PorYes
PorYes ist eine Initiative sex-positiver Feministinnen und Feministen, die sich für feministische Kriterien in der Pornografie einsetzt und herausragende Darstellungen von Sexualität auszeichnet. PorYes gilt als ein feministisches Gütesiegel für pornografische Filme. Laura Méritt hat in Zusammenarbeit mit dem Freudenfluss Netzwerk Berlin den PorYes Award 2009 ausgerufen, seitdem findet der PorYes Award zweijährlich als feministischer europäischer Pornofilmpreis in Berlin statt.
Die PorYes-Bewegung entwickelte Kriterien auf der Basis der Frauenbewegungen: sexpositive Darstellungen der Lust aller Geschlechter, d. h. für authentische Darstellungen sind dabei Frauen auf allen Ebenen des Produktionsprozesses erwünscht, Konsens aller an der Produktion Beteiligten (Arbeitsbedingungen, Safer Sex, faire Bezahlung) und Vielfalt in den Darstellungen: sowohl der Performenden als auch im Aufzeigen vielfältiger sexueller Ausdrucksweisen.[1]
Mit dem PorYes-Label möchten die Initiatorinnen dem Sexismus in der Mainstream-Pornografie eine Alternative entgegensetzen.[2]
Ein anderer feministischer Filmpreis ist der 2006 – 2017 in Toronto/Kanada stattfindende Feminist Porn Award, das seit 2018 unter dem Namen Toronto International Porn Awards stattfindet.[2][3]
Der Name PorYes spielt auf die PorNO-Kampagne an, die ein Verbot von Pornografie forderte. Die Kritik an den Darstellungen der Mainstreampornografie teilt PorYes – statt Zensur fordert PorYes andere Pornos: feministische.[4] Unterstützt wird die Filmpreisverleihung medial unter anderem von der taz, dem Missy Magazine, der Filmlöwin und AvivA.[5] Zu den Partnerprojekten zählen unter anderem Pro Familia und das Pornfilmfestival Berlin.[6] Auch die Aktion Mensch und die Urania sowie das Theater HAU unterstützen das Projekt.[7]
Feminist Porn Award
Geschichte
Die PorYes-Bewegung erlebte 2006, als der Feminist Porn Award ins Leben gerufen wurde, einen großen Aufschwung.[8] Zusammen mit weiteren Angestellten des sex-positiven Sexshops Good for Her in Toronto schuf Chanelle Gallant den Preis.[9] Für eine Bewerbung musste ein Film eines oder mehrere der folgenden Kriterien erfüllen:[8]
- An Produktion, Drehbuch oder anderen wichtigen Bereichen der Filmproduktion war eine Frau beteiligt.
- Der Film zeigte weibliche sexuelle Lust.
- Er erweiterte die Grenzen sexueller Darstellung in Filmen und stellte gängige Stereotypen, wie sie in Mainstream-Pornofilmen zu finden sind, in Frage.
Als Bewertungskriterien nennt die Website unter anderem (Stand Juli 2020):[10]
- Qualität: Eine feministische Einstellung reicht für einen Preis keinesfalls aus. Licht, Ton, Musik, Drehbuch, Editing und andere Kennzeichen der Produktion werden gewertet, Detailtreue wird wertgeschätzt.
- Inklusiver Ansatz: Es wird begrüßt, wenn der Film sich an ein heterogenes Publikum richtet und mit sexuellen Varianten experimentiert, die von der Mainstreampornografie an den Rand gedrängt oder ignoriert werden. BDSM ist ein Teil davon, wenn alle Beteiligten damit einverstanden sind. Auch ein einverständliches Nicht-Einverständnis ist in einem fiktionalen Kontext erlaubt, da es als eine legitime feministische Fantasie anerkannt wird.
- Originalität in Handlung, Konstellation und Interaktion der Figuren oder auf technischen Ebenen wie Schnitt.
Preisgekrönte Filme und Filmschaffende
2009
Die als „Auster“ bezeichnete Auszeichnung ging 2009 an Film-Pionierinnen der sexpositiven Frauenbewegung, darunter Candida Royalle, Annie Sprinkle, Maria Beatty, Shine Louise Houston und Petra Joy. Die Laudatio hielten unter anderen Corinna Rückert und Paula Rosengarthen.[11] Eröffnet wurde die Preisverleihung von ihrer Schirmfrau, der Filmemacherin Ula Stöckl.
2011
Nachdem die Prämierten 2009 zu einem großen Teil aus den USA kamen, ging die Auster 2011 ausschließlich an europäische Werke. Neben den Preisen für verschiedene sex-positive Filmproduktionen wurde die französische Schriftstellerin, Filmemacherin und Schauspielerin Catherine Breillat für ihr künstlerisches Gesamtwerk ausgezeichnet. Breillat, die bei der Verleihung nicht persönlich anwesend war, beschaffe „Sisyphus gleich in ihrem literarischen und filmischen Schaffen den Frauen und Mädchen durch ihr Werk das Recht auf den eigenen Blick auf ihren eigenen Körper und ihre eigene Sexualität wieder“.[12] Für einzelne ihrer Filme wurden Breillats Landsfrau Émilie Jouvet, die Britin Rusty Cave (Angie Dowling) sowie Mia Engberg aus Schweden ausgezeichnet.
2013
Bei der dritten PorYes-Award-Verleihung wurde die Filmemacherin Monika Treut als die sexpositive Vorreiterin Deutschlands geehrt,[13] die in ihren Filmen, darunter Die Jungfrauenmaschine, Female Misbehavior, Verführung: Die grausame Frau und Gendernauts, die Vielfalt sexueller Identitäten vermittelt. Die taiwanisch-US-amerikanische Multimediakünstlerin Shu Lea Cheang wurde für ihren Cyberporno-Film I.K.U. ausgezeichnet und Cléo Uebelmann für ihren als erster lesbischer SM-Bondage-Film überhaupt geltenden Film Mano Destra,[14] einem streng komponierten, etwa einstündigen Kunst-Film in schwarz-weiß, der erstmals 1985 auf der ersten Frauen-SM-Konferenz „Secret Minds“ in Köln aufgeführt wurde.[13] Die spanische Nachwuchsfilmemacherin Lola Clavo, deren Werke von der Auseinandersetzung mit Sexualität, Post-Pornografie und Queer Theory beeinflusst sind, wurde für ihre kreative Umsetzung lesbischer Sexualität ausgezeichnet. Als Lehrer einer ganzheitlichen Praxis männlicher Sexualität erhielt zudem Joseph Kramer die Auster. Er vermittelt seine Ansätze heute an einer Lehrinstitution für Sexualität in San Francisco.[15] Seit den 80er Jahren entwickelte er Techniken von Intimmassagen, die er in verschiedenen Lehrfilmen veröffentlichte, darunter auch eine gemeinsame Arbeit mit Annie Sprinkle.
2015
Buck Angel, Jennifer Lyon Bell, Goodyn Green, Gala Vanting, Jiz Lee
2017
Sky Deep, Bishop Black, Maria Llopis, Chanelle Gallant, Ms Naughty, Dorrie Lane
2019
- Nan Kinney, Sadie Lune, Wayne Young, Loree Erickson, Anna Brownfield für den Film: The Band
- Adina Pintilie für den Film: Touch Me Not[16]
Analyse der bei der Verleihung 2014 ausgezeichneten Filme
Nina Schumacher hat in ihrer Dissertation die bei der Verleihung 2014 ausgezeichneten 14 Filme im Hinblick auf Inhalt und filmische Umsetzung analysiert.[17]
- Auf der bildlichen Ebene lässt sich, so Schumacher, eine große Vielfalt beobachten. Alle prämierten Filme sind von hoher filmischer Qualität, da schlechte Ton- oder Bildqualitäten (etwa aus dem Fokus geratene Kameras), wie sie teilweise bei sehr schnell oder billig produzierten Mainstreampornos zu finden sind, hier nicht vorkommen.
- In einem Film wechseln sich Farbbilder mit Schwarz-Weiß-Bildern ab, es werden Split Screens beziehungsweise Rahmen verwendet, Vogelperspektiven von Masturbierenden und Detailaufnahmen von Gegenständen.
- Immer werden die Gesichter aller Darsteller gezeigt, in den meisten Fällen treten diese in den Filmen auch angezogen auf.
- Wackelige Kameraschwenks sind ebenso möglich wie Einstellungen, die von ausgefeilter Komposition zeugen.
- Von der Ebene des Dargestellten lässt sich sagen:
- Neun Filme zeigen u. a. heterosexuellen Sex, sechs lassen sich der Gruppe Transgender/queer zuordnen. Sechs Filme beinhalten lesbische Szenen
- Tätowierte oder gepiercte Darsteller sind in 13 der 14 Filme zu sehen. Dem Aussehen nach zu urteilen sind die meisten jünger als 40.
- People of colour sind in sechs Filmen zu sehen oder führen Regie.
- Bondage, BDSM und Sexspielzeuge kommen in acht Filmen vor.
- Safer-Sex-Accessoires wie Handschuhe, Kondome und Femidome sind nicht immer, aber gelegentlich zu sehen, wenngleich häufiger als in konventionellen Pornos.
- Während männliche Orgasmen (mit und ohne Samenerguss) nicht so vorherrschend sind, werden im Vergleich zu konventionellen Pornos häufig weibliche Ejakulationen und beständig weibliche Orgasmen gezeigt. An phallischen Formen praktizierter Oralsex oder männliche Ejakulationen werden dennoch vergleichsweise häufig dargestellt, sodass hier ein wesentliches Merkmal der Mainstream-Produktionen ebenfalls zu finden ist.
- Oralsex kommt mit zwei Ausnahmen in allen untersuchten Filmen vor. Er wird in der Regel wechselseitig praktiziert, teilweise auch in Gruppen.
- Analsex, der in Mainstreampornos häufig enthalten ist, kommt nur zweimal vor.
- Die im konventionellen Pornofilm häufige Nummerndramaturgie, also die weitgehend zusammenhanglose Aneinanderreihung von Sexszenen, findet sich nicht. Dies ist ein deutlicher Unterschied zum Mainstream.
- In der Mehrzahl orientieren sich die dargestellten Körper an westlichen Schönheitsnormen, bisweilen werden auch fülligere oder sehr schlanke Personen gezeigt.
- Körperbehaarung ist deutlich häufiger zu sehen als in Mainstreampornos.
Schumacher resümiert, es werde insgesamt der Eindruck vermittelt, „dass repräsentationsethische Überlegungen im Vordergrund stehen“.[18] Die Vielfalt der Darstellungsweisen wie die des Dargestellten sei, so zeigten die Beispiele, in der feministischen Pornografie groß und auch größer als bei Mainstreampornos, selbst wenn heterosexueller Geschlechtsverkehr zwischen jungen Weißen ohne sichtbare Beeinträchtigungen einen Großteil der Darstellungen präge.[19] Obwohl sich also Unterschiede zur idealtypischen Mainstreampornografie erkennen ließen, stellen sich die Filme auf bildlicher Ebene nicht als etwas gänzlich Anderes dar.[19] Es träten jedoch weitere Merkmale hinzu, die die feministische Pornografie als eigenes Genre definieren. Ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal sei der Grad an Reflexion. Die Rahmenbedingungen der Produktion sowie der Darstellungen würden in der Regel hinterfragt. Die Kunstschaffenden sähen sich als politische Aktivistinnen. Sie sähen ihre Arbeit eingebunden in eine Bewegung, in das Feminist Porn Movement und die größere Bewegung des Feminismus.[20]
Siehe auch
Weblinks
- Homepage von PorYes
- Johanna Kutsche: PorYes, das Biosiegel für Sex-Filme, Zeit online vom 16. September 2009
- M. Heim, E. Ippolito: Feministische Pornos: Por? Yes!, taz.de vom 14. Oktober 2011
Einzelnachweise
- ↑ poryes.de: Kriterien FemPorn. Abgerufen am 25. Oktober 2012.
- ↑ a b Zeit Online: PorYes, das Biosiegel für Sex-Filme. vom 16. Oktober 2009. Abgerufen am 25. Oktober 2012.
- ↑ Home - Feminist Porn Awards. Abgerufen am 19. Februar 2020 (kanadisches Englisch).
- ↑ poryes.de: FAQ. Abgerufen am 25. Oktober 2012.
- ↑ MEDIENPARTNER_INNEN | PorYes – Feminist Porn Award Europe. Abgerufen am 7. Juli 2020 (deutsch).
- ↑ PARTNER_INNEN-PROJEKTE | PorYes – Feminist Porn Award Europe. Abgerufen am 7. Juli 2020 (deutsch).
- ↑ UNTERSTÜTZER_INNEN | PorYes – Feminist Porn Award Europe. Abgerufen am 7. Juli 2020 (deutsch).
- ↑ a b Constance Penley, Celine Parreñas Shimizu, Mireille Miller-Young, Tristan Taormino: Feminist Porn. The politics of producing pleasure. In: Kristin Lené Hole, Dijana Jelača, E. Ann Kaplan, Patrice Petro (Hrsg.): The Routledge Companion to Cinema and Gender. Routledge, London, New York 2017, ISBN 978-1-138-92495-6, S. 155–163, S. 157.
- ↑ The Feminist Porn Awards: How did it all start? In: Feminist Porn Awards. Abgerufen am 4. Juli 2020 (kanadisches Englisch).
- ↑ Judging Criteria for FPAs. In: Feminist Porn Awards. Abgerufen am 4. Juli 2020 (kanadisches Englisch).
- ↑ poryes.de: Die Auster-Prämierten 2009. Abgerufen am 25. Oktober 2012.
- ↑ poryes.de: Laudatio auf Catherine Breillat. Abgerufen am 25. Oktober 2012.
- ↑ a b poryes.de: Die Prämierten 2013 Abgerufen am 7. Februar 2014.
- ↑ berliner-filmfestivals.de: Filme durch die Möse betrachtet: Der PorYes-Award 2013 Vom 20. Oktober 2013. Abgerufen am 7. Februar 2014.
- ↑ humansexualityeducation.com: Faculty & Administration (Memento vom 23. Juni 2013 im Internet Archive) Abgerufen am 7. Februar 2014.
- ↑ Redazione: 10 anni di Porno Femminista a Berlino: tutti gli eventi del PorYes 2019. In: il Mitte. 16. September 2019, abgerufen am 19. Februar 2020 (italienisch).
- ↑ Nina Schumacher: Pornografisches. Eine Begriffsethnografie. Sulzbach, Ulrike Helmer Verlag 2017, S. 180–182.
- ↑ Nina Schumacher: Pornografisches. Eine Begriffsethnografie. Sulzbach, Ulrike Helmer Verlag 2017, S. 181.
- ↑ a b Nina Schumacher: Pornografisches. Eine Begriffsethnografie. Sulzbach, Ulrike Helmer Verlag 2017, S. 182.
- ↑ Nina Schumacher: Pornografisches. Eine Begriffsethnografie. Sulzbach, Ulrike Helmer Verlag 2017, S. 183.