Pseudokarst

Als Pseudokarst bezeichnet man geomorphologische Erscheinungen oder Teile einer Landschaft, die Eigenschaften oder Merkmale einer Verkarstung aufweisen, obwohl die sie aufbauenden Gesteine wie etwa Sandstein, Quarzit oder Granit als nicht verkarstungsfähig angesehen werden. Die Abgrenzung des Pseudokarsts gegenüber „echtem“ Karst in Karbonatgesteinen (Kalkstein und Dolomit) auf der einen Seite und nicht durch Verkarstung entstandenen Landschaftsformen auf der anderen ist umstritten.

Begriffsbildung

Der Begriff Pseudokarst spielt darauf an, dass es sich um eine Landschaftsform handelt, die der in einem Karstgebiet ähnelt, obwohl die gesteinsbildenden Minerale oder bodenbildende Sedimente nicht oder kaum löslich sind. Während der Karstbegriff ursprünglich nur für Landschaften verwendet wurde, die durch Lösung von Kalkstein und Dolomit durch kohlensaures Wasser geformt werden, erfuhr dieser später eine Erweiterung auf Anhydrit/Gips und Salzgesteine, da diese ebenfalls relativ leicht wasserlöslich sind. Da aber in einigen Landschaften, wo die Gesteine oder bodenbildenden Sedimente nicht diese Lösungsfähigkeit besitzen, ähnliche oder gleiche Merkmale zu beobachten sind, etablierte sich für diese Gebiete der Begriff Pseudokarst. Ein kurzer Abriss der Geschichte des Begriffes findet sich u. a. in einem Artikel von István Eszterhás:[1]

  • Die erste bekannte Verwendung geht auf Walther von Knebel in seiner „Höhlenkunde mit Berücksichtigung der Karstphänomene“ aus dem Jahr 1906 zurück.
  • Eine Klassifizierung der Pseudokarsterscheinungen in Löss- und Tonsedimenten wurde von F. P. Savarenskij 1931 durchgeführt.
  • Insbesondere russische und italienische Forscher arbeiten und publizieren Mitte des 20. Jahrhunderts auf diesem Gebiet unter Verwendung des Begriffs, später auch böhmische Geologen.

Heute werden gelegentlich auch Thermokarst, Kluft- und Einsturzhöhlen (darunter die Konsequenzhöhlen, die durch Verbruch aus ehemals künstlichen Hohlräumen entstehen)[2] und Lavahöhlen unter dem Oberbegriff Pseudokarst beschrieben. Einige Autoren gruppieren ausschließlich solche nicht durch Lösungsprozesse entstandenen Formen in den Pseudokarst, während durch Lösung etwa in Gipsgesteinen, Quarziten und vulkanischen Tuffen entstandene Formen als Parakarst bezeichnet werden.[3] Andere Forscher grenzen Karstformen nach dem vorherrschenden Gestein vom klassischen Karst ab, so etwa Sandsteinkarst oder Quarzitkarst.[4][5]

Die Diskussion der Einordnung solcher Erscheinungen in „echten Karst“ und „Pseudokarst“ ist weiterhin im Fluss. Eingebürgert hat sich als zentrales Merkmal zur Unterscheidung die Rolle der Lösung bei der Landschaftsentstehung.[5]

Entstehung und Merkmale

Alle Gesteine unterliegen in der Natur durch unterschiedliche Beanspruchungen der Zerstörung. An der Erdoberfläche und in unmittelbarer Nähe wirken hier insbesondere die Kräfte der Erosion. Lösungserscheinungen wie Korrosion setzen eine entsprechende Löslichkeit in Wasser voraus. Zwar sind grundsätzlich alle Minerale und damit die aus ihnen bestehenden Gesteine lösungsfähig, jedoch gibt es zwischen diesen ganz erhebliche Unterschiede in den Lösungsgeschwindigkeiten, den lösbaren Mengen pro Liter Wasser und den Lösungsbedingungen. So gelten z. B. Basalt, Quarzit und Granit vereinfacht als nicht oder kaum löslich, während Gipsgestein leicht löslich ist.

Erscheinungsformen

Im Pseudokarst lassen sich alle Erscheinungsformen beobachten, die auch im Karst zu finden sind: Dolinen, Erdfälle, Bachversickerungen und Ponore, Schlundlöcher und unterirdische Entwässerung, Karren, Höhlen usw. Die Entstehung dieser Formen erfolgt jedoch überwiegend durch Tektonik, Erosion, Suffosion usw. Lösungsprozesse finden mitunter ebenfalls statt, spielen aber eine untergeordnete Rolle. Dennoch gibt es partiell auch Lösungsprozesse außerhalb des Karstes. So finden sich auch im Granit exogene Formen, die auf Lösungserscheinungen hinweisen. In Höhlen in Sandstein oder Quarzit, wie zum Beispiel dem Muchimuk-Höhlensystem und anderen Höhlen der südamerikanischen Tepuis, lassen sich ebenfalls durch Lösung verursachte, korrosive Erscheinungsformen (Lösungshohlformen, Höhlensinter) wie auch durch Ausfällung entstandene Speläotheme nachweisen. Unklar ist in vielen Fällen, ob Lösungserscheinungen der auslösende Prozess der Höhlenbildung ist, oder ob die Lösung nur eine untergeordnete, sekundäre Rolle spielt.[6]

Forschung

1982 veranstalteten tschechische Höhlen- und Karstforscher erstmals ein eigenständiges Pseudokarst-Symposium. Seit dieser Zeit finden diese Symposien in Europa auf internationaler Ebene aller zwei Jahre statt, zuletzt 2015 in Kunčice pod Ondřejníkem (Tschechische Republik). Die für 2020 geplante Veranstaltung in Świętokrzyskie in Zentralpolen wurde abgesagt. Seit 1997 besitzt die Weltvereinigung der Höhlenforscher UIS eine eigenständige Kommission für den Pseudokarst.

Literatur

  • W. von Knebel: Höhlenkunde mit Berücksichtigung der Karstphänomene. Friedrich Vieweg und Sohn, Braunschweig 1906.
  • G. Florida: Un particolare fenomeno pseudocarsico manifeste da algune agrile. In: Bolletino della Societa ei Sciencia Naturale ed Economiche di Palermo. Band 23, 1941, S. 10–19.
  • H. P. Kosack: Die Verbreitung der Karst- und Pseudokarsterscheinung über die Erde. In: Petermanns Geographische Mitteilungen. (B. 96.). Gotha 1952, S. 16–22.
  • T. Striebel: Höhlenbildung in „nicht verkarstungsfähigen“ Gesteinen: welche Formen sind Karstformen? In: Laichinger Höhlenfreund. 40 (1). Laiching 2005, S. 31–52.

Weiterführende Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. István Eszterhás: Die Geschichte der Pseudokarstkommission der UIS. (Nicht mehr online verfügbar.) In: tu-dresden.de. Technische Universität Dresden, Juli 2008, archiviert vom Original am 6. Dezember 2017; abgerufen am 26. Oktober 2018.
  2. Urs Sandfuchs: Früher Eisenerz – heute Erdgas. In: Untergrund. 2004, S. 45 (sgh-lenzburg.ch [PDF; 576 kB; abgerufen am 8. November 2018]).
  3. Luc Willems: Phénomènes karstiques en roches silicatées non carbonatées: cas des grès, des micaschistes, des gneiss et des granites en Afrique sahélienne et équatoriale. Dissertation Université de Liège, 2000, S. 4 ff. der Kurzversion (Kurzfassung; PDF; 309 kB, Indexseite der Komplettversion – Umfassende Diskussion von Sandsteinkarst und terminologischen Fragen in diesem Zusammenhang).
  4. R. H. Winkelhöfer: Das Elbsandsteingebirge ist ein Sandsteinkarstgebiet. In: Der Höhlenforscher. Zeitschrift für Freunde der Speläologie. Jg. 38, 2006, ISSN 0138-2519, S. 50–53 (geoberg.deMemento im Internet Archive vom 15. Oktober 2013).
  5. a b Robert A. L. Wray: Quartzite dissolution: karst or pseudokarst? In: Cave and Karst Science. Band 24, Nr. 2, 1997, ISSN 0263-760X, S. 81–86 (speleogenesis.info [PDF; 87 kB; abgerufen am 8. November 2018] Neuveröffentlichung bei Speleogenesis and Evolution of Karst Aquifers.).
  6. Roman Aubrecht, Tomáš Lánczos, Branislav Šmída, Charles Brewer–Carías, Federico Mayoral, Ján Schlögl, Ľubomír Kováčik, Miloš Gregor: Venezuelan sandstone caves: a new view on their genesis, hydrogeology and speleothems. In: Geologia Croatica. Band 61, Nr. 2–3, 2008, ISSN 1330-030X, S. 346 (srce.hr [PDF; 7 kB]).

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Autor/Urheber: Hartmut Simmert, Lizenz: CC-BY-SA-3.0
Karrenbildungen im Kreidesandstein des Elbsandsteingebirges