Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung

Das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung (Art. 4 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1, 2 EUV) besagt, dass die Europäische Union bzw. die Europäische Atomgemeinschaft nur die Kompetenzen (Verbandszuständigkeit) (zur Rechtsetzung, Verwaltung, Rechtsprechung) hat, die ihr in den Verträgen, dem sogenannten Primärrecht, übertragen sind. Die EU kann also nicht eigenmächtig Kompetenzen an sich ziehen, sie besitzt keine Kompetenz-Kompetenz. Jede Rechtsetzung der EU bedarf daher immer einer ausdrücklichen Grundlage in den Verträgen. Im Übrigen bleibt die Rechtsetzungsbefugnis bei den Mitgliedstaaten.

Die Einzelstaaten kommen durch eine Ermächtigung in völkerrechtlichen Verträgen des primären Unionsrechts überein, auf die Ausübung von Hoheitsrechten zu verzichten und die unmittelbare innerstaatliche Wirkung von Akten der EU zuzulassen. In Deutschland findet diese „Übertragung“ in Art. 23 des Grundgesetzes ihre verfassungsrechtliche Legitimation; bevor dieser in Kraft trat, fand sie sie in Art. 24 Abs. 1 GG.

Der Europäische Gerichtshof betonte bisher in seinen Entscheidungen immer die Geltung des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung. Allerdings legte er die in den Verträgen enthaltenen Ermächtigungen bislang regelmäßig zugunsten der Kompetenzen der Europäischen Union weit aus.

So wird das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung ergänzt durch die Implied-Powers-Doktrin. Diese besagt, dass die in den Verträgen vorgesehenen Kompetenznormen auch die Tatbestände erfassen, ohne die die Kompetenznormen nicht sinnvoll zur Anwendung gelangen können.

Im Rahmen der Ultra-vires-Kontrolle prüft das Bundesverfassungsgericht jedoch, ob sich eine Maßnahme europäischer Organe, Einrichtungen oder sonstiger Stellen innerhalb der vom nationalen Gesetzgeber an die EU übertragenen Kompetenzen hält.[1]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. L. Fischer: Ultra-vires- und Identitätskontrolle. In: Große Hüttmann, Wehling: Das Europalexikon. 3. Auflage, Bonn 2020.