Professorenmehrheit

Die Professorenmehrheit (auch Hochschullehrermehrheit) bezeichnet ein vom Bundesverfassungsgericht geschaffenes verfassungsrechtliches Institut, welches das Gericht anlässlich des Hochschul-Urteils zu den Gruppenuniversitäten von 1973 entwickelt hat. Wird an deutschen Hochschulen die heute übliche Organisationsform der Gruppenhochschule gewählt, so ergibt sich für die Entscheidungsfindung in den Selbstverwaltungsgremien folgende dreigliedrige Anforderungsstruktur, die vom Gesetzgeber bei der Gestaltung der Hochschulorganisation berücksichtigt werden muss:[1]

  1. Alle Entscheidungen an einer Hochschule, die nicht Lehre und Forschung betreffen, können gleichberechtigt von den Hochschulmitgliedern getroffen werden.[2]
  2. Darüber hinaus ist bei Entscheidungen, die die Lehre berühren, der Statusgruppe der Hochschullehrer mindestens die Hälfte der Stimmen einzuräumen.[3]
  3. Die höchsten Anforderungen stellte das BVerfG an Entscheidungen, die unmittelbar die Forschung betreffen. Dabei müssen die Hochschullehrer über die absolute Mehrheit der Stimmen verfügen,[4] zum Beispiel in Berufungsverfahren.

Das Gericht begründet die Professorenmehrheit mit dem notwendigen Schutz der Funktionsfähigkeit der Wissenschaft. Das auf der Wissenschaftsfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG und dem Art. 3 Abs. 1 GG beruhende Urteil macht die Homogenität der Gruppe zur Voraussetzung.[5] Diese geforderte Homogenität wird in der juristischen Literatur seit der Einführung der Juniorprofessur Anfang des 21. Jahrhunderts angezweifelt.[6][7] Darüber hinaus wird infrage gestellt, dass der Akademische Mittelbau zur Gefährdung der Funktionsweise beitrage, übernehme er doch ebenfalls nicht unerheblich Aufgaben in Forschung und Lehre.[8]

Bei privaten Hochschulen wird die Notwendigkeit der Professorenmehrheit nicht angenommen.[9]

Literatur

  • Lukas C. Gundling: Professorenmehrheit: Ein sakrosanktes Institut des Verfassungsrechts?. In: Landes- und Kommunalverwaltung 7/2016, S. 301–304.
  • Gerrit Hellmuth Stumpf: Innere Organisation und Interorganbeziehungen von Hochschulen – Wie veränderungsfest ist die Professorenmehrheit?. In: Die Öffentliche Verwaltung 15/2017, S. 620–629.
  • Alexander Kübler-Kreß: Die Hochschullehrermehrheit an privaten Hochschulen – Pflicht oder Kür? In: Ordnung der Wissenschaft 2/2019, S. 111–118.

Einzelnachweise

  1. Als solche dargestellt bei z. B. Lukas C. Gundling: Professorenmehrheit: Ein sakrosanktes Institut des Verfassungsrechts?, LKV 7/2016, S. 302.
  2. BVerfGE, Band 35, S. 79, hier S. 129. (online)
  3. BVerfGE, Band 35, S. 79, Leitsatz 8b und S. 130 f.
  4. BVerfGE, Band 35, S. 79, Leitsatz 8c und S. 131f.; dazu auch Bernhard Kempen: Grundfragen des institutionellen Hochschulrechts, in Hartmer/Detmer (Hrsg.): Hochschulrecht. Ein Handbuch für die Praxis, 2. Auflage, Heidelberg 2011, ISBN 978-3-8114-7724-7, Rn. 126.
  5. BVerfGE, Band 35, S. 79, hier S. 130 und 133.
  6. Werner Thieme: Deutsches Hochschulrecht, 3. Auflage, Köln 2004, ISBN 3-452-24763-5, S. 111.
  7. Lukas C. Gundling: Eine rechtspolitische Darlegung zur Professorenmehrheit – Alternative Wissenschaftlermehrheit. Ergänzende Anmerkung zu LKV 2016, 301. Zugleich Anmerkungen zu den Entscheidungen BVerfGE 139, 148 und VerfGH BW 1 VB 16/15, in: Zeitschrift für Landesverfassungsrecht und Landesverwaltungsrecht (ZLVR), 2/2017, S. 50 ff.
  8. Lukas C. Gundling: Professorenmehrheit: Ein sakrosanktes Institut des Verfassungsrechts?, LKV 7/2016, S. 303 f.
  9. Alexander Kübler-Kreß: Die Hochschullehrermehrheit an privaten Hochschulen – Pflicht oder Kür? In: Ordnung der Wissenschaft 2/2019, S. 116.