Rüdigheim (Neuberg)

Rüdigheim
Gemeinde Neuberg
Wappen von Rüdigheim
Koordinaten:50° 12′ N, 8° 59′ O
Höhe: 128 (124–158) m ü. NHN
Fläche:5,51 km²[1]
Einwohner:1677 (Mai 2011)[2]
Bevölkerungsdichte:304 Einwohner/km²
Eingemeindung:1. April 1971
Postleitzahl:63543
Vorwahl:06185
Rüdigheim – etwas links der Mitte die Johanniter Kirche
Rüdigheim – etwas links der Mitte die Johanniter Kirche

Rüdigheim ist ein Ortsteil und bildet zusammen mit dem Ortsteil Ravolzhausen die Gemeinde Neuberg im Main-Kinzig-Kreis in Hessen.

Geografische Lage

Der Ort liegt im östlichen Rhein-Main-Gebiet auf einer Höhe von 133 m über NN, ca. 8,5 km nordöstlich von Hanau. Im Norden grenzt Rüdigheim an die Ausläufer des Vogelsberges. Westlich fließt der Krebsbach in Nord-Süd-Richtung vorbei. Nordwestlich des Ortes treffen sich die Landesstraßen 3445 und 3195.

Geschichte

Evangelische Kirche Rüdigheim
Ehemalige Johanniterkommende (heute evangelisches Gemeindezentrum), Ansicht von Norden

Vorgeschichte

Archäologische Bodenfunde lassen auf eine Besiedlung der heutigen Gemarkung seit der Steinzeit schließen. Im Osten des Dorfes verläuft der Obergermanische Limes.

Mittelalter

Die älteste erhaltene Erwähnung des Dorfs findet sich in einem Zinsregister des Klosters Seligenstadt aus der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts.[1] Der Ort gehörte ab dem 13. Jahrhundert als Allod zum Besitz der Herren von Hanau, zum Amt Büchertal der Herrschaft Hanau, ab 1429: Grafschaft Hanau, nach der Landesteilung von 1458: Grafschaft Hanau-Münzenberg.

Ab 1222 werden Ortsadelige, die Herren von Rüdigheim, genannt. Sie waren mit den Herren von Rückingen verwandt und ebenfalls in Rückingen begütert. 1655 starb die Familie aus. Reste ihres Stammsitzes sind wohl im Bereich der späteren Johanniterkommende zu suchen. Die Rüdigheimer überließen die Anlage 1257 dem Johanniterorden,[3] welcher in Rüdigheim eine Kommende gründete.[4] Das Hauptgebäude der Kommende ist unterhalb der Kirche erhalten und dient heute als evangelisches Gemeindezentrum. Es ist neben der nahe gelegenen Hirzbacher Kapelle eines der ältesten Gebäude der Region und weist sowohl romanische als auch gotische Bauelemente auf. Verwaltet wurde die Kommende in nachmittelalterlicher Zeit durch den Komtur von Frankfurt aus. 1682 erwarb dieser von Hanau die Schutzvogtei.

Die erste Kirche in Rüdigheim wurde am 22. November 1235 geweiht. Das Patronat lag bei den Herren von Rüdigheim, die es 1257 dem Johanniterorden schenkten. Kirchliche Mittelbehörde war bis zur Reformation das Landkapitel Roßdorf, das dem Archidiakonat von St. Maria ad Gradus in Mainz unterstand.

Historische Namensformen

In erhaltenen Urkunden wurde Rüdigheim unter den folgenden Namen erwähnt (in Klammern das Jahr der Erwähnung):[1]

  • Ruodingheim (um 1000)
  • Rudincheim (1222)
  • Rudenkeim (um 1234)
  • Rüdigheim (1527)

Neuzeit

In der Grafschaft Hanau-Münzenberg wurde Mitte des 16. Jahrhunderts nach und nach die Reformation eingeführt. In Rüdigheim geschah dies zunächst im lutherischen Sinn. In einer „zweiten Reformation“, wurde die Konfession der Grafschaft Hanau-Münzenberg erneut gewechselt: Graf Philipp Ludwig II. verfolgte ab 1597 eine entschieden reformierte Kirchenpolitik. Er machte vom Jus reformandi, seinem Recht als Landesherr Gebrauch, die Konfession seiner Untertanen zu bestimmen, und setzte dies für die Grafschaft Hanau-Münzenberg weitgehend als verbindlich durch. Die Pfarrei gehörte nun zur „Klasse (Dekanat) Windecken“, die wiederum dem Konsistorium in Hanau unterstand. 1637–1712 betreute der reformierte Pfarrer von Rüdigheim auch die Gemeinde Oberissigheim.[5]

Die Kirche wurde im Dreißigjährigen Krieg zerstört, der Wiederaufbau dauerte bis 1670. Im Inneren der Kirche sind einige mittelalterliche Bauelemente erhalten. Sehenswert ist u. a. der Grabstein des Komturs Philipp von Reifenberg aus dem Jahr 1495.

Nach dem Amtsantritt des Grafen Friedrich Casimir aus dem lutherischen Familienzweig der Grafen von Hanau Lichtenberg 1642 wurde in Rüdigheim 1683 auch eine lutherische Gemeinde gegründet, deren Pfarrer auch für die Dörfer Bruchköbel, Marköbel und Niederrodenbach zuständig war. Diese errichtete sich 1697 ein eigenes Kirchengebäude. 1817 fusionierten die beiden Gemeinden in der Hanauer Union und die jüngere Kirche wurde abgerissen.

Nach dem Tod des letzten Hanauer Grafen, Johann Reinhard III., 1736 erbte Landgraf Friedrich I. von Hessen-Kassel aufgrund eines Erbvertrages aus dem Jahr 1643 die Grafschaft Hanau-Münzenberg und damit auch das Amt Büchertal und Rüdigheim. 1803 wurde die Landgrafschaft Hessen-Kassel zum Kurfürstentum Hessen erhoben. Während der napoleonischen Zeit stand das Amt Büchertal ab 1806 zunächst unter französischer Militärverwaltung, gehörte 1807–1810 zum Fürstentum Hanau und dann von 1810 bis 1813 zum Großherzogtum Frankfurt, Departement Hanau. Anschließend fiel es wieder an das Kurfürstentum Hessen zurück. Nach der Verwaltungsreform des Kurfürstentums Hessen von 1821, durch die Kurhessen in vier Provinzen und 22 Kreise eingeteilt wurde, ging das Amt Büchertal im neu gebildeten Kreis Hanau auf. Mit der Annexion Kurhessens durch das Königreich Preußen nach dem verlorenen Krieg von 1866 wurde auch Rüdigheim preußisch. 1930 wurden die evangelischen Pfarrstellen von Rüdigheim und Ravolzhausen verbunden.[6]

Gebietsreform

Im Zuge der Gebietsreform in Hessen fusionierten am 1. April 1971 die bis dahin selbständigen Gemeinden Ravolzhausen und Rüdigheim freiwillig zur neuen Gemeinde Neuberg.[7][8] Ortsbezirke nach der Hessischen Gemeindeordnung wurden nicht errichtet.

Bevölkerung

Einwohnerentwicklung

 Quelle: Historisches Ortslexikon[1]

  • 1632: 37 Familien[9]
  • 1634: 30 Haushaltungen
  • 1707: 38 Familien
  • 1754: 69 Haushaltungen mit 296 Personen
  • 1812: 67 Feuerstellen, 447 Seelen
Rüdigheim: Einwohnerzahlen von 1812 bis 2011
Jahr  Einwohner
1812
  
447
1834
  
540
1840
  
516
1846
  
543
1852
  
555
1858
  
542
1864
  
564
1871
  
555
1875
  
568
1885
  
607
1895
  
637
1905
  
630
1910
  
679
1925
  
692
1939
  
667
1946
  
882
1950
  
860
1956
  
819
1961
  
861
1967
  
1.171
1970
  
1.380
1980
  
?
1990
  
?
2000
  
?
2011
  
1.677
Datenquelle: Histo­risches Ge­mein­de­ver­zeich­nis für Hessen: Die Be­völ­ke­rung der Ge­mei­nden 1834 bis 1967. Wies­baden: Hes­sisches Statis­tisches Lan­des­amt, 1968.
Weitere Quellen: [1]; Zensus 2011[2]

Religionszugehörigkeit

 Quelle: Historisches Ortslexikon[1]

• 1885:585 evangelische (= 98,15 %), 11 katholische (= 1,85 %) Einwohner
• 1961:763 evangelische (= 88,62 %), 80 katholische (= 9,29 %) Einwohner

Literatur

  • Evangelische Kirchengemeinde Neuberg-Rüdigheim (Hrsg.): 750 Jahre Kirche Rüdigheim. Eine Festschrift zum Jubiläum der Johanniterkirche in Rüdigheim. 1986.
  • Wilhelm Dersch: Hessisches Klosterbuch. Quellenkunde zur Geschichte der im Regierungsbezirk Kassel, im Kreis Grafschaft Schaumburg, in der Provinz Oberhessen und dem Kreis Biedenkopf gegründeten Stifter, Klöster und Niederlassungen von geistlichen Genossenschaften. 2. Aufl. 1940. ND 2000, S. 137 f.
  • Regenerus Engelhard: Erdbeschreibung der Hessischen Lande Casselischen Antheiles mit Anmerkungen aus der Geschichte und aus Urkunden erläutert. Teil 2. Cassel 1778. ND 2004, S. 765.
  • Peter Jüngling: Baugeschichtliche Beobachtungen an der Kommende und der "Johanniterkirche" von Neuberg-Rüdigheim. In: Beiträge zur Archäologie und Geschichte im Hanauer Raum (= Hanauer Schriften zur Archäologie und Geschichte Band 6), Hanau 2020, S. 71–104, ISBN 978-3-935395-35-9
  • Hessisches Statistisches Landesamt (Hrsg.): Historisches Gemeindeverzeichnis für Hessen. Heft 2: Gebietsänderungen der hessischen Gemeinden und Kreise 1834 bis 1967. Wiesbaden, o. J., S. 57.
  • Heinrich Reimer: Historisches Ortslexikon für Kurhessen. Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen 14, 1926 S. 413.
  • Max Aschkewitz: Pfarrergeschichte des Sprengels Hanau („Hanauer Union“) bis 1986, Teil 1 = Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen 33. Marburg 1984, S. 330f.
  • Elsässer, Die Johanniter in Rüdigheim. In: Hanauer Geschichtsverein (Hrsg.): Hanau Stadt und Land. Ein Heimatbuch für Schule und Haus. Hanau 1954, S. 344 ff.
  • Georg Ulrich Großmann: Südhessen. Kunstreiseführer. Imhof, Petersberg 2004, ISBN 3-935590-66-0, S. 139.
  • Hans Habermann: Erinnerungen aus dem alten Rüdigheim. In: Neues Magazin für Hanauische Geschichte 5 (1967/72), S. 14–16.
  • Literatur über Rüdigheim nach Register nach GND In: Hessische Bibliographie

Weblinks

Commons: Rüdigheim – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b c d e f Rüdigheim, Main-Kinzig-Kreis. Historisches Ortslexikon für Hessen. (Stand: 16. Oktober 2019). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
  2. a b Ausgewählte Daten über Bevölkerung und Haushalte am 9. Mai 2011 in den hessischen Gemeinden und Gemeindeteilen. (PDF; 1,9 MB) (Nicht mehr online verfügbar.) In: Zensus 2011. Hessisches Statistisches Landesamt, archiviert vom Original am 11. Juli 2021;.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/statistik.hessen.de
  3. Heinrich Reimer: Hessisches Urkundenbuch. Abt. 2, Urkundenbuch zur Geschichte der Herren von Hanau und der ehemaligen Provinz Hanau. Bd. 1. 767-1300. Hirzel, Leipzig 1891 (Publikationen aus den königlich-preußischen Staatsarchiven 48) Nr. 332.
  4. Vgl. dazu: Johanniterkommende Rüdigheim, Main-Kinzig-Kreis. Historisches Ortslexikon für Hessen. In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
  5. Aschkewitz, S. 330.
  6. Aschkewitz, S. 331.
  7. Gemeindegebietsreform: Zusammenschlüssen und Eingliederungen von Gemeinden vom 31. März 1971. In: Der Hessische Minister des Inneren (Hrsg.): Staatsanzeiger für das Land Hessen. 1971 Nr. 16, S. 680, Punkt 673 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 6,3 MB]).
  8. Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Historisches Gemeindeverzeichnis für die Bundesrepublik Deutschland. Namens-, Grenz- und Schlüsselnummernänderungen bei Gemeinden, Kreisen und Regierungsbezirken vom 27.5.1970 bis 31.12.1982. W. Kohlhammer, Stuttgart / Mainz 1983, ISBN 3-17-003263-1, S. 366.
  9. In den Jahren 1632, 1707 und 1754 wurde in der Grafschaft Hanau die Zahl der Einwohner ermittelt. Die Zahlen sind hier wiedergegeben nach Erhard Bus: Die Folgen des großen Krieges – der Westen der Grafschaft Hanau-Münzenberg nach dem Westfälischen Frieden. In: Hanauer Geschichtsverein: Der Dreißigjährige Krieg in Hanau und Umgebung = Hanauer Geschichtsblätter 45 (2011), ISBN 978-3-935395-15-9, S. 277–320 (289 ff.)

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Marköbel mit dem markanten Gebäuden Obertor, Kirche, Untertor (v.l.r)