Projekt Riese

Stollen des Projekts Riese

Das Projekt Riese bezeichnet mehrere Stollensysteme aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges.[1] Es liegt im Mittelgebirgsmassiv um die Säuferhöhen (Osówka) und Wolfsberg im schlesischen Eulengebirge nahe Wüstewaltersdorf,[2] heute Walim in Polen.

Struktur

Der Komplex besteht aus mehreren Einzelanlagen. Die heute bekannten Stollensysteme befinden sich im Auffahrzustand, Teile des Kammersystems besitzen einen fertigen Innenausbau aus Beton. Es wird davon ausgegangen, dass die Anlage im Eulengebirge als Führerhauptquartier und als Ersatz zur bekannten Wolfsschanze dienen sollte. Hinweise dafür sind in einer Akte des Architekten Siegfried Schmelcher unter dem Namen Geheime Reichssache 91/44 verfasst. Von hier aus sollten die Operationen im Osten geführt werden.

Die Anlagen in Säuferwasser/Säuferhöhen, Wolfsberg und Dorfbach (Rzeczka) sind touristisch erschlossen und im Rahmen von Führungen begehbar. Die Stollen unter Schloss Fürstenstein (ca. 30 km von Wüstewaltersdorf entfernt) werden ebenfalls zum Komplex gerechnet. Wegen der Verwendung als seismologische Station ist eine Besichtigung im Rahmen von Führungen nur teilweise möglich.

Die Größe der Anlage lässt sich nach vorliegenden Plänen wie folgt erklären: Für das Führerhauptquartier (FHQ), Oberkommando des Heeres (OKH), Oberkommando der Luftwaffe (OKL) sowie den Reichsaußenminister und den Reichsführer SS waren unterirdische Wohn- und Arbeitsquartiere geplant. Weiterhin sollten unterirdische Unterkünfte für Sicherheits- und Unterstützungskräfte entstehen. Geplant war ebenfalls eine unterirdische Industrieanlage (siehe Mittelbau-Dora). Bis August 1945 sollte so eine gigantische, bombensichere, unterirdische Großanlage entstehen. Kosten waren mit 130 Millionen Reichsmark angesetzt. Die Größe der gesamten Anlage des Projekt Riese sollte 194.232 m² betragen, die Bunkeranlage für das FHQ war mit 5.000 m² Fläche bemessen. Die Baupläne für Riese wurden vermutlich vernichtet. Daher ist eine genaue Rekonstruktion aus heutiger Sicht nicht mehr möglich.

Geschichte

Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges und des Überfalls auf Polen im Jahr 1939 gab es im schlesischen Eulengebirge noch keine Schutzvorrichtungen für die militärische Führung und die Regierung. Laut Zeitzeugen wurden Gebiete um Wolfsberg bereits 1938 gesperrt. Im September 1943 wurde mit dem Rüstungsminister Albert Speer die Baumaßnahme zum FHQ im Eulengebirge besprochen, und bereits im Oktober 1943 wurde in großem Umfang die Bautätigkeit unter Leitung der Schlesischen Industriegemeinschaft AG aufgenommen. Im April 1944 übernahm die Organisation Todt die Bauleitung. Zur Realisierung dieses Bauvorhabens wurden Arbeitslager (AL) des nahe gelegenen Konzentrationslagers Groß-Rosen gegründet und bis zu 20.000 Häftlinge eingesetzt. Es wurden ca. 5.000 Häftlinge ermordet.

Entfernung in Metern zwischen verschiedenen Komplexen des Projekts Riese

Da dieses Projekt der höchsten Geheimhaltungsstufe unterlag, veränderte es auch in hohem Maße die Lebensumstände der heimischen Bevölkerung, die sich in den dort ausgewiesenen Sperrzonen teilweise auch nur eingeschränkt bewegen konnte. Vielen am Bau des Projektes beteiligten Privatfirmen und der umliegend wohnenden Bevölkerung war der Zweck der Bauvorhaben nicht bekannt, so dass vor allem über zwei Versionen, eine unterirdische Rüstungsproduktion oder ein weiteres Führerhauptquartier, spekuliert wurde. Baupläne von Riese gelten immer noch als verschollen, wobei 2011 eine Reihe neuer Publikationen (bisher nur auf polnisch erhältlich) den Stand der Forschung dokumentiert, die vor allem im Frühjahr und Sommer 2011 einer breiten Öffentlichkeit in mehreren Veranstaltungen vorgestellt wurden.

Im August 2015 gab es die Meldung, dass man im Umfeld des Projektes Riese in etwa 70 m Tiefe einen verschütteten Zug aus der NS-Zeit geortet habe, den sogenannten Gold-Zug von Wałbrzych, es wurden jedoch keine Beweise veröffentlicht und auch kein Zug gefunden.

Bisher bekannte Anlagen

Liste der bekannten Stollenanlagen
AnlageBemerkungenLageGrundriss
Zamek Książehemals: Schloss Fürstenstein; touristisch erschlossenLageKsiąż Castle - Riese.PNG
Rzeczkaehemals: Dorfbach; 3 Stollen touristisch erschlossenLageComplex Rzeczka - Riese.PNG
Włodarzehemals: Wolfsberg; 4 Stollen touristisch erschlossenLageComplex Włodarz - Riese.PNG
Ludwikowice Kłodzkieehemals: Mölke; 1 Stollen touristisch erschlossenLage
Osówkaehemals: Säuferhöhen; 3 Stollen touristisch erschlossenLageComplex Osówka - Riese.PNG
Sokolecehemals: Falkenberg; nicht touristisch erschlossenLage,

Lage

Complex Sokolec - Riese.PNG
Jugowiceehemals: Hausdorf (Oberdorf); nicht touristisch erschlossenLageComplex Jugowice - Riese.PNG
Sobońehemals: Ramenberg; nicht touristisch erschlossenLageComplex Soboń - Riese.PNG
Głuszycaehemals: Wüstegiersdorf; nicht touristisch erschlossenLageGłuszyca - air raid shelter.PNG

Die Baumaßnahmen wurden mit Zwangsarbeitern durchgeführt, zum einen mit Kriegsgefangenen aus unten aufgeführten Gemeinschaftslagern (GL), sowie mit Gefangenen des Konzentrationslagers Groß-Rosen, die auf mehrere Arbeitslager (AL) aufgeteilt waren, die nahe den einzelnen Bauprojekten lagen:[3]

BezeichnungOrtLageNutzungsperiode
GL I WüstewaltersdorfWalimLageNov 1943 – Mai 1945
GL II DörnhauKolceLageNov 1943 – Mai 1945
GL III WüstegiersdorfGłuszycaLageNov 1943 – Mai 1945
GL IV OberwüstegiersdorfGłuszyca GórnaLageNov 1943 – Mai 1945
GL V TannhausenJedlinkaLageMär 1944 – Mai 1945
AL DörnhauDörnhauLageJun 1944 – Mai 1945
AL ErlenbuschOlszyniecLageMai 1944 – Mai 1945
AL FalkenbergSowinaLageApr 1944 – Feb 1945
AL FürstensteinKsiążLageMai 1944 – Feb 1945
AL KaltwasserZimna WodaLageAug 1944 – Dez 1944
AL LärcheSobońLageOkt/Dez 1944 – Feb 1945
AL MärzbachtalPotok Marcowy DużyLageApr/Jun 1944 – Feb 1945
AL SäuferwasserOsówkaLageAug 1944 – Feb 1945
AL SchotterwerkGłuszyca GórnaLageApr/Mai 1944 – Mai 1945
AL TannhausenJedlinkaLageApr/Mai 1944 – Mai 1945
AL WolfsbergWolfsbergLageMai 1944 – Feb 1945
AL WüstegiersdorfWüstegiersdorfLageApr 1944 – Feb 1945
AL WüstewaltersdorfWüstewaltersdorfLageApr 1944–1945
Zentralrevier TannhausenJedlinkaLageNov 1944 – Mai 1945

Weblinks

Commons: Projekt Riese – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Der Komplex Riese (Memento vom 29. März 2016 im Internet Archive; PDF; 215 kB)
  2. Objekt Riese – Wüstewaltersdorf 1943
  3. Karte der Arbeitslager. In: Website des Museums KZ Groß-Rosen. Abgerufen am 19. Oktober 2022..

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Miasto podziemne w Osówce
Książ Castle - Riese.PNG
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Diagram of the underground complex below Książ Castle, a part of the project Riese.
Głuszyca - air raid shelter.PNG
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Diagram of the underground air raid shelter in the town of Głuszyca. See: Project Riese.
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Diagram of the underground complex Rzeczka, a part of the project Riese.
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Entfernung in Metern zwischen verschiedenen Komplexen des Projekts Riese (Dorfbach - Rzeczka, Falkenberg - Sokolec, Jauernig / Oberdorf (ab 1937) - Jawornik (Jugowice Górne), Ramenberg - Soboń, Säuferhöhen - Osówka, Wolfsberg - Włodarz)
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Complex Soboń - Riese.PNG
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Diagram of the underground complex Soboń, a part of the project Riese.
Complex Sokolec - Riese.PNG
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Diagram of the underground complex Sokolec, a part of the project Riese.
Complex Osówka - Riese.PNG
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Diagram of the underground complex Osówka, a part of the project Riese.
Complex Włodarz - Riese.PNG
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Diagram of the underground complex Włodarz, a part of the project Riese.
Complex Jugowice - Riese.PNG
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Diagram of the underground complex Jugowice, a part of the project Riese.