Polizei (China)

Die Polizei der Volksrepublik China (chinesisch 中國警察制度 / 中国警察制度, Pinyin Zhōngguó jǐngchá zhìdù – „das Polizeisystem in China“) ist stärker als in vielen anderen Ländern politisiert. Es gibt eine Reihe von teils sehr mannschaftsstarken polizeilichen Diensten und Truppen, die teils zivil, teils paramilitärisch organisiert sind, deren Tätigkeit aber bisher wenig erforscht ist. Die Kompetenzbereiche der verschiedenen Polizeiverwaltungen überschneiden sich teils sehr stark.

Träger polizeilicher Funktionen

Nach dem Polizeigesetz von 1995 besteht die chinesische Polizei im engeren Sinne aus fünf Polizeiorganen: der öffentlichen Sicherheits- und der Staatssicherheitspolizei, der Gefängnispolizei, der Gerichtspolizei und der Polizei der Volksstaatsanwaltschaften.[1]

Ministerien und Verwaltungen, die die Aufsicht über polizeiliche Funktionen haben, sind

  • Ministerium für Öffentliche Sicherheit mit der öffentlichen Sicherheitspolizei, die lokal organisiert und nicht für schwerwiegende Kriminalfälle zuständig ist, und der
    • Ausreise- und Einreiseverwaltung der Volksrepublik China
  • Ministerium für Staatssicherheit, das selbst über polizeiliche Rechte verfügt und u. a. für Verhaltensüberwachung, Internetkontrolle, Auslandsspionage und Spionageabwehr zuständig ist
  • Justizministerium mit der Volkspolizei des Justizministeriums
Bewaffnete Volkspolizei mit Radpanzern in Ürümqi, Hauptstadt der Autonomen Uigurischen Region Xinjiang im September 2009 während der Demonstrationen gegen Nadelangriffe auf Passanten[2]

Daneben gibt es weitere Träger polizeilicher Befugnisse:

Größter Polizeikörper ist die öffentliche Sicherheitspolizei mit 1,9 Millionen Beschäftigten.[1] Die Bewaffnete Volkspolizei soll 400.000 bis 1 Million militärisch Ausgebildete umfassen.

Hongkong

Die Hong Kong Police Force – HKPF (香港警務處, ugs.香港警察)[3], gegründet 1844 als Colonial Police Force[4] später 1969 als Royal Hong Kong Police Force – RHKPF[5] zu Zeit des kolonialen Hongkongs, die 1967 von Kommunisten und Gewerkschaften organisierte Unruhen gewaltsam unterdrückte. Sie hat heute insgesamt etwa 37.000 Angehörige mit der Hilfspolizei – Hong Kong Auxiliary Police Force – HKAPF[6] und der Wasserpolizei – Marine Police[7] zusammen. Damit hat Hongkong im Verhältnis zur Einwohnerzahl den dichtesten Polizeibesatz der Welt.[8]

Außerdem gibt es die

  • Unabhängige Kommission gegen Korruption (englisch Independent Commission Against Corruption,廉政公署)[9]
  • Abteilung für Strafvollzug in Hongkong (englisch Correctional Services Department,懲教署)[10]
  • Einwanderungsbehörde (englisch Immigration Department,入境事務處)[11]
  • Zoll- und Verbrauchsteuerabteilung (englisch Customs and Excise Department,香港海關)[12]

Macau

In Macau gibt es zwei Sicherheitsbehörden, die beide über untenstehende Polizeieneinheiten Befehlsgewalt haben

  • Corpo de Polícia de Segurança Pública – CPSP (englisch Public Security Police Force,治安警察局 – „etwa: Behörde der Polizei für öffentliche Ordnung“)[13]
  • Polícia Judiciária – PJ (englisch Directorate of Judiciary Police,司法警察局 – „etwa: Behörde der Justizpolizei“)[14]

Polizeireformen 2000 und 2017/18

Der Einfluss der Polizei ist erheblich größer als jener der Staatsanwaltschaften und Gerichte, wodurch es immer wieder zum Amtsmissbrauch kommt. 2000 erfolgte eine Polizeireform, durch die vor allem die geringe Professionalität der Polizei auf lokaler Ebene verbessert werden sollte. Dadurch konnte eine – auch durch vermehrte lokale Unruhen – ausgelöste Legitimationskrise der Polizeiorgane jedoch nicht verhindert werden. Um 2003 kam es erneut zu massiven Übergriffen der Polizei, die Skandale auslösten.[15] Dauerprobleme sind die Schwierigkeiten der lokalen Umsetzung zentraler Reformen wie auch die Verflechtung der lokalen Polizei mit örtlichen Machthabern und privaten Sicherheitsdiensten sowie die Korruption.

Durch eine erneute Polizeireform 2017/18 wurde die Bewaffnete Volkspolizei umfassend reorganisiert und dem Generalsekretär Xi Jinping direkt unterstellt. Sie ist schwer bewaffnet, u. a. mit Radpanzern des Typs WZ551. Ihre Hauptaufgabe ist der Einsatz bei Unruhen (sog. „Massenvorfällen“, chines. qúntǐ xìng shìjiàn àn).[16]

Technisierung der Überwachung

In jüngster Zeit werden immer mehr technische Hilfsmittel zur Verhaltensüberwachung eingesetzt, die außer zur „Bürgerbewertung“ mittels Ranking in einem Sozialkredit-System auch dazu dienen, polizeiliche Maßnahmen zur direkten Überwachung der Betroffenen einzuleiten.

In Xinjiang und an den Grenzen zu Kirgistan wird von der Grenzpolizei eine Spähsoftware auf Android-Telefone von Einreisenden gespielt, die Kontakte, Kalender, SMS und Anruflisten durchsucht und speichert. Betroffen sind vor allem muslimische Touristen.[17]

Auslandsaktivitäten

Seit etwa 2015 steigt die chinesische Polizeipräsenz im Ausland, so z. B. in Serbien, angeblich um das Sicherheitsgefühl chinesischer Touristen zu erhöhen.[18] Auch werden immer mehr Abkommen zur polizeilichen Zusammenarbeit mit anderen Ländern abgeschlossen. China versucht auch, bestehende multilaterale Institutionen besser zu nutzen, um im Ausland lebende Verdächtige (möglicherweise auch politische Flüchtlinge) aufzuspüren oder infolge von Wirtschaftsstraftaten ins Ausland geflossene Gelder zurückzuführen.[19] Im September 2018 setzte China den seit November 2016 amtierenden chinesischen Interpolpräsidenten Meng Hongwei wegen Korruption bei einem Heimatbesuch fest.

Literatur

  • Kam C. Wong: Police Reform in China. E-Book, Taylor and Francis, 2011, ISBN 978-1-138-11186-8.
  • Yue Ma: The Police System in China. In: The Routledge Handbook of Chinese Criminology. Hrsg. von Liqun Cao, Ivan Y. Sun, and Bill Hebenton. London and New York: Routledge 2014, ISBN 978-0-415-50040-1
  • Chi-kwong Sonny Au: Police Reform in Contemporary China: a Study of Community Policing in Hong Kong and Mainland China. Dissertation, University of Hong Kong 2017. DOI:10.5353/th b4501275.
  • Suzanne E. Scogging: Policing Modern China. In: China Law and Society Review, 3 (2018) 2, doi:10.1163/25427466-00302001.

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. a b Yue Ma 2014, S. 64.
  2. Eleonore Baumberger: Proteste gegen Nadel-Attacken. In: tagblatt.ch. St. Galler Tagblatt, 5. September 2009, abgerufen am 11. August 2021 (Schweizer Hochdeutsch).
  3. Hong Kong Police Force – HKPF (chinesisch 香港警務處 / 香港警务处, Pinyin Xiānggǎng Jǐngwùchù, Jyutping Hoeng1gong2 Ging2mou6cyu3, ugs.香港警察 / 香港警务处, Xiānggǎng Jǐngchá, Jyutping Hoeng1gong2 Ging2caat3)
  4. Colonial Police Force (殖民地警察隊 / 殖民地警察队, Zhímíndì Jǐngcháduì, Jyutping Zik6man4dei6 Ging2caat3deoi6), erste Polizeitruppe in der britischen Kronkolonie Hongkong
  5. Royal Hong Kong Police Force – RHKPF (皇家香港警務處 / 皇家香港警务处, Huángjiā Xiānggǎng Jǐngwùchù, Jyutping Wong4gaa1 Hoeng1gong2 Ging2mou6cyu3, ugs.皇家香港警察 / 皇家香港警察, Huángjiā Xiānggǎng Jǐngchá, Jyutping Wong4gaa1 Hoeng1gong2 Ging2caat3), Bezeichnung der Hongkonger Polizei-Behörde vor 1997 – Rückgabe Hongkongs als Sonderverwaltungszone (SAR) an Volksrepublik China
  6. Hong Kong Auxiliary Police Force – HKAPF (香港輔助警察隊 / 香港辅助警察队, Xiānggǎng Fǔzhù Jǐngcháduì, Jyutping Hoeng1gong2 Fu6zo6 Ging2caat3deoi6*2), Hilfspolizeitruppen der Hongkonger Polizei
  7. Marine Police (香港水上警察 / 香港水上警察, Xiānggǎng Shuǐshàng Jǐngchá, Jyutping Hoeng1gong2 Seoi2soeng6 Ging2caat3, kurz水警 / 水警, Shuǐjǐng, Jyutping Seoi2ging2), etwa „Wasserpolizei“, eine Abteilung der Hong Kong Police Force
  8. 警務處架構 – Organisation. (PDF-Datei; 2,8 MB) In: police.gov.hk. Hong Kong Police Force, archiviert vom Original am 8. August 2020; abgerufen am 11. August 2021 (chinesisch, englisch, Information zum Aufbau und Struktur der Hong Kong Police Force).
  9. Independent Commission Against Corruption – ICAC (廉政公署 / 廉政公署, Liánzhèng Gōngshǔ, Jyutping Lim1zing4 Gung1cyu3 – „etwa: Öffentliches Amt für eine rechtschaffene und saubere Politik“), also die Unabhängige Kommission gegen Korruption, Hongkongs Behörde zur Korruptionsbekämpfung – seit 1974, zur Zeit des 25. Gouverneurs MacLehose.
  10. Correctional Services Department – CSD (懲教署 / 惩教署, Chéngjiāochù, Jyutping Cing4gaau3cyu3 – „etwa: Behörde zur Strafvollzug und Anleitung zur Besserung“), die Strafvollzugsbehörde in Hongkong.
  11. Immigration Department – IMMD (入境事務處 / 入境事务处, Rùjìng Shìwùchù, Jyutping Jap6ging2 Si6mou6cyu3 – „etwa: Einwanderungsbehörde, Einreisebehörde“)
  12. Customs and Excise Department – C&ED (香港海關 / 香港海关, Xiānggǎng Hǎiguān, Jyutping Hoeng1gong2 Hoi2gwaan1 – „etwa: Zollbehörde Hongkong“)
  13. Corpo de Polícia de Segurança Pública – CPSP (治安警察局 / 治安警察局, Zhì'ān Jǐngchájú, Jyutping Zi4on1 Ging2caat3guk6, englisch Public Security Police Force), einer der beiden Polizeibehörden Macaus
  14. Polícia Judiciária – PJ (司法警察局 / 司法警察局, Sīfǎ Jǐngchájú, Jyutping Si1faat3 Ging2caat3guk6, englisch Directorate of Judiciary Police), einer der beiden Polizeibehörden Macaus
  15. Kam C. Wong 2011.
  16. Gerhard Piper: Hongkong: Aufmarsch der Bewaffneten Volkspolizei. In: Telepolis. Verlag Heinz Heise, 11. August 2021, abgerufen am 11. August 2021.
  17. juh/cva: Chinesische Grenzpolizei späht offenbar Touristen per App aus. In: spiegel.de. Spiegel-Gruppe, 2. Juli 2019, abgerufen am 11. August 2021.
  18. Vanessa Steinmetz: Warum chinesische Polizisten durch Belgrad patrouillieren-. In: spiegel.de. Spiegel-Gruppe, 30. Oktober 2010, abgerufen am 11. August 2021.
  19. Thomas Eder, Bertram Lang, Moritz Rudolf: China in der internationalen Polizei- und Justizzusammenarbeit-. (PDF-Datei; 941 kB) Merics China Monitor. In: merics.org. Mercator Institute for China Studies, 14. September 2017, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 1. November 2019; abgerufen am 11. August 2021.

Auf dieser Seite verwendete Medien

Armed Police armored vehicles in Urumqi (3).jpg
Armed Police soldiers and armored vehicles WZ-551 in the street of Urumqi in September 4, 2009. Days before and at the time, tens of thousands of civilians demonstrated around major places in the city, against a series of the hypodermic needle attacks starting in mid-August.