Premierminister des Vereinigten Königreichs

Premierminister des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland
Prime Minister of the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland
Wappen der Regierung seiner Majestät
Amtierend
Keir Starmer
seit dem 5. Juli 2024
Cabinet Office
AnredeThe Right Honourable (förmlich)
Amtssitz10 Downing Street, London
Chequers (Landsitz)
Mitglied vonPrivy Council
National Security Council
Kabinett des Vereinigten Königreichs
Regierung des Vereinigten Königreichs
AmtszeitAt His Majesty’s pleasure
Ernennung durchKönig des Vereinigten Königreichs
Schaffung des Amtes4. April 1721
Erster AmtsinhaberRobert Walpole
Gehalt£157,372 pro Jahr[1]
(£81,932 MP-Gehalt mit einberechnet)[2]
Website[1]

Der Premierminister des Vereinigten Königreichs ist der ranghöchste Minister der Regierung des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland. Die volle Amtsbezeichnung lautet Prime Minister, First Lord of the Treasury and Minister for the Civil Service of the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland („Premierminister, Erster Lord des Schatzamtes und Minister für den Staatsdienst des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland“).

Der erste Amtsinhaber war Robert Walpole (1721–1742); derzeitiger Amtsinhaber ist Keir Starmer. Einen formalen Stellvertreter gibt es nicht, jedoch wurden in der Vergangenheit bereits mehrere Minister zum Deputy Prime Minister oder First Secretary of State mit entsprechenden Funktionen ernannt.

Kompetenzen

Im Vereinigten Königreich gibt es keine geschriebene Verfassung, die die Kompetenzen des Regierungschefs klar definiert.[3]

Der Premierminister hat innerhalb der Regierung die Richtlinienkompetenz, ernennt die Mitglieder seines Kabinetts, koordiniert ihre Arbeit und die ihrer Ministerien, nimmt an zeremoniellen Anlässen teil, ist das „Gesicht“ der Regierung im Vereinigten Königreich und außerhalb.

Die Legislaturperioden des britischen Unterhauses werden in mehrere Regierungsphasen unterteilt. Traditionell dauern diese etwa ein Jahr.[4] Eine neue Regierungsphase beginnt mit der King’s Speech, der Verlesung des Regierungsprogramms durch den König. Vor der Rede wird das Parlament traditionell beurlaubt.[5][6] Der Premierminister hat das Recht, den Zeitpunkt zu bestimmen und den Monarchen zu bitten, das Parlament vorübergehend zu schließen.[7] Am 24. September 2019 entschied der Oberste Gerichtshof des Vereinigten Königreichs einstimmig, dass die Suspendierung sachliche Gründe haben muss, und nicht das Ziel haben darf, die Ausübung des verfassungsmäßigen Auftrags des Parlaments zu behindern.[8]

Ernennung und Rücktritt

Der Premierminister wird durch den Monarchen ernannt, der nach geltender Übereinkunft den Mehrheitsführer des Unterhauses auswählt. Wenn keine Partei die Mehrheit hat (Hung parliament) – ein angesichts des Mehrheitswahlrechts seltener Fall –, ernennt der Monarch den führenden Politiker einer Koalition oder einen der beiden Parteiführer.

Seit Beginn des 20. Jahrhunderts wird per Konvention erwartet, dass ein zu bestimmender Premierminister, wie auch die anderen Mitglieder des Kabinetts, über einen eigenen Sitz im Unterhaus verfügt. Im Gegensatz zu anderen Kabinettsposten, die teilweise auch von Mitgliedern des House of Lords besetzt werden, waren alle Premierminister seit Arthur Balfour während ihrer Amtszeit Mitglieder des House of Commons; lediglich Alec Douglas-Home war bei seinem Amtsantritt 1963 als Earl of Home Oberhausmitglied, verzichtete aber umgehend auf den Titel und sicherte sich in einer Nachwahl einen Unterhaussitz.

Theoretisch kann der Premierminister (sowie die übrigen Regierungsmitglieder) jederzeit vom Monarchen entlassen werden. In der Praxis geschieht dies nur bei einem Rücktritt des Amtsinhabers; dieser kann aus persönlichen Gründen erfolgen, wegen einer Wahlniederlage seiner Partei oder bei Verlust der Unterstützung im Unterhaus bzw. unter ausreichend vielen Abgeordneten seiner Fraktion. Dabei kann der Rücktritt einem Misstrauensvotum oder einer verlorenen wichtigen Abstimmung folgen, diesen – bei absehbarem Ergebnis – jedoch auch vorausgehen. In jüngerer Zeit spielen dabei auch parteiinterne Abstimmungen eine Rolle. Tatsächlich ist die Parteidisziplin stark genug, um diese Art von Abstimmungen selten zu halten, so selten, dass seit 1885 lediglich drei Misstrauensvoten erfolgreich waren. Der Premierminister muss sich daher die Unterstützung seiner Fraktion bewahren, wenn er nicht – wie bei Arthur Neville Chamberlain und Margaret Thatcher geschehen – bei schwindender Popularität aus dem Amt gedrängt werden will. Der Premierminister hat auch die Möglichkeit, dem Monarchen jederzeit eine Auflösung des Parlaments und damit Neuwahlen vorzuschlagen; diese Möglichkeit wurde 2011 gesetzlich abgeschafft, 2022 aber wieder eingeführt.

Über lange Zeit hinweg war es üblich, dass ehemalige Premierminister bei Ausscheiden aus dem Unterhaus zu erblichen Peers im Rang eines Earl ernannt wurden. Letztmals erfolgte dies 1984 für Harold Macmillan.

Der führende Politiker der größten Oppositionspartei und direkter Kontrahent des Premierministers in Debatten wird Leader of His Majesty’s Loyal Opposition („Führer der loyalen Opposition Seiner Majestät“) genannt. Er gilt als möglicher Nachfolger und bildet daher ein Schattenkabinett.

Ursprünge des Amtes

Das Amt des Premierministers entspringt dem Amt des First Lord of the Treasury, des Ersten Lords des Schatzamtes. Seit 1714 wurde das Amt des Schatzmeister (Lord High Treasurer), dem die Verwaltung des königlichen Schatzes oblag, nicht mehr an eine Einzelperson, sondern eine Kommission vergeben, innerhalb derer der Erste Lord der führende Verantwortliche war. Unter Robert Walpole (1721–1742) gewann der Erste Lord erstmals einen führenden Einfluss auf die Regierungspolitik und legte damit die Grundlage für das Amt des Premierministers.

Für den führenden Minister kam gegen Ende des 18. Jahrhunderts die Bezeichnung Premierminister in Gebrauch, war aber zunächst nur eine inoffizielle Bezeichnung für den ranghöchsten Minister, der offiziell andere Ämter ausübte, meistens (mit Ausnahme William Pitts und Robert Gascoyne-Cecils, die Lordsiegelbewahrer bzw. Außenminister waren) das des Ersten Lords des Schatzamtes.

Die Existenz eines Premierministers wurde lange geleugnet und der Begriff oftmals als Beleidigung eingesetzt. Während einer Parlamentsdebatte um Walpole betonte der Abgeordnete von Worcester, dass es nicht einen Premierminister, sondern mehrere Great Officers of State gäbe. Benjamin Disraeli verwendete bei der Unterschrift des Vertrags von Berlin zum ersten Mal offiziell die Formulierung „Erste[r] Lord des Schatzes Ihrer Majestät und Erste[r] Minister von England.[9] Bis zu Robert Peels erfolglosem Versuch, ohne Parlamentsmehrheit zu regieren, machte der Monarch nicht bekannt, wen er als seinen Premierminister betrachtete. Noch Arthur Balfour distanzierte sich von dem Begriff.[10] Das Amt des Premierministers erhielt erstmals 1905 unter seinem Nachfolger Henry Campbell-Bannerman offizielle Anerkennung, als es in der order of precedence (Rangfolge) einen Status unmittelbar nach dem Erzbischof von York erhielt.

Erster unter Gleichen?

In der Theorie ist der Premierminister des Vereinigten Königreichs ein primus inter pares, ein Erster unter Gleichen im britischen Kabinett. Bei der Auswahl der Minister bindet der Premierminister üblicherweise Parlamentsmitglieder ein, die über eine eigene politische Basis, eine Hausmacht, verfügen, und die ihm potenziell gefährlich werden könnten. Andererseits hat der Premierminister sehr wenig Möglichkeiten, auf die Zusammensetzung der britischen Zivilverwaltung Einfluss zu nehmen, so dass ein Spannungsverhältnis zwischen den gewählten Politikern und der Beamtenschaft spürbar ist. Dennoch kann in der Praxis ein starker Premierminister die Regierung so dominieren wie in anderen Ländern der Präsident, ohne die Last der zeremoniellen Pflichten eines Staatsoberhaupts zu tragen. Beispiele für starke britische Premierminister in diesem Sinne sind William Ewart Gladstone, David Lloyd George, Winston Churchill, Margaret Thatcher und Tony Blair.

10 Downing Street

(c) Photo: Sergeant Tom Robinson RLC/MOD, OGL v1.0
10 Downing Street

Der Premierminister wohnt traditionell in der 10 Downing Street in London, der Amtswohnung des Ersten Lords des Schatzamtes. Dieses Haus hatte König Georg II. Sir Robert Walpole zum persönlichen Geschenk gemacht. Walpole nahm das Geschenk nicht an, akzeptierte das Haus jedoch in seiner Eigenschaft als Erster Lord des Schatzamtes, und bezog die Residenz 1735. Die meisten der ihm folgenden Amtsinhaber wohnten hier, obwohl es einige Premierminister des 19. Jahrhunderts vorzogen, in ihrem eigenen Haus zu leben. Einige waren nicht Erster Lord des Schatzamtes und somit auch nicht berechtigt, in Downing Street zu wohnen. Harold Macmillan, Harold Wilson und John Major wohnten zeitweise im Admiralty House. 1958 setzte Macmillan eine Kommission ein, die das baufällige Gebäude begutachten und über eine Renovierung entscheiden sollte. Ein Abriss wurde erwogen, da das Gebäude jedoch ähnlich ikonischen Status wie Windsor Castle oder der Buckingham Palace erreicht hatte, wurde eine umfangreiche Renovierung beschlossen. Soweit möglich, wurden Originalteile bei der Renovierung wieder benutzt. Wo eine Weiterbenutzung des Interieurs unmöglich erschien, wurde die ganze Einrichtung fotografiert, ausgemessen und kopiert. Da jedoch nach Abschluss der Renovierungsarbeiten erneut Braunfäule auftrat, wurde während Wilsons Amtszeiten (1964–1970 und 1974–1976) das Haus einer so grundlegenden Renovierung unterzogen, dass es einem völligen Neubau gleichkam. Major zog infolge der erforderlichen Reparaturarbeiten nach einem Anschlag der Provisional IRA aus dem Gebäude aus. 1997 wählte der neue Premierminister Tony Blair 11 Downing Street als Residenz und überließ Nr. 10 seinem Schatzkanzler Gordon Brown, da 10 Downing Street für Blairs Familie zu klein wäre. Die beiden Häuser sind jedoch miteinander verbunden.

Gehalt

Das Jahresgehalt des ehemaligen Premierministers Gordon Brown belief sich auf 150.000 Pfund Sterling. Im Zuge von Sparmaßnahmen der Regierung unter David Cameron wurde es auf 142.500 Pfund reduziert. Hierbei sind allerdings die Bezüge als Abgeordneter des House of Commons mit einbezogen. Diese betrugen 65.737 Pfund für das Jahr 2010/11.[11]

Premierminister des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland (seit 1922)

PersonBildParteiBeginn der AmtszeitEnde der AmtszeitKabinett
Andrew Bonar LawConservative Party24. Okt. 192220. Mai 1923Kabinett Bonar Law
Stanley Baldwin
später 1. Earl Baldwin of Bewdley
Conservative Party22. Mai 192323. Jan. 1924Kabinett Baldwin I
Ramsay MacDonaldLabour Party23. Jan. 19244. Nov. 1924Kabinett MacDonald I
Stanley Baldwin
später 1. Earl Baldwin of Bewdley
Conservative Party6. Nov. 19244. Juni 1929Kabinett Baldwin II
Ramsay MacDonaldLabour Party8. Juni 19297. Juni 1935Kabinett MacDonald II
National LabourNationale Regierung I.
Nationale Regierung II
Stanley Baldwin
später 1. Earl Baldwin of Bewdley
Conservative Party7. Juni 193528. Mai 1937Nationale Regierung III
Neville ChamberlainConservative Party28. Mai 193710. Mai 1940Nationale Regierung IV
Kriegsregierung Chamberlain
Winston Churchill
später Sir Winston Churchill
Conservative Party10. Mai 194026. Juli 1945Kriegsregierung Churchill
Übergangsregierung Churchill
Clement Attlee
später 1. Earl Attlee
Labour Party27. Juli 194527. Okt. 1951Kabinett Attlee I,
Kabinett Attlee II
Winston Churchill
später Sir Winston Churchill
Conservative Party27. Okt. 19515. Apr. 1955Kabinett Churchill III
Anthony Eden
später 1. Earl of Avon
Conservative Party6. Apr. 19559. Jan. 1957Kabinett Eden
Harold Macmillan
später 1. Earl of Stockton
Conservative Party10. Jan. 195719. Okt. 1963Kabinett Macmillan I,
Kabinett Macmillan II
Sir Alec Douglas-Home
bis 23. Oktober 1963 14. Earl of Home,
später Baron Home of the Hirsel
Conservative Party19. Okt. 196316. Okt. 1964Kabinett Douglas-Home
Harold Wilson
später Baron Wilson of Rievaulx
Labour Party16. Okt. 196419. Juni 1970Kabinett Wilson I,
Kabinett Wilson II
Edward Heath
später Sir Edward Heath
Conservative Party23. Juni 19704. März 1974Kabinett Heath
Harold Wilson
später Baron Wilson of Rievaulx
Labour Party4. März 19745. Apr. 1976Kabinett Wilson III,
Kabinett Wilson IV
James Callaghan
später Baron Callaghan of Cardiff
Labour Party5. Apr. 19764. Mai 1979Kabinett Callaghan
Margaret Thatcher
später Baroness Thatcher of Kesteven
Conservative Party4. Mai 197922. Nov. 1990Kabinett Thatcher I,
Kabinett Thatcher II,
Kabinett Thatcher III
John Major
später Sir John Major
Conservative Party28. Nov. 19902. Mai 1997Kabinett Major I,
Kabinett Major II
Tony Blair
später Sir Tony Blair
Labour Party2. Mai 199727. Juni 2007Kabinett Blair I,
Kabinett Blair II,
Kabinett Blair III
Gordon BrownLabour Party27. Juni 200711. Mai 2010Kabinett Brown
David Cameron
später Baron Cameron of Chipping Norton
Conservative Party11. Mai 201013. Juli 2016Kabinett Cameron I,
Kabinett Cameron II
Theresa May
später Lady May
Conservative Party13. Juli 201624. Juli 2019Kabinett May I,
Kabinett May II
Boris Johnson
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Conservative Party24. Juli 20196. Sep. 2022Kabinett Johnson I,
Kabinett Johnson II
Liz TrussConservative Party6. Sep. 202225. Okt. 2022Kabinett Truss
Rishi SunakConservative Party25. Okt. 20225. Juli 2024Kabinett Sunak
Sir Keir StarmerLabour Party5. Juli 2024amtierendKabinett Starmer

Siehe auch

Commons: Premierminister des Vereinigten Königreichs – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Salaries of Members of His Majesty's Government – Financial Year 2021–22. Abgerufen am 13. Dezember 2021.
  2. Pay and expenses for MPs. In: parliament.uk. Abgerufen am 13. Dezember 2021.
  3. Brexit – Supreme Court urteilt nächste Woche über Zwangspause. 20. September 2019, abgerufen am 11. Februar 2022 (Schweizer Hochdeutsch).
  4. Queen genehmigt Antrag auf vorläufige Parlamentsschließung. In: Zeit Online. 28. August 2019, abgerufen am 11. Februar 2022.
  5. tagesschau.de: Britisches Unterhaus: Es brodelt trotz Sitzungspause weiter. Abgerufen am 11. Februar 2022.
  6. Spiegel
  7. Süddeutsche Zeitung: Johnson will Parlament ausbremsen. Abgerufen am 11. Februar 2022.
  8. WELT: Brexit: Schlappe für Boris Johnson – Parlaments-Zwangspause rechtswidrig. In: DIE WELT. 24. September 2019 (welt.de [abgerufen am 11. Februar 2022]).
  9. Berliner Vertrag. In: Wikisource. Abgerufen am 6. Juni 2023.
  10. Sidney Low: The governance of England. London, Unwin, 1904, S. 154–155 (archive.org [abgerufen am 16. Mai 2023]).
  11. A New Politics Cutting Ministerial Pay. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 9. Januar 2013; abgerufen am 15. August 2013 (englisch).

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Quarterly, First and Fourth Gules three lions passant guardant in pale Or armed and langued Azure (for England), Second quarter Or a lion rampant within a double tressure flory counter-flory Gules (for Scotland), Third quarter Azure a harp Or stringed Argent (for Ireland), the whole surrounded by the Garter; for a Crest, the imperial crown Proper; for Supporters, dexter a lion rampant guardant Or crowned as the Crest, sinister a unicorn Argent armed, crined and unguled Proper, gorged with a coronet Or composed of crosses patée and fleurs de lys a chain affixed thereto passing between the forelegs and reflexed over the back also Or; Motto 'Dieu et mon Droit’ ('God and my Right') below the shield.
  • PINCHES, J.H & R.V., The Royal Heraldry of England, 1974, Heraldry Today.