Politische Philosophie

Platon (links) und Aristoteles (rechts), ein Detail des Freskos Die Schule von Athen (1510) von Raffael.

Die politische Philosophie ist eine Disziplin der Philosophie und des politikwissenschaftlichen Faches Politische Theorie. Als normative Disziplin befasst sie sich hauptsächlich mit der Kritik, der Sinngebung und der Wegweisung allen politischen Handelns und umfasst unter anderem philosophische Theorien der Gesellschaft, Rechts- und die Staatsphilosophie. Ihr Ursprung wird in der antiken griechischen Philosophie, insbesondere in den Schriften Platons und Aristoteles verortet. Aus dieser Tradition stammt auch die Bezeichnung; Polis (altgriechisch πόλιςpólis, deutsch ‚Stadt, Staat‘) ist der antike griechische Stadtstaat.

Gegenstand

Im Gegensatz zur Staatsphilosophie, deren Forschungsgegenstand vor allem neuzeitliche und moderne Staaten sind,[1] nimmt die Politische Philosophie das Politische in Gesellschaften schlechthin in den Fokus, indem sie auf einer ethisch reflektierten normativen Kritik der sozialen und politischen Verhältnisse sowie auf einem anthropologischen Konzept aufbaut.[2] Dieser enge Bezug der Politischen Philosophie zum politischen System und zur Politik von Gesellschaften unterscheidet sie auch von der Sozialphilosophie.[2] Allgemein zeigt die Politische Philosophie die Einheit von Politik, Recht und Geschichte an.[3] Zum Aufgabenbereich der Politischen Philosophie zählen die Themen Gerechtigkeit, Legitimation, Herrschaft, Staat, Macht, Freiheit, Menschenwürde und Frieden.

Politische Philosophie ist deshalb ferner ein Gebiet der praktischen Philosophie, in welchem normative Fragen untersucht werden. Dabei werden Gesichtspunkte der Moralphilosophie und der angewandten Ethik mit der politischen Theorie verbunden, wobei in der Regel eine Reflexion auf die politische Ideengeschichte erfolgt. Wie eingangs bereits angesprochen, besteht ihre Aufgabe daher in der Kritik, der Sinngebung und der Wegweisung des politischen, d. h. im weiteren Sinne, des menschlichen Handelns schlechthin.

Unter den Bedingungen der Moderne ergibt sich jedoch auch ein abweichendes Verständnis von Politischer Philosophie. Demnach muss die Disziplin angesichts des Wegfalls der überkommenen Grundlagen normativen Denkens die Problematik einer normativen Orientierung selbst reflektieren. Politisches Handeln könnte somit in der Folge weniger als normative Sinngebung als vielmehr als Machtspiel in der Tradition Niccolò Machiavellis verstanden werden und die Sinngebungs-Ebene des Politischen als problematische Konstruktion ideologischer Vergesellschaftung.

Themenbereiche

Aufgrund ihrer Themen ist die politische Philosophie eng verknüpft mit der Sozialphilosophie und der Rechtsphilosophie. Sie unterscheidet sich insofern von der Politikwissenschaft und der Soziologie als sie kein empirisches Material erforscht, sondern von diesem ausgehend normative Fragestellungen bearbeitet. Erkenntnisse aus benachbarten Disziplinen fließen aber in die politische Philosophie ein.

Themen der politischen Philosophie sind u. a.:

  • Bestimmung des Begriffs des Politischen
  • Begründung von politischer Ordnung
  • Bestimmung und Begründung zentraler politischer Prinzipien, wie Freiheit oder Gerechtigkeit
  • Begründung und Begrenzung politischer Herrschaft und deren Legitimation
  • Begründung politischer Ordnungsmodelle überhaupt (siehe Staatsphilosophie)
  • Begründung und Durchsetzung von Menschenrechten
  • Begründung und Gewährleistung von Toleranz und Minderheitenschutz
  • Beteiligung des Bürgers in Politik und Gesellschaft (siehe Deliberative Demokratie, Kommunitarismus)
  • Begründung und Schutz ethischer Prinzipien in der Gesellschaft
  • Bestimmung und Begrenzung politischer Planung
  • Verhältnisbestimmung von öffentlichem Handeln und persönlichem Glück
  • Verhältnisbestimmung von Politik und Moral
  • Verhältnisbestimmung von Politik und Gewalt
  • Fragen der sozialen Gerechtigkeit
  • Fragen der internationalen Beziehungen und der Friedenssicherung

Ausgehend von diesen grundlegenden Fragestellungen nimmt die politische Philosophie in der Praxis Stellung zu konkreten politischen Themen wie etwa der Rolle des Nationalstaates in einer globalisierten Welt, der Frage der Anerkennung und Förderung von benachteiligten gesellschaftlichen Gruppen, den Phänomenen multikultureller Gesellschaften, der Rolle internationaler Organisationen wie der UNO oder der Europäischen Union, des Eingriffs des Staates in individuelle Freiheitsräume, der Rechtfertigung staatlicher Gewaltausübung, zum Beispiel bei der Bekämpfung des Terrorismus, oder Fragen der betrieblichen Mitbestimmung und des staatlichen Einflusses auf ökonomisches Handeln.

Im 20. Jahrhundert wurde die politische Philosophie von der phänomenologisch-hermeneutischen Schule und der logisch-empiristischen Tradition des Wiener Kreises kaum oder gar nicht beachtet. Problematisch war die normativ-subjektive Herangehensweise der politischen Philosophien, die im Widerspruch mit dem empirisch-analytischen Denken der modernen Wissenschaften stand. Erst mit Erscheinen des Werkes "A theory of justice" von John Rawls wurde der Blick wieder weg von den allein analytischen und nicht-normativen Fragen und hin zu einer allgemeinen politischen Philosophie erweitert.

Siehe auch

Literatur

  • Andre Brodocz, Gary S. Schaal (Hrsg.): Politische Theorien der Gegenwart. 2 Teile. UTB, Budrich, 2. Aufl. Opladen 2006, Band I: ISBN 978-3-8252-2218-5, Band II: ISBN 978-3-8252-2219-2.
  • Christoph Horn: Einführung in die politische Philosophie. Wissenschaftliche Buchgesellschaft WBG, Darmstadt 2003, ISBN 3-534-15466-5.
  • Willi Oelmüller & Ruth Dölle-Oelmüller: Diskurs: Politik. Philosophische Arbeitsbücher, 1. Schöningh[6] ISBN 3-506-99225-2
  • Cornelius Castoriadis Gesellschaft als imaginäre Institution. Entwurf einer politischen Philosophie. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2002, ISBN 3-518-28467-3.
  • Stephen Salkever (Hrsg.): The Cambridge Companion to Ancient Greek Political Thought. Cambridge University Press, 2009, ISBN 978-0-521-68712-6.
  • Dieter Oberndörfer, Beate Rosenzweig Hrsg.: Klassische Staatsphilosophie. Texte und Einführungen. Von Platon bis Rousseau. 2. Auflage. Beck, München 2010, ISBN 3-406-61574-0[8]
  • Rüdiger Voigt, Ulrich Weiß (Hrsg.): Handbuch Staatsdenker. Franz Steiner, Stuttgart 2003, ISBN 978-3-515-09511-2.
  • Bernd Ladwig: Moderne politische Theorie. Fünfzehn Vorlesungen zur Einführung. Wochenschau Verlag, Schwalbach am Taunus 2009, ISBN 3-89974-454-3.
  • Hans-Martin Schönherr-Mann: Was ist politische Philosophie? Campus Verlag, Frankfurt 2012, ISBN 978-3-593-39603-3
  • Eberhard Braun, Felix Heine, Uwe Opolka: Politische Philosophie. Ein Lesebuch. Rowohlts Deutsche Enzyklopädie rde, Reinbek 1984 (zuletzt 8. Auflage 2002), ISBN 3-499-55406-2; erw. Neuausgabe 2008, ISBN 978-3-499-55700-2.
  • Henning Ottmann: Geschichte des politischen Denkens. Von den Anfängen bei den Griechen bis auf unsere Zeit. Band 1 bis 4/2, Metzler, Stuttgart 2001 bis 2012[9]
  • Walter Reese-Schäfer: Antike politische Philosophie. Junius, Hamburg 1998, ISBN 978-3-88506-971-3
  • Klaus Adomeit: Rechts- und Staatsphilosophie
    • Band 1: Antike Denker über den Staat. Eine Einführung in die politische Philosophie. UTB Wissenschaft, 1136. Von Decker, 2. Auflage. Heidelberg 1992, ISBN 3-8252-1136-3 (Vorsokratiker bis Augustin); 3., neubearb. und erw. Aufl. 2001 Inhaltsverzeichnis
    • Band 2: Rechtsdenker der Neuzeit. Uni-Taschenbücher UTB 1670. 2., neubearb. und erw. Auflage. Müller, Heidelberg 2002, ISBN 3-8252-1670-5 Inhaltsverzeichnis
  • Norbert Hoerster (Hrsg.): Klassische Texte der Staatsphilosophie. Deutscher Taschenbuchverlag dtv, München 1987 u.ö. (zuletzt 2004) (= dtv-wissenschaft. Band 4455), ISBN 3-423-04455-1[4]
  • Martin Morgenstern, Robert Zimmer (Hrsg.): Staatsbegründungen und Geschichtsbedeutungen. Reihe Treffpunkt Philosophie, 4: "Politische Philosophie". Bayerischer Schulbuch Verlag BSV, München 2001 ISBN 3-7627-0325-6 & Patmos, Düsseldorf 2001 ISBN 3-491-75641-3[7]
  • Manfred Brocker (Hrsg.): Geschichte des politischen Denkens. Ein Handbuch. 53 Texte über Denker von den Anfängen bis heute. Suhrkamp, Frankfurt 2007, ISBN 3-518-29418-0.
  • Roberto Gatti, Luca Alici: Filosofia politica. Gli autori, i concetti. Edizione ampliata. Morcelliana, Brescia 2018, ISBN 978-8-828-40006-6.
  • Georg Zenkert: Die Konstitution der Macht. Kompetenz, Ordnung und Integration in der politischen Verfassung. Mohr Siebeck Verlag, Tübingen 2004 ISBN 3-16-148484-3.
  • Klaus Hartmann: Politische Philosophie (= Handbuch Philosophie). Karl Alber, Freiburg 1981, ISBN 3-495-47455-2.
  • Heinrich Meier: Warum Politische Philosophie? Metzler, Stuttgart 2000[5]
  • Reinhold Zippelius: Geschichte der Staatsideen. 10. Auflage. C. H. Beck, München 2003, ISBN 3-406-49494-3.
  • Will Kymlicka: Politische Philosophie heute. Eine Einführung. Campus, Frankfurt 1997, ISBN 3-593-35891-3.

Weblinks

Anmerkungen

  1. Gerhard Müller (Hrsg.): Theologische Realenzyklopädie. Berlin/New York 2001, ISBN 3-11-016712-3, S. 48.
  2. a b Peter Prechtl, Frank-Peter Burkard: Metzler Philosophielexikon. Begriffe und Definitionen. Stuttgart/Weimar 1996, ISBN 3-476-01257-3, S. 403.
  3. Thomas Kater: Politik, Recht, Geschichte. Zur Einheit der politischen Philosophie Immanuel Kants. Würzburg 1999, ISBN 3-8260-1674-2, S. 17.
  4. Aufl. sind identisch. Texte von Platon, Aristoteles, Cicero, Augustin, Thomas von Aquin, Machiavelli, Hobbes, Locke, David Hume, Montesquieu, Rousseau, Kant, Hegel, Karl Marx, Engels, John St. Mill, Dostojewski
  5. 40 S. Chinesisch 2001. Amerikanisch 2002. Französisch 2006. Spanisch 2006. Japanisch 2009
  6. von Plato bis Lübbe. In versch. Ausgaben, je nach Bundesland
  7. Quellensammlung, Übersichtsartikel
  8. 17 Klassiker
  9. damit vollständig. Letzter Band, 20. Jh.: ISBN 3-476-02334-6

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