Pfaffensteigtunnel

Nahe diesem Waldgebiet soll der Abzweig liegen.

Der Pfaffensteigtunnel ist ein in Planung befindlicher Eisenbahntunnel, mit dem die bestehende Bahnstrecke Stuttgart–Horb auf Höhe des Haltepunkts Goldberg (Württ) unterirdisch mit Stuttgart Flughafen Fernbahnhof verbunden werden soll. Bis März 2022 wurde der Tunnel in der Planung und öffentlichen Diskussion noch als Gäubahntunnel[1] bezeichnet.

Pfaffensteig ist der Flurname eines auf Böblinger Markung liegenden Gewanns im Sindelfinger Wald, zwischen der Sindelfinger Markungsgrenze und dem Bach Berstlach beim Sindelfinger Wohnplatz Mönchsbrunnen.[2][1]

Der Tunnel ist Teil des Projekts Gäubahn Nord, das auch Streckenertüchtigungen von 120 km/h auf 160 km/h bis zum Haltepunkt Böblingen Goldberg umfasst.[3][4] Der Pfaffensteigtunnel würde mehrere im Rahmen von Stuttgart 21 geplante Infrastrukturmaßnahmen ersetzen: die Flughafenkurve, die Rohrer Kurve, den dreigleisigen Ausbau des bestehenden Flughafenbahnhofs sowie den Ausbau der Bestandsstrecke zwischen Stuttgart-Rohr und Flughafen.

Lage und Verlauf

Der Tunnel stellt eine Ergänzung zu der in Bau befindlichen Infrastruktur von Stuttgart 21 dar und ist Bestandteil des geplanten Deutschlandtakts. Die Strecke würde ungefähr bei km 22 von der Gäubahn abzweigen Welt-Icon und nahezu genau in West-Ost-Richtung in zwei eingleisigen getrennten Röhren zwischen Oberaichen und Musberg in Richtung Leinfelden verlaufen. Auf der östlichen Seite unterquert der Tunnel die Neubaustrecke Stuttgart-Ulm und macht danach eine 180-Grad-Kehre und mündet in den Flughafentunnel Ost auf der Ostseite des Flughafen Fernbahnhofs. Auf diese Weise wird die Trasse um einen Kilometer verkürzt. Dadurch ergibt sich eine um mehrere Minuten kürzere Fahrzeit zwischen Böblingen und Flughafen Fernbahnhof. Der Nah- und Fernverkehr wird dabei vom S-Bahn-Verkehr getrennt.[5][3]

Die beiden Röhren sollen durch 23 Verbindungsbauwerke miteinander verbunden werden. Im Bogen im Anschluss an den Bahnhof ist eine Rettungszufahrt mit Rettungsplatz vorgesehen. Beim Streckenkilometer 3,1 soll ein Startschacht für Tunnelvortriebsmaschinen entstehen.[3]

Der Tunnel schließt an ein Verzweigungsbauwerk im Ostkopf des Flughafenbahnhofs an. Die Südröhre soll rund 11,1 km lang werden (km 2,100 bis 13,134), die nördliche Röhre rund 11,3 km (km 2,110 bis km 13,339).[3]

Das Bauwerk soll in einer Tiefe von etwa 40 bis 70 Metern verlaufen.[1]

Mit einer Länge von 11 km[1] würde er den Landrückentunnel als längsten Eisenbahntunnel Deutschlands ablösen und wäre ähnlich lang wie der geplante Tunnel Offenburg. Darüber hinaus sind mehrere geplante Tunnel des Brenner-Nordzulaufs sowie der Erzgebirgstunnel länger.

Geschichte

Im Juni 2020 gab es erste Medienberichte über Überlegungen zu einem Tunnel in diesem Abschnitt.[6] Laut Angaben von DB-Infrastrukturvorstand Ronald Pofalla von Mitte Oktober 2020 sei der Gäubahntunnel nicht mehr als eine „planerische Fiktion“, für die erst noch die Wirtschaftlichkeit nachgewiesen und die Finanzierung gesichert werden müsse.[7]

Der Tunnel ist Teil des im März 2021 volkswirtschaftlich bewerteten Planfalls 40b des Projekts ABS Stuttgart – Singen – Grenze D/CH. Hinterlegt ist darin ein 12 km langer Tunnel für 160 km/h. Für den Abschnitt Flughafen NBS – Böblingen-Goldberg sind darin, zum Preisstand 2015, 919 Millionen Euro Kosten hinterlegt.[4] Kurz zuvor war noch eine Entwurfsgeschwindigkeit von 200 km/h vorgesehen.[5]

Die 2021 ins Amt gekommene grün-schwarze Koalition spricht sich im Koalitionsvertrag vom Mai 2021 aus für „die Umsetzung der im Zuge des Deutschlandtaktes vorgesehenen Bundesprojekte (…) des Ausbaus der Gäubahn zwischen Stuttgart und Singen mit dem langen Gäubahntunnel zum Flughafen“. „Zu einer für Projektänderungen notwendigen Anpassung des Finanzierungsvertrages zu Stuttgart 21“ sei die Regierung „bereit, sofern eine gleichwertige Umsetzungs- und Finanzierungsabsicherung ohne Zusatzkosten für das Land gesichert und eine schnellstmögliche Umsetzung gegeben ist“.[8]

Im Sommer 2021 wurden in Leinfelden Erkundungsbohrungen für den Tunnel beobachtet. Die Vorplanung war Ende 2021 und im März 2022[1] im Gang. In diesem Rahmen erfolgten zwischen Sommer und November 2021 insgesamt zehn Probebohrungen. Sie sind laut Bahnangaben Grundlage für die Planung der Gradiente. An den Bohrpunkten soll ferner der Grundwasserspiegel für fünf Jahre gemessen werden.[9]

Im April 2022 wurden Projektsteuerungsleistungen für das Vorhaben ausgeschrieben.[10] Die Leistungen sollen in drei Stufen, vom 2. Halbjahr 2022 bis Ende 2033, erbracht werden.[11] Die Vorplanung war Mitte 2022 abgeschlossen. Im Weiteren soll „nach neuen Kriterien“ geplant und auch die bauliche Umsetzung beschleunigt werden.[12]

Anfang Mai 2022 sollten die Projektpartner von Stuttgart 21 entscheiden, ob die bestehenden Pläne derart modifiziert werden, dass sich der Pfaffensteigtunnel ohne größere Unterbrechung in das Gesamtsystem einfügen lässt. In diesem Fall soll der Flughafenbahnhof frühestens 2027 aus Richtung Ulm erreichbar werden.[13] In der Lenkungskreissitzung am 2. Mai nahmen die Projektpartner zur Kenntnis, „dass die Vorabmaßnahmen im PFA 1.3a zur Anbindung des Pfaffensteigtunnels [...] realisiert werden“.[14] Letztlich wurde am 18. Juli 2022 eine Absichtserklärung unterzeichnet. Demnach stellen die Stuttgart-21-Projektpartner einen Festbetrag von 270 Millionen Euro für den Ausbau des Gäubahn-Nordabschnitts zur Verfügung. Die darauf aufbauende Finanzierung, einschließlich Kostenrisiken, übernimmt der Bund.[15]

Im Juni 2022 genehmigte das Eisenbahn-Bundesamt eine Planänderung, die im Bereich östlich des Flughafen Fernbahnhofs den Bau zweier Aufweitungs- und Verzweigungsbauwerke vorsieht, die später einmal dem Anschluss des Tunnels dienen sollen.[16]

Die Hauptbaumaßnahmen sollen 2026 beginnen.[15] Die Bauzeit wird von der Deutschen Bahn mit „rund sechs Jahren“ veranschlagt.[17] Der Tunnel soll auf einer Länge von 10 km[1] mit zwei Tunnelvortriebsmaschinen vom Flughafen aus vorgetrieben werden. Im Stadtgebiet von Leinfelden soll er mehr als 40 m unter der Oberfläche liegen.[13]

Die Inbetriebnahme ist Ende 2032 geplant.[15]

Positionen und Kritik

Der Stuttgarter Oberbürgermeister Frank Nopper befürwortet den Tunnel.[18] Der Bundestagsabgeordnete Matthias Gastel knüpfte eine Änderung des S21-Finanzierungsvertrags für den Gäubahntunnel an die Bedingung, dass die CDU eine Ergänzungsstation am Hauptbahnhof mittrage, die Voraussetzung für das Wachstum auf der Schiene sei.[19]

Im Februar 2022 bezeichnete der Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Michael Theurer den Tunnel als „die verkehrlich richtige Lösung“.[20]

Die Mitglieder des Interessenverbands Gäu-Neckar-Bodensee-Bahn haben sich einstimmig für den Bau des Tunnels ausgesprochen, wie dessen Vorsitzender Guido Wolf Anfang April 2022 mitteilte.[21]

Einzelnachweise

  1. a b c d e f Natalie Kanter: Die Tunnelpläne für die Gäubahn werden konkreter. In: Stuttgarter Nachrichten. Band 77, 26. März 2022, S. I.
  2. Fritz Heimberger: Wasser für das Chorherrenstift – Der Sindelfinger Mönchsbrunnen, online auf zeitreise-bb.de, abgerufen am 23. März 2022.
  3. a b c d ABS Gäubahn Abschnitt Nord: Übersichtslageplan: Lage Bauwerke. (PDF in ZIP) Vorabzug 15.03.2022. (Nicht mehr online verfügbar.) In: bieterportal.noncd.db.de. DB Engineering & Consulting, 15. März 2022, ehemals im Original; abgerufen am 2. April 2022 (Datei A3.1 Übersichtslageplan ABS Gäubahn Nord.pdf).@1@2Vorlage:Toter Link/bieterportal.noncd.db.de (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven)
  4. a b Claudia Steffan: Bundesverkehrswegeplan 2030 – Teil Schiene Projektdossier Planfall 040b. (PDF) In: bvwp-projekte.de. Trimode TTS, Intraplan, 8. März 2021, S. 2, 4, abgerufen am 23. März 2022.
  5. a b DB Projekt Stuttgart-Ulm GmbH (Hrsg.): Ergänzung der Variante „Gäubahntunnel“ in der Variantendiskussion zum Planfeststellungsverfahren PFA 1.3b Gäubahnführung. 5. März 2021 (baden-wuerttemberg.de [PDF]).
  6. Gäubahn in den Tunnel?. stuttgarter-nachrichten.de, 25. Juni 2020
  7. Thomas Durchdenwald: S-21-Projektpartner rücken vom Gäubahntunnel ab. In: Stuttgarter Zeitung. Band 76, 17. Oktober 2020, S. 25 (online).
  8. Jetzt für morgen: Der Erneuerungsvertrag für Baden-Württemberg. (PDF) In: gruene-bw.de. Bündnis 90/Die Grünen Baden-Württemberg, CDU Baden-Württemberg, 5. Mai 2021, S. 124 f., abgerufen am 9. Mai 2021.
  9. Natalie Kanter: Wo für den Gäubahntunnel gebohrt wurde. In: Stuttgarter Nachrichten. Band 76, 10. Dezember 2021, S. I.
  10. Deutschland-Stuttgart: Projektmanagement im Bauwesen. In: ted.europa.eu. 13. April 2022, abgerufen am 23. April 2022.
  11. Gabriel Menke: Grobterminplan. (PDF/ZIP) Anlage 10. (Nicht mehr online verfügbar.) In: bieterportal.noncd.db.de. Deutsche Bahn, 8. April 2022, ehemals im Original; abgerufen am 13. April 2022 (Datei A10 Grobterminplan.pdf in verschachtelter ZIP-Datei).@1@2Vorlage:Toter Link/bieterportal.noncd.db.de (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven)
  12. „Management im Glashaus“. In: Bahnprojekt Stuttgart–Ulm e. V. (Hrsg.): Bezug. Nr. 35, Juli 2022, ZDB-ID 2663557-4, S. 24–29 (PDF).
  13. a b Christian Milankovic: Bahn informiert über Tunnel für Gäubahn. In: Stuttgarter Nachrichten. Band 77, Nr. 67, 22. März 2022, S. 14 ([1]).
  14. Vorlage zur Beschlussfassung in der Sitzung des Lenkungskreises Stuttgart 21 am 02.05.2022 Vorabmaßnahmen
  15. a b c Gemeinsame Erklärung zur Planung und Realisierung der Ausbaustrecke Stuttgart – Singen – Grenze D/CH (Gäubahn, Abschnitt Nord (Stuttgart-Flughafen – Böblingen-Goldberg) und „P-Option“. (PDF) 18. Juli 2022, abgerufen am 19. Juli 2022.
  16. Stuttgart 21, PFA 1.3a, 5. PÄ „Flughafentunnel Ost — Aufweitungs- und Verzweigungsbauwerke“
  17. Bernhard Bauer, Olaf Drescher: Vorwort. In: Bahnprojekt Stuttgart–Ulm e. V. (Hrsg.): Bezug. Nr. 35, Juli 2022, ZDB-ID 2663557-4, S. 3 (PDF).
  18. Torsten Schöll: Bei Stadtbahn-Gala wird auch Kritik laut. In: Stuttgarter Nachrichten. Band 76, 13. Dezember 2021, S. 15.
  19. Konstantin Schwarz: S 21: Gastel warnt CDU und fordert Ergänzungsstation. In: Stuttgarter Nachrichten. Band 76, 21. September 2021, S. 15.
  20. Der Gäubahntunnel ist verkehrlich die richtige Lösung. stuttgarter-nachrichten.de, 11. Februar 2022
  21. Christian Milankovic: „Wir setzen auf die Tunnellösung“. In: Stuttgarter Nachrichten. Nr. 76, 1. April 2022, S. 5 (online).

Auf dieser Seite verwendete Medien

Bahnstrommast 7485 01.jpg
Autor/Urheber: Giftzwerg 88, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Bahnstrommast 7485‎ neben der Gäubahn im Wald bei Sindelfingen, ein Teil der Stromtrasse Stuttgart-Eutingen im Gäu.