Zustand (Quantenmechanik)

Ein quantenmechanischer Zustand ist die Beschreibung des Zustands eines physikalischen Systems nach den Regeln der Quantenmechanik. Sie unterscheidet sich grundlegend von der Beschreibung des Zustands nach den Regeln der klassischen Physik, damit die an quantenphysikalischen Systemen gemachten Beobachtungen erfasst werden können. Zu den verschiedenen Interpretationen der Quantenmechanik gehören unterschiedliche Zustandsbegriffe. Dieser Artikel behandelt den Zustandsbegriff der weit verbreiteten Kopenhagener Interpretation.

Überblick

Physikalischer Gehalt

Im Gegensatz zum klassischen Begriff legt der Zustand in der Kopenhagener Interpretation der Quantenmechanik nicht für jede am System durchführbare Messung einen mit Sicherheit zu erwartenden Messwert fest, sondern nur für jeden möglichen Messwert die Wahrscheinlichkeit , dass gerade dieser Wert eintritt. Den Grenzfall für einen Messwert (und damit für alle anderen), was die sichere Voraussage eines Messwerts bedeutet, gibt es nur bei denjenigen Zuständen, die Eigenzustände zu der betreffenden Messgröße sind. Ebenfalls im Gegensatz zum klassischen Zustand ist die Zeitentwicklung des quantenmechanischen Zustands nicht durchgehend deterministisch festgelegt. Stattdessen wird im Allgemeinen durch eine Messung der Zustand des Systems auf eine Weise verändert, die nicht beeinflusst und nur mit gewisser Wahrscheinlichkeit vorhergesagt werden kann.

Die sogenannte „Präparation“ eines Systems in einem bestimmten Zustand erfolgt durch die gleichzeitige Messung eines maximalen Satzes kommensurabler physikalischer Größen.[1] Nach dieser Messung befindet sich das System in einem wohldefinierten gemeinsamen Eigenzustand aller dieser Messgrößen, sodass diese bestimmte Werte besitzen. Wenn das System nicht schon vorher in einem solchen gemeinsamen Eigenzustand war, verursacht die Messung schlagartig eine Zustandsreduktion, auch Kollaps genannt, sodass danach alle anderen möglichen Messwerte dieser Größen die Wahrscheinlichkeit Null haben. Die Zustandsreduktion ist kein physikalischer Vorgang, sondern beschreibt die durch die Messung eingetretene genauere Information des Beobachters.[2] Zwischen zwei Messungen ist die Zeitentwicklung des Zustands durch eine Bewegungsgleichung deterministisch festgelegt; im nichtrelativistischen Fall durch die Schrödinger-Gleichung, im relativistischen, abhängig von Spin und Masse des Teilchens, durch die Klein-Gordon-Gleichung (Spin 0), die Dirac-Gleichung (massiv, Spin ½), die Weyl-Gleichung (masselos, Spin ½), die Proca-Gleichung (massiv, Spin 1) oder die Maxwell-Gleichungen (masselos, Spin 1).

Mathematische Darstellung

Mathematisch wird der quantenmechanische Zustand meist durch einen normierten Zustandsvektor im Hilbertraum beschrieben. Mithilfe einer Basis des Hilbertraums mit diskretem Index kann dieser Zustandsvektor als Linearkombination der Basisvektoren geschrieben werden, oder bei einer Basis mit kontinuierlichem Index als Wellenfunktion. Zu jedem der möglichen Messwerte einer physikalischen Größe besitzt der Zustandsvektor mindestens eine Komponente. Die Stärke einer Komponente (genauer: das Betragsquadrat ihrer Amplitude) bestimmt die Wahrscheinlichkeit, mit der der betreffende Messwert als Ergebnis einer Messung auftritt.

Die Zuordnung von Zustand und Zustandsvektor ist nicht umkehrbar eindeutig, denn Zustandsvektoren, die sich nur durch einen konstanten komplexen Phasenfaktor unterscheiden, beschreiben denselben physikalischen Zustand. Die Linearkombination der Zustandsvektoren zweier Zustände ist selbst ein möglicher Zustandsvektor; er beschreibt einen von den beiden überlagerten Zuständen physikalisch verschiedenen Zustand, wobei es auch auf die relative komplexe Phase der beiden überlagerten Zustandsvektoren ankommt. Die theoretischen Grundlagen der Beschreibung als Linearkombination wurden 1925 von Werner Heisenberg in der Matrizenmechanik entwickelt, die Beschreibung als Wellenfunktion in der Orts- oder Impulsbasis 1926 von Erwin Schrödinger in der Wellenmechanik. Die beiden Beschreibungen beruhen auf derselben tiefer liegenden mathematischen Struktur. In dieser wird ein Zustand als eine Abbildung aufgefasst, die jedem der Operatoren, die eine Messgröße darstellen, eine reelle Zahl zuordnet. Diese Zahl gibt den Erwartungswert der möglichen Messergebnisse an, die bei einzelnen Messungen dieser Größe in diesem Zustand erhalten werden können. Dies wurde 1931 von John von Neumann ausgearbeitet.

Bei unvollständiger Präparation eines Anfangszustands oder in der Quantenstatistik wird zwischen reinen und gemischten Zuständen unterschieden. Zu deren Beschreibung muss der Zustandsvektor zum Dichteoperator (auch Zustandsoperator genannt) erweitert werden. Dieser Formalismus vermeidet auch die eben genannte Unbestimmtheit der komplexen Phase, erschwert aber die manchmal für die Anschauung hilfreiche Vorstellung einer Wellenfunktion.

Grundbegriffe

Unterschied zur klassischen Physik

Die Einführung von Wahrscheinlichkeiten verschiedener Ergebnisse anstelle einer eindeutigen Voraussage bedeutet eine grundsätzliche Abkehr von der klassischen Physik. Dort ist nämlich mit der Angabe des momentanen Systemzustands das Ergebnis jeder möglichen Messung eindeutig festgelegt (immer fehlerfreie Messung vorausgesetzt). Dies trifft für makroskopische Systeme (z. B. aus dem Alltag) im Allgemeinen sehr gut zu. Beispielsweise lassen sich einer Schrotkugel oder einem Sandkorn in jedem Moment mit praktisch eindeutiger Genauigkeit ein bestimmter Ort und eine bestimmte Geschwindigkeit zuschreiben.

Für immer kleinere Systeme wird dies jedoch zunehmend falsch, für ein Ensemble quantenmechanischer Teilchen[3] ist es ausgeschlossen. Die streng gültige Heisenbergsche Unschärferelation von 1927 besagt nämlich: liegt der Aufenthaltsort eindeutig fest, dann kann eine Messung der Geschwindigkeit mit gleicher Wahrscheinlichkeit jeden beliebigen Wert ergeben, und umgekehrt; d. h. zu jeder Zeit kann nur eine der beiden Größen eindeutig bestimmt werden. Diese Unbestimmtheit lässt sich auch durch das präziseste Präparieren des Systemzustands nicht beseitigen. Sie ist mathematisch rigoros, relativ einfach zu beweisen[4] und bildet eine zentrale begriffliche Grundlage der Physik.

Reiner Zustand und Zustandsgemisch

Zusätzliche Unsicherheit über das zu erwartende Messergebnis entsteht, wenn der Zustand des Systems nicht eindeutig festgelegt ist. Das gilt z. B. für den häufigen Fall, dass das beobachtete System aus einer Anzahl gleichartiger Systeme herausgegriffen wird, die nicht alle im selben Zustand präpariert sind. Die unterschiedlichen Zustände, in denen sich das beobachtete System (mit möglicherweise unterschiedlicher Wahrscheinlichkeit) befinden kann, bilden dann ein Zustandsgemisch.

Hier ließe sich die Unsicherheit über die zu erwartenden Messergebnisse verringern, indem nur Systeme im selben Zustand zur Messung ausgewählt werden. Zur Verdeutlichung des Unterschieds zum Zustandsgemisch wird ein eindeutig präparierter Zustand gelegentlich auch als reiner Zustand bezeichnet.

Im Folgenden bedeutet Zustand hier immer reiner Zustand.

Eigenzustand

Ein Zustand, in dem für eine bestimmte Messgröße der zu erwartende Messwert eindeutig festliegt, heißt Eigenzustand zu dieser Messgröße. Beispiele sind

  1. das Teilchen ist an einem Ort lokalisiert (Ortseigenzustand)
  2. das Teilchen hat eine bestimmte Geschwindigkeit oder Impuls (Impulseigenzustand)
  3. das Teilchen ist in einem gebundenen Zustand bestimmter Energie (Energieeigenzustand).

Die Beispiele 1 und 2 sind streng genommen (wegen einer mathematischen Subtilität: des Vorliegens eines „kontinuierlichen Spektrums“) nur im Grenzfall zulässig (beim Beispiel 2 etwa im „monochromatischen Grenzfall“ eines unendlich ausgedehnten Wellenpakets, während das Beispiel 1 daraus durch eine Fouriertransformation erhalten wird). Beide Beispiele spielen eine bedeutende Rolle in der theoretischen Beschreibung.[5]

Beispiel 3 ist ein Zustand, in dem eine physikalische Größe (nämlich die Energie) einen bestimmten Wert hat, während sowohl für den Ort als auch für den Impuls nur Wahrscheinlichkeiten für verschiedene Messergebnisse angegeben werden können (für den Ort z. B. durch das Orbital, für den Impuls durch das Betragsquadrat der Fouriertransformierten der betreffenden Ortswellenfunktion).

Superposition von Zuständen

Für ein Teilchen in Gestalt eines Massepunkts ist in der klassischen Mechanik der Zustand durch den Ort und den Impuls gegeben, also durch einen Punkt im sechsdimensionalen Phasenraum. Da bei Teilchenstrahlen aber auch Interferenzeffekte beobachtet werden (Welle-Teilchen-Dualismus), muss auch die Möglichkeit, dass die Superposition (oder Überlagerung, Linearkombination mit komplexen Faktoren) mehrerer Zustände einen möglichen Zustand bildet, zugelassen werden (siehe Materiewellen). So ist jeder Zustand, für den die Quantenmechanik zu einer Messgröße mehrere mögliche Messwerte mit je eigenen Wahrscheinlichkeiten voraussagt, eine Superposition derjenigen Zustände, die die zu diesen Messwerten gehörigen Eigenzustände sind. Die Wahrscheinlichkeit, einen bestimmten dieser Eigenwerte als Messergebnis zu erhalten, ist durch das Betragsquadrat seiner Wahrscheinlichkeitsamplitude festgelegt. Die Wahrscheinlichkeitsamplitude ist der (im Allgemeinen komplexe) Faktor, mit dem der betreffende Eigenzustand in dieser Superposition vorkommt.

Es gibt keinen prinzipiellen Unterschied zwischen den Eigenschaften, Superpositionszustand oder Basis- oder Eigenzustand zu sein: Jeder Zustand eines Systems kann als Basiszustand einer geeignet gewählten Basis betrachtet werden, aber auch als Superpositionszustand von den Basisvektoren einer anderen Basis. Jeder Zustand kann mit jedem anderen Zustand desselben Systems überlagert werden, und jeder Zustand kann als Überlagerung anderer Zustände dargestellt werden. Zustände, die als Superposition definiert wurden, sind also auch reine Zustände im obigen Sinn. Gelegentlich werden sie jedoch ungenau als gemischte Zustände angesprochen, was aber vermieden werden sollte, weil Verwechslungen mit dem Begriff Zustandsgemisch auftreten könnten.

Zustand und statistisches Gewicht

Der quantenmechanische Phasenraum wird durch die Möglichkeit der Superposition erheblich mächtiger als der Phasenraum der klassischen Mechanik für dasselbe System. Als Maß dieses erweiterten Raumes gilt in der statistischen Quantenphysik aber nicht die Größe dieser Menge selbst, sondern ihre Dimension;[6] das ist die kleinstmögliche Zahl der Zustände, aus denen sich durch Superposition alle überhaupt möglichen Zustände des Systems ergeben können. Innerhalb dieser kleinstmöglichen Teilmenge ist demnach keiner der Zustände als Superposition der anderen darstellbar, deshalb sind sie linear unabhängig und bilden eine Basis des ganzen Phasenraums.

Im Vergleich mit der Zustandsdichte in der klassischen statistischen Physik zeigt sich, dass jeder quantenmechanische Zustand einer solchen Basis das „Phasenraumvolumen“ belegt, wobei die Anzahl unabhängiger Ortskoordinaten ist und das Plancksche Wirkungsquantum. Die physikalische Dimension dieses „Volumens“ ist für die einer Wirkung = Energie mal Zeit, oder = Ort mal Impuls.

Mathematische Darstellung

Mathematische Grundlagen

Im mathematischen Formalismus der Quantenmechanik und Quantenfeldtheorie ist ein Zustand eine Abbildungsvorschrift, die jeder physikalischen Größe ihren Erwartungswert zuordnet. Diese Definition schließt Zustandsgemische mit ein. Da die physikalischen Größen durch lineare Operatoren dargestellt werden, die eine Untermenge einer C*-Algebra bilden, ist ein Zustand in mathematisch strikter Benennung ein lineares Funktional , das von der C*-Algebra auf die komplexen Zahlen abbildet, und für das gilt: und . Dabei ist die als Argument des Funktionals das Einselement der Algebra, und die auf der rechten Seite die Eins der komplexen Zahlen.[7]

Die Menge dieser Zustände ist eine konvexe Menge, das heißt, wenn und Zustände sind und , dann ist auch ein Zustand. Ein Zustand heißt rein, wenn er sich nur trivial zerlegen lässt, das heißt, wenn oder ist. Diese reinen Zustände sind genau die Extremalpunkte dieser Menge; jeder gemischte Zustand kann als Integral über reine Zustände geschrieben werden.

Jedem Zustand kann mittels der GNS-Konstruktion eine Hilbertraum-Darstellung zugeordnet werden. Jeder normierte Vektor im Hilbertraum, , entspricht einem Zustand in und umgekehrt kann jedem Zustand ein Vektor zugeordnet werden. Es gilt

wobei das Skalarprodukt im Hilbertraum aus und bezeichnet. Die reinen Zustände bilden die irreduziblen Darstellungen im Hilbertraum.

Physikalische Implikationen

Für die mathematische Darstellung des oben physikalisch definierten reinen Zustands eignen sich zwei Formen, die zueinander äquivalent sind:

Zustandsvektor und Kovektor

Der Zustandsvektor im Hilbertraum ist, wie auch ein Ortsvektor , ein mathematisches, abstraktes Objekt. So wie der Ortsvektor in einer Basisdarstellung

geschrieben werden kann, wobei drei zueinander orthogonale Vektoren im dreidimensionalen euklidischen Raum sind, kann der Zustandsvektor in jeder beliebigen vollständigen Orthonormalbasis entwickelt werden. Für diese Entwicklung ist es nötig, den Kovektor einzuführen, der als Bra-Vektor im Dualraum zum Hilbertraum ansässig ist. Mathematisch betrachtet ist ein Bra-Vektor ein lineares Funktional, das auf dem Hilbertraum in die komplexen Zahlen opereriert. Wie für Vektoren im euklidischen Raum gilt analog als Entwicklung

mit . Da die Basisvektoren eine Orthonormalbasis bilden, gilt

mit dem Kronecker-Delta und

mit der unendlichdimensionalen Einheitsmatrix . Da in der Quantenmechanik – im Gegensatz zum euklidischen Vektorraum – auch kontinuierliche Basen auftreten können, gilt für eine Entwicklung in einer kontinuierlichen Basis entsprechend

mit der Dirac-Distribution beziehungsweise

.

Um in der Schreibweise nicht zwischen kontinuierlichen und diskreten Basen unterscheiden zu müssen, wird teilweise das Symbol ⨋ verwendet.

Wenn der Zustandsvektor in einer Basis dargestellt wird, dann zumeist in der Eigenbasis eines hermiteschen Operators, der mit einer physikalischen Messgröße identifiziert wird. Die Eigenzustände eines solchen Operators werden häufig mit dem Formelzeichen der entsprechenden physikalischen Größe bezeichnet:

  1. bezeichnet den Ortseigenzustand eines Teilchens,
  2. den Impulseigenzustand,
  3. den Energieeigenzustand. Dabei kann sowohl diskrete Werte annehmen (z. B. bei gebundenen Zuständen) als auch kontinuierliche Werte (z. B. bei ungebundenen Zuständen).
  4. Wird einem Eigenwert eine Quantenzahl zugeordnet (z. B. Quantenzahl für das -te Energieniveau , Quantenzahlen für Betrag und z-Komponente des Drehimpulses), so wird der zugehörige Eigenzustand angegeben durch Angabe der Quantenzahl(en) oder durch ein extra vereinbartes Symbol (Beispiele: ).

Damit die Wellenfunktion nach der Bornschen Regel als Wahrscheinlichkeitsamplitude aufgefasst werden kann, ist es nötig, den Zustandsvektor zu normieren. Das heißt, für einen physikalischen Zustand muss

gelten. Allerdings legt dies den Vektor nicht umkehrbar eindeutig fest, sondern nur bis auf einen konstanten Faktor , also eine komplexe Zahl mit Betrag Eins. Diese wird auch als quantenmechanische Phase des Zustands bzw. Zustandsvektors bezeichnet. Die Vektoren , die alle denselben Zustand beschreiben, spannen einen eindimensionalen Unterraum (Strahl) auf.

Wellenfunktion

Die Wellenfunktionen beziehungsweise sind die Entwicklungskoeffizienten des Zustandsvektors in der Orts- beziehungsweise Impulsbasis:[11]

Messung

Eine messbare physikalische Größe wird durch einen Operator dargestellt, der im Hilbertraum eine lineare Transformation bewirkt. Messgröße und zugehöriger Operator werden zusammengefasst Observable genannt. Die möglichen Messergebnisse sind die Eigenwerte des Operators. Das heißt, es gilt für einen Eigenzustand des Operators

Da alle möglichen Messergebnisse reelle Zahlen sind, muss der Operator hermitesch sein, d. h. folgende Bedingung erfüllen:

Bei einem Zustand, der nicht Eigenzustand des betreffenden Operators ist, können Messergebnisse nicht sicher, sondern nur mit Wahrscheinlichkeiten vorhergesagt werden. Diese Wahrscheinlichkeiten berechnen sich für jeden Eigenwert als Betragsquadrat aus dem Skalarprodukt des betreffenden Eigenvektors der Messgröße mit dem Zustandsvektor des Systems:

Nach der Messung ist der Zustandsvektor auf den zum entsprechenden Eigenwert zugehörigen Unterraum kollabiert, das heißt

Dadurch ist gleichzeitig das System im Eigenzustand präpariert, denn nach dieser Messung liegt es genau in diesem Zustand vor. Eine instantan erfolgende erneute Messung dieser Observable ergibt daher sicher wieder denselben Wert.

Als Erwartungswert wird der Mittelwert vieler Einzelmessungen der Observable an immer gleichen Systemen im selben Zustand bezeichnet. Aus dem Spektrum aller möglicher Einzelergebnisse und ihren Wahrscheinlichkeiten ergibt sich:

.

Phasenfaktor und Superposition

Linearkombinationen zweier Zustandsvektoren, also z. B. mit komplexen Zahlen , die die Bedingung erfüllen, beschreiben ebenfalls erlaubte Zustände (s. o. Superposition von Zuständen). Hierbei ist, anders als bei einem einzelnen Zustandsvektor, die relative Phase der Faktoren, d. h. die komplexe Phase im Quotienten , nicht mehr beliebig; je nach Phase hat der Überlagerungszustand verschiedene physikalische Eigenschaften.[12] Daher wird von kohärenter Superposition gesprochen, weil wie bei optischer Interferenz mit kohärentem Licht nicht die Betragsquadrate, sondern die „erzeugenden Amplituden“ selbst, also und , superponiert werden.

Zustandsgemisch und Dichteoperator

Ein Zustandsgemisch, in dem sich das System mit Wahrscheinlichkeit im Zustand (mit ) befindet, wird durch den Dichteoperator dargestellt, das ist die Summe der entsprechenden Projektionsoperatoren:

Im Gegensatz zur kohärenten Superposition bleibt der Dichteoperator unverändert, wenn die im Gemisch vertretenen Zustände mit beliebigen Phasenfaktoren versehen werden; im Zustandsgemisch werden die Zustände also inkohärent überlagert.

Der Erwartungswert einer Messung der Observable ist dementsprechend die gewichtete inkohärente Summe der Erwartungswerte der einzelnen Bestandteile des Gemischs:

Dies kann auch als Spur des Operators dargestellt werden:

.

Die letzte Gleichung hat den Vorzug, dass sie gleichermaßen für Gemische und für reine Zustände gilt. (Bei einem reinen Zustand ist der zum Zustand gehörige Projektionsoperator.)

Der Dichteoperator wird auch als „Zustandsoperator“ bezeichnet.

Beispiele

  • Die Zustände eines Teilchens im (eindimensionalen) Kasten der Breite (von 0 bis ) können als Superpositionen von Eigenzuständen des Hamiltonoperators geschrieben werden. Dessen Eigenzustände im Ortsraum sind
und die zugehörigen Energieeigenwerte zu sind
  • Für Teilchen in einem Zentralfeld können die Energieeigenzustände so gewählt werden, dass sie auch Eigenzustände des Drehimpulsoperators sind. Dann tragen sie alle drei Quantenzahlen :
Aufgrund der Energie-Entartung bezüglich der Quantenzahl reicht im Allgemeinen eine Messung der Energie nicht aus, um den Zustand eindeutig zu bestimmen.
  • Die Spineigenzustände zu eines (fermionischen) Teilchens werden einfach als und geschrieben.
  • Der Zustand eines Systems, das durch den s-Wellen-Zerfall eines einzigen gebundenen Elementarteilchensystems in zwei Spin-1/2-Teilchen entsteht, ist . Durch die Messung des Spins bei einem Teilchen kollabiert der Zustand instantan, sodass eine unmittelbar folgende Messung beim anderen Teilchen ein eindeutig korreliertes Ergebnis (nämlich das jeweils gegenteilige) liefert. Dies ist ein Beispiel für Quantenverschränkung.

Reine Zustände und Zustandsgemische

In der Quantenmechanik und der Quantenstatistik wird zwischen reinen Zuständen und Zustandsgemischen unterschieden. Reine Zustände stellen den Idealfall einer maximalen Kenntnis der beobachtbaren Eigenschaften (Observablen) des Systems dar. Häufig ist aber nach der Präparation oder aufgrund von Messungenauigkeiten der Zustand des Systems nur unvollständig bekannt (Beispiel: der Spin des einzelnen Elektrons in einem unpolarisierten Elektronenstrahl).[13] Dann können den verschiedenen möglicherweise vorkommenden reinen Zuständen oder den zugeordneten Projektionsoperatoren nur Wahrscheinlichkeiten zugeordnet werden (siehe unten). Solche unvollständig bekannten Zustände werden als Zustandsgemische bezeichnet. Zur Darstellung von Zustandsgemischen wird der Dichteoperator ρ verwendet, der auch Dichtematrix oder Zustandsoperator genannt wird.

Ein reiner Zustand entspricht einem eindimensionalen Unterraum (Strahl) in einem Hilbertraum. Die zugehörige Dichtematrix ist der Operator für die Projektion auf diesen Unterraum. Sie erfüllt die Bedingung der Idempotenz, d. h. . Zustandsgemische sind dagegen nur durch nicht-triviale Dichtematrizen darstellbar, d. h., dass gilt. Eine Beschreibung durch einen Strahl ist dann nicht möglich.

Charakteristische Merkmale dieser Zustandsbeschreibung sind die Superponierbarkeit („Kohärenz“) der reinen Zustände und das daraus folgende Phänomen der Quantenverschränkung, während bei den Zustandsgemischen die Beiträge der verschiedenen beteiligten Zustände inkohärent summiert werden.

Das Ergebnis von Messungen an einem Quantensystem ergibt bei Wiederholung an einem exakt gleich präparierten System auch bei reinen Zuständen eine nicht-triviale Verteilung von Messwerten, die in der Quantenstatistik zusätzlich (inkohärent! [14]) mit den gewichtet wird. Die Verteilung entspricht im Einzelnen dem quantenmechanischen Zustand (oder ) und der Observablen für den Messprozess ( repräsentiert i. W. die Messapparatur). Für reine Zustände folgt aus der Quantenmechanik: Der Mittelwert der durch Wiederholung erzeugten Messreihe und der quantenmechanische Erwartungswert sind identisch.

Für das Ergebnis der Messungen ist also im Unterschied zur klassischen Physik selbst bei reinen (also vollständig bekannten) quantenmechanischen Zuständen nur eine Wahrscheinlichkeit angebbar (deshalb heißt es im Folgenden nicht das Resultat, sondern das zu erwartende Resultat, s. u.). Für Zustandsgemische gilt wegen der eine zusätzliche (inkohärente!) Unbestimmtheit:

Also selbst das zu erwartende Resultat des Ausgangs einer einzelnen Messung kann nur in Spezialfällen (etwa ) sicher vorhergesagt werden. Nur die (speziellen!) Eigenzustände der betrachteten Observable oder die zugehörigen Eigenwerte kommen bei gegebenem überhaupt als Messwerte in Frage, und selbst in dem oben angegebenen Fall eines reinen Zustands, etwa , d. h. selbst bei vollständig bekannter Wellenfunktion, können für die verschiedenen Eigenzustände bei gegebenem nur Wahrscheinlichkeiten angegeben werden, obwohl der Zustand bei einer unmittelbar anschließenden Folgemessung mit derselben Apparatur genau reproduziert wird. Unbekannte Zustände können dagegen nicht durch Messung bestimmt werden (siehe No-Cloning-Theorem).[15] Es gilt ferner
        
d. h., dass jetzt nicht die zu den Projektionsoperatoren gehörigen Kets superponiert werden, sondern die Projektionsoperatoren selbst mit Wahrscheinlichkeiten versehen werden.

Insgesamt gilt also: , wobei sich der Index i auf die (reinen) Zustände, der Index k dagegen auf die Messgröße bezieht.

(Wenn auch die oder die nur „ungefähr“ bekannt wären, müsste die noch mit zwei entsprechenden Wahrscheinlichkeitsfaktoren, oder multipliziert werden.)

Informationsentropie

Die Informationsentropie des Zustandes oder die mit der Boltzmannkonstante multiplizierte Von-Neumann-Entropie ist ein quantitatives Maß für die Unkenntnis, die hinsichtlich der möglichen Aussage über das Vorliegen eines bestimmten reinen Zustands besteht. Die Von-Neumann-Entropie, , ist gleich für Zustandsgemische. Für reine Zustände ist sie Null (man beachte für ). Dabei wurden Boltzmann'sche Einheiten benutzt, insbesondere ist die Boltzmann-Konstante. In Shannon'schen Einheiten wird dagegen diese Konstante durch Eins und der natürliche Logarithmus durch den binären Logarithmus ersetzt.

Siehe auch

Einzelnachweise und Fußnoten

  1. Wolfgang Nolting: Grundkurs Theoretische Physik 5/1; Quantenmechanik – Grundlagen. 5. Auflage. Springer, Berlin Heidelberg 2002, ISBN 3-540-42114-9, S. 119.
  2. F. H. Fröhner: Missing Link between Probability Theory and Quantum Mechanics: the Riesz-Fejér Theorem. In: Zeitschrift für Naturforschung. 53a (1998), S. 637–654 (doi:10.1515/zna-1998-0801)
  3. Für ein einzelnes Elektron in einem Teilchenstrahl ist zwar eine gleichzeitige „scharfe“ registrierende Messung von Impuls und Ort durch ein-und-dieselbe Messapparatur („Zähler“) möglich. In einem Magnetspektrometer z. B. wird sogar der Auftreffort als diejenige Messgröße genutzt, aus der der Impuls berechnet werden kann. Eine Vorhersage, welcher Zähler aus einer vorgegebenen Anordnung, die alle Möglichkeiten abdeckt, beim anschließend folgenden Elektron anspricht, oder zumindest die Gleichzeitigkeit „scharfer“ Mittelwerte von Ort und Impuls bei einer Messreihe, sind dagegen ausgeschlossen. Vgl. Feynman-Vorlesungen über Physik. 3 Bände, ISBN 0-201-02115-3 (dt. Vorlesungen über Physik. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2007, ISBN 978-3-486-58444-8), zuerst 1963/1965 bei Addison/Wesley. In Band 3, Quantenmechanik, Kap. 16, wird ausführlich die Begrifflichkeit der Heisenbergschen Unschärferelation behandelt.
  4. Siehe Artikel Heisenbergsche Unschärferelation oder zum Beispiel Albert Messiah Quantenmechanik, de Gruyter 1978, Band 1, S. 121ff
  5. Bei ungebundenen Eigenzuständen des Energieoperators treten analoge Grenzwertprobleme wie bei Beispiel 1 und 2 (s. u.) auf.
  6. Diese Dimension kann endlich sein oder abzählbar-unendlich (wie im Standardfall des Hilbertraums) oder sogar überabzählbar-unendlich (wie bei den Gelfandschen Raumtripeln, einer Verallgemeinerung des Hilbertraums zur besseren Erfassung kontinuierlicher Spektren).
  7. Walter Thirring: Quantenmechanik von Atomen und Molekülen. In: Lehrbuch der Mathematischen Physik. 3. Auflage. Band 3. Springer, Wien 1994, ISBN 978-3-211-82535-8, S. 26.
  8. W. Heisenberg: Über quantentheoretische Umdeutung kinematischer und mechanischer Beziehungen. In: Zeitschrift für Physik. Band 33, 1925, S. 879–893.Digitalisat
  9. P.A.M. Dirac: On the theory of quantum mechanics. In: Proceedings of the Royal Society of London A. Band 112, 1926, S. 661–677.
  10. E. Schrödinger: „Quantisierung als Eigenwertproblem I“, Annalen der Physik 79 (1926), 361–376. E. Schrödinger: „Quantisierung als Eigenwertproblem II“, Annalen der Physik 79 (1926), 489–527. E. Schrödinger: „Quantisierung als Eigenwertproblem III“, Annalen der Physik 80 (1926), 734–756. E. Schrödinger: „Quantisierung als Eigenwertproblem IV“, Annalen der Physik 81 (1926), 109–139
  11. Torsten Fließbach: Quantenmechanik. 4. Auflage. Spektrum, München 2005, ISBN 3-8274-1589-6, S. 231.
  12. Beispiel: Wenn die Eigenzustände zum Spin „auf“ oder „ab“ in z-Richtung sind, dann ist der Eigenzustand „auf“ in x-Richtung, aber der Eigenzustand „auf“ in y-Richtung. (Der Normierungsfaktor wurde fortgelassen.)
  13. Man stelle sich die praktisch unmögliche Aufgabe vor, den Vielteilchenzustand eines Systems aus N=1023 Elektronen zu bestimmen.
  14. „Inkohärent“ deshalb, weil die mit einem quadratischen Ausdruck in den gewichtet werden
  15. Das heißt unter anderem, dass die nicht durch Angabe der und der bestimmt werden können.