BES-5, die mit 235U betrieben wurden. Normalerweise wurden die Reaktormodule der Satelliten am Ende ihrer Lebenszeit abgetrennt und flogen mit eigenem Antrieb in eine höhere Umlaufbahn (eine sogenannte „Beseitigungsbahn“). Es gab jedoch einige Zwischenfälle, bei denen radioaktives Material in die Atmosphäre gelangte. Die ersten Prototypen der RORSAT-Serie enthielten keinen Reaktor, sondern wurden mit Batterien betrieben, die jedoch nur eine Lebensdauer von wenigen Tagen hatten.

Obwohl die meisten Reaktorkerne erfolgreich hohe Bahnen erreichten, sind diese Bahnen nicht endgültig. Wenn keine weiteren Maßnahmen ergriffen werden, kehren die hochradioaktiven Objekte nach einigen hundert Jahren wieder in die Erdatmosphäre zurück; bis dahin wird jedoch die Radioaktivität kaum abgesunken sein.

Die RORSATs gelten als der Hauptverursacher des Weltraummülls in einer Höhe von etwa 950 Kilometern über der Erde. Konstruktionsbedingt emittierten die Satelliten ihr Kühlmittel, eine eutektische Natrium-Kalium-Legierung (NaK), beim Abtrennen des Reaktorkerns in den Orbit. Es wird geschätzt, dass es in den nächsten Jahrzehnten weiterhin in der Größenordnung 10.000 Tropfen gibt (ca. 5 mm bis maximal 55 mm Durchmesser).[2]

Da das Metallkühlmittel mit Neutronen vom Kernreaktor bestrahlt wurde, enthält es geringe Mengen des radioaktiven Argon-39, das eine Halbwertzeit von 269 Jahren aufweist.

Technische Daten

Die Satelliten weisen eine Masse von etwa 3,8 t (Startmasse 4,3 t), einen Durchmesser von 1,3 m und eine Länge von etwa 10 m auf. Zwei große längliche Antennen sind an jeder Seite des Satelliten angebracht. Die Brennstoffsektion für den Reaktor (Masse 53 kg, 0,6 m Länge und 0,2 m Durchmesser) besteht aus 37 zylindrischen Brennelementen mit insgesamt 31,1 kg Uranbrennstoff, der auf 90 % 235U angereichert ist.[3][4]

Unfälle

RORSAT Fehlstart, 25. April 1973

Der Start scheiterte und der Reaktor stürzte in den pazifischen Ozean nördlich von Japan. Die Strahlung wurde durch ein US-Messflugzeug festgestellt.

Kosmos 954

Der Reaktorkern konnte am Ende seiner Lebenszeit nicht in eine hohe Umlaufbahn geschossen werden. Radioaktives Material trat am 24. Januar 1978 wieder in die Atmosphäre ein und zog eine Spur nach sich, die eine Fläche von 124.000 Quadratkilometern der kanadischen Nordwest-Territorien mit radioaktivem Material kontaminierte.

Kosmos 1402

Ende 1982 konnte die Endbahn nicht erreicht werden. Der Reaktorkern wurde vom Rest des Satelliten getrennt und war das letzte Stück des Satelliten, das zur Erde zurückkehrte. Es stürzte am 7. Februar 1983 in den Südatlantik.

Kosmos 1818

Der auch mit „Plasma-A“ bezeichnete Satellit diente (wie auch Kosmos 1867) zur Erprobung des neuen Reaktortyps Topas-1, welcher bei 320 kg Masse 5–10 kW elektrische Leistung abgab und 12 kg 235U enthielt. Er wurde am 2. Februar 1987 gestartet, aber bereits nach 142 Tagen wieder abgeschaltet. Seit Juli 2008 zerfällt der Satellit in Teile (bisher 30), die sich langsam auf der Bahn verteilen.[5]

Kosmos 1900

Das primäre System versagte bei dem Versuch, den Reaktorkern in seine Endbahn zu schießen. Das Reservesystem schoss den Kern jedoch auf eine Umlaufbahn, die 80 Kilometer unterhalb der geplanten lag.

Startliste

StartdatumNameBemerkungen
28. Dezember 1965Kosmos 102Testsatellit
20. Juli 1966Kosmos 125Testsatellit
27. Dezember 1967Kosmos 198
22. März 1968Kosmos 209
3. Oktober 1970Kosmos 367
1. April 1971Kosmos 402
25. Dezember 1971Kosmos 469
21. August 1972Kosmos 516
25. April 1973Fehlstart
24. Dezember 1973Kosmos 626
15. Mai 1974Kosmos 651
17. Mai 1974Kosmos 654
2. April 1975Kosmos 723
7. April 1975Kosmos 724
12. Dezember 1975Kosmos 785
2. Juli 1976Kosmos 838
17. Oktober 1976Kosmos 860
21. Oktober 1976Kosmos 861
26. November 1976Kosmos 868
16. September 1977Kosmos 952
18. September 1977Kosmos 954
29. April 1980Kosmos 1176
5. März 1981Kosmos 1249
21. April 1981Kosmos 1266
24. August 1981Kosmos 1299
14. Mai 1982Kosmos 1365
1. Juni 1982Kosmos 1372
30. August 1982Kosmos 1402
2. Oktober 1982Kosmos 1412
29. Juni 1984Kosmos 1579
31. Oktober 1984Kosmos 1607
1. August 1985Kosmos 1670
24. August 1985Kosmos 1677
21. März 1986Kosmos 1736
20. August 1986Kosmos 1771
2. Februar 1987Kosmos 1818Testsatellit mit Topas-Reaktor
19. Juni 1987Kosmos 1860
10. Juli 1987Kosmos 1867Testsatellit mit Topas-Reaktor
12. Dezember 1987Kosmos 1900
14. März 1988Kosmos 1932

Weblinks

Einzelnachweise

  1. US-A auf Gunter’s Space Page, eingesehen am 18. Dezember 2010
  2. Carsten Wiedemann, Eduard Gamper, Andre Horstmann, Vitali Braun, Enrico Stoll: The Contribution of NaK Droplets to the Space Debris Environment, abgerufen am 11. Nov. 2018
  3. Globalsecurity.org: RORSAT
  4. US-A in der Encyclopedia Astronautica (englisch)
  5. Russischer Atomsatellit zerbröselt im Weltall. Russland-Aktuell, Januar 2009