Pulverfabrik Rottweil

Pulverfabrik Rottweil
Rechtsformab ca. 1871 Aktiengesellschaft
Gründung1863 durch Übernahme einer Pulvermühle aus dem 15. Jhd.;
Auflösung1994
SitzRottweil
Leitungbis zu seinem Tode 1921 Carl Duttenhofer[1]
Mitarbeiterzahlbis zu 2000
BrancheRüstung
Ehemaliges Kraftwerk der Pulverfabrik Rottweil
(c) Andreas König, CC BY-SA 3.0
Blick über einen Teil der Pulverfabrik 2014
(c) Andreas König, CC BY-SA 3.0
Ehemaliges Filter- und Pumpenhaus

Die Pulverfabrik Rottweil war ein bedeutendes Unternehmen in Rottweil, das vor allem Patronen für Jagd- und Kriegszwecke herstellte. Das Pulver wurde außerdem im Bergbau eingesetzt.[2] Sie ging 1863 mit der Übernahme durch Max Duttenhofer aus einer Pulvermühle aus dem 15. Jahrhundert hervor.[3]

Geschichte

Vom 14. bis zum 16. Jahrhundert finden sich mehrere Erwähnungen von Pulverlieferungen aus Rottweil in die Schweiz – beginnend 1384 mit einem Pulvermacher namens Erhart von Rotwil.[4]

1863 trat Max Duttenhofer in die Pulvermühle ein und heiratete die Tochter des Pulvermüllers Flaiz.[4] International bedeutsam wurde das Unternehmen durch das rauchschwache Schießpulver, genannt Rottweiler chemisches Pulver,[2] eine Erfindung Duttenhofers. 1887 führte Preußen das aus Nitrocellulose bestehende Pulver ein.[2] Es verbrannte rauchlos und fast ohne Rückstand und verdrängte das Schwarzpulver in kürzester Zeit.[2] 1890 beschäftigte das Unternehmen 854 Arbeiter, produzierte 6000 Tonnen Pulver und erreichte eine Bilanzsumme von 31 Millionen Mark.[4] Den Höhepunkt seines wirtschaftlichen Erfolges erreichte das Unternehmen nach dem Tode Duttenhofers: 1917 beschäftigte es 2226 Mitarbeiter.[4] Das von Duttenhofer erfundene „braune prismatische Pulver“ beherrschte lange Zeit den Markt für schwere Geschütze und Schiffsartillerie.[1]

Das Unternehmen erwarb mehrere Beteiligungen an anderen Rüstungsunternehmen und gründete Zweigniederlassungen, so etwa die Pulverfabrik Düneberg bei Geesthacht.[1] Wegen der Nähe der neuen Niederlassung zu Hamburg firmierte das Unternehmen zeitweise als Pulverfabrik Rottweil-Hamburg.[1] 1890 fusionierte es mit anderen zur Vereinigte Köln-Rottweiler Pulverfabriken AG (ab 1919 Köln-Rottweil AG), später, unter anderem mit Mauser, zur Deutsche Waffen- und Munitionsfabriken AG.[2]

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde das Gelände bis 1994 auch zur Textilproduktion verwendet, unter anderem wurde ab 1919 Kunstseide-Viskose hergestellt.[5] 1923 wurde die Deutsche Celluloid-Fabrik in Eilenburg übernommen. Mit der Eingliederung der Köln-Rottweil AG in die I.G. Farben im Jahr 1926 nahm das Werk die Pulverproduktion wieder auf.[4][6]

Da die Kunstseidenproduktion im Zweiten Weltkrieg für die Fallschirmherstellung der Wehrmacht kriegswichtig war, wurden im Kernbereich der Anlage weitere Bauten errichtet, etwa die Spulerei (Kunstseidefabrik) 1938 oder das nie vollständig fertiggestellte, voluminöse Gebäude der Zwirnerei von 1941 bis 1942. In der Kriegsproduktion wurden auch Zwangsarbeiter eingesetzt.[5] Nach Kriegsende wurden die Teile des Werkes demontiert, die für die Rüstungsindustrie Bedeutung hatten.[4]

In den 1930er-Jahren gehörten damit 140 Gebäude zu dem Industriekomplex[7], der noch heute erhalten ist und als Ensemble unter Denkmalschutz steht.[8] Zu dem Komplex gehört auch das ehemalige Kraftwerk Rottweil. Einige der Gebäude wurden von namhaften Architekten wie Paul Bonatz, Albert Staiger, Heinrich Henes[9] oder dem Magdeburger Architekten Paul Schaeffer-Heyrothsberge (Zwirnerei)[10] errichtet, der zwischen 1937 und 1940 auch die Werkssiedlung Auf der Brücke errichtet hatte.[11]

Auf dem Gelände befinden sich 40 Kulturdenkmäler.[7] Seit 1993 wird das Areal schrittweise umgenutzt und der Komplex vor dem Verfall bewahrt. „1999 wurde die gelungene Umnutzung des ehemaligen Badhauses als Restaurant und Theaterstätte mit dem Denkmalschutzpreis belohnt“. 2008 kam ein weiterer Denkmalschutzpreis hinzu.[7]

Unter verschiedenen Marken („Rottweil“, „schwarze Waidmannsheil“) der ehemaligen Pulverfabrik Rottweil lässt das Schweizer Rüstungs-Unternehmen RUAG Ammotec noch heute Patronen in Fürth-Stadeln herstellen.[3]

Das Pumpenhaus der ehemaligen Pulverfabrik wurde im April 2013 von der Denkmalstiftung Baden-Württemberg als „Denkmal des Monats“ ausgezeichnet,[12] im Juni 2018 die Mechanische Werkstatt.[13]

Bilder

Literatur

  • Jörg Kraus: Für Geld, Kaiser und Vaterland. Max Duttenhofer, Gründer der Rottweiler Pulverfabrik und erster Vorsitzender der Daimler-Motoren-Gesellschaft. Delius Klasing, Bielefeld 2001, ISBN 3-7688-1375-4. (Wissenschaftliche Schriftenreihe des DaimlerChrysler-Konzernarchivs, Band 4.)
  • Stefan King, Hermann Klos (Hrsg.): Industriekultur im Neckartal Rottweil. Von Pulver über Nylon zur gewerblichen Vielfalt. Rottweil 2012.
  • Bernhard Laule: Die ehemalige Pulverfabrik in Rottweil am Neckar. In: Denkmalpflege in Baden-Württemberg, 13. Jg. 1984, Heft 4, S. 124–133. (PDF)
  • Jörg Kraus: Für Geld, Kaiser und Vaterland. Max Duttenhofer, Gründer der Rottweiler Pulverfabrik und erster Vorsitzender der Daimler-Motoren-Gesellschaft. Heidelberger Lese-Zeiten Verlag 2014. ISBN 978-3-943137-25-5.
  • Kerstin Renz: Wissen schafft Wertschätzung. Industriepfad führt Besucher durch die ehemalige Pulverfabrik Rottweil. In: Denkmalpflege in Baden-Württemberg, 38. Jg. 2009, Heft 3, S. 147–152 (PDF; 4,6 MB)

Weblinks

Commons: Pulverfabrik Rottweil – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

Koordinaten: 48° 10′ 44,4″ N, 8° 36′ 52,8″ O

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Jakobskirche Pulverfabrik Rottweil 2014 2.jpg
(c) Andreas König, CC BY-SA 3.0
Sogenannte "Jakobskirche", ehem. Wasch- und Umkleidegebäude, Neckarstraße 159, Rottweil, auf dem Gelände der ehemaligen Pulverfabrik Rottweil
Feuerwehrwache Pulverfabrik Rottweil 2014 2.jpg
(c) Andreas König, CC BY-SA 3.0
Feuerwehrhaus, Neckarstraße 220, auf dem Gelände der ehemaligen Pulverfabrik Rottweil
Holländerbau Pulverfabrik Rottweil 2014 1.jpg
(c) Andreas König, CC BY-SA 3.0
Holländerbau, Südteil von Neckarstraße 210, auf dem Gelände der ehemaligen Pulverfabrik Rottweil
Untere Mühle Rottweil 2014 4.jpg
(c) Andreas König, CC BY-SA 3.0
ehemalige Jagdpatronenfabrik, Neckartal 93, Gelände der ehemaligen Pulverfabrik Rottweil
Turbinenanlage Neckarstraße 129 Rottweil 2014 9.jpg
(c) Andreas König, CC BY-SA 3.0
Walzenwehr und Turbinenanlage, Walzenwehr, Neckartal 127/129, Rottweil, auf dem Gelände der ehemaligen Pulverfabrik Rottweil (Aufnahme vom Privatgelände mit frdl. Genehmigung des Besitzers)
Filter- und Pumpenhaus, Pulverfabrik Rottweil 2014.jpg
(c) Andreas König, CC BY-SA 3.0
Filter- und und Pumpenhaus, Neckarstraße 202, auf dem Gelände der ehemaligen Pulverfabrik Rottweil
Werkstättengebäude Neckartal 142 Pulverfabrik Rottweil 2014.jpg
(c) Andreas König, CC BY-SA 3.0
Werkstattengebäude, Neckarstraße 142, auf dem Gelände der ehemaligen Pulverfabrik Rottweil
Ehemaliges Kraftwerk der Pulverfabrik Rottweil.JPG
Autor/Urheber: Waithamai, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Ehemaliges Kraftwerk der Pulverfabrik Rottweil
Werkstättengebäude Neckartal 142 Pulverfabrik Rottweil 2014 4.jpg
(c) Andreas König, CC BY-SA 3.0
Werkstattengebäude, Neckarstraße 142, auf dem Gelände der ehemaligen Pulverfabrik Rottweil
Kunstseidenfabrik, Neckarstraße 171 back 2014.jpg
(c) Andreas König, CC BY-SA 3.0
Alte Spulerei (erb. 1938) und Neubau Kunstseidenfabrik, Neckarstraße 171, auf dem Gelände der ehemaligen Pulverfabrik Rottweil
Wasserturbine Rottweil Neckarstrasse 93.jpg
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Reste einer Wasserturbinenanlage, ehemalige Jagdpatronenfabrik, Neckartal 93, Gelände der ehemaligen Pulverfabrik Rottweil
Neckartal 247 Büro Pulverfabrik Rottweil 2014 2.jpg
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Neckarstraße 247, Betriebsbüro und Elektrowagenhalle, 1916, Architekt Albert Staiger; Rottweil. Auf dem Gelände der ehemaligen Pulverfabrik Rottweil
Chemisches Laboratorium, Pulverfabrik Rottweil 2014.jpg
(c) Andreas König, CC BY-SA 3.0
Chemisches Laboratorium, davor Denkmal für Max Duttenhofer, Neckarstraße 172, Rottweil, Gelände der ehemaligen Pulverfabrik Rottweil
Beamtenkasino Pulverfabrik Rottweil 2014 1.jpg
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ehemaliges Beamtenkasino der Pulverfabrik Rottweil
Kraftwerk Rottweil Inspektorenhaus 2014 1.jpg
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Ehemaliges Inspektorenhaus, Kraftwerk Rottweil, Neckartal 67, Rottweil, Baden-Württemberg, Deutschland
Pulsometer Rottweil 2014 1.jpg
(c) Andreas König, CC BY-SA 3.0
Pulsometer (Dampfpumpe), vor Filter- und Pumpenhaus Neckarstraße 202, auf dem Gelände der ehemaligen Pulverfabrik Rottweil
Denkmal Max Duttenhofer Rottweil 2014 2.jpg
(c) Andreas König, CC BY-SA 3.0
Denkmal für de:Max Duttenhofer, Neckartal 167, Rottweil, Gelände der ehemaligen Pulverfabrik Rottweil
Staustufe Neckar Rottweil Untere Mühle 1.jpg
(c) Andreas König, CC BY-SA 3.0
Staustufe und Wasserkraftwerk im Neckartal bei Rottweil, Gelände der ehemaligen Pulverfabrik Rottweil
Arbeiterkantine Pulverfabrik Rottweil 2014.jpg
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ehem. Arbeiterkantine, Neckarstraße 161, Rottweil, auf dem Gelände der ehemaligen Pulverfabrik Rottweil
Badhaus Pulverfabrik Rottweil 2014 1.jpg
(c) Andreas König, CC BY-SA 3.0
Badhaus, Seitenansicht, Neckarstraße 167, Rottweil, Arbeiter- Wasch und Umkleidegebäude auf dem Gelände der ehemaligen Pulverfabrik Rottweil, erbeut 1915/1916, Architekt Albert Staiger; Rottweil