Prüfungsangst
Die Prüfungsangst (englisch test anxiety[1]) ist eine Angst vor der Bewertung der persönlichen Leistung. Sie kann den davon Betroffenen daran hindern, sein Wissen und/oder Können bei einer Prüfung unter Beweis zu stellen. Bei einem mittleren Angstlevel kann sie aber auch zu einer Steigerung der Leistung führen. Als Krankheit ist sie nur in Sonderfällen einzustufen. Ihrer Zuordnung nach ist sie laut DSM-IV eine Sonderform der sozialen Bewertungsangst (sozialen Phobie), wird laut ICD-10 aber als spezifische Phobie klassifiziert.[2] Prüfungsangst tritt bei Personen mit Lernbehinderungen oder Problemverhalten in einem größeren Ausmaß auf als bei Personen ohne solche Probleme.[3]
Entstehung
Prüfungsangst entsteht daraus, dass jemand Angst (bzw. deren Symptome) vor oder während einer Prüfung verspürt. Sie kann die Leistungsfähigkeit der Betroffenen beeinträchtigen, wird von den Prüflingen aber auch als Vorwand benutzt, um unbefriedigende Leistungen oder „Denkblockaden“ zu entschuldigen oder zu erklären.[4][5] Gelegentlich, namentlich bei Hochschulprüfungen, können auch Prüfer der Prüfungsangst ähnlichen (allerdings weniger manifesten und nicht durch Sanktionen bedrohten) Spannungen ausgesetzt sein, etwa aus Prüfungsunerfahrenheit oder in Kollegialprüfungen. Wie den Prüflingen stehen nach dem Wirtschaftswissenschaftler Hans-Otto Schenk auch den Prüfern spezifische Methoden zum „autogenen“ und „heterogenen“ Spannungsabbau zur Verfügung.[6]
Während der kognitiven Entwicklung kann sich Prüfungsangst erstmals im Alter von acht bis elf Jahren entwickeln. Als ursächlich werden schlechte schulische oder sportliche Leistungen gesehen, die das Selbstwertgefühl der Betroffenen, das auf sportlicher und geistiger Leistungsfähigkeit beruht, kompromittieren.[7]
Umgang
Krankhafte Angstzustände müssen diagnostiziert und therapiert werden.[8] Es ist notwendig, den natürlichen Spannungszustand vor einer Prüfung auf ein individuell erträgliches Maß zu bringen.[9] Dazu braucht ein langsam anspringender Proband anregende, ein zur Ängstlichkeit neigender Prüfling dämpfende Maßnahmen seiner psychischen Verfassung. Es kann nämlich nicht darum gehen, Angst zu vermeiden, sondern vielmehr darum, Angstumgang zu lernen und produktiv zu nutzen.[10]
Eine leichte Erregung in Form von Lampenfieber hält der Didaktiker Siegbert A. Warwitz deshalb nicht für abträglich, sondern für förderlich für eine gute Prüfungseinstellung, da es den Wachheitsgrad erhöht und die Aufmerksamkeit, die Konzentration sowie das Reaktionsvermögen steigert. Für das Erreichen eines optimalen psychischen Prüfungszustands empfiehlt er seinen Studenten:[11]
- Frühzeitige Konfrontation mit Prüfungssituationen aller Art, die anfangs auch Selbstprüfungen sein sollten (Prüfungsgewöhnung)
- Systematische Prüfungsorganisation in Form einer längerfristigen Zeitplanung und Vorbereitung mit völliger Karenzzeit in den letzten drei Tagen (Entspannung, Freiwerden der Gedanken)
- Prüfungssimulationen im Vorbereitungsstadium
- Wahrnehmen von Möglichkeiten der Hospitation bei Prüfungen
- Vertrautmachen mit den Eigenarten des Prüfers, seiner Fragetechnik, seinen Spezialitäten, seinen Lieblingsfragen, seinen Aversionen
- Meiden Angst induzierender Gespräche mit anderen Prüflingen
- Verzicht auf Konzeptstudium oder Prüfungsgespräche unmittelbar vor dem Termin
- Vermeiden der Herausforderung von Prüferfehlern (sich selbst kein ungünstiges Vorzeugnis ausstellen)
- Autosuggestion im Sinne von: „Ich kann das, ich bin gut vorbereitet, ich schaffe das, andere schaffen es ja auch, ein Scheitern gibt es nicht . . .“
Krankheitswert
Klassifikation nach ICD-10 | |
---|---|
F40 | Phobische Störung |
F41 | Sonstige Angststörung |
ICD-10 online (WHO-Version 2019) |
Die Prüfungsangst wird dann als krankhaft betrachtet, wenn sie eine erhebliche Beeinträchtigung des Patienten darstellt, Probleme im sozialen Umfeld auslöst und – besonders im Kindesalter – die normale Entwicklung der Person verhindert.[7] Sie bildet sich im ICD-Code nicht exakt ab,[5] diese Klassifikation muss jedoch auch hier Anwendung finden.[12]
In den USA wird diese Phobie, sofern die Einschränkung nachgewiesen und dokumentiert wird, über den Americans with Disabilities Act als Behinderung anerkannt, und es werden dazu besondere Prüfungsabläufe angeboten, sofern der entsprechende Antrag mindestens 30 Tage vor Prüfungsbeginn eingereicht wird.[13][14] Allerdings wird Prüfungsangst für gewöhnlich nicht von vornherein als entsprechende Behinderung im Sinne des Gesetzes anerkannt.[15]
Therapie
In Fällen, in denen die Prüfungsangst Krankheitscharakter hat, ist eine gezielte Therapie sinnvoll. Diese kann über das Regulieren des persönlichen Angstlevels und technische oder organisatorische Maßnahmen wie „positives Denken“, effektives Lernen, die Verbesserung der Prüfungstransparenz und Entspannungsübungen hinaus[16][17] auch psychiatrische Therapieansätze umfassen, wie sie bei anderen Formen von Angststörungen eingesetzt werden. Insbesondere bei medikamentösen Behandlungen sind mögliche Nebenwirkungen zu beachten.
Siehe auch
Weblinks
- Prüfungsangst (PDF; 164 kB) von Sven Max Litzke und Burkhardt Krems
Literatur
- Holger Walther: Ohne Prüfungsangst studieren. 2., überarbeitete Auflage. UTB, Stuttgart 2015, ISBN 978-3-8252-4367-8.
- Helga Knigge-Illner: Prüfungsangst besiegen: Wie Sie Herausforderungen souverän meistern. Campus-Verlag, 2010, ISBN 978-3-593-39175-5.
- Ralph Haber, Richard Alpert: Test Anxiety. In: Journal of Abnormal and Social Psychology. Band 13, 1958.
- Siegbert A. Warwitz: Angst vermeiden – Angst suchen – Angst lernen. In: Sache-Wort-Zahl. Band 112, 2010, S. 10–15.
- Siegbert A. Warwitz: Formen des Angstverhaltens. In: Ders.: Sinnsuche im Wagnis. Leben in wachsenden Ringen. Verlag Schneider, 3., erweiterte Auflage, Baltmannsweiler 2021, ISBN 978-3-8340-1620-1.
- Lydia Fehm, Thomas Fydrich: Prüfungsangst. Hogrefe, Göttingen 2011, ISBN 978-3-8409-1610-6.
Einzelnachweise
- ↑ F. Strian: Angst und Angstkrankheiten. C. H. Beck, 1996, ISBN 3-406-39007-2, S. 55. (online auf: books.google.de)
- ↑ Lydia Fehm, Thomas Fydrich: Prüfungsangst. Hogrefe Verlag, 2011, ISBN 978-3-8409-1610-6 (google.de [abgerufen am 16. August 2015]).
- ↑ Sue Swanson, Carol Howell: Test anxiety in adolescents with learning disabilities and behavior disorders. In: Exceptional Children. Band 62, 1996 (englisch, questia.com).
- ↑ S. Preiser: Pädagogische Psychologie. Juventa, 2003, ISBN 3-7799-1522-7, S. 221. (online auf: books.google.de)
- ↑ a b S. Schneider: Angststörungen bei Kindern und Jugendlichen. Springer, 2004, ISBN 3-540-42917-4, S. 88. (online auf: books.google.de)
- ↑ Vgl. hierzu Hans-Otto Schenk: Die Examensarbeit. UTB 2657, Göttingen 2005, S. 100–108.
- ↑ a b J. Hoyer: Angstdiagnostik. Springer, 2003, ISBN 3-540-43482-8, S. 12ff. (online auf: books.google.de)
- ↑ Hans Morschitzky: Angststörungen. Diagnostik, Erklärungsmodelle, Therapie und Selbsthilfe bei krankhafter Angst. Wien 1998.
- ↑ A. Lohaus u. a.: Stressbewältigung für Kinder und Jugendliche. Springer, 2007, S. 203ff. (online auf: books.google.de)
- ↑ Siegbert A. Warwitz: Angst vermeiden – Angst suchen – Angst lernen. In: Sache-Wort-Zahl. Band 112, 2010, S. 10–15.
- ↑ Siegbert A. Warwitz: Optimale Prüfungsorganisation und Umgang mit Prüferfehlern. In: Ders.: Vorlesungsreihe zur Experimentellen Sportpsychologie. Skripten der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe 1995–2002.
- ↑ S. Frauenknecht u. a.: Intensivkurs Psychiatrie und Psychotherapie. Urban & Fischer-Verlag, ISBN 3-437-42132-8, S. 234ff. (online auf: books.google.de)
- ↑ G. E. Zuriff: Accommodations for test anxiety under ADA? In: J Am Acad Psychiatry Law. Band 25, Nr. 2, 1997, S. 197–206. PMID 9213292
- ↑ William A. Kaplin, Barbara A. Lee: The Law of Higher Education. Wiley, 2007, ISBN 978-0-7879-7095-6, S. 447 (online auf: books.google.de).
- ↑ Disability Resources der University of Minnesota Duluth, (online auf: d.umn.edu), zuletzt abgerufen am 18. Jan. 2009.
- ↑ A. Lohaus u. a.: Stressbewältigung für Kinder und Jugendliche. Springer, 2007, S. 204–210, (online auf: books.google.de)
- ↑ Auswertung von Studien zum Verhalten vor Prüfungen
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Grafische Darstellung des Zusammenhanges von Angst und Leistung nach Rosemann, 1978, S.96.