Provisorische Staatsregierung Renner 1945

Die österreichische Provisorische Staatsregierung Renner amtierte von 27. April 1945 bis 20. Dezember 1945. Es handelte sich dabei um eine in den Tagen vorher von den drei Parteien vereinbarte Konzentrationsregierung aus SPÖ, ÖVP und KPÖ. Ihre Befugnisse leitete die provisorische Staatsregierung aus der ebenfalls von den genannten Parteien proklamierten Unabhängigkeitserklärung ab, mit der die Republik Österreich wiedererrichtet wurde.[1]

Wie 1918–1920, in der großteils von Karl Renner geleiteten Gründungsphase der Republik (siehe Staatsregierung Renner I, II, und III sowie Mayr I), wurde der Vorsitzende der Regierung (heute Bundeskanzler) als „Staatskanzler“ bezeichnet, die Ressortleiter (heute Bundesminister) wurden „Staatssekretäre“ genannt, die heute den Bundesministern beigegebenen Staatssekretäre wurden Unterstaatssekretäre genannt. Dementsprechend wurde die Bezeichnung „Staatskanzlei“ anstelle von Bundeskanzleramt und „Staatsamt“ anstelle von Ministerium verwendet. Am 20. Dezember 1945 trat das Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 wieder in volle Wirksamkeit. Für die am gleichen Tag vom soeben gewählten Bundespräsidenten Renner bestellte Bundesregierung Figl I wurden wieder die bereits 1920–1938 üblichen Bezeichnungen verwendet, die bis heute gelten.

Die Staatsregierung sah sich mit Unterstützung der Sowjetunion von Anfang an als Repräsentant ganz Österreichs, war aber anfangs de facto nur in der sowjetisch besetzten Zone im Osten Österreichs voll wirkmächtig. Die Salzburger Landesregierung beschloss am 24. Mai 1945 eine Begrüßungsnote an die „Bundesregierung“, wurde daraufhin aber vom amerikanischen Militärbefehlshaber in Salzburg verwarnt. Renner lud die Vertreter der Bundesländer mit Bewilligung des am 11. September konstituierten Alliierten Rates für 24. bis 26. September 1945 zur Länderkonferenz nach Wien ein. Damit war die Regierung Renner von allen Bundesländern und am 20. Oktober von den Alliierten für das gesamte Bundesgebiet anerkannt, wobei sich die Anerkennung nach der zweiten Länderkonferenz vom 9. bis 11. Oktober 1945 de jure auch auf vorher getroffene Entscheidungen bezog.

Die nicht öffentlichen Plenarsitzungen der Regierung mit allen Staatssekretären und Unterstaatssekretären (über 30 Personen) wurden als Kabinettsrat bezeichnet. Hier wurde nicht nur verwaltet, es wurden mangels Parlament auch Gesetze beschlossen: laut Schärf nach den Jahren des Faschismus sozusagen die erste Gehschule der Demokratie.[2]

Der Staatskanzler und die drei Staatssekretäre ohne Portefeuille (in Funktion eines Vizekanzlers) übten die politische Leitung aus und traten als politischer Kabinettsrat zu eigenen Sitzungen zusammen; sie waren nach der Provisorischen Verfassung mit den Aufgaben des Staatsoberhauptes betraut.

Mit Helene Postranecky als Unterstaatssekretärin für Volksernährung war die Regierung auch die erste des republikanischen Österreichs, welcher eine Frau angehörte.

Staatsamt (für)AmtsinhaberUnterstaatssekretär
Staatskanzlei

Staatskanzler Karl Renner (SPÖ)
Staatssekretäre:
Leopold Figl (ÖVP)
Johann Koplenig (KPÖ)
Adolf Schärf (SPÖ)

Heinrich Herglotz (ÖVP, ab 4. Mai 1945)[3],
Franz Winterer (SPÖ, für Heerwesen),
Karl Gruber (ÖVP, für Äußeres, ab 26. September 1945)
InneresFranz Honner (KPÖ)Oskar Helmer (SPÖ)
Raoul Bumballa (ÖVP)
Josef Sommer (ÖVP, ab 26. September 1945)
JustizJosef Gerö (parteilos)Karl Altmann (KPÖ)
Max Scheffenegger (SPÖ)
Ferdinand Nagl (ÖVP)
Volksaufklärung, für Unterricht und Erziehung
und für Kultusangelegenheiten
Ernst Fischer (KPÖ)Karl Lugmayer (ÖVP)
Josef Enslein (SPÖ)
Ernst Hefel (ÖVP, für Kultus)
Soziale VerwaltungJohann Böhm (SPÖ)Franz David (KPÖ)
Alois Weinberger (ÖVP)
FinanzenGeorg Zimmermann (parteilos)Hans Rizzi (parteilos, ab 4. Mai 1945)[3]
Land- und ForstwirtschaftRudolf Buchinger (ÖVP, bis 26. September 1945)

Josef Kraus (ÖVP, ab 26. September 1945)

Alois Mentasti (SPÖ)
Laurenz Genner (KPÖ)
Industrie, Gewerbe, Handel und VerkehrEduard Heinl (ÖVP)Karl Waldbrunner (SPÖ)
Hermann Lichtenegger (KPÖ, ab 4. Mai 1945)[3]
VolksernährungAndreas Korp (SPÖ)Helene Postranecky (KPÖ)

Josef Kraus (ÖVP, bis 26. September 1945)
Ernst Winsauer (ÖVP, ab 26. September 1945)

Öffentliche Bauten, Übergangswirtschaft
und Wiederaufbau
Julius Raab (ÖVP)Heinrich Schneidmadl (SPÖ)
Otto Mödlagl (KPÖ, ab 4. Mai 1945)[3]
Vermögenssicherung und WirtschaftsplanungVinzenz Schumy (ÖVP, ab 26. September 1945)Franz Rauscher (SPÖ, ab 26. September 1945)
Alfred Neumann (KPÖ, ab 26. September 1945)

Zur Leitung des Staatsamtes für Volksernährung war ursprünglich Johann Löwenfeld-Russ vorgesehen, der jedoch wenige Tage vor seiner Bestellung verstorben war.[4]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Vgl. Art. III der Unabhängigkeitserklärung StGBl. Nr. 1/1945
  2. Adolf Schärf: Zwischen Demokratie und Volksdemokratie. Österreichs Einigung und Wiederaufrichtung im Jahre 1945, Verlag der Wiener Volksbuchhandlung, Wien 1950, S. 9 ff.
  3. a b c d StGBl. Nr. 85/1945
  4. Staatssekretär Dr. Löwenfeld-Ruß gestorben. In: Neues Oesterreich/Neues Österreich. Organ der demokratischen Einigung, 28. April 1945, S. 2 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/nos

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Wappen der Republik Österreich: Nicht gesetzeskonforme Version des österreichischen Bundeswappens, umgangssprachlich „Bundesadler“, in Anlehnung an die heraldische Beschreibung des Art. 8a Abs. 3 Bundes-Verfassungsgesetz mit zwar nach Wappengesetz detailliertem, aber schwarzem statt grauem Gefieder, mit zu grellem Gelb sowie mit inkorrekter Darstellung des Bindenschilds, da die weiße Binde zu breit und der untere rote Balken zu schmal sowie der Spitz, statt halbrund zu sein, zu flach gerundet ist:

Das ursprüngliche Staatswappen wurde in der ersten Republik Österreich im Jahr 1919 eingeführt. Im austrofaschistischen Ständestaat wurde es im Jahr 1934 wieder abgeschafft und, im Rückgriff auf die österreichisch-ungarische Monarchie, durch einen Doppeladler ersetzt. In der wiedererstandenen (zweiten) Republik im Jahr 1945 wurde das Bundeswappen mit dem Wappengesetz in der Fassung StGBl. Nr. 7/1945 in modifizierter Form wieder eingeführt. Der Wappenadler versinnbildlicht, diesem Gesetzestext entsprechend (Art. 1 Abs. 1), „die Zusammenarbeit der wichtigsten werktätigen Schichten: der Arbeiterschaft durch das Symbol des Hammers, der Bauernschaft durch das Symbol der Sichel und des Bürgertums durch das Symbol der den Adlerkopf schmückenden Stadtmauerkrone […]. Dieses Wappen wird zur Erinnerung an die Wiedererringung der Unabhängigkeit Österreichs und den Wiederaufbau des Staatswesens im Jahre 1945 dadurch ergänzt, dass eine gesprengte Eisenkette die beiden Fänge des Adlers umschließt.“

Mit dem Bundesverfassungsgesetz vom 1. Juli 1981, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 geändert wird, BGBl. Nr. 350/1981, wurden die Wappengesetze von 1919 und 1945 außer Kraft gesetzt und dem Text des Bundes-Verfassungsgesetzes mit Artikel 8a B-VG eine Verfassungsbestimmung über die Farben, die Flagge und das Wappen der Republik Österreich hinzugefügt. Mit der Neuverlautbarung des Wappengesetzes mit BGBl. Nr. 159/1984 in § 1 in der grafischen Umsetzung der Anlage 1 wurde das Bundeswappen in seiner aktuellen Version eingeführt.