Provinz Deutschböhmen

    Provinz Deutschböhmen: 14.496 km²; 2,23 Millionen Einwohner. 1919 bekannten sich von den Einwohnern 2,07 Millionen als Deutsche und 116.275 als Tschechen.

Die Provinz Deutschböhmen wurde am 29. Oktober 1918 von deutschen Abgeordneten des österreichischen Reichsrates aus der Region bei einer Sitzung im Niederösterreichischen Landhaus als eigenberechtigte Provinz des Staates Deutschösterreich begründet und war eines mehrerer böhmischer Gebiete innerhalb des Staates.[1]

Erster Landeshauptmann war Raphael Pacher, der sein Amt am 5. November 1918 an Rudolf Lodgman von Auen übergab, weil er in die am 30. Oktober 1918 berufene Staatsregierung Renner I als Staatssekretär für Unterricht eintrat, praktisch der erste Bildungs- und Unterrichtsminister der Republik Österreich wurde. Mit der Gründung der Provinz wollten die Reichsrats-Abgeordneten die von ihnen überwiegend abgelehnte Einverleibung der 2,2 Millionen Deutschböhmen in die am 28. Oktober 1918 in Prag ausgerufene Tschechoslowakische Republik verhindern. Diese berief sich auf die Einheit der Länder der Böhmischen Krone.

Die deutschen Reichsratsabgeordneten aus der Provinz wirkten auch in der Provisorischen Nationalversammlung in Wien mit, die am 30. Oktober 1918 für alle deutschen Siedlungsgebiete Cisleithaniens den Staat Deutschösterreich gründete, der gemäß Beschluss vom 12. November 1918 als Ganzes dem Deutschen Reich beitreten wollte. Am 16. November trat in Reichenberg eine provisorische Landesversammlung zusammen.[1] Beide Vorhaben scheiterten am Friedensschluss von St. Germain, in Kraft getreten am 16. Juli 1920. Im Übrigen wurden die auch von Deutschösterreich beanspruchten deutschen Siedlungsgebiete ab 13. November 1918 von tschechoslowakischem Militär besetzt.

Die Landesregierung Deutschböhmens wandte sich mit einer von der Schwedischen Gesandtschaft übermittelten Kabeldepesche an US-Präsident Woodrow Wilson. Sie erbat die Gewährleistung des von ihm proklamierten Selbstbestimmungsrechtes der Völker. Außerdem protestierte sie gegen „Vergewaltigungen, welchen unser Staatsgebiet durch Truppen des Czecho-slowakischen Staates ausgesetzt ist“.[2] Der österreichische Staatskanzler Karl Renner bedauerte die Besetzung und erklärte: „Wir gestehen es offen, wir haben gar keine Macht zur Abwehr; die Republik Deutschösterreich hat nichts als sonnenklares Recht.“[3]

Die deutschböhmische Landesregierung flüchtete am 14. Dezember 1918 über Dresden nach Wien und amtierte dort weiter im Parlamentsgebäude.

Siehe auch

Literatur

  • Emil Franzel: Sudetendeutsche Geschichte. Adam Kraft Verlag, Augsburg 1958, S. 330 f.

Einzelnachweise

  1. a b Klaus Berchtold: 1918–1933. Fünfzehn Jahre Verfassungskampf (= Verfassungsgeschichte der Republik Österreich, Bd. 1). Springer, Wien 1998, ISBN 3-211-83188-6, S. 103.
  2. Dokumentiert in der Sudetenpost (Folge 12 vom 12. Dezember 2013, S. 4): http://www.sudetenpost.eu/index.php?option=com_content&view=section&layout=blog&id=10&Itemid=105. Siehe auch Wiener Zeitung, 10. Dezember 1918, Nr. 285, S. 6 (unter "Telegramme> Reichenberg, 9. Dezember") http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=wrz&datum=19181210&seite=6&zoom=33. Diese und andere Zeitungen mit zeitgeschichtlichen Beiträgen aus der Nachkriegszeit (i.J. 1918) sind abrufbar unter http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?datum=19181213&zoom=33
  3. Siehe den Artikel Böhmische Gebiete Deutschösterreichs

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Der Aufbau der Republik Deutschösterreich.png
Gebietsstand der Republik aufgrund des Gesetzes der provisorischen Nationalversammlung Deutschösterreichs vom 22.11.1918. Umfasst alle deutschsprachigen Gebiete und Länder der ehemaligen österreichischen Reichshälfte. Daneben ist die Grenze des heutigen Österreichs zum Vergleich angegeben. Die Länder Vorarlberg und Deutsch-Tirol bildeten ursprünglich eine gemeinschaftliche Provinz namens »Tirol-Vorarlberg«. Die Provinz wurde jedoch noch 1918 in die heutigen Gebietsteile aufgegliedert, da Vorarlberg bis 1920 gedachte, sich der Schweiz anzuschließen. Das heutige Tirol führte amtlich den Namen »Deutschtirol«, um sich von »Welsch-Tirol« (dem heutigen Trentino) abzugrenzen; »Deutschtirol« gehörte demnach natürlich auch das heutige italienische Südtirol an.

Die deutschösterreichischen Provinzen im Einzelnen:

 
Provinz Oberösterreich: 15.162 km², 1,03 Millionen Einwohner. 1910 bekannten sich für das ehemalige Kronland Österreich ob der Enns [ohne Deutschsüdböhmen] 99,7% der Einwohner als Deutsche und 0,2% als Tschechen.
 
Provinz Niederösterreich: 22.048 km², 3,72 Millionen Einwohner. 1910 bekannten sich für das ehemalige Kronland Österreich unter der Enns [ohne den Deutsch-Südmährischen Kreis] 95,5% als Deutsche und 3,7% als Tschechen. 0,1% gaben ein anderes Volkstum an.
 
Provinz Deutschböhmen: 14.496 km², 2,23 Millionen Einwohner. 1919 bekannten sich von den Einwohnern 2,07 Millionen als Deutsche und 116.275 als Tschechen.
 
Provinz Sudetenland: 6.534 km², 678.880 Einwohner. 1919 bekannten sich von den Einwohnern 643.804 als Deutsche, 25.028 als Tschechen und 5.200 als Polen.
 
Provinz Steiermark: 22.426 km², 1,44 Millionen Einwohner. 1910 bekannten sich von den Einwohnern 70,5% als Deutsche und 29,5% als Slowenen.
 
Provinz Salzburg: 7.153 km², 214.997 Einwohner. 1910 bekannten sich 99,7% der Einwohner als Deutsche.
 
Provinz Kärnten: 10.327 km², 394.735 Einwohner. 1910 bekannten sich 78,6% als Deutsche und 21,4% als Slowenen.
 
Provinz Deutschtirol: 20.047 km², 1,09 Millionen Einwohner. 1910 bekannten sich in der Provinz 839.000 als Deutsche, 20.000 als Ladiner und 3.000 als Italiener.
 
Provinz Vorarlberg: 2.602 km², 145.794 Einwohner. 1910 bekannten sich von den Einwohnern 95% als Deutsche und 5% als Italiener.
 
Die Einschlussgebiete Deutschösterreichs:
  1. Iglau: 374 km², 31.000 Einwohner (1920). Davon 17.000 Tschechen und 14.000 Deutsche.
  2. Brünn: 70 km², 263.600 Einwohner (1920). Davon 209.600 Tschechen und 54.000 Deutsche.
  3. Olmütz: 42 km², 66.400 Einwohner (1920). Davon 51.400 Tschechen und 15.000 Deutsche.

Von Deutschösterreich formal beanspruchte Gebiete:

 
Deutschwestungarn
 
Ostschlesien (gemeinschaftliche Verwaltung mit Polen und der Tschechoslowakei vorgeschlagen)