Prolonged Exposure

Prolonged Exposure (PE, oder auch prolongierte Expositionstherapie) wurde als Unterform der Verhaltenstherapie und kognitiven Verhaltenstherapie entwickelt, um die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS, im Englischen „Posttraumatic Stress Disease“ PTSD) zu behandeln. Sie besteht im Wesentlichen aus drei Komponenten:

  • „In Vivo“-Exposition, das heißt sich stufenweise den Situationen, Orten oder anderen Dingen, die einen an das Trauma erinnern oder sich gefährlich anfühlen (ohne natürlich objektiv gefährlich zu sein), auszusetzen
  • Imaginative Exposition, also das wiederholte absichtliche Erzählen der Traumaerinnerung
  • Kognitive Verarbeitung der Traumaerinnerung

Zusammenfassung

Dr. Edna Foa

Die Prolonged Exposure Therapie (PE) wurde von Dr. Edna Foa, Leiterin des Center for the Treatment and Study of Anxiety (CTSA) der University of Pennsylvania in Philadelphia, entwickelt. PE ist eine evidenzbasierte und hoch effektive[1] Behandlungsform für die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) und begleitende depressive Symptomatik und Ängste. PE gehört zu den expositionsbasierten Psychotherapieverfahren[2] und ist durch zahlreiche Studien gestützt, die den positiven Effekt auf PTBS-Symptome nachweisen konnten.[3]

Bei expositionsbasierten Therapien konfrontieren sich die Patienten mit an sich harmlosen Situationen, die bei ihnen aber mit der traumatischen Situation kognitiv verknüpft sind und daher große Anspannung und Angst auslösen können. Durch die wiederholte Erfahrung, dass das traumatische Erlebnis nicht erneut eintritt, löst man die kognitive Verknüpfung zwischen dem Trauma und der Situation.[2] PE ist eine flexible Therapiemethode, die individuell an die Gegebenheiten und die Bedürfnisse des Patienten angepasst werden kann. Es ist spezifisch darauf ausgelegt, Patienten zu helfen, traumatische Erlebnisse psychisch zu verarbeiten und die traumaverursachten Störungen zu reduzieren.

Durch die Therapie werden dabei nicht nur die PTBS-Symptome reduziert, sondern PE sorgt auch für eine Zunahme an Vertrauen und Selbstvertrauen und verbessert verschiedene Alltagsfähigkeiten, insbesondere mit belastenden Situationen besser umgehen zu können und zwischen sicheren und unsicheren Situationen unterscheiden zu können.[4]

Bestandteile der Therapie

PTBS ist durch das Wiedererleben des traumatischen Ereignisses durch einschießende und erschütternde Erinnerungen, Alpträume, Flashbacks und starke emotionale sowie körperliche Reaktionen charakterisiert, die durch an das Trauma erinnernde Situationen ausgelöst werden. Die meisten Menschen mit PTBS versuchen diese intrusiven Gedanken abzuwehren, indem sie Situationen vermeiden, die sie an das Trauma erinnern, selbst wenn diese an sich nicht gefährlich sind. Um die Intrusionen und das Vermeidungsverhalten zu behandeln, besteht die Expositionstherapie aus folgenden zwei Hauptkomponenten:

  1. „In Vivo“-Exposition, d. h. wiederholte Konfrontation mit Situationen, Aktivitäten, Orten, die aufgrund von traumatischen Erinnerungen vermieden werden. Diese Begegnungen reduzieren traumabezogene Ängste und befähigen den Patienten zu realisieren, dass vermiedene Situationen nicht gefährlich sind und er mit dem Leid umgehen kann.
  2. Imaginative Exposition, d. h. das wiederholte Wiederbesuchen, Wiedererzählen und Verarbeiten des traumatischen Erlebnisses. Die imaginative Exposition fördert die Verarbeitung der Traumaerinnerung und hilft eine realistische Perspektive auf das Trauma zu erlangen.

Das Ziel der Therapie ist es die Traumaerinnerung zu verarbeiten und die psychische Belastung sowie das Vermeidungsverhalten zu reduzieren. Außerdem unterstützt die Therapie depressive und emotional abgestumpfte Patienten im Aufbau positiver Aktivitäten.[5]

Die imaginative Exposition findet dadurch statt, dass die Patienten während der Therapiesitzungen das Trauma dem Therapeuten wiederholt erzählen. Zusätzlich werden von den Sitzungen Tonaufnahmen angefertigt, die die Patienten zwischen den Sitzungen anhören. Für die In vivo Exposition erarbeitet der Therapeut mit dem Patienten eine Hierarchie an vermiedenen Situationen, Orten und Aktivitäten, denen sich der Patient als Hausaufgabe aussetzt.[2]

Alle drei Komponenten erleichtern die emotionale Verarbeitung der Traumaerinnerung und vermindern Vermeidungsverhalten.[6] Randomisiert kontrollierte Studien konnten zeigen, dass nur 10–38 % der PE-Patienten die Therapie vor Beendigung abbrechen.[2]

Studien

PE wird weltweit erfolgreich durchgeführt, um Patienten mit vielfältigen traumatischen Erlebnissen wie Vergewaltigung, Überfall, Kindesmisshandlung, Krieg, Verkehrsunfälle und Naturkatastrophen zu behandeln.[7][8] Eine Studie aus den Niederlanden konnte eine bessere Wirkung im Vergleich zu EMDR nachweisen.[7] PE ist auch wirkungsvoll bei Patienten mit gleichzeitiger Substanzabhängigkeit, wenn diese parallel behandelt wird.[7][9] Zudem konnte gezeigt werden, dass PE keinen negativen Effekt auf die Abhängigkeitserkrankung hat.[10] Weitere Studien haben gezeigt, dass PE in Kombination mit einer DBT auch Patienten mit einer begleitenden emotional instabilen Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ hilft.[3] Bei gleichzeitigem Vorliegen einer Schizophrenie konnte eine Reduktion der wahnhaften und psychotischen Symptomatik nach 6 Monaten nachgewiesen werden.[7]

Einzelnachweise

  1. L. Watkins, K. Sprang, B. Rathbaum: Treating PTSD: A Review of Evidence-Based Psychotherapy Interventions. In: Frontiers in Behavioral Neuroscience. Band 12, 2018, S. 258, doi:10.3389/fnbeh.2018.00258, PMID 30450043, PMC 6224348 (freier Volltext).
  2. a b c d C. L. Lancaster, J. B. Teeters, D. F. Gros, S. E. Back: Posttraumatic Stress Disorder: Overview of Evidence-Based Assessment and Treatment. In: Journal of Clinical Medicine. Band 5, Nr. 11, November 2016, S. 4, doi:10.3390/jcm5110105, PMID 27879650, PMC 5126802 (freier Volltext).
  3. a b H. F. Granato, C. R. Wilks, E. M. Miga, K. E. Korslund, M. M. Linehan: The Use of Dialectical Behavior Therapy and Prolonged Exposure to Treat Comorbid Dissociation and Self-Harm: The Case of a Client With Borderline Personality Disorder and Posttraumatic Stress Disorder. In: Journal of Clinical Psychology. Band 71, Nr. 8, August 2015, S. 805–15, doi:10.1002/jclp.22207, PMID 26227284.
  4. A. Eftekhari, L. R. Stines, L. A. Zoellner: Do You Need To Talk About It? Prolonged Exposure for the Treatment of Chronic PTSD. In: The Behavior Analyst Today. Band 7, Nr. 1, 1. Januar 2006, ISSN 1539-4352, S. 70–83, doi:10.1037/h0100141, PMID 19881894, PMC 2770710 (freier Volltext).
  5. M. Williams, S. Cahill, E. Foa: Psychotherapy for Post-Traumatic Stress Disorder. In: D. Stein, E. Hollander, B. Rothbaum (Hrsg.): Textbook of Anxiety Disorders. 2. Auflage. American Psychiatric Publishing, 2010.
  6. A. Kazi, B. Freund, G. Ironson: Prolonged Exposure Treatment for Posttraumatic Stress Disorder Following the 9/11 Attack With a Person Who Escaped From the Twin Towers. In: Clinical Case Studies. Band 7, Nr. 2, April 2008, ISSN 1534-6501, S. 100–117, doi:10.1177/1534650107306290 (sagepub.com [abgerufen am 12. Juni 2020]).
  7. a b c d L. E. Dixon, E. Ahles, L. Marques: Treating Posttraumatic Stress Disorder in Diverse Settings: Recent Advances and Challenges for the Future. In: Current Psychiatry Reports. Band 18, Nr. 12, Dezember 2016, S. 108, doi:10.1007/s11920-016-0748-4, PMID 27771824, PMC 5533577 (freier Volltext).
  8. E. B. Foa, C. P. McLean, S. Capaldi, D. Rosenfield: Prolonged exposure vs supportive counseling for sexual abuse-related PTSD in adolescent girls: a randomized clinical trial. In: JAMA. Band 310, Nr. 24, Dezember 2013, S. 2650–7, doi:10.1001/jama.2013.282829, PMID 24368465.
  9. J. S. Joseph, M. J. Gray: Exposure therapy for posttraumatic stress disorder. In: The Journal of Behavior Analysis of Offender and Victim Treatment and Prevention. Band 1, Nr. 4, 2008, ISSN 2155-8655, S. 69–79, doi:10.1037/h0100457 (apa.org [abgerufen am 12. Juni 2020]).
  10. L. K. Kemmis, S. Wanigaratne, K. A. Ehntholt: Emotional Processing in Individuals with Substance Use Disorder and Posttraumatic Stress Disorder. In: International Journal of Mental Health and Addiction. Band 15, Nr. 4, 2017, S. 900–918, doi:10.1007/s11469-016-9727-6, PMID 28798555, PMC 5529498 (freier Volltext).

Weblinks

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