Radabweiser

Klassische Form eines Radabweisers am Sockel einer Hausecke in Kitzingen

Ein Radabweiser (Abweiser, Abweisstein, Prellstein, Abweichstein, Radstößer, Kratzstein[1]) ist ein gerundetes Bauteil aus Stein oder Eisen zum Schutz von Gebäudeecken und Toreinfahrten gegen Beschädigung durch Fahrzeuge.[2]

Funktion und Beschreibung

Radabweiser sind häufig große kegelförmige Elemente vor den Hausecken. Bevorzugt wurden dazu harte und widerstandsfähige Gesteine verwendet, da Steine mit geringerer Festigkeit (zum Beispiel Sandsteine) sonst zu schnell von den eisernen Radreifen der Wagen zerschlissen wurden. Die Radabweiser müssen niedriger als die Radnaben und vorn geneigt sein, um die zu nahe heranfahrenden Räder nicht zu hemmen, sondern nur abgleiten zu lassen.[3] Im Zusammenhang unvorsichtiger Beschädigungen an Gebäudeecken beim Einbiegen hat sich die Redewendung „die Kurve kratzen“ gebildet.[4][5][6]

Im Gegenzug sollte durch Radabweiser auch das Fahrzeug geschützt werden, genauer die vorstehende Radnabe, da sie bei Eckenberührung mit dem ganzen Rad und der Achse beschädigt worden wäre, was früher eine kostspielige und aufwendige Reparatur auslösen konnte.

Insbesondere wertvolle Gebäude und Bauteile wurden mit Radabweisern ausgestattet. Dieses architektonische Schutzbauteil fand mindestens seit der römischen Zeit Anwendung, beispielsweise an der Distanzsäule und am Bogen des antiken Straßenfragments bei Donnas.[7]

Die Radabweiser aus der Zeit der Romanik und Gotik sind überwiegend unverziert, wie sie auch in späteren Bauepochen in der ländlichen Architektur üblich geblieben sind. Seit der Renaissance sind an städtischen oder herrschaftlichen Bauwerken zunehmend verzierte Objekte verwendet worden. Die bau- und funktionsgeschichtlichen Zusammenhänge sowie ihre vielgestaltigen Ausprägungen sind bisher nicht ausreichend erforscht und dokumentiert, bis auf einige lokale Beispielsammlungen.[4]

In Städten wurden Prellsteine wegen der Verengung der Spurbreite an vielen Gebäuden im 20. Jahrhundert entfernt, weil bei der Entwicklung des Fahrzeugbaus die Spurbreite der Fahrzeuge gegenüber denen der Pferdewagen zunahm. Der damit einhergehende Verzicht auf ihre schützende Funktion ist auch mit der besseren Spurführung mechanisch oder hydraulisch gelenkter Fahrzeuge begründet.

Heutzutage werden Prellsteine aus Beton noch häufig vor den Flügeltoren und Faltflügeltoren von LKW-Garagen eingebaut, um ebenfalls eine Beschädigung der Tore zu verhindern. Mitunter dienen auch spezielle Stahlkonstruktionen oder einfache Poller als Radabweiser.

Anwendungsbeispiele

Am Brandenburger Tor in Berlin wird die Funktion der Radabweiser teilweise von ausgedienten Kanonenrohren übernommen.

Eine besondere Art von Radabweisern findet man in Waldkirchen im Bayerischen Wald. Hier wurden Figuren aus Granit erstellt. So findet man den „Ewigen Hochzeiter“, seine Braut die „Gretel“, den „Wirt“, den „Marktrichter“ und die „Marktfrau“. Waldkirchen bezeichnet sich auch als die „Radabweiser-Stadt im Bayerischen Wald“.

Historische Beispiele von Radabweisern finden sich in ganz Europa. Besonders häufig treten sie noch in der ländlichen Architektur auf.

Prellsteine als Leitsteine

Prellsteine wurden auch als Einfriedigungen und Brüstungen zum Schutze der Fuhrwerke gegen das Hinabstürzen an der Talseite der Gebirgsstraßen verwendet, indem sie das zu nahe Befahren des Straßenrandes verhindern. Auch werden vielfach Fußwege gegen das Auffahren der Fuhrwerke durch solche Prellsteine geschützt. Sie bestehen aus bearbeiteten oder auch rauh gelassenen Felsstücken, die in Abständen von 2 bis höchstens 4 m an dem Straßenrande angebracht sind und deren Höhe der Radnabe gerade noch gestattet, über sie hinwegzugleiten.

Besondere Anwendungen

Bei Kfz-Werkstätten und in Autowaschanlagen sind Konstruktionen mit einer ähnlichen Leitfunktion zu finden. Die Fahrwege zur Werkstattgrube oder zur Autowäsche sind mit L- oder T-förmigen Profileisen versehen, die einige Zentimeter über die Fahrbahnfläche ragen und die Reifen in der richtigen Spur halten.

Siehe auch

  • Schrammbord

Literatur

Weblinks

Wiktionary: Prellstein – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Commons: Radabweiser – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Kratzsteine. In: bayern-fichtelgebirge.de. Abgerufen am 21. Januar 2024.
  2. Hans Koepf, Günther Binding: Bildwörterbuch der Architektur. Mit englischem, französischem, italienischem und spanischem Fachglossar (= Kröners Taschenausgabe. Bd. 194). 4., überarbeitete Auflage. Kröner, Stuttgart 2005, ISBN 3-520-19404-X (Digitalisat auf moodle.unifr.ch, abgerufen am 21. Januar 2024), S. 5: Abweiser.
  3. Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 16. Leipzig 1908, S. 277: Prellstein. (Abschrift auf zeno.org.de, abgerufen am 23. Februar 2024)
  4. a b Angela Sohnrey: Falls jemand mal die Kurve kratzt - Radabweiser. In: www.bonaforth.net. Ortsheimatpflege Bonaforth, 28. August 2020, abgerufen am 4. September 2020 (Beispiele aus dem südniedersächsichen Dorf Bonaforth.).
  5. Der Prellstein: Mal locker die Kurve gekratzt … In: geschichte-in-rheinhessen.de. Januar 2014, abgerufen am 21. Januar 2024.
  6. Lutz Röhrich: Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten, Bd. 3. Herder, 2. Auflage, Freiburg / Basel / Wien 1995, ISBN 3-451-04400-5, S. 883: kratzen. - Kratzen gehen, im Sinne von: sich eilig davon machen.
  7. Regione Autonoma Valle d’Aosta: Da Eporedia ad Augusta Prætoria. Donnas. auf www.regione.vda.it (italienisch, französisch). (der Bogen von Donnas und die Distanzsäule an der ehemaligen römischen Fernstraße im Aostatal)

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Prellstein mit Metallstange, rechteckige Ausführung, Deutsches Reich, 1881 u. 1882.svg
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Prellstein, auch Abweisstein genannt, mit Metallstange, rechteckige Ausführung, Deutsches Reich


  • Die Ausführung dieser Prellstange richtet sich nach den Empfehlungen im „Handbuch des gesammten Strassenbaues in Städten“ (1881) sowie in „Der Straßen- und Wegebau in seinem ganzen Umfange“ (1882). Die Festlegungen in diesen Werken richteten sich nach Erfahrungswerten, die bereits im 18. Jahrhundert beschrieben wurden. Bis zu einer endgültigen Standardisierung war 1881/1882 noch ein weiter Weg.
E 3 - Muster der zusätzlichen Anbringung von Fernverkehrsstraßennummern an Prellsteinen, StVO 1934.svg
e 3: Muster der zusätzlichen Anbringung von Fernverkehrsstraßennummern an Prellsteinen. Deutsches Verkehrszeichen nach dem Reichsgesetzblatt, Jahrgang 1934, Nr. 112, Tag der Ausgabe: Berlin, 9. Oktober 1934, S. 906.
Radabweiser Brandenburger Tor.jpg
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Kanonenrohr als Radabweiser am Brandenburger Tor in Berlin.
Waldkirchen Radabweiser-1.jpg
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„Der ewige Hochzeiter“; Figur aus Granit am Marktplatz von Waldkirchen; Steinmetz Matthias Hausbäck hatte Mitte des 19. Jahrhunderts dem vorhandenen Radabweiserstein diese Form verliehen
Radabweiser - Keule.jpeg
Radabweiser aus Metall in Keulenform; Allee Kastner, Strasbourg
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Radabweiser an der Plärrer-Apotheke Nürnberg
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Radwabweiser in Nedvědice (Pernsteiner Marmor)
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Schloss Wilhelmsburg (Schmalkalden) - Blick durch die westliche Torfahrt auf den Exerzierplatz und die Stadtkirche
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Leitsteine an Straßen erster und zweiter Ordnung sowie an Reichsstraßen wie sie die Verordnung vom Dezember 1942 festgelegt hat. Die Steine sollten zu jeder Witterung und jeder Tageszeit eine sichere und leichte Benutzung der Straßen ermöglichen. Die Steine waren so aufzustellen daß sie die Straßenbenutzer, insbesondere die Fahrzeugführer, gut und rechtzeitig sehen konnten.
Leitsteine nach Tafel VIII zu RAL 1937, 4. Auflage, Dezember 1942 - in der ab 1966 für die DDR genutzten Form.svg
Leitsteine in der seit 1966 angestrichenen Version. Die TGL 12096, die ab 1967 verpflichtend wurde, hatte auch Auswirkungen auf die Farbgebung der Leitsteine. Im März 1956 hatte das Fachbuch Linienführung im Straßenbau noch die Vorläufigen Richtlinien für den Ausbau der Landstraßen (RAL 1937) vom Dezember 1942 bestätigt. Dies galt auch für den Anstrich der Steine mit 0,20 Meter hohem weißen Kopf und darunterliegender, schwarzer, 0,12 Meter hoher Banderole. Die in der TGL 12096 genannten rot-weißen Leitschraffuren hatten in abgewandelter Form offensichtlich eine klare Auswirkung auf die Leitsteine, denn die ansonsten für ständigen Hindernissen eingeführten rot-weiße Schraffuren sollten nach der TGL auch an Absperrgeräten angebracht werden, die sich ständig im Straßenverkehrsraum befanden. Dies war bei den Leitsteinen klar der Fall.
Donnas, roman column - i.jpg
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Donnas, römische Distanzsäule mit Radabweiser (Aostaregion, Italien)
Kitzingen 06 Radabweiser.JPG

Radabweiser

  • Beschreibung: Radabweiser in Kitzingen
  • Urheber: Roland Bergmann Dipl. Ing. (FH) Architekt
  • Erstellungsdatum: 04.07.2005
  • selbst erstellt: ja
  • Quelle: eigenes Bildarchiv
(für die GNU-FDL) oder
(für Public Domain als Lizenzangabe)
Leitsteine nach Tafel VIII zu RAL 1937, 4. Auflage, Dezember 1942 - in der für die BRD gültigen Form.svg
Leitsteine nach Tafel VIII zu RAL 1937, 4. Auflage, Dezember 1942. Es hieß in Elsners Taschen-Jahrbuch für den Straßenbau 1954: „Für Form und Abmessungen der Leitsteine und Kilometersteine gelten die vorläufigen Richtlinien für den Ausbau der Landstraßen (RAL).“ Zuätzlich deffiniert wurde daß, wenn der Naturstein zu dunkel ausfallen sollte, dieser hell zu streichen war. (Paul Trapp: Was der Straßenwärter von Leiteinrichtungen wissen muß! In: ÖTV-Presse. Zentralorgan der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr 5, 1954, S. 78 ff.; hier: S. 78.). Außerdem sollten die Steine nur an der Außenseite von Kurven sowie an Wegeeinmündungen und Kreuzungen Anstriche erhalten. Der Anstrich für Leitsteine bestand wie bereits 1942 vorgegeben, aus einem 0,20 Meter hohem weißen Kopf und gleich darunter ein 0,12 Meter hoher schwarzer Strich (Rudolf Kraus: Die Straße. Leitfaden für den Unterricht an höheren technischen Lehranstalten. Braun, Karlsruhe 1951, S. 52.). Wie auch die konkreten Angaben im Taschenbuch für Bauingenieure beweisen, blieben auch die Abmessungen der Leitsteine identisch mit der ursprünglichen Richtlinie von 1942 (Ferdinand Schleicher (Hrsg.): Taschenbuch für Bauingenieure, Springer, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1955, S. 503.). DIe Straßennummerierung befand sich allerdings nun nicht mehr auf den Leitsteinen sondern auf speziell behauenen oder aus Beton gegossenen Kilometersteinen, wobei die dem Verkehr zugewandte breitere Seite die Kilometerzahl und die Schmalseite zur Straße hin die aufgemalte schwarze Nummerierung auf gelbem Grund besaß (Paul Trapp: Was der Straßenwärter von Leiteinrichtungen wissen muß! In: ÖTV-Presse. Zentralorgan der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr 5, 1954, S. 78 ff.; hier: S. 111.). Auch 1964 hatte sich an den Angaben nichts verändert. Dazu gibt das Straßenbau-Taschenbuch genaue Auskunft. Quelle: Arthur Lämmlein (Hrsg.): Straßenbau-Taschenbuch Franckh, Stuttgart 1964, S. 426.