Phenylhydrazin

Strukturformel
Struktur von Phenylhydrazin
Allgemeines
NamePhenylhydrazin
Andere Namen
  • Hydrazinobenzol
  • Monophenylhydrazin
SummenformelC6H8N2
Kurzbeschreibung

rotbraune Flüssigkeit mit aromatischem Geruch[1]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer100-63-0
EG-Nummer202-873-5
ECHA-InfoCard100.002.612
PubChem7516
ChemSpider7235
WikidataQ290862
Eigenschaften
Molare Masse108,14 g·mol−1
Aggregatzustand

flüssig

Dichte

1,1 g·cm−3[1]

Schmelzpunkt

19,6 °C[1] (24 °C für das Hemihydrat)

Siedepunkt

244 °C[1] (teilweise Zersetzung)

Dampfdruck

6 Pa bei 20 °C[1]

Löslichkeit
  • gut in Wasser (145 g·l−1 bei 25 °C)[1]
  • mischbar mit Ethanol, Ether, Chloroform, Benzol und Aceton[2]
Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung aus Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 (CLP),[3] ggf. erweitert[1]
GefahrensymbolGefahrensymbolGefahrensymbol

Gefahr

H- und P-SätzeH: 350​‐​341​‐​331​‐​311​‐​301​‐​372​‐​319​‐​315​‐​317​‐​400
P: 201​‐​273​‐​305+351+338​‐​304+340​‐​302+352​‐​308+310[1]
MAK

Schweiz: 5 ml·m−3 bzw. 22 mg·m−3[4]

Toxikologische Daten

188 mg·kg−1 (LD50Ratteoral)[1]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Phenylhydrazin ist eine chemische Verbindung aus der Gruppe der aromatischen Hydrazine. Es ist eine gelbliche Flüssigkeit, die sich an Luft zunehmend dunkelrot bis rotbraun färbt.

Geschichte

Phenylhydrazin wurde als erste aromatische Hydrazinverbindung durch Emil Fischer im Jahre 1875 untersucht.[5] Er stellte es durch Reduktion von Phenyldiazoniumsalzen mit Sulfitsalzen dar. Fischer nutzte Phenylhydrazin zur Untersuchung der Struktur von Kohlenhydraten durch Bildung von Hydrazonen aus der Aldehydgruppe der Zucker.

Vorkommen

Phenylhydrazin kommt natürlich in einigen Pflanzen[2] (Lorbeerbaum) vor.[6][7] Phenylhydrazine wurden auch in Pilzen (zum Beispiel Agaricus bisporus) nachgewiesen.[8][9]

Gewinnung und Darstellung

Phenylhydrazin wird kommerziell durch Diazotierung von Anilin mit anschließender Reduktion des Diazoniumkations z. B. durch Natriumsulfit gewonnen.[10] Im Jahr 1998 betrug die Produktionsmenge in Westeuropa 6650 Tonnen.[2]

Eigenschaften

Phenylhydrazin bildet monokline Kristalle und schmilzt bei Raumtemperatur zu einer öligen Flüssigkeit. Es zersetzt sich bei einer Temperatur von mehr als 260 °C. Die mittels DSC bestimmte Zersetzungswärme beträgt −71 kJ·mol−1 bzw. −662 kJ·kg−1.[11] Seine Dämpfe sind viermal so schwer wie Luft. Es ist ein starkes Reduktionsmittel und leicht löslich in Wasser.

Verwendung

Phenylhydrazin wird als Zwischenprodukt zur Herstellung von Indolen verwendet (Fischersche Indolsynthese), die wiederum Zwischenprodukte für die Synthese verschiedener Farbstoffe, Agrochemikalien und Pharmazeutika sind. Es dient ebenfalls als Ausgangsstoff zur Herstellung von Entwicklern für die Fototechnik.[12]

Weiterhin kann es als Reagenz zum Nachweis bzw. zur Identifizierung von Verbindungen mit Carbonylgruppen dienen[13] (Bildung von Phenylhydrazonen oder Osazonen).[14] Der Einsatz von Phenylhydrazin als Laborchemikalie (analytische Reagenz für Aldehyde, Ketone und Zucker (Phenylhydrazinprobe) durch Bildung der gut kristallisierenden Phenylhydrazone oder Osazone, zum Nachweis von Molybdän und anderen Metallen) ist mit einer Derivatisierung verbunden.

Sicherheitshinweise

Phenylhydrazin ist selbstentzündlich, wenn es verunreinigt wird oder in Kontakt mit Stoffen mit großer Oberfläche (z. B. Putzwolle oder Sand) kommt. Seine Dämpfe können beim Erhitzen über seinen Flammpunkt (89 °C) mit Luft ein explosionsfähiges Gemisch bilden. Phenylhydrazin gilt als krebserzeugend, ist ein starkes Blutgift (Methämoglobinbildung) und verursacht auf der Haut Ekzeme.[15] Darüber hinaus führt es zu einer irreversiblen Schädigung des Blutfarbstoffs und der Erythrocyten.[1]

Verbindungen und Derivate des Phenylhydrazins

Regulierung

Über den Safe Drinking Water and Toxic Enforcement Act of 1986 besteht in Kalifornien seit 1. Juli 1992 eine Kennzeichnungspflicht für Produkte, die Phenylhydrazin oder eines seiner Salze enthalten.[18]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g h i j Eintrag zu Phenylhydrazin in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 1. Februar 2016. (JavaScript erforderlich)
  2. a b c Concise International Chemical Assessment Document (CICAD) für Phenylhydrazine, abgerufen am 18. November 2014.
  3. Eintrag zu Phenylhydrazine im Classification and Labelling Inventory der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA), abgerufen am 1. Februar 2016. Hersteller bzw. Inverkehrbringer können die harmonisierte Einstufung und Kennzeichnung erweitern.
  4. Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva): Grenzwerte – Aktuelle MAK- und BAT-Werte (Suche nach 100-63-0 bzw. Phenylhydrazin), abgerufen am 2. November 2015.
  5. E. Fischer: Über aromatische Hydrazinverbindungen. In: Ber. Dtsch. Chem. Ges. Band 8, 1875, S. 589–594.
  6. Martin Jacobson: Glossary Of Plant Derived Insect Deterrents. CRC Press, 2019, ISBN 978-1-351-08072-9, S. 65 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  7. Nora Saim, Clifton E. Meloan: Compounds from leaves of bay (Laurus nobilis L.) as repellents for Tribolium castaneum (Herbst) when added to wheat flour. In: Journal of Stored Products Research. Band 22, Nr. 3, 1986, S. 141–144, doi:10.1016/0022-474X(86)90007-X.
  8. V. Schulzová, J. Hajslová, R. Peroutka, J. Gry, H. C. Andersson: Influence of storage and household processing on the agaritine content of the cultivated Agaricus mushroom. In: Food Additives and Contaminants. Band 19, Nr. 9, 2002, S. 853–862, doi:10.1080/02652030210156340, PMID 12396396.
  9. Nordic Council of Ministers: Phenylhydrazines in the Cultivated Mushroom (Agaricus bisporus) : - occurrence, biological properties, risk assessment and recommendations, abgerufen am 13. Mai 2023
  10. G. H. Coleman: Phenylhydrazine In: Organic Syntheses. 2, 1922, S. 71, doi:10.15227/orgsyn.002.0071; Coll. Vol. 1, 1941, S. 442 (PDF).
  11. T. Grewer, O. Klais: Exotherme Zersetzung - Untersuchungen der charakteristischen Stoffeigenschaften. (= Humanisierung des Arbeitslebens. Band 84). VDI-Verlag, Düsseldorf 1988, ISBN 3-18-400855-X, S. 9.
  12. Bundesagentur für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin: Datenblatt Phenylhydrazin, abgerufen am 31. März 2013.
  13. Bericht über Emil Fischer (Memento vom 12. November 2007 im Internet Archive)
  14. Reaktionen bioorganischer Verbindungen (PDF; 605 kB).
  15. Siegfried Hauptmann: Organische Chemie. 2. Auflage. VEB Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie, Leipzig 1985, ISBN 3-342-00280-8, S. 522.
  16. Externe Identifikatoren von bzw. Datenbank-Links zu Phenylhydraziniumchlorid: CAS-Nummer: 59-88-1, EG-Nummer: 200-444-7, ECHA-InfoCard: 100.000.404, GESTIS-Stoffdatenbank: 490069, PubChem: 60962, ChemSpider: 54924, Wikidata: Q27279737.
  17. Externe Identifikatoren von bzw. Datenbank-Links zu Phenylhydrazinsulfat: CAS-Nummer: 52033-74-6, EG-Nummer: 257-622-2, ECHA-InfoCard: 100.052.367, GESTIS-Stoffdatenbank: 144330, PubChem: 6452561, ChemSpider: 4954989, Wikidata: Q72501950.
  18. Phenylhydrazin. OEHHA, 1. Juli 1992, abgerufen am 14. Mai 2023 (englisch).

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