Privatbibliothek

Teil der Privatbibliothek von Theodor Heuss im Arbeitszimmer seines Wohnhauses in Stuttgart
Goethes Bibliothek in seinem Wohnhaus am Frauenplan in Weimar
Teil der Privatbibliothek vom Philosoph Andrzej Nowicki in Warschau mit Themennamen auf Chinesisch - fot. Ivonna Nowicka

Als Privatbibliothek bezeichnet man eine in Privateigentum befindliche Sammlung von Büchern, die von einer Privatperson zusammengetragen wurde. Private Unternehmensbibliotheken oder die Bibliotheken privater Schulen bezeichnet man üblicherweise nicht als Privatbibliotheken.

Merkmale, Sonderfälle und Beispiele

Unter Umständen können Privatbibliotheken mit Erlaubnis des Besitzers auch öffentlich zugänglich sein. Ein Sonderfall sind die Adelsbibliotheken im Privateigentum von Adelsfamilien. Mitunter bestehen Rechtsansprüche für die Öffentlichkeit, diese benutzen zu dürfen (fast ausschließlich nach dem Fideikommissrecht).

Die bekanntesten Privatbibliotheken sind die Bibliotheken namhafter Gelehrter und Bibliophiler (Büchersammler). Wenn sie nicht verkauft werden oder im Besitz der Erben bleiben, gehen Privatbibliotheken oft als Schenkung oder nach dem Tod des Inhabers als Bibliotheksnachlass in den Bibliotheksbestand von Bibliotheken der öffentlichen Hand über. Dort werden sie teilweise als Sonderbestand zusammen gehalten.[1]

Beispiele für bekannte Privatbibliotheken sind die Bibliotheca Bodmeriana des Schweizer Bibliophilen Martin Bodmer, die Bibliothek Otto Schäfer des deutschen Industriellen Otto Schäfer in Schweinfurt, die Bibliothek Adolf Brehm in Bad Arolsen sowie die Bibliothek des Schweizer Architekturhistorikers Werner Oechslin in Einsiedeln, alle vier als Stiftungen eingerichtet. Ein hervorragendes Beispiel für eine Privatbibliothek eines Herrschers ist jene Kaiser Franz I. von Österreich (1768–1835), die nach seinem Tod zu einem Fideikommiss erklärt wurde und 1878 mit den Privatbibliotheken seiner Nachfolger Kaiser Ferdinand I. (1793–1875) und Kaiser Franz Joseph I. (1830–1916) zur Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen zusammengeführt wurde. Sie ist heute Teil der Österreichischen Nationalbibliothek (Abteilung Bildarchiv und Grafiksammlung). Für Privatbibliotheken dieses Umfangs wurden oftmals eigene Gebäude errichtet und entsprechendes Fachpersonal für ihre Betreuung angestellt. Die 2003 versteigerte und verkaufte[2] Bibliotheca Tiliana des Unternehmers und Jagdwissenschaftlers Kurt Lindner wurde dagegen nach Lindners Tod in alle Winde zerstreut. Lindners Bibliothek enthielt rund 12.000 Bücher und Handschriften aus mehreren Jahrhunderten, die alle mit der Jagd in Verbindung standen, und war damit eine der weltweit umfangreichsten Bibliotheken zu diesem Themenkomplex.

Ein weiteres Beispiel ist die Privatbibliothek des herausragenden deutschen Dichters und Staatsmannes Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832), die sich mit 5.424 Titeln in ca. 7.000 Bänden immer noch in seinem Wohnhaus am Frauenplan in Weimar befindet. Als zeitgenössische Privatbibliothek zählen die rund 50.000 Bücher des italienischen Schriftstellers und Semiotikers Umberto Eco (1932–2016), die sich an seinem Hauptwohnsitz und verschiedenen Nebenwohnsitzen befinden.[3] Rund 300.000 Bücher besaß der deutsche Modeschöpfer Karl Lagerfeld.[4]

Zur Katalogisierung von Privatbibliotheken können Literaturverwaltungsprogramme eingesetzt werden. Im internetbasierten Bibliotheksverwaltungsprogramm LibraryThing können neben den Privatbibliotheken der dort angemeldeten Benutzer auch Bibliotheken aus dem Nachlass zahlreicher historischer Personen öffentlich betrachtet werden.[5] Die Herkunft eines Buches aus einer bekannten Privatbibliothek wird von Sammlern als wertsteigernd angesehen und daher in Auktions- oder Antiquariatskatalogen meist ausdrücklich erwähnt.

Literatur

  • Gernot U. Gabel, Wolfgang Schmitz: Kölner Sammler und ihre Bücherkollektionen in der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln. Universitäts- und Stadtbibliothek, Köln 2003, ISBN 3-931596-25-7.
  • Estelle Ellis, Caroline Seebohm, Christopher Simon Sykes: Mit Büchern leben. Buchliebhaber und ihre Bibliotheken. Gerstenberg, Hildesheim 1996 (zuletzt 2008), ISBN 978-3-8369-2983-7.
  • Reinhard Wittmann (Hrsg.): Bücherkataloge als buchgeschichtliche Quellen in der frühen Neuzeit. Otto Harrassowitz in Kommission, Wiesbaden (1985) (Wolfenbütteler Schriften zur Geschichte des Buchwesens, Bd. 10).
  • Klaus Walther (Texte u. Hrsg.) und Dieter Lehnhardt (Fotos): Haben Sie das alles gelesen? Ein Buch für Leser und Sammler. Mironde Verlag, Niederfrohna bei Chemnitz 2014, ISBN 978-3-937654-80-5. (Textliche und fotodokumentarische Präsentation von 16 zeitgenössischen und 10 historischen Privatbibliotheken diverser Dichter, Schriftsteller und Naturwissenschaftler im deutschen und französischen Sprachraum)
  • Gerhard Loh: Verzeichnis der Kataloge von Buchauktionen und Privatbibliotheken aus dem deutschsprachigen Raum. Selbstverlag, Leipzig ab 1995 (bis 2008 fünf Bände erschienen)
  • Alan Powers: Wohnen mit Büchern. Augustus, München 2000, ISBN 3-8043-0784-1.
  • Jürgen Busche, Christine Eichel (Hrsg.)/ Thomas Kierok [u. a.] (Fotos): Von Bücherlust und Leseglück  −  Kluge Köpfe und ihre Bibliotheken. Knesebeck Verlag, München 2008, ISBN 978-3-89660-558-0. (mit einem Gespräch Frauen lesen anders mit Elke Heidenreich)
  • Eugenio Canone (Hrsg.): Bibliothecae selectae da Cusano a Leopardi, a cura di Eugenio Canone. Olschki, Florenz 1993 (Lessico Intellettuale Europeo, 58).
  • Susanne von Meiss (Texte), Reto Guntli (Fotos): Bücherwelten – Von Menschen und Bibliotheken. 2. Auflage. Gerstenberg, Hildesheim 1999, ISBN 3-8067-2855-0.
  • Dominique Dupuich (Texte), Roland Beaufre (Fotos): Wie wir mit Büchern wohnen. Brandstätter, Wien/München 2010, ISBN 978-3-85033-414-3.
  • Leslie Geddes-Brown: Räume für Menschen, die Bücher lieben. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2010, ISBN 978-3-421-03817-3.
  • Umberto Eco, Jean-Claude Carrière: Die große Zukunft des Buches  –  Gespräche mit Jean-Philippe de Tonnac. Hanser, München 2010, ISBN 978-3-446-23577-9.
  • Thomas Huber-Frischeis, Nina Knieling, Rainer Valenta: Die Privatbibliothek Kaiser Franz I. von Österreich 1784–1835. Bibliotheks- und Kulturgeschichte einer fürstlichen Sammlung zwischen Aufklärung und Vormärz. Böhlau, Wien 2015, ISBN 978-3-205-79672-5 (PDF-Download, 28,2 MB).

Weblinks

Wiktionary: Privatbibliothek – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wikisource: Privatbibliotheken – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise

  1. Beispiele: Sondersammlungen in der ZB MED
  2. Martina Giese: Zum Verkauf der Jagdbibliothek von Kurt Lindner im Jahr 2003. Ein Kurzbericht. In: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen. Band 22, 2003, S. 532–537.
  3. Umberto Eco, Jean-Claude Carrière: Die große Zukunft des Buches. Gespräche mit Jean-Philippe de Tonnac. Hanser, München 2010, ISBN 978-3-446-23577-9, S. 277.
  4. Uwe Ebbinghaus: Büchersammler Lagerfeld: Ich suche auch Sachen, die ich nicht suche. In: faz.net. 25. Januar 2016, abgerufen am 18. August 2023.
  5. vgl. LibraryThing: Legacy Libraries

Auf dieser Seite verwendete Medien

Andrzej Nowicki (filozof) - biblioteka, fot Ivonna Nowicka.jpg
Autor/Urheber: Ivonna Nowicka, Lizenz: CC BY-SA 4.0
One of the bookshelves of Polish philosopher Andrzej Nowicki's library with labels in Chinese showing his interest in and love for the Chinese language and script.

Since the picture was deleted from the Italian it.wikipedia's page on Professor Nowicki by "Rojelio discussione 22:40, 8 ott 2021" with the explanation "(più intralcio che utilità)" ("more hindrance than utility"), maybe it is useful to enumerate all the titles that can be discerned in the picture:

the 4th shelf from top: - Hindi, Korean, English dictionaries; you can also find a picture of himself

the 3rd shelf from top: - books on Hegel and China; a Polish musical encyclopedia (yes, Prof. Nowicki had a great interest in both classical and contemporary music); a Russian book on the art of Portugal

the 2nd shelf from top: - Nowicki's notebooks entitled (in Polish): "France", "French literature", "Korea", "Polish poetry "," Portugal "," Hungary "," Ukraine - Meetings", "Warsaw", a German book on pre-Socratic Greek philosophy, which begins with the words "Die Fragmente der Vorsokratiker ..."

top shelf: - notebooks entitled "Spain", "Czechia", "Grand piano", "The golden book of ..." and a large folder on the right called "Bruno".

All these offer a unique and insightful idea of his workplace and of the vast scope of Nowicki's interest and of his intellectual openness an interest for the world and of the many languages he could and wanted to read.
Heuss-Haus Arbeitszimmer.jpg

Theodor-Heuss-Haus, Feuerbacher Weg, Stuttgart-Nord

Arbeitszimmer von Theodor Heuss (mit einer Auswahl seiner Bücher)
Goethe J W v Goethes Bibliothek.jpg
Goethes Bibliothek am Frauenplan in Weimar, heute Deutsches Goethe-Nationalmuseum